Titel: | Die neuesten Bestrebungen des Gruson'schen Etablissements, das Durchschießen starker Panzerplatten zu ermöglichen. |
Fundstelle: | Band 188, Jahrgang 1868, Nr. XCVIII., S. 406 |
Download: | XML |
XCVIII.
Die neuesten Bestrebungen des Gruson'schen Etablissements, das Durchschießen starker
Panzerplatten zu ermöglichen.
Ueber die Geschosse und Geschütze, welche das Durchschießen starker
Panzerplatten ermöglichen.
Das durch seine Leistungen in artilleristische-technischer Hinsicht sich
rühmlichst auszeichnende Eisengießerei-Etablissement von H. Gruson bei Magdeburg hat auf der letzten Pariser
Welt-Ausstellung in Bezug auf Lösung der das Brechen von Panzerungen und die
Benutzung der Panzerschild-Casematten betreffenden Fragen bekanntlich
concurrirt durch:
1) eiserne Hartguß-Geschosse, welche nach Major Palliser's Methode schalenhart dargestellt, nämlich in eisernen Formen
gegossen, in den zum Bloßlegen der Geschoß-Querbruchflächen zerschlagenen
Exemplaren das strahlenartig krystallinische Gefüge ihrer beim Gusse rasch
erstarrten Wandungen zur Anschauung brachten;
2) ein Casemattengeschützrohr-Modell mit Kernrohr von Gußeisen-Hartguß
und einem nach dem Coil-System darum gelegten, die Schildzapfen tragenden
Schmiedeeisen-Panzer. — Diese Construction war auch in ihrer Anwendung
auf Feldgeschütze in einem ausgestellten Vierpfünder
repräsentirt, dessen Hinterladungs-Vorrichtung aus einer mit Kupferliderung
versehenen, sinnreichen Combination der Verschlüsse von Wahrendorff und Greiner bestand. (In analoger
Weise hat Major Sprengler den im polytechn. Journal Bd. CLXXXVII S.
474 veröffentlichten, sehr beachtenswerten Vorschlag gemacht, die Vorzüge
von Gußstahl- und Bronzerohren dadurch mit einander zu verbinden, daß man die
Feldgeschütze aus letzterem Material mit Seelen von Gußstahl versieht.)
Die Verwendung dieser Rohrconstruction des Gruson'schen
Etablissements für Panzerbrecher entspricht auch den
neueren Forderungen der Wissenschaft, welche nachgewiesen hat, daß homogen aus
Eisen, Bronze oder Gußstahl hergestellte Rohre, auch wenn sie noch so metallstark
dargestellt werden
sollten, ihrer Natur nachDie absolute Festigkeit per Quadratzoll beträgt
bei den einfach aus Bronze gegossenen Rohren 34000 bis 38000 und bei den aus
Gußstahl hergestellten 71000 bis 120000 Pfd. das nicht zu leisten
vermögen, was nach den im polytechn. Journal Bd.
CLXXXV S. 115 mitgetheilten Versuchen des
Select Committee der englischen Artillerie zur
Durchbohrung der jetzigen so starken Panzer-Constructionen an
Percussionskraft der Geschosse und entsprechendem Widerstandsvermögen der Rohre für
die Marine- und die Belagerungs-Artillerie erforderlich ist. —
Endlich concurrirte das Etablissement noch durch
3) eine für Panzerschild-Casematten mit sehr enger Schartenöffnung bestimmte
Casemattenlaffette. Die hydraulisch in Thätigkeit zu setzende Richtvorrichtung
derselben läßt das an seinem Kopfe und an seinem Bodenstück mit Schildzapfen
versehene Rohr sich gewissermaßen als einen Kugelradius um seinen vor der Mündung in
der Seelenachsenverlängerung liegenden Pivotpunkt drehen, während die Laffette
selbst auf einem nach rückwärts hin aufsteigenden Rahmen in der Weise nach vorn und
nach rückwärts hin bewegt werden kann, daß unter ihr angebrachte excentrische Räder
sie dabei während des Rücklaufes als Schlitten und beim Wiedervorbringen als Wagen
erscheinen lassen.
Nach neueren Zeitungsnachrichten soll im Gruson'schen
Etablissement auch versucht worden seyn, das Durchschlagen der Panzerwände durch
Geschosse anzustreben, welche aus einer Legirung von Zinn und Antimon bestehen.
In dieser Beziehung dürfte eine Untersuchung darüber nicht ganz nutzlos seyn: erstens ob auch bei dem
Vorhandenseyn genügend kräftiger Geschützrohre noch ein Bedürfniß vorliegt,
solche, jedenfalls viel theurere Geschosse an Stelle der
aus Eisen-Hartguß, beziehungsweise Gußstahl dargestellten zu verwenden, und zweitens ob der
Mangel an solchen Geschützrohren welche die gehörige Ladung hinter
Geschosse der letzteren Art zu setzen gestatten, durch
Aenderung des Geschoßmateriales sich paralysiren lassen wird.
In ersterer Beziehung haben die oben erwähnten
Schießversuche des Select Committee der englischen
Artillerie bereits erwiesen, daß zum wirksamen Angriff auf gutgebaute, mit
achtzölligen Schmiedeeisen-Platten armirte Panzerschiffe zwar Geschütze
erforderlich sind, welche bei mindestens 9 Zoll Kaliberdurchmesser etwa 250 Pfund
schweren Langgeschossen mit 40 Pfd. Pulverladung auf 200 Yards Zielentfernung noch
eine Anschlagsgeschwindigkeit von 1325 Fuß zu geben vermögen, — daß aber als
Geschoßmaterial hierzu schalenhart gegossenes Eisen bester Qualität vollkommen
ausreicht, und daß mit massiven, ogival gestalteten Köpfen ausgerüstete Geschosse
dieser Art bei größerer Billigkeit den entsprechenden Stahlgeschossen an Fähigkeit
zum Durchbohren schmiedeeiserner Platten nicht nur nichts nachgeben, sondern auch
noch den Vortheil gewähren, mit der ihnen nach vollendeter Durchbohrung
verbleibenden Kraft im zerbrochenen Zustande gewissermaßen als Traubenschuß zu
wirken.— Weiter ergibt sich aus dem im polytechn. Journal Bd. CLXXXIII S.
134 mitgetheilten Bericht über den zu Shoeburyneß abgeführten
Schießversuch, daß die dabei verwendeten Gruson'schen
Hartguß-Eisengeschosse eine Concurrenz mit den besten von Palliser's schalenhart gegossenen Eisengeschossen
keineswegs zu scheuen hatten, indem der Berichterstatter hierüber bemerkt:
„Das Material der in eisernen Formen gegossenen Gruson'schen Geschosse bestand in derjenigen Art von Gußeisen, welche
man in Deutschland Stahleisen, und in England weißes, ein wenig grau
gesprenkeltes Gußeisen nennt, und ist diesem Umstande, welchem die preußischen
Geschosse überhaupt ihre vorzüglichen Eigenschaften verdanken, in Bezug auf ihre
nunmehr erprobte Fähigkeit, achtzöllige aus zähem Eisen angefertigte
Panzerplatten zu durchdringen, wohl noch mehr Werth beizulegen als deren Guß in
eisernen, schalenhart machenden Formen.“ — Dieses Urtheil wird
durch eine Mittheilung der Berliner Börsenzeitung von 1867 Nr. 432 über ein zu
Spezzia stattgehabtes ähnliches Concurrenzschießen bestätigt.In Nr. 276 und 328 der Allgemeinen Zeitung von 1867 wird auch das dem Fridau'schen Gußwerk in Gradaz (Krain) in dieser
Beziehung angehörende Verdienst rühmlichst hervorgehoben.
Die zweite der oben gestellten Fragen betreffend, dürften
die mit relativ zu schwachen Geschützen (nämlich bronzenen 24 Pfündern, welche circa 67 Pfd. schwere Bleimantel-Vollgeschosse
mit 6 Pfd. Pulverladung abgaben) im Mai 1866 zu Mainz angestellten Schießversuche
gegen den mit sechszölliger Platte gepanzerten Schumann'schen Geschützstand besonders lehrreich seyn. Der hierüber von Major
Sander veröffentlichte Bericht (Berlin 1867,
Vossische Buchhandlung) weist hinsichtlich der dabei zur Verwendung gekommenen Gruson'schen Hartguß-Spitzvollgeschosse nach, daß
deren Anschläge bei guter Qualität der Panzerplatten anfänglich allerdings keine
Risse oder Sprünge erzeugten, daß aber die durchschnittlich 4 Zoll große Tiefe ihres
Eindringens, wenn mehrere Treffer nebeneinander fielen, sehr bald Ausbröckelungen
bewirkte, welche die Stärke der Platte durch allmähliches Entfernen des Materiales
reducirten und so
eine schließliche Durchlochung ermöglichen. Diese Hartguß-Eisengeschosse
leisteten somit Alles, was man von mit zu schwacher Ladung gegen Panzerplatten
abgeschossenen Projectilen verlangen kann.
Der erwähnte Bericht führt als weitere Vorzüge der Gruson'schen Geschosse auf:
a) sie halten ihre Flugbahn mit großer Genauigkeit inne
und schlagen stets in normaler Weise mit etwas gehobener Spitze in die Platte
ein;
b) die stets intact bleibende Spitze des Geschosses und
die Größe seiner Eindringungstiefe sind Beweise seines hohen Härtegrades und seiner
Wirksamkeit gegen Eisenpanzerungen;
c) die Bruchstücke des stets zertrümmerten Geschosses
prallen nach dem Anschlage nie mehr als 30 bis 40 Schritt zurück, können daher dem
Angreifer nicht gefährlich werden;
d) das Geschoß kostet nur ¼ so viel als
Stahlgeschosse.
Bezüglich der Stahlgeschosse wird bemerkt, daß sie mit
stets wehr oder weniger deformirter Spitze häufig schräg resp. flach an die Platte
anschlugen und so in ihrer Wirkung beeinträchtigt wurden. Letztere brachte aber auch
bei normalen Platten-Treffern eine nur 3½ Zoll betragende mittlere
Eindringungstiefe hervor. Der Abprall dieser ganz bleibenden Geschosse, sowie
einzelner Trümmer derselben, kann aber dem Angreifer leicht gefährlich werden, indem
die gewöhnlich 100 bis 150 Schritt betragende Grenze dieses Abpralles sich in
einzelnen Fällen bis zu 2000 Schritt und darüber erweiterte.
Hiernach wird die Schlußfolgerung gerechtfertigt erscheinen, daß für Geschütze, welche durch künstliche
Metallconstruction mit dem der Jetztzeit entsprechenden Widerstandsvermögen
ausgerüstet sind, gutes Hartgußeisen als Material zu
gebrauchssicheren gegen Panzerplatten zu verwendenden
Geschossen vollkommen genügt.
Muß dieses zugegeben werden, dann hat die Technik zum Zweck des
Panzerbrechens aber nicht neue Geschoßmaterial-Modificationen,
sondern Rohre zu schaffen, welchen durch wissenschaftlich
geregelte Construction ihrer Wandungen ein genügendes Widerstandsvermögen bei
möglichst großer Handlichkeit verliehen worden ist.