Titel: | Ueber das angebliche Austrocknen der Luft in Räumen, welche durch Centralluftheizungsapparate erwärmt werden, und über das Maaß des Luftwechsels in solchen Localitäten; von Dr. P. Bolley. |
Fundstelle: | Band 188, Jahrgang 1868, Nr. XCIV., S. 393 |
Download: | XML |
XCIV.
Ueber das angebliche Austrocknen der Luft in
Räumen, welche durch Centralluftheizungsapparate erwärmt werden, und über das Maaß des
Luftwechsels in solchen Localitäten; von Dr. P. Bolley.
Aus der schweizerischen polytechnischen Zeitschrift,
1868, Bd. XIII S. 71.
Bolley, über das Austrocknen der Luft und das Maaß des Luftwechsels
in Räumen mit Centralluftheizung.
Es kommt selten vor, daß man von sogenannten Luftheizungen sprechen hört, ohne daß
man gleichzeitig den Vorwurf vernimmt, der Aufenthalt in auf diese Art gewärmten
Räumen sey ungesund, weil die Luft zu trocken werde. Kann man von vornherein diesen
Tadel als in der Natur der Einrichtung nicht begründet zurückweisen und als ein
Mißverständniß qualificiren, so lohnt es sich immerhin der Mühe einerseits
nachzuforschen, wie diese Meinung sich gebildet und verbreitet hat, und andererseits
experimentell darzuthun, daß ihr eine positive Grundlage ganz fehlt. Bei der
Untersuchung der Frage, welches Heizungssystem in der zu erbauenden Gebäranstalt in Zürich zu adoptiren
sey, tauchten ähnliche Bedenken auf und gaben der Direction der öffentlichen
Arbeiten Veranlassung, eine genaue, die immer wiederkehrenden Zweifel abschneidende
Untersuchung anzuordnen, mit welcher der Unterzeichnete beauftragt wurde. Es finden
sich in Zürich und in dessen Nähe mehrere ganz neue Luftheizungen nach dem System
„Staib-Weibel“ in
Genf, deren Solidität und Leistungsfähigkeit hinsichtlich des Materialverbrauches
und der gleichartigen und genüglichen Wärmevertheilung wir bei früheren
Gelegenheiten erprobt gefunden haben, und über deren Erfüllung des Nebendienstes der
Ventilation wir unten am Schluß eine Notiz bringen werden. Diese Heizungen sind im
früheren Kloster Rheinau, welches zu einer Geisteskrankenbewahranstalt umgewandelt
wurde, und im neuen Lesemuseum in Zürich.
Es muß voraus bemerkt werden, daß zu den Feuchtigkeitsbestimmungen die Brunner'sche (directe) Methode gewählt wurde, als
diejenige, welche für die vorliegende Aufgabe allein hinlängliche Genauigkeit zu
bieten schien. Daß bedeutende Abweichungen der berechneten Wasserdampfmengen aus den
Beobachtungen am August'schen Psychrometer und der
directen Bestimmungen möglich sind, ist eine bekannte Thatsache, ebenso daß diese
Abweichungen theils von der Variabilität der Constanten, je nachdem man in großen
oder kleinen Zimmern oder im Freien beobachtet, herrühren, theils von den
Instrumenten selbst, indem die befeuchteten Thermometer verschiedener, gleichzeitig
functionirender Psychrometer oft ganz verschiedenen Stand haben, ist von Regnault, Kämtz und Anderen festgestellt.
Aber um die Gelegenheit zu Vergleichungen zwischen dem Psychrometer und den directen
Bestimmungen zu benutzen, wurde gleichzeitig das Psychrometer beobachtet. Die
Uebereinstimmung der beiden Resultate war jedoch sehr gering.
Nach der abgekürzten August'schen Formel:
e = e′ — 0,00128 (t-t′) b,
worin e die gesuchte Tension des
Wasserdampfes,
e′ die Tension des Wasserdampfes, welche der
Temperatur des nassen Thermometers entspricht,
t die Temperatur des trockenen Thermometers,
t′ die Temperatur des feuchten Thermometers,
b der Barometerstand in Millimetern,
0,00128 die Constante für kleinere Zimmer ist
und Umrechnung der hierdurch gefundenen Tensionen in
Millimetern, in Gewichtstheile (Gramme) nach der Guyot'schen Formel:
Textabbildung Bd. 188, S. 394
worin e die Tension des
Wasserdampfes der untersuchten Luft von t
Temperatur,
y = 0,003664 der Ausdehnung efficient für 1°
C.,
t = Lufttemperatur ist,
wurde σ (das Gewicht Wasserdampf in der Volumeinheit
Luft) nur einmal in erträglicher Uebereinstimmung mit der directen Beobachtung
gefunden, nämlich 7,07 Proc. und 7,57 Proc. Bei allen übrigen Beobachtungen ergaben
sich größere Abweichungen, so daß ich mich darauf beschränke, die zuverlässigen,
directen Wägungen anzugeben.
Der Aspirator faßte bei 0° und 760 Millimeter Barometerstand 34,590
Kubikcentimeter feuchte Luft. Die Berechnung auf trockene Luft wurde ausgeführt nach
der Formel:
Textabbildung Bd. 188, S. 394
worin V das Volum der feuchten
Luft im Aspirator,
t die Temperatur derselben,
f die Tension, dieser Temperatur entsprechend,
B den Barometerstand in Millimetern bedeutet.
Die gefundenen Kubikcentimeter mit 0,0012932 Grm. multiplicirt, ergaben das Gewicht
in Grammen.
Es wurde beobachtet in zwei schnell nach einander vorgenommenen Versuchen I und II:
I. Luft des Saales im Museum 16,5° C.
(B = 719,5 Millimeter, t = 14°
C., f = 11,908).
V0 = 31,070 K.
C. =
40,179
Grm.
trockene Luft,
0,177
HO
0,019
CO2
–––––––––––––––––––––––––––
40,375
Grm.
Luft, die analysirt wurde.
Feuchtigkeit dem Gewichte nach
4,38 Proc.
dem Volum nach
7,08 Proc.
(1 Grm. HO bei 0° und 760 Millimeter = 1243 K. C.
Dampf.)
II. Aeußere Luft, vor dem Fenster aufgefangen, Temperatur 5,5° C.
(B = 719,5 Millimeter, t = 14° C., f =
11,908).
V0 = 31,070 K.
C. =
40,179
Grm.
trockene Luft,
0,171
HO
0,020
CO
–––––––––––––––––––––––––––
40,380
Grm.
analysirte Luft.
Dieß macht Feuchtigkeit dem Gewichte nach: 4,23 Proc., dem Volum nach 6,84 Proc.
Es ist also im Versuch I 4,38 Gewichts- oder 7,08
Volum-Tausendel gefunden, in Versuch II 4,23
Gewichts- oder 6,84 Volum-Tausendel, so daß unbedingt nicht gesagt
werden kann, die Zimmerluft sey trockener als die äußere.
In Rheinau wurde bei klarem Wetter und einer äußeren Temperatur von 2° C. und
2°,5 C. die Luft verglichen:
III. In dem Betsaal (mit Luftheizung versehen) Temperatur 15°, 2 C.
IV. In einem Schlafzimmer (mit Luftheizung versehen) Temperatur = 14° C.
V. In einem Schlafzimmer (mit Luftheizung) Temperatur = 14°,2 C.
VI. In einem Zimmer der Beamtenwohnung (Kachelofen) Temperatur = 12°, 9 C.
Die gewonnenen Werthe verhalten sich, wenn die Feuchtigkeit in VI(Zimmer mit Kachelofen) = 1 genommen wird:
In III = 1,13 (er war wenige Stunden vorher mit viel
Menschen gefüllt),
In IV = 0,98
In V = 1,00.
Also auch da war kein Unterschied zu bemerken.
Das Trockenerscheinen der Luft in den Zimmern, die durch Centralluftheizungen gewärmt
werden, beruht, wie wir öfter bemerkten, auf zwei ganz verschiedenen Ursachen:
1) Bleibt oft unbeachtet, daß die in das Zimmer einströmende Luft zeitweise mit einer
viel höheren Temperatur ankommt, als gewöhnlich die von Zimmern mit Kachelofen ist.
Die relative Feuchtigkeit ist darum gering, da die Differenz der vorhandenen
Feuchtigkeit bis zu derjenigen, welche, der Temperatur entsprechend, in der Luft
enthalten seyn könnte, größer ist und die Luft muß das Gefühl der Trockenheit in den
Athmungswerkzeugen hervorbringen.
2) Geschieht es nicht selten, daß bei unvollkommener Regulirung der Klappen der
warmen Canäle sehr schnell sich bewegende Luftströme in die Räume geführt werden,
welche Staubtheilchen aufwirbeln, die beim Einathmen der Luft einen gewissen Reiz,
dem Gefühle der Trockenheit ähnlich, hervorbringen.
Beide Uebelstände können aber bei aufmerksamer Ueberwachung gänzlich beseitigt
werden.
Die Leistungen der Centralluftheizungen als Ventilationsmittel sind natürlicherweise abhängig von der Construction und
den Dimensionen der Canäle für Zufuhr der frischen, warmen und für den Abzug der
gebrauchten (gewöhnlich kalt genannten) Luft. Das was hier über solche Leistungen
berichtet wird, kann darum nur für die gegebenen Einrichtungen gelten. Ich habe in
Rheinau in drei verschiedenen Abzugscanälen die Geschwindigkeiten der ausströmenden
Luft mit einem Windflügel (von Combes) gemessen. Für das
Instrument waren durch Hrn. Prof. Zeuner die Constanten
bestimmt worden, welche zur Berechnung der Geschwindigkeit aus der Anzahl der
Umdrehungen erforderlich sind. Die für das fragliche Instrument geltende Formel
ist
W = 0,2857 + 0,0871 . n,
worin n die Anzahl der Umdrehungen
des Flügels in der Secunde, und W die Geschwindigkeit
der ausströmenden Luft in Metern bezeichnet. Die untenstehende Tabelle gibt die
Einzelheiten der Messungen und der daraus berechneten Resultate an.
Man hat nach Mittheilungen, die in dem Werke von C. Degen
(über den Bau der Krankenhäuser mit besonderer Berücksichtigung der Ventilation und
Heizung,“ München 1862) gemacht sind, z. B. in Berlin in der Charité
40–45 Kubikmeter Raum für den Kranken. Es könnten demnach oder sollten
höchstens in den Räumen A der Tabelle 11, in B 10, in C 2–3 Betten
untergebracht werden.
Für den einzelnen Kranken, d. h. das einzelne Bett sollen, wie ich aus der gleichen
Quelle entnehme, in jeder Stunde 100 KubikmeterNach französischen Aerzten nur 60 Kubikmeter. Luft zugeführt
werden. Nach dieser Forderung, deren Berechtigung nach physiologischen Erwägungen
vollkommen zugegeben werden mag, die aber gewiß technisch enorm hoch gespannt ist,
könnten im Raume A nur 3–4, in B 1–2, in C
2–3 Betten aufgestellt werden.
Ich fühle mich nicht berufen, die Abwägung der mit einer so raschen Ventilation
verbundenen Nachtheile gegen die davon erwarteten Vortheile vorzunehmen. Daß aber
das unbehagliche Gefühl starken, unaufhörlichen Luftzuges in einer Zelle, z. B.
von 45 Kubikmeter Inhalt, durch welche stündlich 100 Kubikmeter Luft hindurchlaufen,
eintreten werde, scheint mir kaum zweifelhaft.
Ergibt sich aus allen 9 Versuchen der Tabelle, daß die natürliche Ventilation, welche
sich mit der Centralluftheizung verbinden läßt, ziemlich kräftig ist, und daß sie
stark gesteigert werden kann durch Erweitern des Canals (siehe C, Bemerkungen), so wird dennoch ein Effect wie der
geforderte von 100 Kubikmeter per Stunde in der Regel
nicht anders als durch starke mechanische Hülfsmittel
— sogenannte Pulsationsapparate —
erreichbar seyn. In dem Versuche C erscheinen die
geforderten Leistungen erreicht. Derselbe kann zwar nicht als der Ausdruck der
normalen Verhältnisse angesehen werden, weil die Klappen der anderen mit dem
Hauptcanal verbundenen Zimmer geschlossen waren. Immerhin beweist er, daß man zeitweise ein einzelnes Zimmer durch dieß Mittel sehr
stark ventiliren kann.
Textabbildung Bd. 188, S. 397
Nummer des Versuches; Zimmerzahl
und Größe.; Querschnittsdimensionen der Canäle.; Temperatur der ausströmenden
Luft; Umdrehungen des Flügels; Minute; Secunde.; Berechnete Geschwindigkeit der
Luft; Kubikinhalt der ausströmenden Luft bei der beobachteten Temp. u. 730
Millim. Barometerstand in; Zimmer.
Textabbildung Bd. 188, S. 398
Nummer des Versuches.; Gewicht der
ausströmenden Luft; Sec. Mittelw.; Kilogr. Min. Volumen der Luft, reduc. auf
0° u. 760 Millim. Barometerstand in; Kubikm. p. Sec.; Kubikf. p. Sec.
Kubikm. p. Stde.; Kubikf. p. Stde.; Gänzliche Lufterneuerung erfolgt in
Stunden.; Bemerkungen.; Die Messungen wurden bei der Ausmündung des Canals auf
dem Estrich vorgenommen.; Die Messungen wurden bei der Ausmündung des Canals auf
dem Estrich vorgenommen.; Das ziemlich dichte Gitter, das vor dem Canal
angebracht ist, wurde weggenommen und dadurch der Zug wesentlich vermehrt. Die
Messungen geschahen von unten im Zimmer.