Titel: | Der amerikanische Anti-Incrustator. |
Fundstelle: | Band 188, Jahrgang 1868, Nr. XXVIII., S. 99 |
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XXVIII.
Der amerikanische
Anti-Incrustator.
Der amerikanische Anti-Incrustator.
Nachdem in diesem Journale schon bei mehreren Gelegenheiten die unter dem Namen
Anti-Incrustator bekannte Baker'sche Vorrichtung
besprochen worden ist, so erscheint es schon deßhalb als nothwendig, auch andere
Vorschläge dieser Art nicht unerwähnt zu lassen, um der Literatur dieses
Gegenstandes Rechnung zu tragen. Ueber einen derartigen neuen Vorschlag berichtet
eine auf dem Continente durch ihre rühmlichen Leistungen wohlbekannte Quelle. In dem
Journal of the
Franklin Institute (vol. LV p. 121, Februar 1868) finden wir
nämlich eine umfassende Erörterung eines Hrn. C. M. Cresson über seine mit dem „amerikanischen
Anti-Incrustator“ ausgeführten
Experimental-Untersuchungen. Ohne nun auf das Detail der letzteren
einzugehen, mag es ausreichen zu erwähnen, daß dieser sogen. Anti-Incrustator
von dem Baker'schen wesentlich verschieden ist. Der
amerikanische Änti-Incrustator besteht nämlich in seiner einfachsten Form aus
einem geraden, an seinem Nordpole zugespitzten Stahlmagneten, der im Dampfraume
horizontal angeordnet ist, so daß sein Südpol mit der Kesselwand metallisch in
Berührung steht, während er an seinem anderen Ende mittelst eines isolirenden
Halters schwebend erhalten wird. Für einen kurzen Dampfkessel reiche es aus, einen
Magnetstab in der Nähe seines Südendes mittelst eines isolirenden Halters horizontal
einzuspannen und den Südpol durch einen Draht mit der abgewendeten Stelle der
Kesselwand zu verbinden. Für große Dampfkessel soll anstatt des einfachen Stabes ein
Bündel von geraden Stahlmagneten verwendet werden, deren Nordenden zugespitzt und
wieder isolirt bleiben, während die sämmtlichen Südpole durch ein Metallstück
vereinigt werden sollen, das isolirt aufzuhängen sey, so daß das Magnetbündel eine
horizontale Lage annimmt, das freie Ende des Metallstückes aber wieder durch einen
Draht od. dgl. mit der abgewendeten Seite der Kesselwand metallisch in Verbindung
gesetzt wird. Bei großen Dampfkesseln können mehrere Vorrichtungen der
letztgenannten Art im Dampfraume gleichzeitig angebracht werden; in allen Fällen müssen jedoch die
Nordenden frei und isolirt, die Südpole aber mit der Kesselwand metallisch in
Verbindung gebracht werden.
Aus den mit solchen Vorrichtungen angestellten Versuchen mag hervorgehoben werden,
daß wenn ein unmagnetisirter Stahlstab in Anwendung gebracht wurde, der letztere
während des Verdampfens des Wassers polarisch magnetisch geworden sey, und zwar so,
daß das freie Ende ein Südpol wurde: hierbei bildete sich aber rasch die
Incrustation. — In Gegenwart des in genannter Weise angeordneten Magnetstabes
aber konnte von incrustirten Dampfkesseln die Kruste befreit und das weitere
Ansetzen verhindert werden. Diese Thätigkeit hörte aber auf und wurde sogar in die
entgegengesetzte verwandelt, wenn der Magnetstab nicht von Neuem in der vorigen
Weise magnetisirt wurde, da derselbe (wie es auch nothwendig seyn muß, wenn ein
Stahlmagnet einer sehr hohen Temperatur andauernd ausgesetzt wird) seinen
permanenten Magnetismus nach und nach verlor. Die Wirksamkeit des
Anti-Incrustators selbst soll aber dabei von der Bedingung abhängig seyn, daß
der Dampfstrom im Dampfraume nur nach der Richtung gehen und ausströmen könne, daß
er vom Südende des Magnetstabes oder Magnetbündels gegen das Nordende hinströmt.
Wenn aber der Dampfstrom die entgegengesetzte Richtung annehmen würde, so werde
nicht bloß die Wirksamkeit jener Vorrichtung verzögert, sondern sogar auch
aufgehoben.
Daß nun der erwähnten Vorrichtung eine solche Thätigkeit zugeschrieben werden dürfe,
schließt Cresson namentlich aus dem Umstände, daß, wenn
der Stahlmagnet durch einen sehr kräftigen Elektromagneten ersetzt wird, das
Ansetzen von Kesselstein in gereinigten Dampfkesseln immer, und das Decrustiren von
Dampfkesseln, die mit Kesselstein besetzt sind, so rasch erfolge, daß in wenigen
Stunden das bewirkt werden könne, was mit dem gewöhnlichen Apparate erst nach Wochen
oder Monaten zu Stande komme.
Ueber das Detail seiner Versuche gibt Cresson hier nichts
weiter an, als daß er die Anwesenheit von elektrischen Strömen mittelst eines
außerhalb des Dampfkessels angebrachten Galvanometers untersuchte, von welchem das
eine Drahtende mit der Kesselwand in Berührung gebracht, das andere aber isolirt
durch den Dampfraum bis zum Wasser im Kessel versetzt wurde; hierbei habe er einen
Stromwechsel wahrgenommen, je nachdem das Nord- oder Südende des Magnetstabes
mit dem Dampfkessel in Verbindung war. Aus diesen Versuchen läßt sich natürlich
nicht schließen, daß durch die bloße Anwesenheit des Magnetstabes im Kesselraume
irgend welche elektrische Strömung zu Stande käme, während beim Einschalten des
Galvanometers mit den Galvanometerdrähten meterdrähten ganz andere Umstände auftreten, die mit der
Thätigkeit des als Anti-Incrustator dienenden Magnetstabes nichts gemein
haben. Die von Cresson zur Erklärung der von ihm
beobachteten Erscheinungen beigebrachten Ansichten aber sind so weit hergeholt, daß
wir auf eine weitere Berücksichtigung derselben nicht eingehen können, und zwar um
so weniger, als es bloß unsere Absicht war, unter Anderem hier zu zeigen, daß die
früher besprochene Baker'sche Vorrichtung selbst in
Amerika kein Vertrauen sich erwerben konnte. — Nicht uninteressant dürfte es
seyn, noch hinzuzufügen, daß der Bericht des Hrn. Cresson
auf Veranlassung des Hrn. J. Harper,
Geschäfts-Vorstandes der American
Anti-Incrustation Company, erstattet worden ist.