Titel: | Ueber das Walzen mit Zwillingsmaschinen ohne Schwungrad; von R. Daelen jun. |
Fundstelle: | Band 188, Jahrgang 1868, Nr. XXXVII., S. 115 |
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XXXVII.
Ueber das Walzen mit
Zwillingsmaschinen ohne Schwungrad; von R. Daelen
jun.
Aus der Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure,
1868, Bd. XII S. 154.
Daelen, über das Walzen mit Zwillingsmaschinen ohne
Schwungrad.
Das Project, bei Walzenstraßen, welche mit Zwillings-Dampfmaschinen direct
getrieben werden, ohne Schwungrad zu arbeiten,Man s. die betreffende Mittheilung im polytechn. Journal Bd. CLXXXV S.
478. hat drei Hauptveranlassungen; es erscheint als
durchaus vortheilhaft und im Principe richtig; die Versuche, welche in Hoerde damit
gemacht wurden, belehrten uns jedoch eines anderen.
Der erste Vortheil, welchen man dabei im Auge hatte, war Ersparniß der Kraft, welche
zur Bewegung der todten Masse und Ueberwindung der durch das Gewicht des Rades
entstehenden größeren Reibung in den Achsenlagern erfordert wird
Es würde ferner die Gefahr des Brechens einzelner Theile der Walzenstraße vermindert
werden, weil bei Eintritt eines Hindernisses die Maschine stehen bleiben würde.
Drittens wäre das Problem des Vor- und Rückwärtswalzens durch Umsteuerung der
Dampfmaschine selbst auf die einfachste Weise gelöst.
Die Zwillings-Dampfmaschine der neuen Schienen- und Façoneisenstraße in
Hoerde hat Cylinder von 36 Zoll (940 Millimet.) Durchmesser und einen Kolbenhub von
48 Zoll (1,25 Met.). Die höchste Dampfspannung in den Kesseln beträgt 5 Atmosphären
Ueberdruck. Sie ist mit Meyer'scher Expansionssteuerung
versehen, so daß der Kraftverbrauch bei jeder Dampfspannung genau regulirt und
ermittelt werden kann.
Diese Maschine dient augenblicklich zum Betriebe eines Walzentrains von fünf
Ständerpaaren, deren erstes ein Universalwalzwerk und die übrigen vier je 3
Schienen- oder Façoneisenwalzen von 24 Zoll (630 Millimet.) Ballendurchmesser
enthalten.
Das Schwungrad hat einen äußeren Durchmesser von 24 Fuß (7,5 Met.), ein Gewicht von
50,000 Pfd., 35,000 der Kranz und 15,000 der Stern.
Es wurde behufs des Versuches der Schwungring abgenommen, und zur Balancirung der
Kurbel, Kolben- und Flügelstangen beider Maschinen ein Gegengewicht der
Kurbel gegenüber zwischen die Arme des Radsternes angebracht. Die Maschine arbeitete
leer oder mit der leeren Walzenstraße ziemlich gleichmäßig; doch zeigte sich sofort,
daß beim Steuern derselben große Aufmerksamkeit nothwendig war, denn bei 40 bis 50
Pf. (2,9 bis 3,7 Kilogrm. per Quadratcentimeter)
Dampfspannung erreichte sie mit dem leeren Train durch plötzliches Oeffnen der
Drosselklappe in 7 bis 8 Umdrehungen eine Geschwindigkeit von 70 bis 80 Umdrehungen,
wenn dieselbe vorher 15 bis 20 war.
Beim Walzen von Eisenschienen genügte bei dieser Spannung noch eine Cylinderfüllung
von ⅝ bis ¾, um bis zu Ende eine mäßige Geschwindigkeit zu erzielen.
Stahlschienen erforderten jedoch hierbei volle Füllung und ganz geöffnete
Drosselklappe. Während mit Schwungrad der Dampfvorrath genügt, um eine Charge von 20
Gußstahlschienen ohne Unterbrechung fertig zu stellen, wobei die Spannung in den
Kesseln von 65 auf 25 Pfd. (von 4,75 auf 1,8 Kilogrm. per Quadratcentimeter) heruntersank, mußte jetzt gewöhnlich schon nach der
achten Schiene gewartet werden, und da alsdann bei 40 bis 50 Pfd. (2,9 bis 3,7
Kilogram.) ohne Expansion gearbeitet werden mußte, so war nach der zwölften Schiene
ein abermaliges Dampfsammeln nothwendig. Während also früher zur Fertigstellung von
20 Schienen 1 Stunde genügte, dauerte dieß jetzt 1¾ bis 2 Stunden.
Um diese auffallende Erscheinung zu erklären, muß ich angeben, wie die Maschine
während des Walzens arbeitete:
Bevor das Packet eingesteckt wurde, setzte der Maschinist die Maschine in große
Geschwindigkeit durch geringes Oeffnen der Drosselklappe. Sobald die Walze faßte,
verminderte sich die Geschwindigkeit sofort bedeutend, und nur durch rasches Oeffnen
wurde das gänzliche Stillstehen verhindert. Waren jetzt Dampfspannung und Expansion
so regulirt, daß die Maschine nur die erforderliche Kraft nachlieferte, so gieng das
Stück mit der geringen Geschwindigkeit durch; war aber durch Weglassung der
Expansion und Anwendung einer Spannung von 60 bis 70 Pfd. (4,4 bis 5,1 Kilogrm. per Quadratcentimeter) Kraftüberschuß vorhanden, so
konnte allerdings flott gewalzt werden, auch wenn vor dem Griff der Walze keine große
Geschwindigkeit erzielt war, indem dieselbe dann während des Walzens zunahm.
In beiden Fällen jedoch läßt sich ein großer Dampfverlust nicht vermeiden; in dem
ersten Falle durch das Leerlaufen und zu langsame Walzen, wodurch das Stück zu sehr
erkaltet; in dem letzteren Falle durch den Mehrverbrauch von Kraft, welcher durch
die Beschleunigung während des Walzens bedingt wird.
Letzterer Umstand erklärt auch direct, warum die Brüche von Muffen und Spindeln nicht
vermindert wurden; alle Theile wurden während des Walzens um so viel mehr
angestrengt, als der zur Beschleunigung erforderliche Ueberdruck bedingte.
Beim Walzen mit Schwungrad dagegen hat die Maschine nur die wirklich erforderliche
Kraft nachzuliefern, da die Verzögerung beim Griffe der Walzen nur eine sehr geringe
ist. Außerdem wird die während des Leergehens producirte Kraft gesammelt und wieder
nützlich verwerthet.
Die Nachtheile des Walzens ohne Schwungrad machen sich namentlich auf der Vorwalze
bemerkbar, wo das Stück noch kurz ist, durch öfteres Oeffnen und Schließen der
Regulirvorrichtungen also am meisten Dampf verloren geht.
Es läßt sich also hieraus entnehmen, daß für Façoneisenwalzwerke direct wirkende
Zwillingsmaschinen ohne Schwungrad nicht vortheilhaft sind. Dagegen hat sich
erwiesen, daß bei gleichmäßigem Kraftverbrauch der Gang der Maschine hinlänglich
regelmäßig ist, um dieses System für den Walzproceß anzuwenden, und würde dieß z. B.
bei einem Bandagenwalzwerk für geschlossene Ringe der Fall seyn.
Bei einem Blechwalzwerke würde auch vielleicht gut gearbeitet werden können, weil
hier geringere Geschwindigkeit erforderlich ist; jedoch würde in der Anlage durchaus
Nichts erspart werden, weil die Dampfmaschine so viel schwerer construirt werden
muß, und im Betriebe würde die Schwierigkeit des Steuerns immer ein Nachtheil
bleiben.
In Crewe in England hat Hr. Ramsbottom ein Blechwalzwerk
gebaut, bei welchem eine rasch gehende Zwillingsmaschine ohne Schwungrad durch
Zahnradübersetzung die langsamer gehende Walzenstraße treibt. Hierbei vermindert
sich der Dampfverlust, weil eine kleinere Maschine verhältnißmäßig weniger Dampf
beim Leergange verbraucht. Für eine schnell gehende Walzenstraße würde sich jedoch
diese Anordnung nicht empfehlen, weil die übermäßig rasch gehenden Dampfmaschinen
schon an sich arge Dampfschlucker sind, und außerdem bei Anbringung von Umsteuerung
das große Zahnrad auf der Walzenwelle als Schwungrad unvortheilhaft wirken
würde.
Die Anwendung von Zwillings-Dampfmaschinen zum Betriebe von Walzwerken ist
indeß in jedem Falle empfehlenswerth, da alsdann das Schwungrad möglichst leicht
genommen werden kann. Die Maschine des Stahlwalzwerkes in Hoerde ist so kräftig
construirt, daß sie auch mit nur einem Cylinder die Walzenstraße treibt; indessen
haben die Versuche erwiesen, daß es in Bezug auf Dampfverbrauch vortheilhafter ist,
mit beiden Cylindern und alsdann mit starker Expansion zu arbeiten.
Es würde also jetzt unsere Aufgabe seyn, auf theoretischem Wege und durch Versuche zu
bestimmen, wie weit man mit der Verminderung des Schwungradgewichtes bei
Zwillings-Dampfmaschinen gehen kann, ohne in die Nachtheile der Anwendung
eines zu geringen Schwunggewichtes zu fallen.