Titel: Ueber Porion's Verfahren zum Concentriren und Abdampfen von Flüssigkeiten.
Fundstelle: Band 188, Jahrgang 1868, Nr. XIII., S. 23
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XIII. Ueber Porion's Verfahren zum Concentriren und Abdampfen von Flüssigkeiten. Nach einem Berichte von Prof. J. Nicklès in den Annales du Génie civil, 1867 p. 36, und einer Mittheilung in Les Mondes, t. XV p. 714, December 1867. Mit Abbildungen auf Tab. I. Porion's Verfahren zum Abdampfen von Flüssigkeiten. Das im Nachstehenden besprochene, in Frankreich patentirte Verfahren von Porion (in Wardrecques Saint-Omer) ist in allen Industriezweigen anwendbar, welche mit dem Concentriren oder Abdampfen von Flüssigkeiten zu thun haben, namentlich um die im Laufe der Processe entstandenen flüssigen Rückstände zur Verwerthung oder wenigstens in feste und unschädliche Form bringen zu können. Es gehört dahin das Abdampfen der Schlempe in Rübenzuckerfabriken und Branntweinbrennereien, das Concentriren der Soole in Salinen, das Abdampfen der Rückstände von der Fabrication des Chlors und der Anilinfarben, der vom Entschweißen der Wolle herrührenden Flüssigkeiten zur Gewinnung von Potasche, die Verarbeitung der von der Behandlung des Strohes und Holzes zu Papierzeug herrührenden Laugen auf Aetznatron u. s. w. Da diese Rückstände nicht in die in der Nähe der Fabriken etc. vorhandenen Wasserläufe gelangen dürfen, so müssen sie an Ort und Stelle weiter behandelt werden. Zur Lösung dieser wichtigen, für manche Anlagen gewissermaßen eine Lebensfrage bildenden Aufgabe konnte nur die Wärme dienen; allein es mußten Mittel zur wohlfeilen Benutzung dieses Agens aufgefunden werden, da in den meisten Fällen nicht daran gedacht werden durfte, besonders geheizte Feuerungen zu diesen Zwecken anzuwenden. Porion kam auf den Gedanken, die durch die Essen der Fabriken entweichenden heißen Gase zur Verdampfung der genannten, an sich fast werthlosen Flüssigkeiten zu benutzen. Er läßt diese Gase an das eine Ende eines etwa fünfzehn Meter langen Raumes treten, welcher an verschiedenen Stellen mit Rührvorrichtungen versehen ist, um die Oberfläche der Flüssigkeit zu vergrößern und der Wärme unablässig neue Angriffspunkte darzubieten. Der nöthige Zug wird durch die Temperatur der Gase hervorgerufen, welche am anderen Ende des Verdampfungsraumes durch eine Zugesse entweichen. Fig. 15 ist ein senkrechter Durchschnitt durch die Achse des Verdampfungsraumes und der Esse; Fig. 16 ist ein ebenfalls senkrechter, zu dieser Achse rechtwinkeliger Durchschnitt. a, a Calciniröfen zum Einäschern des Verdampfungsrückstandes; b Feuerung zur weiteren Behandlung der erhaltenen Producte, nachdem dieselben einen den Brennmaterialaufwand deckenden Werth erlangt haben; c, c Züge für die Einäscherungsöfen; d gußeiserne Platten, welche, um die den Oefen zugeführte Luft gehörig zu vertheilen, von kleinen Oeffnungen durchbrochen sind; e Abdampfungsraum; F, F Schaufelräder zum Umrühren und zur Vertheilung der abzudampfenden Flüssigkeit; g, g Welle, an welcher diese Räder befestigt sind; h Zapfenlager dieser Welle; i Riemenscheibe zur Uebertragung der Bewegung des Motors auf die Welle; j, j Thüren zum Reinigen des Ofens; k Esse; l Schwimmer zum Reguliren des Zuflusses der abzudampfenden Flüssigkeit in den Verdampfungsraum; m eiserne Verankerungen; n, n gußeiserne Bodenplatten für die Einäscherungsöfen und die Herde b; o Oeffnung zum Reinigen der senkrechten Wandungen des Abdampfraumes. Während des Betriebes stellt sich das Gleichgewicht der Temperatur zwischen der zu verdampfenden Flüssigkeit und den Verbrennungsgasen sehr bald her; in Folge dieses Wärmeaustausches entsteht eine sehr rasche Verdampfung und die Gase ziehen aus der Esse in mit Feuchtigkeit gesättigtem Zustande ab. Vor dem ersten im Großen ausgeführten Versuche konnte man befürchten, daß der Zug durch die Temperaturerniedrigung, welche die heißen Gase bei der Verdampfung der Flüssigkeiten erleiden, ganz aufgehoben würde. Es ist aber Thatsache, daß wenn die Gase aus der Esse mit einer Temperatur von 80° C. entweichen, ein genügend starker Zug stattfindet und in den Feuerungen die Verbrennung gehörig vor sich geht. Ohne Zweifel spielt die geringe Dichte des Wasserdampfes bei diesem Resultate eine Rolle. — Der Apparat wird bereits in zahlreichen Fabriken mit dem besten Erfolge angewendet, z. B. in den Brennereien der HHrn. Lefebre zu Corbahem, Pelloy-Lelièvre zu Jouy, Lesaffre und Bonduel zu Marquette, Dubuisson zu Inchy, Guary zu Sernes in Artois, Gebrüder Lambelin zu Bondrus etc.; ferner in der Papierfabrik von Gebrüder Dambricourt zu Wizernes bei Saint Omer, und in der National-Papierfabrik zu Valvernier; in der Krappfabrik von Gebrüder Imer und Leenchard zu Sorques etc. Soll eine Flüssigkeit mittelst einer und derselben Operation abgedampft und eingeäschert werden, z. B. die Rübenschlempe, so wird dieselbe, nachdem sie in dem Abdampfraume gehörig concentrirt worden, in die Calcinir- oder Einäscherungsöfen gebracht, wo sie sehr bald eine reichliche Menge von Gasen entwickelt, deren Verbrennung dadurch befördert wird, daß man durch die zahlreichen engen Oeffnungen in der Platte d ein hinlängliches Quantum frischer Luft in die Oefen ziehen läßt. Bei zweckmäßiger Ausführung der beiden Operationen — des Abdampfens und des Calcinirens oder Einäscherns — bedarf man zur Gewinnung von 100 Kilogr. Potaschefluß nur 5 Kilogr. Kohle; aus dem erhaltenen Producte wird kohlensaures Kali, kohlensaures Natron, Chlorkalium, schwefelsaures Kali etc. nach den bekannten Methoden dargestellt. In Folge der Porion'schen Erfindung ist die Kaligewinnung aus Runkelrüben, welche seit der Concurrenz der Staßfurter Gruben so wenig gewinnbringend war, wieder zu einem sehr lohnenden Industriezweige geworden. Von großer Bedeutung ist das Porion'sche Verfahren für Papierfabriken, zur Verwerthung der von der Umwandlung des Strohes in Papierzeug mittelst Aetznatron zurückbleibenden, alkalihaltigen Flüssigkeiten. In Folge der Seltenheit der Hadern ist das Stroh zu einem Rohmaterial für die Papierfabrication geworden, dessen Werth um so größer, je billiger es zu haben ist. Die wesentlichste Aufgabe bei dessen Behandlung für den in Rede stehenden Zweck besteht darin, die Holzfaser von den dieselbe incrustirenden fremden Substanzen zu befreien, so daß sie sich gehörig verfilzen kann. Diese fremdartigen Substanzen sind: verschiedene Fettstoffe, harzartige Körper, Kieselsäure, Phosphorsäurefalze, ein dem Quercitrin ähnlicher Farbstoff und eine geringe Menge von schwefelsauren und salzsauren Salzen. Die wichtigste dieser Substanzen ist die Kieselsäure; 100 Kilogr. Stroh enthalten von derselben etwas weniger als 2 Kilogr. (nach den in dem Werke von Isidor Pierre über das Getreide mitgetheilten Analysen 1,8 Kilogr.). Die Kieselsäure ist in den verschiedenen Organen der Pflanze sehr ungleich vertheilt; die Blätter z. B. enthalten davon mehr als die Internodin (das Merithallium) und diese sind wiederum reicher daran als die Knoten. Wo diese Mineralsubstanz in einem organischen Gewebe, z. B. in den Geweben der Getreidepflanzen, zugegen ist, wird sie von Aetzalkalien sehr leicht gelöst, daher der Gedanke sie aus dem Stroh durch Behandlung desselben mit Natronlauge zu entfernen, bei der Benutzung dieses Rohmateriales gleich anfänglich bei den Papierfabrikanten auftauchte. Indessen ward die praktische Ausführung dieses Verfahrens lange durch die Schwierigkeit gehindert, daß die Knoten der Halme der Zerfaserung hartnäckig widerstanden oder wenigstens dazu eine langwierige Behandlung erforderten. Zur Beseitigung dieser Schwierigkeit wird das Stroh vor seiner Behandlung mit Alkalilauge gewalzt, d. h. durch Walzen mehr oder weniger vollständig zerquetscht, wodurch die Knoten zerbrochen und zerrissen werden, so daß die Lauge sie ganz durchdringen und die Kieselsäure in der zur Zerfaserung des Strohes selbst erforderlichen Zeit lösen kann. Man nimmt zu diesem Zwecke auf 100 Kil. Stroh: kohlensaures Natron (calcinirte Soda) 17 Kil. Aetzkalk 13 Kil. und 1000 Liter Wasser einschließlich der Wassermenge, welche von der Condensation des zum Erhitzen des Bades angewendeten Dampfes herrührt. Hat sich die Flüssigkeit wohl geklärt, wozu ungefähr zwei Stunden erforderlich sind, so zapft man sie in einen das gewalzte Stroh enthaltenden Bottich ab; die Lauge hat dann die Stärke von 2½° Baumé, nach Vollendung der Operation dagegen ist sie 3° stark; ihre Dichtigkeit hat also zugenommen, was auch der Fall feyn muß, da die Flüssigkeit die verschiedenen Stoffe, welche das Stroh bei seiner Zerfaserung abgab, gelöst hat. Damit ist das erste Stadium des Verfahrens beendet; wir übergehen das zur Beseitigung des überschüssigen Alkalis erforderliche Auswaschen des mit der Lauge gekochten Strohes und besprechen auch das Verfahren zum Bleichen des Strohzeuges nicht, welches letztere in Folge der Gegenwart des durch das Natron fixirten braunen Farbstoffes, sowie eines geringen Gehaltes an einer beim Auswaschen entstandenen ulminähnlichen Substanz, braun gefärbt erscheint. Die im Vorstehenden mitgetheilten Einzelheiten waren zum Verständniß der Beschaffenheit der bei diesem Processe bleibenden alkalischen Rückstände erforderlich. Der Specification des Patentes zufolge könnte man glauben, daß zur vollständigen Wiedergewinnung des Natrons die alkalische Flüssigkeit nur zur Trockne verdampft und der Salzrückstand eingeäschert oder bei Luftzutritt geglüht zu werden braucht. Dieß ist jedoch nicht der Fall.″ „Bei mehreren, in verschiedenen Papierfabriken abgeführten Versuchen, schreibt Porion an Prof. Nicklès in Nancy, wurden allerdings 90 Proc. des verwendeten kohlensauren Natrons wiedergewonnen. Sicherlich würde noch mehr regenerirt worden seyn, wenn auf die Manipulationen beim Aetzendmachen der Soda und auf das Auswaschen des Strohzeuges größere Sorgfalt verwendet worden wäre. Diese Operationen sind den Papierfabrikanten ganz neu und sie haben sich daher noch nicht mit den zu einer systematischen Ausführung derselben erforderlichen Geräthschaften versehen.“ Somit lassen sich durch das Regenerationsverfahren doch 90 Proc. der angewendeten Soda wiedergewinnen. Bei Berücksichtigung der mit diesem Verfahren verknüpften Verlustquellen wird man einen solchen Betrag ganz annehmbar finden. Die bedeutendste dieser Verlustquellen wird durch eine eigenthümliche Neigung der Pflanzenfaser, Alkalien mit großer Hartnäckigkeit zurückzuhalten, bedingt; die Faser entzieht die Alkalien sogar den Flüssigkeiten, welche solche enthalten und gibt sie nur nach und nach und bei fortwährendem Auswaschen wieder ab. Diese den Wäscherinnen wohlbekannte Thatsache tritt auch bei der Behandlung des Strohes auf, und wird bezüglich der von Porion beklagten Verluste immer von großer Bedeutung bleiben. In der zur Behandlung des Strohes angewendeten Lauge ist das Natron theilweise neutralisirt. Ein Antheil desselben ist in kieselsaures Natron umgewandelt; ein zweiter Antheil hat sich mit den organischen Substanzen, den Fetten, Harzen, Farbstoffen, sowie mit dem ulminartigen Körper, also mit Substanzen verbunden, welche sämmtlich durch höhere Temperatur zerstörbar sind und an der Luft unter Bildung einer großen Menge Kohlensäure verbrennen, so daß der (schmelzbare) Salzrückstand, wie er aus dem Calcinirofen kommt, fast gänzlich aus kohlensaurem und kieselsaurem Natron, mit etwas von dem Strohe herrührenden Kali besteht. Diese Salze sind größtentheils in Wasser löslich und lassen sich auf die gewöhnliche Weise mittelst Aetzkalk unter Ausscheidung eines Gemenges von kohlensaurem und kieselsaurem Kalke wieder zu Aetznatron umwandeln. Das kieselsaure Natron Zersetzt sich hierbei zum größeren Theile, so daß das Natron auch dieses Salzes wieder in den Kreislauf der Fabrication zurückkehrt. Von dieser Beschaffenheit würde der Salzrückstand (der „Fluß“) seyn, wenn die Verdampfung in einer staubfreien Atmosphäre stattgefunden hätte. In dem vorliegenden Falle wird er kalkige, kieselige oder eisenhaltige Beimengungen enthalten, welche von dem Rauche und den Dämpfen herrühren, die beim Concentriren entstanden; doch verursacht die Gegenwart derselben keine Schwierigkeiten, da sie beim Aetzendmachen zurückbleiben, also die Lauge selbst nicht verunreinigen. Der von Porion mit seinem Verfahren bei der Behandlung der Schlempe erzielte günstige Erfolg läßt ein Gleiches hoffen von der Anwendung dieses Verfahrens zur Verdampfung von Flüssigkeiten, welche krystallisirbare Substanzen enthalten. Bezüglich der letzteren finden indessen Ausnahmen statt, denn nicht alle derartigen Flüssigkeiten passen für ein Abdampfsystem, bei welchem sie Verunreinigungen ausgesetzt sind. Zu diesen Ausnahmefällen gehören die vom Entschweißen oder Entfetten der Wolle herrührenden Waschwässer, welche auf natronfreie PotascheDas aus dem Schafwollschweiße dargestellte kohlensaure Kali ist nach Balard nicht völlig natronfrei; man s. polytechn. Journal Bd. CLXXXII S. 395. verarbeitet werden sollen; letztere ist von den Krystallglashütten sehr gesucht, weil solches Kali das aus ihm fabricirte Glas nicht färbt, während natronhaltiges Glas eine dem Auge nicht angenehme grünliche Färbung zeigt. Wollte man eine solche Flüssigkeit beim Eindampfen der Einwirkung der aus einem Fabrikschornsteine entweichenden Dämpfe aussetzen, so würde man sie mit Gewalt verunreinigen, namentlich mit Natron; denn die genannten Dämpfe sind mit Staubtheilchen beladen, welche soviel Natron und Eisen enthalten, daß dadurch das darzustellende Kalisalz verdorben werden würde. Eine zweite Ausnahme findet auf Salinen statt, welche, wie z. B. die des Meurthe-Departements, mit gesättigter Soole arbeiten. Einer solchen Flüssigkeit braucht nur wenig Wasser entzogen zu werden, um sie auf den Krystallisationspunkt zu bringen, und da im Handel hauptfächlich klein- und feinkörniges Salz verlangt wird, so ist es nothwendig, die Soole gehörig in Bewegung zu erhalten, was durch Menschenhand, mit Anwendung von Krücken, geschieht. Die Rührvorrichtungen, mit denen Porion die zu verdampfende Flüssigkeit umrührt, würden in diesem Falle schlechte Dienste leisten, denn das Salz würde sich beim Krystallisiren an die Schaufeln fetzen und das Gewicht derselben vermehren; bestehen aber die Schaufeln aus Metall, z. B. aus Eisen, so würde sich bald Eisenoxyd bilden und das Product färben; endlich sind die um die Schaufeln sich ansetzenden Salzkrusten nicht gut verkäuflich; auch lösen sich diese Krusten von Zeit zu Zeit ab, vermengen sich mit dem unter ihnen liegenden Salze und ertheilen diesem ein schlechtes Ansehen. Die vorstehenden Bemerkungen gelten auch für die Salinen, welche ihre Soole durch Gradiren concentriren. In Folge der von den Herdgasen fortwährend mitgerissenen Unreinigkeiten ist also das beschriebene Porion'sche Verfahren für die vorstehend erwähnten Fälle nicht anwendbar. Der Erfinder ersetzt daher für diese Fälle die Herdgase durch heiße Luft, wobei das Princip dasselbe bleibt und das Verfahren nur in Bezug auf den Kostenpunkt abweicht, indem die Anwendung von erhitzter Luft eine Erhöhung des Brennmaterialverbrauches bedingt. Jedenfalls ist Porion's Abdampfungsverfahren das in pecuniärer Beziehung vortheilhafteste unter allen bisher zur Anwendung gekommenen; nach demselben kann man zu jeder Zeit und ohne jeden Zeitverlust arbeiten.

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