Titel: | Ueber zwei neue Brechmaschinen für Flachs und Hanf; von Dr. Carl Möller. |
Fundstelle: | Band 188, Jahrgang 1868, Nr. CIX., S. 455 |
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CIX.
Ueber zwei neue Brechmaschinen für Flachs und
Hanf; von Dr. Carl
Möller.
Aus dem Wochenblatt zu den preußischen Annalen der
Landwirthschaft, 1868, Nr. 12 und 13.
Mit Abbildungen auf Tab.
VIII.
Möller's Brechmaschinen für Flachs und Hanf.
Da fast in keinem Theile Deutschlands ein concentrirter Flachsbau betrieben wird, und
es unvortheilhaft ist, den Strohflachs auf größere Entfernungen zu versenden, so
können große, theure und viel Betriebskraft erfordernde
Brechmaschinen bei deutschen Verhältnissen im Ganzen nicht
rentiren. Es sind auch in der That fast alle Versuche, derartige Maschinen
zum Betrieb großer Flachsbrechanstalten einzuführen, in Deutschland gescheitert, und
nach wie vor wird der Flachs mit der Handracke (Bracke) gebrochen. Die
Unzuträglichkeiten, die mit dem Transporte des Strohflachses nach entfernteren
Brechanstalten verbunden sind, waren jedoch nicht der alleinige Grund, weßhalb die
großen Flachsbrechanstalten nicht haben aufkommen können; es kommt vielmehr hinzu,
daß die Handracke den von jenen Brechanstalten angewandten Walzenbrechmaschinen
— namentlich den älteren Maschinen dieser Construction — gegenüber
einige unzweifelhafte Vortheile bietet. Diese Vorzüge sind folgende:
1) Man kann mit der Handracke den Flachs, seiner größeren oder geringeren Zähigkeit
entsprechend, schwächer oder stärker bearbeiten, da man einestheils die Intensität
des Schlages und anderntheils die Schnelligkeit des Durchführens völlig in der
Gewalt hat. Man kann deßhalb nicht allein die verschiedenen Flachssorten ganz
verschieden bearbeiten, sondern auch die verschiedenen
Theile des Stengels schwächer oder stärker angreifen.
2) Man kann mit der Handracke die Schewen ziemlich vollständig aus dem Flachs
entfernen. Der gerackte Flachs ist eine Handelswaare, die wegen ihres hohen Werthes
einen weiten Transport verträgt, während der auf der Walzenbrechmaschine
verarbeitete Flachs vor dem Versandt geschwungen werden muß.
3) Die Flachsfaser bleibt bei der Bearbeitung auf der Handracke glatt und glänzend
und verliert nicht in der Weise beim Schwingen, wie es bei dem auf
Walzenbrechmaschinen verarbeiteten Flachs häufig der Fall ist.
Die Mängel der Handracke bestehen in der geringen Productionsfähigkeit derselben und
in den hohen Löhnen, die der Landwirth in Folge dessen für das Racken des Flachses
zu zahlen hat; hierzu kommt, daß in Gegenden, wo der Flachs bisher nur wenig gebaut
wurde, häufig geübte und geeignete Rackarbeiter fehlen; es mußten deßhalb viele
Landwirthe, die den Flachsbau in größerem Maaße einführen wollten, ihre Absicht
aufgeben, weil sie sich außer Stande sahen, größere Mengen Flachs racken zu
lassen.
Textabbildung Bd. 188, S. 456
Die beiden hier zu beschreibenden Brechmaschinen sollen
möglichst die Vortheile der Handracke mit einer vergrößerten
Productionsfähigkeit verbinden.Diese Maschinen werden in der Fabrik der Firma C. und Th. Möller in Brackwede bei Bielefeld angefertigt und
von derselben, um sie schneller einzuführen, auf Probe gegeben. Sie sind
dieser Firma patentirt. Der Flachs wird bei diesen Maschinen wie
bei der gewöhnlichen Racke mit der Hand eingeführt, weil
es bei jeder mechanischen Einführung unmöglich scheint, die
verschiedenen Theile des Flachses je nach dem Grade ihrer Zartheit schwächer
oder stärker zu bearbeiten und dadurch die Faser möglichst zu schonen. Es
ist ferner das Princip des Schlages gegenüber dem bei der
Walzenbrechmaschine angewandten Princip des Druckes und
des Quetschens beibehalten, weil die Erfinder von einer
Ansicht ausgiengen, die sich in neuerer Zeit vielfach Bahn gebrochen hat, daß
nämlich der Volksinstinct, welcher die Bokmühle, die Handracke und das Schwingbeil
zum Brechen des Flachses erfand, im Rechte war, und daß das Brechen der holzigen
Theile des Flachses (der Schewen) und das Loslösen derselben von der biegsamen Faser
am vollkommensten und mit dem geringsten Kraftaufwande, durch einen Schlag zu bewirken ist.
Gehen wir zur näheren Beschreibung über.
1) Die Doppelrackmaschine, welche durch den vorstehenden
Holzschnitt perspectivisch dargestellt ist, wird durch Fig. 16 und 17 näher in
ihrer Construction erläutert: a. ist eine Welle, auf
welcher sich ein Schwungrad, eine lose und eine feste Riemenscheibe, sowie eine
Kurbelscheibe befinden, welche letztere es gestattet, den Hub zu variiren. —
Eine Zugstange b überträgt die Bewegung auf die beiden
Schlägergabeln c1 und
c2, welche dadurch
in eine schnellere auf- und abgehende Bewegung versetzt werden. Die beiden
Schlägergabeln mit je 2 Schlägern von Gußstahl bewegen sich zwischen drei Führungen
d1, d2, d3 welche ihrerseits
die 6 gußeisernen feststehenden Mäuler (f1, f2, f3) tragen. Die Schlägergabeln knicken den Flachs
bei jedem Auf- und Niedergange einmal nach oben und einmal nach unten durch,
so daß, wenn die untere Welle 400 Umdrehungen per Minute
macht, 800 Schläge per Minute ausgeübt werden.
Gleichzeitig wird der Flachs, indem man ihn zwingt, die in der Seitenansicht
dargestellte Form anzunehmen, über die Kanten der Mäuler gezogen, was bei der
äußeren Faserschicht ein Abstreifen der Schewen zur Folge hat. Die Arbeit geschieht
in der Weise, daß man ein Bündel Flachs in der Mitte faßt, es seitlich einführt und
langsam rückwärts
durchzieht, wie das in Fig. 16 durch einen Pfeil
angedeutet ist.
Je langsamer man den Flachs durchzieht, desto näher fallen die Schläge nebeneinander,
und man hat es auf diese Weise ganz in der Gewalt, die verschiedenen Theile des
Flachses verschieden zu bearbeiten. Durch Verstellung des Hubes kann man außerdem
die Intensität des Schlages, der Qualität des Flachses oder Hanfes entsprechend,
variiren: je tiefer der Schläger zwischen den Mäulern durchschlägt, desto kräftiger
wird natürlich der Flachs gebrochen. Da man außerdem die Dicke des eingeführten
Bündels der größeren oder geringeren Zartheit des Flachses anpassen kann, so hat man
die mannichfaltigsten Mittel, den Flachs so zu bearbeiten, wie es seine
Beschaffenheit wünschenswerth macht, um ihn dadurch möglichst zu schonen.
Die Maschine bedarf nur etwa ½ Pferdekraft, läßt sich deßhalb durch jeden
Pferdegöpel leicht treiben und durch Wind- und Wassermühlen bewegen, ohne daß
diese, wenigstens in den meisten Fällen, durch den geringen Mehrverbrauch an Kraft
afficirt würden.— Sie bedarf außerdem sehr wenig Raum für ihren Betrieb, so
daß sie sich fast überall aufstellen läßt, ohne besondere Bauten etc. zu erfordern.
Die Anschaffungskosten sind endlich niedrig (der Preis der Maschine ist 125 Thlr.),
so daß die Verzinsung kaum in's Gewicht fällt.
Aus allen diesen Gründen scheint diese Maschine sowohl für bestehende Mühlen als
Hülfsbetrieb zum Brechen des Flachses der benachbarten Landwirthe, als auch für
größere Flachszüchter, die Göpelbetrieb haben, zum Brechen des eigenen Flachses sehr
geeignet zu seyn. Aus folgender Zahlenzusammenstellung, bei der ein in 100 Tagen
verarbeitetes Strohflachsquantum von 600 Ctr. per Jahr,
einen Tagelohn von 12½ Sgr. die Arbeitsleistung eines kräftigen Arbeiters an
der Handracke mit 50 Pfd. Strohflachs per Tag, sowie
dreier Arbeiter an der Doppelrackmaschine zu 6 Ctr. Strohflachs per TagDie Arbeitsleistung an der Handracke ist absichtlich hoch, die an der
Doppelrackmaschine niedrig gegriffen worden., und der Preis der
Maschine incl. Riemen und Aufstellungskosten zu 150 Thlr. angenommen ist, dürfte
sich ergeben, wie außerordentlich viel billiger sich das Brechen des Flachses mit
der Doppelrackmaschine im Vergleich zur Handracke stellt.
Es ist bei diesem Vergleich allerdings außer Acht gelassen, daß die Handracke etwa 70
Proc. an Schewen entfernt, während durch die Doppelrackmaschine sich nur etwa 50
Proc. bei dem genannten Arbeitsquantum entfernen lassen; die nicht entfernten Schewen hängen
indessen so lose, daß sie sich auf der Schwingmaschine leicht entfernen lassen.
Dagegen ist auch nicht berücksichtigt, daß der Flachs auf dieser Maschine eine höhere Ausbeute an geschwungener Faser gibt, als wie der
mit der Handracke verarbeitete Flachs. Selbstverständlich stellt sich die
Calculation in den Gegenden noch mehr zu Gunsten der
Doppelrackmaschine, wo der Taglohn höher wie 12½ Sgr., und die
Arbeitsleistung an der Handracke geringer wie 50 Pfd. Strohflachs per Tag ist. Ein Aequivalent für die verwandte Kraft ist
nicht in Ansatz gebracht, weil angenommen wird, daß dafür nur eine verfügbare oder
leicht verfügbar zu machende Kraft benutzt wird.
Vergleichende Zusammenstellung für 100
Pfund Strohflachs berechnet.
Doppelrackmaschine.
Handracke.
Lohn für 100 Pfd. Strohflachs
6,2 Sgr.
Lohn
25 Sgr.
Zinsen (5 Proc.) und Abschreibung (10 Proc.) von 150 Thlr
1,1 Sgr.
Div. Unkosten (Schmiermaterial, Reparaturen) sehr hoch geschätzt mit 24
Thlr. per Jahr
1,2 Sgr.
Summa
8,5 Sgr.
Summa
25 Sgr.
Bei Anwendung von Doppelrackmaschinen Reingewinn im
Vergleich zur Handracke:
per 100 Pfd. Strohflachs
—
Thlr.
16,5
Sgr.
per Tag
3
Thlr.
9
Sgr.
per Jahr
330
Thlr.
—
Sgr.
(zu 100 Arbeitstagen.)
Noch vortheilhafter erscheint die Doppelrackmaschine für
Hanf: aus diesem werden die Schewen fast völlig entfernt, und die Masse des
mit dieser Maschine per Tag verarbeiteten Strohhanfes
von 25 Ctr. fällt um so mehr in's Gewicht, als die Verarbeitung desselben auf der
Handracke eine viel schwerere Arbeit, wie das Brechen des Flachses mit diesem
Instrument ist. In der Praxis hat sich für das Brechen des Hanfes die
Doppelrackmaschine bei zweijährigem dauernden Betrieb sehr gut bewährt.
2) Die Kreisrackmaschine, Fig. 18 und 19, besteht
aus einer gußeisernen Scheibe a, auf der sich 12 Paare
von Holzschlägern d) befinden; die Scheibe a sitzt auf einer in zwei Lagerböcken sich drehenden
Welle b, welche eine feste und eine lose Riemenscheibe
trägt. Auf dem Grundrahmen der Maschine befindet sich ein eisernes Stück c, welches drei hölzerne Maulstücke trägt, wie das auf
dem Grundriß (Fig.
19) ersichtlich ist. Der obere Theil von c ist
mit dem unteren durch ein Scharnier verbunden und wird durch eine Feder nach vorn
gedrückt, welche nachgibt, wenn ein dickes Flachsbündel eingeführt wird. Der untere
Theil von c ist durch Klemmschrauben auf dem Grundrahmen
befestigt und läßt sich, nachdem diese gelöst sind, der Scheibe nähern oder von
dieser entfernen. Je mehr das Maul der Scheibe genähert wird, desto stärker wird der
Flachs gebrochen und angegriffen. Der Flachs wird, nachdem man ihn in der Mitte
gefaßt, von oben zwischen Maul und Scheibe hineingeschlagen und langsam
zurückgezogen. Die Scheibe a dreht sich in der Richtung
des Pfeiles, und die daran sitzenden Holzschläger schlagen bei jedem Vorübergang den
Flachs zwischen die Rippen des Maules; wenn die Scheibe 400 Umdrehungen per Minute macht, ertheilen die 12 Schläger 4800 Schläge
per Minute.
Die Kreisracke hat mit der Doppelrackmaschine alle die Vortheile gemein, welche
darauf beruhen, daß man die verschiedenen Flachssorten, sowie die verschiedenen
Theile des Flachsstengels, ihrer Zähigkeit entsprechend, schwächer oder stärker
bearbeiten kann.
Die Kreisracke zeichnet sich vor der Doppelrackmaschine durch folgende Eigenschaften
aus:
1) große Billigkeit. Der Preis beträgt nur 75 Thlr.;
2) geringen Kraftverbrauch (etwa ¼ Pferdekraft);
3) außerordentliche Einfachheit;
4) Fähigkeit, den Flachs vollständiger zu reinigen.
Dagegen hat sie eine geringere Productionsfähigkeit und scheint den Flachs nicht in
demselben Maaße wie die Doppelrackmaschine zu schonen. Die Productionsfähigkeit ist
schon darum nur halb so groß wie bei jener, weil an der Kreisracke nur ein Arbeiter bequem arbeiten kann, während bei der
Doppelrackmaschine zwei Arbeitsstände sind. Nach einem Versuche, der auf der
Spinnerei Vorwärts bei Bielefeld angestellt wurde, steht die Ausbeute an fein
geschwungenem Flachs bei der Kreisracke noch immer über derjenigen der Handracke.
Eine sehr geschickte Rackerin erhielt eine Partie von demselben Flachs, der auf der
Kreisracke verarbeitet wurde, um sie mit der Hand zu racken, wobei sich folgendes
Resultat ergab:
Handracke:
Kreisracke:
Strohflachs
=
100
Strohflachs
=
100
gerackt
32
Proc.
gerackt
44
Proc.
geschwungen
20
Proc.
geschwungen
21
Proc.
Ich verdanke diese Mittheilungen der Güte der Herren Bozi,
die jene vergleichenden Versuche auf der Spinnerei Vorwärts haben anstellen
lassen.
Es ist für den Werth der Production nicht allein maßgebend, wie viel geschwungener
Flachs producirt wird, sondern es fällt auch in's Gewicht, daß bei der Handracke
eine nicht unbedeutende Menge sogenannter Rackheede abfällt, die in dieser Form von
sehr geringem Werth ist, während auf den genannten Brechmaschinen fast gar keine
Heede abfällt, und diese deßhalb beim Schwingen in der werthvolleren Form der
Schwingheede gewonnen wird.
Für Hanf liegen bisher bei der Kreisracke längere Erfahrungen nicht vor; wenn sie
sich auch dafür benutzen läßt, so ist doch die Doppelrackmaschine für Hanf
entschieden geeigneter.
Bei Anwendung der beiden hier beschriebenen Maschinen sind Schwingmaschinen zwar
entbehrlich, da der auf denselben gerackte Flachs auf der Doppelracke etwa 50 Proc.
und auf der Kreisracke etwa 55 bis 65 Proc. an Schewen verloren hat und auf ein
kleines Volumen reducirt ist; der Flachs läßt sich deßhalb in dieser Form schon auf
weite Entfernungen versenden und auf den Spinnereien leicht völlig rein schwingen.
Indessen möchte es sich in den meisten Fällen empfehlen, mit der Doppelrackmaschine
zwei und mit der Kreisracke einen Schwingstand zu combiniren, um die Schewen völlig
aus dem Flachs zu entfernen, um so das Gewicht desselben bis auf etwa 25 Proc. des
Gewichtes des Strohflachses zu reduciren, und den Flachs leichter verkäuflich und
für den Transport geeigneter zu machen und die Schewen zu gewinnen, welche als
Düngemittel der Flachsländereien von Werth sind.
Es dürfte sich in den meisten Fällen für alle diejenigen, welche die Flachsbereitung
nicht als ein eigentliches Geschäft betreiben wollen, empfehlen, den Flachs in der
angedeuteten Weise nur vorzuschwingen und das
Feinschwingen denen zu überlassen, die daraus ein eigentliches Geschäft machen, weil
beim Feinschwingen durch weniger geübte Arbeiter leicht ein nicht unbedeutender
Theil der Flachsfaser in Heede verwandelt wird.
Wenn der Flachsbau in Deutschland eine größere Bedeutung gewinnen, und wenn
namentlich der Flachs als regelmäßiges Glied in die Fruchtfolge eintreten soll, so
ist ein Verlassen der Handarbeit beim Brechen geboten; es müssen
Flachsreinigungs-Maschinen von den größeren Grundbesitzern für den eigenen
Gebrauch oder von Mühlenbesitzern als Nebenbetrieb für den Localbedarf der
benachbarten kleineren Grundbesitzer aufgestellt oder von Unternehmern auf Wagen
gesetzt und so von einem Flachszüchter zum anderen gefahren werden. Auch in den
beiden letzten Fällen würde der Transport des Strohflachses möglichst vermieden, das
Brechen könnte gleichsam unter den Augen des Flachszüchters geschehen, und der
letztere könnte allen Abfall mit dem Flachs zurücknehmen. Das Letztere ist
wünschenswerth, wo die Flachsbereitung nicht in den Händen des Grundbesitzers selbst
liegt, sondern durch Flachsbereiter gegen Lohn geschieht,
weil die vielfach übliche Bestimmung, daß der Abfall dem Flachsbereiter zufällt,
leicht Mißbräuche veranlassen kann. Die Flachsbereitungs-Anstalten würden
sich übrigens am schnellsten Bahn brechen, wenn deren Unternehmer Strohflachs
kauften und ihn nach der Reinigung dann wieder verkauften.