Titel: | Mälzversuche mit Gerste; von Dr. J. C. Lermer, Brautechniker. |
Autor: | Johann Karl Lermer [GND] |
Fundstelle: | Band 188, Jahrgang 1868, Nr. LXXXII., S. 325 |
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LXXXII.
Mälzversuche mit Gerste; von Dr. J. C. Lermer,
Brautechniker.
Lermer, Mälzversuche mit Gerste.
Die praktisch wichtige Frage nach dem Verluste der Gerste beim Mälzen und dem
Einflusse der Keimdauer wie der verschiedenartigen Führung des Malzprocesses auf die
Gesammt-Ausbeute an Extract, speciell das Verhältniß zwischen Zucker und
Dextrin in der Maische, bestimmte mich vor einiger Zeit zur Ausführung einer
Versuchsreihe über diesen Gegenstand. Gleichzeitig wurden diese Fragen noch nach ein paar anderen
Richtungen ausgedehnt, nämlich um Zahlenbelege zu gewinnen über die Veränderung der
Extract-Ausbeute bei Anwendung von Weichwasser mit einem ganz geringen
Schwefelsäure-Gehalt; dann über den Einfluß eines, der Schimmelbildung
entgegen zu wirken bestimmten geringen Zusatzes von Chlorkalk zum Weichwasser, von
welchem man nach den bekannten Versuchen von v. Humboldt
nur einen günstigen Einfluß auf die Keimung erwarten dürfte.
Es wurden für diese vergleichenden Versuchsreihen jedesmal unter den näher zu
verzeichnenden Bedingungen 500 Grm. derselben gut gereinigten und durch Sortiren von
fremden Einmengungen schadhafter Körner u. s. w. sorgfältig befreiten Gerste, deren
Wassergehalt durch Trocknen einer Probe bei 110° C. bis zur Constanz im
Gewichte bestimmt war, geweicht und auf über Wasser aufgestellten Sieben keimen
gelassen, dann gedarrt und das Gewicht des Darrmalzes und dessen Trockengehalt
gleichfalls bestimmt.
Weiters wurden 20 Grm. dieses Darrmalzes mit 100 Kubikcentimeter Wasser während 6
Stunden bei 70° C. digerirt, nachher auf 250 K. C. verdünnt und von der so
erhaltenen Würze durch directes Eindampfen im Trockenrohre und Erhitzen bis zur
Constanz des Gewichtes, bei 110° C. im trockenen Luftstrome der Extractgehalt
ermittelt.
In einer anderen Probe der Würze bestimmte ich sodann, nach dem Verdünnen auf das
vierfache Volumen, den Zuckergehalt durch Titriren mittelst Fehling'scher Kupferlösung. Endlich wurde in einer weiteren Probe —
nach dem Einschmelzen mit verdünnter Schwefelsäure in ein Glasrohr und Erhitzen
während 6 Stunden auf 110° C. im Oelbade (man s. polytechn. Journal Bd. CLXV S. 451),
hernach Verdünnen auf das Achtfache — der nach der Ueberführung des Dextrins
in Zucker sich ergebende Gehalt an letzterem bestimmt. Durch Subtraction des
präexistirenden Zuckers und Multiplication mit 0,9 wurde aus diesen Werthen alsdann
der Dextringehalt abgeleitet.
Wir wollen diese Berechnung, da sich bei allen Versuchen die Manipulationen selbst
völlig gleich bleiben, beispielsweise nur für den ersten Versuch durchführen.
Die 500 Grm. Gerste, deren Trockengehalt sich zu 88,628 Proc. ergeben hatte,
lieferten in diesem Falle 443,7 Grm. Darrmalz von 93,54 Proc. Trockengehalt. An
solchem war die Ausbeute von 100 Gewichtstheilen (bei 110° C.) getrockneter
Gerste
Textabbildung Bd. 188, S. 325
Von diesem Darrmalz wurden 20 Grm. wie angegeben mit 100K. C. Wasser digerirt, dann
auf 250 K. C. verdünnt. Hierdurch resultirte eine Würze, von welcher 10,173 Grm.
0,506 Grm. bei 110° C. constantes Extract, also 4,993 Proc. der Würze
gaben.
Die 20 Grm. lufttrockenes Malz entsprechen 18,71 Grm. bei 110° getrocknetem.
Nach dem Verdünnen auf 250 K. C. wog die Würze sammt den Trebern 256,415 Grm.
Dieselbe enthält 256,415 - 18,710 = 237,705 Wasser, und nach der Extractbestimmung
kommen auf 10,173 - 0,501 = 9,678 Grm. Wasser 0,501 Grm. Extract; auf obige 237,705
Grm.
Wasser kommen demnach Textabbildung Bd. 188, S. 326 Grm. trockenes Extract, und diese wurden von 18,71 Grm. trockenem Malze
erhalten. Es lieferten also 100 Gewichtstheile trockenes Malz Textabbildung Bd. 188, S. 326 Procent trockenes Extract.
Von einer anderen Probe der Würze waren nach dem Verdünnen auf das vierfache Volumen
8,0 K. C. zur Reduction von 10 K. C. Fehling'scher Lösung
(entsprechend 0,05 Zucker C12
H12
O12) erforderlich. Die
von 100 Gewichtstheilen trockenen Malzes in der Maische erhaltene Zuckermenge war
also analog der vorigen Rechnung 33,40 Proc.
Nach der Ueberführung des Dextrins in Zucker waren bei der, wegen der bekannten
Cautelen der Methode, doppelt so starken Verdünnung als in der vorigen Probe,
abermals 8,0 K. C. zur Reduction von 10 K. C. Fehling'scher Lösung erforderlich. Man hat also nun an Zucker im Ganzen 66,81
Proc. des trockenen Malzes. Wird davon der obige, vor der Behandlung mit
Schwefelsäure in höherer Temperatur bereits vorhandene Zucker mit 33,40 Proc.
abgezogen, so bleibt für den aus dem Dextrin entstandenen Zucker 33,40 Proc. oder
33,40 . 0,9 = 30,06 Proc. Dextrin.
Die Ablesung der zur Reduction der Fehling'schen Lösung
verbrauchten verdünnten Würze geschah jedesmal auf 0,1 K. C. genau.
Hiernach dürfte die nachstehende Tabelle der Ergebnisse dieser Versuchsreihe
selbstredend seyn.
Textabbildung Bd. 188, S. 327
Gewicht mit; Brunnenwasser; engl
Schweselfäure; Chlorkalk; Quelldauer, Stunden; Keimdauer, Tage; Entwickelung des
keimes Kornlänge; Wurzelkeim; Blattkeim; 100 Gewichtstheile trockener Gerste;
trock. Malz Extract Dextrin Zucker; 100 Gewichtstheile trockenes Malz; Dextrin
Zucker
Ich will jedoch noch auf einige allgemeine Gesichtspunkte, die sich aus dieser
Tabelle ergeben, besonders aufmerksam machen.
Daß die Malzausbeute mit der wachsenden Keimdauer abnimmt, ist eine bekannte, leicht
begreifliche Thatsache; die verzeichneten Zahlen geben indeß ein genaueres Bild über
diese Abnahme. Durch den Schwefelsäure-Zusatz zum Weichwasser war dieselbe in
einem sehr beträchtlichen Grade vermehrt, sie erstreckt sich hier indeß vorzüglich
auf das Dextrin. Der Chlorkalk-Zusatz hatte diese eigenthümliche Verminderung
der Malzausbeute nicht zur Folge.
Die Zahlen für die Extractausbeute zeigen keine besondere Regelmäßigkeit. Dieselbe
unterliegt jedoch, bezogen auf 100 Gewichtstheile trockener Gerste, viel größeren
Schwankungen, als bezogen auf 100 Gewichtstheile trockenen Malzes. Diese
Schwankungen sind also wesentlich durch die verschiedenen Ausbeuten an Malz bedingt,
während das Malz selbst seinem Gesammtextractgehalt nach eine viel größere Constanz
zeigt.
Ein vergleichender Blick zeigt sehr leicht, wie der Zuckergehalt in der Würze mit
wachsender Keimdauer zunimmt, der Dextringehalt sich dagegen vermindert. Es ist also das
Verhältniß zwischen Dextrin und Zucker in der Würze ein wechselndes und abhängig von
der Keimdauer. Nach den verzeichneten Werthen kommen auf 100 Theile Dextrin an
Zucker respective:
Tagen Keimdauer.
Mit Brunnenwasser
111,1120,1128,3
beibeibei
349
Mit schwefelsäurehaltigem Wasser
128,2144,8146,5
beibeibei
3½4½5
Mit chlorkalkhaltigem Wasser
111,1143,3157,1
beibeibei
357
Das Zuckerbildungsvermögen in der Würze wird durch die Vegetationsvorgänge nicht
wesentlich beeinflußt; man erhält aus demselben Gewicht Gerste ziemlich dieselbe
Zuckermenge, die Keimdauer mag selbst eine sehr beträchtlich verschiedene seyn. Der
bei der Keimung stattfindende Verlust für den Brauer erstreckt sich also wesentlich
auf das Dextrin, alterirt dagegen die Zuckerausbeute nicht in namhafter Weise.
Zum Schlusse will ich noch bei dieser Gelegenheit auf ein eigenthümliches Verhalten
des Parenchyms der Gerste beim Keimprocesse aufmerksam machen. Die Zellwände werden
nämlich bei der keimenden Gerste resorbirt, so daß der Zellen-Inhalt frei zu
Tage tritt und dem saccharificirenden Einflusse der Diastase zugänglich wird.
Es ist dieses sicherlich ein für den Mälzungsproceß ganz wesentlicher Umstand, der
die Gerste und zymotechnisch verwandte Früchte zugleich von anderen mehlreichen
Samen, wie Erbsen u. s. w., unterscheidet, welche letztere sich daher nicht in
gleicher Weise für den Brauproceß eignen können.
Auch für die Anwendung von Rohfrucht muß dieses Verhalten von Wichtigkeit seyn, da,
falls die Lösung der Zellhaut nicht durch die Diastase bei der Maischwärme
stattfindet, sich damit dem Ausschließen derselben ein wirksames Hinderniß in den
Weg stellt und man in einem rationellen Verfahren diesem Umstande besonders Rechnung
zu tragen hätte.
Daß diese Auflösung der Cellulose des Parenchyms bei der Keimung der Gerste in einem
nahen Zusammenhange steht mit dem von Mitscherlich
(Berichte der königl. preuß. Akademie der Wissenschaften zu Berlin aus dem Jahre
1850, S. 102) bei der faulenden Kartoffel aufgefundenen celluloselösenden Fermente,
liegt auf der Hand; das Auftreten desselben beim Malze legt ihm indeß eine
specifische technische Bedeutung bei.