Titel: | Bleichverfahren für Leinenwaare, Baumwollgewebe und Baumwollgarne auf der königl. Musterbleiche zu Sohlingen bei Uslar. |
Fundstelle: | Band 188, Jahrgang 1868, Nr. LXXXIII., S. 329 |
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LXXXIII.
Bleichverfahren für Leinenwaare, Baumwollgewebe
und Baumwollgarne auf der königl. Musterbleiche zu Sohlingen bei Uslar.
Bleichverfahren für Leinenwaare, etc. auf der Musterbleiche zu
Sohlingen.
Ueber das Verfahren, welches auf der königl. preußischen Musterbleiche zu Sohlingen
bei Uslar (Provinz Hannover) zum Bleichen von Leinenwaaren, sowie von Baumwollgarnen
und -Geweben angewendet wird, hat die kgl. Landdrostei Hildesheim der
Direction des hannover'schen Gewerbevereins folgende Mittheilung gemacht (Mittheilungen des
hannover'schen Gewerbevereins, 1867 S. 301):
A. Leinenwaare.
Die Leinenwaare wird, nachdem jedes aufgelieferte Stück mit Litzen resp. Vorenden
versehen, in das Weich- oder Gährfaß gebracht. Jede eingelegte Lage wird mit
bis auf 35° R. erwärmtem reinem Flußwasser durchnetzt und mit Holzschuhen
fest niedergetreten, damit das Wasser alle Theile gleichmäßig durchdringt. Mit
diesem Einlegen wird bis zur Füllung des Fasses fortgefahren. Hierauf wird das Faß
mit Bretern zugelegt und werden diese vermittelst eines Querriegels befestigt,
welcher nicht nur durch eine Kette, sondern außerdem auch durch gegen die obere
Decke gestämmte Bäume niedergehalten wird. Die so in eine feste Lage gebrachten
Leinen werden, bis zur vollständigen Deckung mit Wasser Übergossen, der sauren
Gährung überlassen, die nach 48 Stunden beendet ist. Nach dem Herausnehmen wird die
Waare gleich zur Spülung gebracht, vermittelst Durchlaufen durch 2 cannelirte
hölzerne Cylinder ausgespült, und dann auf den Bleichfeldern ausgebreitet. Hier läßt
man sie 2 bis 3 Tage lang liegen und begießt sie, so oft sie trocken geworden, mit
Wasser. Sie wird jetzt trocken aufgenommen und zur ersten Beuche gebracht.
Erste Beuche. Die Beuchgefäße, mit einem doppelten Boden
versehen, sind tief in die Erde eingegrabene hölzerne Fässer und so placirt, daß die
alkalische Lauge aus dem Kessel direct in dieselben aufgelassen werden kann und die
durch die Waare gezogene Lauge aus dem zwischen dem ersten und zweiten Boden
befindlichen Raume wieder in den Laugenkessel zum Erwärmen gepumpt werden kann. Zur
ersten Beuche bedient man sich einer Lauge, gewonnen durch Auflösung von 1 Pfd.
calcinirter Soda von 90 Proc. auf 100 Pfd. reines Quellwasser; diese wird auch häusig ersetzt durch
eine Aschenlauge von gleicher Stärke, oder auch durch eine Mischung von
Aschen- und Sodalauge. Zum Beuchen wird die Waare hoch (köpflings) in dem
Beuchfasse aufgestellt, jede Schicht mit erwärmtem Wasser genetzt, alsdann mit
Holzschuhen niedergetreten und damit fortgefahren, bis das Faß gehörig angefüllt
ist. Dann wird so viel Wasser in das Faß gelassen, bis die Waare vollständig damit
bedeckt ist. — Jetzt beginnt das Beuchen. Eine Auflösung von Soda oder auch
Aschenlauge, welche anfänglich bis auf 35° R. erwärmt seyn muß, wird nach und
nach der Waare zugesetzt, und zwar in der Menge, daß die Beuchlauge die oben
bemerkte Stärke von 1 Proc. Soda erhält. Die inzwischen durchgelaufene Lauge wird
nun aus dem Raume zwischen dem ersten und zweiten Boden des Beuchfasses wieder in
den Kessel gepumpt, und daselbst um 5° stärker erwärmt, als sie beim
Ausgießen hielt, sodann wieder aufgelassen und damit so lange fortgefahren, bis die
Lauge beim Auflassen eine Hitze von 80° R. erreicht hat. Zu diesem Geschäfte
ist je nach der Größe des Beuchfasses längere oder kürzere Zeit erforderlich. Hat
die Lauge den bestimmten Grad der Wärme erreicht, so läßt man das Feuer unter dem
Kessel langsam ausgehen, fährt aber mit Auf- und Abpumpen der Lauge so lange
fort, bis das Feuer erloschen ist. Ist die Beuche so beendet und soll die Waare erst
am anderen Morgen ausgelegt werden, so bleibt sie die Nacht hindurch mit bedeckter
Lauge stehen; soll sie gleich ausgelegt werden, so wird die Lauge abgepumpt und so
viel kaltes Wasser aufgelassen, bis die Waare kalt geworden und die braune Lauge
daraus entfernt ist. Hiernach wird sie auf den Bleichplan gebracht, ausgebreitet und
2–3 Tage lang liegen gelassen. Nach dem Trockenwerden stets mit Wasser
begossen, wird die Waare später möglichst trocken aufgenommen und zur Beuche
gebracht
Zweite Beuche. Diese wird ganz wie die erste behandelt;
sowohl die Stärke der Laugen, der Hitzegrad der Beuche, das Durchpumpen mit kaltem
Wasser, als auch das Auslegen der Waare auf dem Bleichplane während 2–3 Tage,
sowie das Begießen derselben nach dem Trockenwerden erfahren hierin eine Aenderung
nicht.
Dritte Beuche. Diese wird ebenfalls mit klarem Wasser
übergossen, bis das Faß gefüllt ist, dann nach und nach eine Auflösung von
Soda- oder Aschenlauge zugesetzt und zwar auf 140 Pfd. Wasser 1 Pfd.
calcinirte Soda. Hitzegrad wie bei der ersten und zweiten Beuche. Nachdem dieser
erlangt, wird so viel kaltes Wasser in das Faß gelassen, bis die Waare mit den
Händen herausgenommen werden kann. Mit der noch anhängenden Lauge auf den
Bleichplatz gebracht, wird sie 2 bis 3 Tage unter häufigem Begießen dort liegen
gelassen und dann zur.
Vierten Beuche gebracht. Diese ist wie die dritte Beuche,
mit dem Unterschiede, daß auf 150 Pfd. Wasser 1 Pfd. Soda genommen wird.
Fünfte Beuche wie vorher; 160 Pfd. Wasser 1 Pfd. Soda.
Sechste Beuche wie vorhin; 170 Pfd. Wasser 1 Pfd.
Soda.
Siebente Beuche wie vorhin; 180 Pfd. Wasser 1 Pfd.
Soda.
Achte Beuche wie vorhin; 190 Pfd. Wasser 1 Pfd. Soda.
Erstes schwefelsaures Bad. Die Waare wird vom Bleichplan
naß aufgenommen, ausgespült und in ein schwefelsaures Bad von 1 Gewichtstheil
Schwefelsäure auf 200 Gewichtstheile klares reines Wasser, gut durcheinander
gemischt, stückweise locker eingelegt und gehörig untergetaucht 5–8 Stunden
darin liegen gelassen. Gleich nach dem Herausnehmen wird die Waare in fließendem
Wasser gut gespült, und nachdem das Wasser abgelaufen, der neunten Beuche
übergeben.
Neunte Beuche mit einer Auflösung von 1 Pfd. calcinirter
Soda und ¼ Pfd. grüner Seife in 225 Pfd. Wasser von 35–65°
Wärme und 2- bis 3 tägiges Auslegen auf der Bleichwiese. Nachdem sie naß
aufgenommen, gespült und das Wasser abgelaufen ist, wird die Waare in das erste
Chlorbad gebracht.
Erstes Chlorbad. Dieses wird durch eine Auflösung guten
Chlorkalkes in 600 Gewichtstheilen Wasser bereitet. Die Gewebe werden lose in
feuchtem Zustand in steinerne Bütten gebracht und mit hölzernen Stäben gehörig
untergetaucht, damit die Chlorkalkauflösung alle Theile gleichmäßig durchdringen
kann. In diesem Bade verbleibt die Waare 6 bis 8 Stunden. Dann herausgenommen, in
fließendem Wasser gut ausgespült und zum Ablaufen gebracht, wird sie in feuchtem
Zustand dem zweiten schwefelsauren Bad übergeben.
Zweites schwefelsaures Bad wird wie das erste gegeben.
Zehnte Beuche mit einer Auflösung von 2½ Pfd.
Weiher Talgkernseife und 1 Pfd. calcinirter Soda in 600 Pfd. Wasser von
36–60° Wärme, wornach die Waare unter gehörigem Begießen mit Wasser 2
bis 3 Tage auf der Bleichwiese liegen gelassen, alsdann gespült und sortirt wird.
Die zur halben Bleiche bestimmten Leinen sind nach diesem Verfahren zum größten
Theile fertig gebleicht, werden dann gestärkt oder gebläut und getrocknet. Die zur
vollen und ¾ Bleiche bestimmte Waare kommt zum Seifen und zwar die aus
Maschinengarn verfertigte unter die sogenannten englischen Rubbings; die aus
Handgespinnst verfertigte, aber unter die sogen. deutschen Hobel. Die Waare wird so
lange mit weißer resp. brauner Seife geseift (gewaschen), bis die darin etwa
befindlichen schwarzen oder gelben Streifen daraus entfernt sind. So behandelt kommt die Waare nun
ohne weiteres Ausspülen mit der Seife imprägnirt in die
Elfte Beuche mit einer Auflösung von 1 Pfd. calcinirter
Soda in 350 Pfd. Wasser von 35–65° Wärme. Von hier aus wird die
Leinenwaare auf die Bleichwiese gebracht, jedoch nicht ausgespannt, sondern in die
Breite gelegt, auch beständig naß erhalten; dann nach 2 Tagen und gehörigem
Ausspülen gelangt sie wieder in's Chlorbad.
Zweites Chlorbad. Wird in Allem wie das erste
gereicht.
Drittes schwefelsaures Bad. Wird ebenfalls ganz wie das
vorangegangene gegeben.
Zwölfte Beuche mit einer Auflösung von 1 Pfd. calcinirter
Soda und 2½ Pfd. weißer Talgkernseife in 600 Pfd. reinem Wasser von
35–55° Wärme. Hierauf liegt die Waare 2 Tage, ohne ausgespannt zu
seyn, auf der Bleichwiese, unter beständigem Naßhalten. Nach dieser Operation wird
die Waare gespült und sodann sortirt. Die guten und völlig ausgebleichten Stücke
werden gestärkt, resp. geblaut und getrocknet. Die noch nicht völlig ausgebleichten
Stücke werden wieder durch die englischen Rubbings geseift (gewaschen) und kommen
wie vorhin zur Beuche.
Dreizehnte Beuche. Wird behandelt wie Beuche 11. Nachdem
die Waare sodann eben so wie früher 2 Tage auf der Bleichwiese gelegen, wird sie
wieder aufgenommen und gespült. Die besseren Stücke erhalten noch ein schwefelsaures
Bad, wie das frühere, die schlechteren ein
Drittes Chlorbad wie das zweite und ein
Viertes schwefelsaures Bad wie das dritte, werden sodann
nach vorherbeschriebener Art gebeucht, ausgelegt, gespült, gestärkt resp. geblaut
und getrocknet; auf Verlangen auch gemangelt und appretirt.
B. Baumwollgewebe und Baumwollgarne.
Die rohen Baumwollgewebe (Nessel) und Baumwollgarne werden zunächst durch Wasser
gezogen, damit sie gleichmäßig durchnäßt werden, und darnach in die Beuche
gebracht.
Erste Beuche. Besteht in einer Auflösung von 1 Pfd.
calcinirter Soda in 170 Pfd. reinem Wasser. Nachdem die Baumwollgewebe, wie die
Leinenwaare, hoch (köpflings) in dem Beuchfasse aufgestellt und ebenso
niedergetreten worden, auch damit schichtweise fortgefahren worden, bis das Faß
gefüllt ist, wird die Lauge, welche bis zu 35° erwärmt seyn muß, aufgelassen
und damit fortgefahren, bis dieselbe eine Hitze von 80° erreicht hat. Ist
dieser Grad erreicht, so wird kaltes Wasser aufgelassen, damit die Waare
herausgenommen werden kann, dann die Waare zur Spüle gebracht, tüchtig ausgespült und nach dem Ablaufen
in's Chlorbad befördert.
Erstes Chlorbad. Besteht aus 1 Pfd. aufgelöstem gutem
Chlorkalk in 125 Pfd. Wasser. In dieses Bad wird die Waare lose eingelegt und mit
hölzernen Stäben niedergedrückt. Nachdem sie 6 bis 8 Stunden darin, gehörig
untergetaucht, gelegen, wird die Waare herausgenommen und zur Spüle gebracht,
tüchtig ausgespült und nach dem Ablaufen in das
Erste schwefelsaure Bad gebracht. Dieses besteht aus 1
Pfd. Schwefelsäure auf 200 Pfd. Wasser, gut durcheinander gemischt. Die Waare wird
stückweise locker hineingelegt und nach 4–6 Stunden wieder herausgenommen,
dann gut gespült und nach dem Ablaufen in die
Zweite Beuche gebracht. Diese besteht in einer Auflösung
von ½ Pfd. Talgkernseife und 1 Pfd. calcinirter Soda auf 400 Pfd. Wasser. Mit
einem Wärmegrad von 35° R. anfangend, endet sie mit 55° Hitze. Nach
gehöriger Abkühlung wird die Waare herausgenommen, gut gespült und dann in das
Zweite Chlorbad gebracht. In diesem Bad, welches ebenso
wie das erste hergestellt ist, bleibt die Waare wiederum 6–8 Stunden lang
liegen, wird dann herausgenommen und in das
Zweite schwefelsaure Bad gelegt, welches ebenso wie das
erste hergestellt ist. Nach 4–6 Stunden wieder herausgenommen, wird die Waare
wieder gehörig gespült und kommt dann nach dem Ablaufen des Wassers in die
Dritte Beuche, die ebenso wie die zweite hergestellt wird.
Nach Beendigung dieser Beuche wird die Waare wieder gespült. Jetzt, im Allgemeinen
zwar fertig gebleicht, werden die darunter etwa sich befindenden schwereren und fest
gearbeiteten Stücke, in so weit sie die volle Weiße noch nicht angenommen haben, in
ein
Drittes Chlor- und
schwefelsaures Bad gegeben, welche Bäder der Beschaffenheit der Waare
angemessen hergestellt werden. Die Dauer des Bades richtet sich dann ebenfalls nach
Bedürfniß; nur bleibt das Sauerbad in seiner Einrichtung dem ersteren gleich.
Endlich wird die Waare in die
Vierte Beuche gebracht und ganz so behandelt wie in der
zweiten. — Nach dem Fertigwerden wird die Waare gut gespült, je nach
Bedürfniß gestärkt, getrocknet und schließlich auf Erfordern auch gemangelt.