Titel: | Ueber die Absorption der Gase durch Metalle; von W. Odling. |
Fundstelle: | Band 188, Jahrgang 1868, Nr. XL., S. 130 |
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XL.
Ueber die Absorption der Gase durch Metalle; von
W. Odling.
Aus Les Mondes, t. XVI p. 208; Januar
1868.
Odling, über die Abforption der Gase durch Metalle.
I Die merkwürdige, zuerst von H. Sainte-Claire Deville beobachtete Eigenschaft des homogenen Eisens und
Platins, im rothglühenden Zustande von Wasserstoffgas durchdrungen zu werden, ist
nicht bloß diesen beiden Metallen eigenthümlich: denn Graham hat kürzlich nachgewiesen, daß sie in weit stärkerem Grade auch bei
dem Palladium auftritt, und zwar sogar bei Temperaturen,
welche weit unter dem Rothglühen liegen. Wenn ein aus geschmiedetem Palladium
angefertigtes Rohr luftleer gemacht wird, so bewahrt es, wenn es zum Rothglühen
erhitzt wird, dieses Vacuum vollständig, sofern es von atmosphärischer Luft umgeben
ist; in einer Wasserstoffatmosphäre hingegen bleibt es
bei + 100° C. noch luftleer; bei 240° C. läßt es etwas von dem Gase
eintreten; aber bei 265° und einer dem Rothglühen nahe liegenden Temperatur
findet ein ununterbrochener Eintritt bedeutender Gasmengen in das Innere des Rohres
statt, in welchem mittelst des Sprengel'schen Aspirators
das Vacuum hergestellt ist. Wird das Rohr unter gleichen Verhältnissen mit einer Leuchtgas atmosphäre umgeben, so dringt allein das in
derselben in freiem Zustande enthaltene Wasserstoffgas in das Rohr ein, während die
anderen gasförmigen Gemengtheile, aus denen das Steinkohlengas zusammengefetzt ist,
durch das erhitzte Palladium ebenso wirksam ausgeschlossen werden, wie bei anderen
Versuchen durch weißglühendes Platin.
Diese Transmission des Wasserstoffgases durch die Substanz verschiedener Metalle
hindurch gehört einer ganz anderen Kategorie von Erscheinungen an, als die durch die
physikalischen Wirkungen der Transpiration und der Diffusion bewirkte Transmission
gasförmiger Körper im Allgemeinen. Die Erscheinung ist offenbar durch eine specielle
Beziehung jenes Gases zu dem Metalle bedingt, und ihrem Auftreten geht, wie Graham nachgewiesen hat, eine Absorption des Gases oder
eine Zurückhaltung (Occlusion) desselben in der Substanz des Metalles voraus.
II. Aus geschmolzenem und dann erstarrtem Platin
dargestellter Draht wurde zum Rothglühen erhitzt und in einer Atmosphäre von
trockenem Wasserstoffgase einem langsamen Erkalten überlassen. Nach dem Erkalten
blieb er einige Zeit lang an freier Luft liegen, und wurde darauf in ein aus hartem
Glas bestehendes Rohr oder in ein Porzellanrohr gebracht, welches dann mittelst des
Sprengel'schen Aspirators evacuirt wurde. Sobald das Rohr
vollständig luftleer geworden war, wurde es zum Rothglühen erhitzt, und bald begann
das in demselben befindliche Platin Wasserstoff abzugeben, welcher mittelst des
Aspirators aufgefangen wurde, so lange diese Gasentwickelung anhielt. Die Menge des
Wasserstoffes betrug, in der Kälte gemessen, 21 Proc. vom Volume des Platindrahtes.
Man überzeugte sich, daß diese Absorption nicht von der Oberfläche des absorbirenden
Körpers bedingt wird, auf die Weise daß man den Draht um das Vierfache seiner
anfänglichen Länge auszog und dann den Versuch wiederholte, wobei sich ergab, daß
die Menge des absorbirten Gases sich keineswegs vermehrt hatte, sondern im
Gegentheil etwas geringer geworden war, indem sie nur noch 17 Proc. betrug.
Um den Einfluß der Textur (des Gefüges) des absorbirenden Körpers auf die in Rede
stehende Erscheinung kennen zu lernen, wurde ein analoger Versuch mit Platinschwamm angestellt, bei welchem sich fand, daß
dieses Präparat das 148fache seines Volums Wasserstoff absorbirte und wieder abgab.
Man stellte auch mit gewöhnlichem geschmiedeten Platin Versuche an und beobachtete
bei dreien dieser Versuche, welche unmittelbar nach einander angestellt wurden, daß
ein Stück dieses Platins 553, 493 und 383 Proc. seines Volums an Wasserstoffgas
— bei gewöhnlicher Temperatur gemessen und einem Mittelwerth von 476 Proc.
entsprechend — zurückgehalten hatte. Demnach entwickelt das Platin seine
größte Absorptionsfähigkeit in diesem intermediären Molecularzustande, in welchem es
poröser als in geschmolzenem, und dichter als in schwammigem Zustande ist. In runder
Zahl ausgedrückt, absorbirte 1 Volum dieses Platins ungefähr 5 Volume Wasserstoff,
welche bei der Temperatur des Versuches auf 15 Volume sich erhöhen würden. Um z. B.
15 Kubikcentimeter Wasserstoff durch Pressung auf das Volum von 1 K. C. zu
reduciren, würde ein Druck von 15 Atmosphären erforderlich seyn. Aber bei dem
Versuche waren diese 15 K. C. Wasserstoffgas nicht einfach in einem freien Raume von
1 K. C. condensirt, sondern in einem Raume von 1 K. C., welcher vollständig von
Platin erfüllt zu seyn schien, was jedoch in Wirklichkeit nicht ganz der Fall ist.
Nehmen wir an, daß die Poren des geschmiedeten Platins den tausendsten Theil seines
Volums betrugen, so würde die so eben angegebene Condensirung des Wasserstoffes der
durch einen Druck von 15000 Atmosphären erzeugten Verdichtung entsprechen.
Zur Nachweisung der großen Kraft, mit welcher der Wasserstoff vom Metalle
zurückgehalten wird, imprägnirte der Verfasser ein anderes Stück geschmiedetes
Platin auf die angegebene Weise mit dem Gase, und erhitzte es dann in einer luftleer
gemachten Röhre bei allmählich gesteigerter Temperatur. Nachdem es eine volle Stunde lang einer Hitze
von 200° C. ausgesetzt gewesen war, hatte sich nicht eine Spur Gas
entwickelt. Auch bei einer nur wenig unter deutlichem Rothglühen liegenden
Temperatur wurde kein Wasserstoffgas frei. Bei einer zum Erweichen des Glases
hinreichenden Temperatur (500° C.) wurden binnen zehn Minuten 1,72 K. C.
Wasserstoff aufgesammelt; als das Platin dann eine Stunde lang in einem
Verbrennungsofen erhitzt wurde, gab es noch 8,20 K. C. ab; im Ganzen also 9,92 K.
C., oder das 379fache Volum des beim Versuche angewendeten Platins. Dasselbe
Platinstück wurde, nachdem es mit Wasserstoff imprägnirt worden, in einer
zugeblasenen Glasröhre, die es fast gänzlich ausfüllte, zwei Monate lang aufbewahrt;
nach Verlauf dieser Zeit enthielt die Röhre nicht die geringste Spur von Wasserstoff
— ein Beweis dafür, daß das in ihr eingeschlossen gewesene Platin kein Gas
abgegeben hatte.
Die Absorption des Wasserstoffes vom Platin findet bei einer Temperatur statt, welche
weit niedriger ist als die, bei der das Gas wieder frei werden kann. So absorbirte
Blattplatin 76 Proc. seines Volums Wasserstoff bei 100° und 145 Proc. bei
230° C.
III. Das Palladium ist allem
Anschein nach ein in seinem Verhalten zum Wasserstoffe ganz eigenthümliches Metall.
Ein Blech von geschmiedetem Palladium, welches längere Zeit einer 245° C.
nicht übersteigenden Temperatur ausgesetzt gewesen und in einem Wasserstoffstrom
langsam erkaltet war, gab, als es darauf im Vacuum erhitzt wurde, nach Verlauf einer
Viertelstunde nicht weniger als das 52fache seines Volums Wasserstoffgas ab. Der
Verfasser beobachtete sogar, daß diese verhältnißmäßig niedrige Temperatur die für
die Absorption des Gases günstigste überstieg. Denn nachdem das Blech drei Stunden
lang einer zwischen 90 und 97° liegenden Temperatur ausgesetzt gewesen und
während anderthalb Stunden langsam erkaltet war, hatte es das 643fache seines Volums
an Wasserstoffgas, bei gewöhnlicher Temperatur gemessen, absorbirt. Selbst bei
gewöhnlicher Temperatur nimmt Palladium das 376fnche feines Volums Wasserstoffgas
auf, sobald es kurz vorher im Vacuum der Glühhitze ausgesetzt gewesen ist. Erhitzt
man Palladiumschwamm bei 200° in einem Wasserstoffstrom und läßt ihn dann
langsam erkalten, so gibt er hernach die 686fache Volummenge Gas ab. Trotz des sehr
geringen specifischen Gewichtes des Gases wird das absolute Gewicht des Metalles
durch diese beträchtliche Absorption von Wasserstoff merklich erhöht. Allein diese
Gasmenge wird von dem Metalle nicht vollständig zurückgehalten, denn an der Luft
wird ein Theil des im Palladium condensirten Wasserstoffes wieder frei, wenn auch
nur langsam. Der im
Palladium condensirte Wasserstoff vermag jene eigenthümlichen Reductionswirkungen
hervorzurufen, welche unter gewöhnlichen Verhältnissen nur von dem Gase im
Entstehungszustande hervorgebracht werden. Auch reducirt das wasserstoffhaltige
Palladium übermangansaures Kali rasch, entfärbt Jodstärke etc. — Ferner zeigt
sich das Absorptionsvermögen des Palladiums bei verschiedenen Flüssigkeiten in
verschiedenen Graden. So wurde z. B. beobachtet daß 1000 Volume Palladium in
Blattform 1 Volum Wasser, 5½ Volume Alkohol und 1½ Volume Aether
absorbirten: Erscheinungen welche auf eine gewisse Verwandtschaft dieses Metalles
für jene Flüssigkeiten hindeuten.
IV. Kupfer absorbirt in
Drahtform bei Rothglühhitze 30 Proc., in schwammartigem Zustande 60 Proc.
Wasserstoffgas. Gold vermag in der Form von Röllchen, in
welcher es der docimastischen Probe unterworfen wird, 48 Proc. Wasserstoffgas, 29 Proc. Kohlenoxydgas, 16
Proc. Kohlensäuregas und 20 Proc. atmosphärische Luft zu absorbiren; allein diese absorbirte Luft bestand
fast ganz aus Stickstoffgas. Bevor die Röllchen diese
Gase absorbirten, war es erforderlich, sie im Vacuum längere Zeit der Glühhitze
auszusetzen, um das von ihnen schon in der Muffel aufgenommene Gas zu verjagen.
Das Silber unterscheidet sich von den oben angeführten Metallen durch seine Neigung
Sauerstoffgas zu absorbiren. Bei verschiedenen
Versuchen absorbirte Silberdraht, zum Rothglühen erhitzt, 74 Proc. Sauerstoff und
beinahe 21 Proc. Wasserstoff. Silberschwamm absorbirte 722 Proc. Sauerstoff, 92 Proc. Wasserstoff, 52 Proc. Kohlensäure und 15 Proc.
Kohlenoxyd. Ein bei Rothglühhitze der Luft
ausgesetztes Silberblatt absorbirte 137 Proc. Sauerstoffgas und 20 Proc.
Stickstoffgas, so daß, während die normale atmosphärische Luft 21 Proc. und die vom
Golde absorbirte Luft nur etwa 5 Proc. Sauerstoff enthält, die vom Silber absorbirte
atmosphärische Luft einen Sauerstoffgehalt von nicht weniger als 85 Proc. zeigt.
V. Das Eisen zeichnet sich
besonders durch die Leichtigkeit aus, mit welcher es Kohlenoxyd absorbirt; indessen wird auch Wasserstoff ziemlich leicht von ihm aufgenommen. Sorgfältig abgebeizter
Eisendraht, welcher zur Vertreibung des von ihm schon aufgenommenen Gases im Vacuum
ausgeglüht war, absorbirte beim Erhitzen in Atmosphären verschiedener Gase 46 Proc.
seines Volums Wasserstoff und 415 Proc. Kohlenoxyd. Das natürliche (ursprünglich absorbirte) Gas
des Stabeisens, unmittelbar nachdem es aus dem Ofen, in welchem es erhitzt worden,
herausgenommen war, bestand hauptsächlich aus Kohlenoxyd; die Menge desselben betrug
bei verschiedenen Versuchen 700 bis 1260 Proc., so daß das Eisen während seiner Darstellung
allem Anscheine nach mehr als das Siebenfache seines Volums Kohlenoxyd aufnehmen
kann, welches es dann immer zurückhält. Die Entdeckung dieser
Eigenschaft des Eisens, Kohlenoxyd zu absorbiren, ist für die Theorie der
Stahlbildung von großer Wichtigkeit. Es scheint, daß bei dem
Stahlbildungsprocesse Kohlenoxydgas (2 CO oder C2O2) von der
Substanz des Eisens wirklich absorbirt, dann bei einer anderen Temperatur zu
Kohlenstoff (C), welcher sich
mit dem Eisen verbindet und es in Stahl umwandelt, und zu Kohlensäure (CO2) zersetzt wird, welche frei wird und bei ihrem
Entweichen an der Oberfläche des Metalles die Entstehung kleiner Blasen
verursacht.
Es war von großem Interesse, zu untersuchen, ob das siderische Eisen, d. h. das Eisen der
Meteoriten, ursprünglich Gas enthält, und, wenn dieß der Fall, die Natur
dieses Gases zu bestimmen. Zu diesem Zwecke erhitzte Graham 45 Gram. oder 6 K. C. Meteoreisen von Lenarto zwei und eine halbe
Stunde lang im Vacuum und erhielt auf diese Weise 16,5 K. C. eines Gases, welches
zum größten Theile nicht aus Kohlenoxyd, sondern aus Wasserstoff bestand,
welcher mindestens 85,5 Proc. der ganzen entwickelten Gasmenge ausmachte; der Rest
bestand wesentlich aus Stickstoff und Kohlenoxyd. Daraus ergibt sich mit Gewißheit, daß der
Meteorit während eines gewissen Zeitraumes mit einer hauptsächlich aus Wasserstoff
bestehenden Atmosphäre in glühendem Zustande in Berührung gewesen seyn muß, und, dem
Volum des bei der erwähnten Behandlung entwickelten Gases nach zu urtheilen, muß
diese Wasserstoffatmosphäre eine stark condensirte gewesen seyn, denn tellurisches Eisen absorbirt, selbst bei gewöhnlichem
atmosphärischen Drucke, kaum die Hälfte seines Volums an Wasserstoff, während das
untersuchte siderische Eisen mehr als das
Zweiundeinhalbfache seines Volums an diesem Gase abgab. Bekanntlich hat der
italienische Astronom Secchi bei der neuerlich von ihm
aufgestellten Classification der Sterne nach ihrem respectiven Spectrum eine
besondere Classe — deren Typus der Stern α der Lyra ist —
aufgestellt, deren Spectrum wesentlich dem des Wasserstoffes entspricht.