Titel: | Ueber Flintglas; von Sigmund Merz. |
Fundstelle: | Band 188, Jahrgang 1868, Nr. CXVIII., S. 483 |
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CXVIII.
Ueber Flintglas; von Sigmund Merz.
Aus dem bayerischen Kunst- und Gewerbeblatt,
1868 S. 284.
Merz, über Flintglas.
Im Verlaufe der jüngsten Jahre unternahm ich es auf meinem Glaswerke zu
Benedictbeuern für verschiedene optische Zwecke Bleigläser sehr mannichfacher
Zusammensetzung herzustellen, wodurch eine interessante Reihe von Gläsern entstand,
deren Veröffentlichung zweifelsohne auch ein willkommener Beitrag zu den
Collectaneen über Glas seyn dürfte. Die Procentmengen des Bleioxydes bewegen sich
dabei inner der Grenzen 16–68.
Ich lasse die GlassätzeDiese Sätze fanden auch ihre Bestätigung durch die Analyse, die ich dem
freundlichen Entgegenkommen des Hrn. Prof. Dr.
Werther in Königsberg verdanke.
nun nach diesen Procentmengen geordnet hier folgen:
SatzI.
Glasschmelze
Nr. 59.
Kiesel 63,5.
Bleioxyd 16,0.
Kali 20,5.
SatzII.
Glasschmelze
Nr. 31.
Kiesel 55,2.
Bleioxyd 29,7.
Kali 15,1.
SatzIII.
Glasschmelze
Nr. 34.
Kiesel 48,2.
Bleioxyd 40,7.
Kali 11,1.
SatzIV.
Glasschmelze
Nr. 70.
Kiesel 41,7.
Bleioxyd 49,5.
Kali 8,8.
SatzV.
Glasschmelze
Nr. 7.
Kiesel 39,7.
Bleioxyd 53,7.
Kali 6,6.
SatzVI.
Glasschmelze
Nr. 48.
Kiesel 37,00.
Bleioxyd 57,00.
Kali 6,0.
SatzVII.
Glasschmelze
Nr. 55.
Kiesel 34,3.
Bleioxyd 60,1.
Kali 5,6.
SatzVIII.
Glasschmelze
Nr. 78.
Kiesel 26,02.
Bleioxyd 68,21.
Kali 5,76.
Ihr optischer Werth wird repräsentirt durch die folgenden mittleren
Refractions- und Dispersions-Coefficienten, als
für Nr.
59
Refract. n = 1,529 Dispers. En-Cn =
676
für Nr.
31
Refract. n = 1,566 Dispers. En-Cn =
871
für Nr.
34
Refract. n = 1,601 Dispers. En-Cn =
1024
für Nr.
70
Refract. n = 1,636 Dispers. En-Cn =
1195
für Nr.
7
Refract. n = 1,650 Dispers. En-Cn =
1298
für Nr.
48
Refract. n = 1,664 Dispers. En-Cn =
1350
für Nr.
55
Refract. n = 1,676 Dispers. En-Cn =
1411
für Nr.
78
Refract. n = 1,750 Dispers. En-Cn =
1903
Suchen wir nun in approximativen Werthen die Wirkung von je 1 Proc. Mennig (Pb4O5) darzustellen, so
finden wir inner der Grenzen von
Satz
1–2
die Refractionszunahme
=
0,0027
die Dispersionszunahme
=
14.
Satz
2–3
die Refractionszunahme
=
0,0032
die Dispersionszunahme
=
14.
Satz
3–4
die Refractionszunahme
=
0,0044
die Dispersionszunahme
=
22.
Satz
4–5
die Refractionszunahme
=
0,0033
die Dispersionszunahme
=
24.
Satz
5–6
die Refractionszunahme
=
0,0028
die Dispersionszunahme
=
10.
Satz
6–7
die Refractionszunahme
=
0,0049
die Dispersionszunahme
=
25.
Satz
7–8
die Refractionszunahme
=
0,00104
die Dispersionszunahme
=
70.
Diese Werthe zeigen uns:
1) wie sowohl Refraction als Dispersion im geraden Verhältnisse
mit dem Bleigehalte wachsen;
2) daß das Blei die Dispersion mehr als die Refraction
ändert;
3) daß bei relativ höheren Procentmengen von Blei die Gläser
überhaupt schneller die Eigenschaften höherer Refraction und Dispersion
erlangen.
Es bedingt im Durchschnitt 1 Proc. Bleioxyd ein Mehr von
0,0045
Refraction
26
Dispersion.
Setzen wir einige dieser Eigenschaften immerhin als bekannt voraus, so war bisher
wenigstens nirgends zu finden, wie man es anzustellen habe, einen Glassatz nach
Refraction und Dispersion zu berechnen, mit anderen Worten a
priori durch den Calcul dessen optisches Vermögen festzustellen.
Die obige Reihe ermöglicht dieß nun, wenigstens bis zu einem gewissen Grade, welcher
für die Praxis auch wohl genügen kann.
Berechnen wir beispielsweise unter der Voraussetzung einer Sättigungscapacität von 5
Theilen Bleioxyd = 1 Theil Kali,
Mennig/Kali = 941/188 = 5
aus Satz 2 einen Satz von 11 Proc. Mennigzuschlag, so erhalten
wir:
x : (11 - x) = 417 : 188
188 x = 4587 - 417 x
605 x = 4587
x = 7,58 (Kiesel)
11 - x = 3,42 (Kali),
das heißt:
Textabbildung Bd. 188, S. 486
Refraction — Dispersion:
11 × 0,00318
+
1,566 oder
n =
160,098
11 × 139
+
871 oder
dn =
1023,9.
Die kleinen Abweichungen, die sich bei Vergleichung der Eingangs gegebenen Werthe
zeigen, erklären sich zur Genüge aus dem Umstande, daß die obigen Glassätze selbst
nicht das Product des stöchiometrischen Calculs, sondern bloßer
Glashütten-Empirie sind.
Proben wir die aus obiger Reihe gezogenen Resultate aber an fremden Gläsern, so
finden wir auf Guinand'sches Flintglas von n = 1,624 bezogen gegen Satz 3 eine Indexdifferenz von
0,023, also:
0,023:
x = 0,0044
: 1
x = 5,23,
oder 45,93 Proc. Bleioxyd im Guinand'schen Flintglase.
Nach einer Analyse von Dumas enthält dasselbe aber:
Kieselerde
42,5
Thonerde
1,8
Bleioxyd
43,5
Kalk
0,5
Kali
11,7
–––––
100,0.
Denkt man sich jedoch unter Vernachlässigung des verhältnißmäßig geringen
Thonerde- und Kalkgehaltes diese Verbindung bestehend aus 2 Atomen
kieselsaurem Kali und 3 Atomen kieselsaurem Bleioxyd, und nimmt man an, daß sich der
Sauerstoff der Basen zu dem der Säuren wie 1 : 4 verhält, so haben wir:
2
×
5,89
= 1178 oder 12,6 Proc. Kali
3
×
13,94
= 4182 oder 45,5 Proc. Mennig
20
×
192
= 3840 oder 41,9 Proc. Kiesel
und finden die 45 Proc. Mennig in der That gerechtfertigt.
Auch darf wohl nicht übersehen werden, daß Verluste an Blei und Kali, wie sie
jederzeit durch das Gasofenfeuer statthaben, für sich schon kleine Differenzen
zwischen berechneten und schließlich analytisch gefundenen Werthen der
constituirenden Stoffe des Glassatzes erklären.
Noch muß ich eines Umstandes erwähnen, der nicht unwahrscheinlich einen weiteren
Einfluß auf die Dispersion übt.
Es ist dieß die Art der Abkühlung gar geschmolzener Gläser.
Ist der Schmelzproceß vollendet, so wird um eine gleichmäßige Abkühlung einzuleiten
der Glasofen vermauert, d. h. es werden alle Zugänge zum Inneren desselben
sorgfältig mit passenden Steinen und überdieß noch mit Schutt verlegt.
Bei einem sehr bleihaltigen Glase jedoch wurde einmal abweichend von diesem Verfahren
der Ofen nicht sofort geschlossen, sondern aus besonderen Gründen schnell ein Strom
kalter Luft in denselben geleitet.
In naturgemäßer Folge kamen die Oberfläche und die an den Wandungen des Hafens
gelegenen Theile der Glasmasse schneller in's Starren, während der Kern derselben
und die dem Boden zuliegende Masse einer langsameren Abkühlung unterworfen
blieben.
Dieses Verhältniß in seinem Einflusse auf Refraction und Dispersion übrigens nicht
weiter beachtend, wurde das besagte Glas im Laufe der Zeit zu verschiedenen
optischen Zwecken benutzt und man glaubte genug gethan zu haben, Refraction und
Dispersion desselben durch das Sonnenspectrum festzustellen, wobei die folgenden
Werthe gefunden wurden:
Cn = 1,743505
Dn = 1,751437
En = 1,762273
Das besagte Glas war auch fast verbraucht, als aus einem letzten Reste noch ein
Prisma zu spectralanalytischen Versuchen geschliffen wurde.
Nun ergaben die durch dasselbe bestimmten Ablenkungswinkel folgende Werthe:
Cn = 1,743173
Dn = 1,751140
En = 1,762581
Die mittlere Refraction aus der ersteren Beobachtung gibt
n = 1,756855,
aus der zweiten
n = 1,756860,
das heißt völlig übereinstimmende Werthe. Das
Zerstreuungsverhältniß dagegen berechnet sich aus den ersteren Brechungsexponenten
wie folgt:
dn = 0,018768,
aus den letzteren:
dn = 0,019408;
es herrscht somit hier eine Differenz, die beachtet zu werden
verdient.
Professor van der Willigen in Harlem, dem ich davon
gelegentliche Mittheilung machte, spricht sich in den Archives du Musée Teyler, vol I fasc. II, Harlem 1867, auch bereits dahin
aus, daß nicht bloß die chemische, sondern auch die physikalische Beschaffenheit des
Glases einen wichtigen Einfluß auf die Kraft der Refraction und Dispersion desselben
äußert.
Nach unserer Beobachtung übrigens würde nur die Dispersion durch veränderte Abkühlung
eine Aenderung erleiden.