Titel: | Dampf-Bremse für Locomotiven; von A. v. Landsee, Ingenieur in Mülhausen (Elsaß). |
Fundstelle: | Band 189, Jahrgang 1868, Nr. XLI., S. 210 |
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XLI.
Dampf-Bremse für Locomotiven; von
A. v. Landsee,
Ingenieur in Mülhausen (Elsaß).
Aus Armengaud's Génie industriel, April 1868, S.
181.
Mit Abbildungen auf Tab.
III.
v. Landsee's Dampfbremse für Locomotiven.
Das möglichst schnelle Anhalten der Bahnzüge und die Mäßigung der Geschwindigkeit bei
dem Abwärtsfahren von starken Steigungen ist für den Bahnbetrieb eine äußerst
wichtige Frage. Beides geschieht durch Bremsvorrichtungen; aber unter der großen
Anzahl der verschiedenartigsten Constructionen hat noch keine das gewünschte
Resultat nur annähernd erreicht. Eine neuerdings vom Ingenieur A. v. Landsee erfundene Dampfbremse soll nach der Behauptung
des Erfinders allen Anforderungen vollständig entsprechen, dabei neben kräftigster
Wirkung den Vortheil geringer Betriebskosten haben und endlich sich durch äußerst
einfache Handhabung des Apparates auszeichnen.
Das Grundprincip dieses Hemmapparates besteht in der Anwendung von Gegendampf auf die
Kolben der Maschine, dessen Druck durch einen besonderen Vertheilungsschieber so
regulirt werden kann, daß er je nach Bedürfniß während des ganzen Kolbenschubes oder
auch nur während eines Theiles desselben zur Wirkung gelangt. Der Cylinderraum vor
dem Kolben füllt sich mit Kesseldampf; die gegen den Dampf gerichtete Bewegung des
Kolbens drückt ihn wieder in den Kessel zurück und es wird hierdurch eine Hemmung
auf den Bewegungsmechanismus ausgeübt, welche dem Gange der Maschine entgegen
arbeitet und so ein
Bremsen verursacht. Um dem Gegendampfe den Weg aus den Cylindern durch die
Schieberkästen nach dem Rauchrohre zu versperren, werden bei Benutzung des Apparates
die beiden Ausblasrohre durch Schieber geschlossen.
Diese Einrichtung wurde von der französischen Westbahn-Gesellschaft zuerst und
zwar bei einer Locomotive mit zwei gekuppelten Achsen angewendet.
Die Maschine mit dem Apparat ist in Fig. 8–11
abgebildet.
Fig. 8 zeigt
neben der Anordnung der Führungsstangen und Umsteuerung, einen Schieber der
Ausblasrohre.
Fig. 9 ist ein
Querschnitt zur einen Hälfte nach 1–2, zur anderen Hälfte nach 3–4 der
Figur
8.
Fig. 10 ist
ein Horizontalschnitt durch den einen Cylinder.
Die Bewegung der oben erwähnten Vertheilungsschieber geschieht mittelst Excenter,
welche auf die Kurbelachse aufgekeilt sind und deren Stellung mit derjenigen der
entsprechenden Kurbel einen Winkel von 90° bildet. Diese Stellung ist aus
Fig. 11
zu ersehen. Während sich hier der Kurbelzapfen von einem Ende A des Schubes zum entgegengesetzten A′
bewegt, geht der Punkt b des Excenters nach b′ und der von der Excenterstange bewegte
Schieber macht hierdurch den Weg x in der Richtung des
Pfeiles und zurück. Durch diese Bewegung öffnet und schließt er einen Dampfcanal,
während der Kolben von einem Cylinderende nach dem anderen geschoben wird. Während
dem Gange der Kurbel von A′ nach A findet ein ähnlicher Vorgang statt, nur geschieht
jetzt das Oeffnen und Schließen des Canales in der anderen Richtung y, und der Canal der Seite x
bleibt geschlossen.
Der Umsteuerungs-Mechanismus der Maschine ist mit dem Bremsapparat derart
verbunden, daß beide sowohl gleichzeitig als auch einzeln arbeiten können. Die
Hängtasche C mit Gleitstück c hängt an ihrem oberen Theile in einem Auge, welches an dem Kesselträger
befestigt ist. Das Excenter E wirkt auf das freie,
untere Ende der Hängtasche. Ist nun das Gleitstück c
hinaufgezogen, so daß die Verbindungsstange zwischen dem Schieberstängchen und der
Hängtasche in der punktirten Linie C, C′ Fig. 8 liegt,
dann bleibt der Schieber t ohne Bewegung in der Stellung
wie sie in Fig.
10 angegeben ist; er schließt die beiden Dampfcanäle und wird von dem in
der Kammer befindlichen Kesseldampfe fest gegen seinen Sitz gedrückt, so daß keine
störenden Dampfverluste stattfinden können. Die Maschine ist jetzt in ihrem
gewöhnlichen Gang ohne Wirkung des Hemmapparates.
Die Ein- und Auslösung des Gleitstückes c
geschieht vermittelst des dreiarmigen Hebels G von dem mit einer Mutter
versehenen Handrädchen V aus, durch dessen Umdrehungen
die Stange mit Gewinde F hin und her geschoben wird.
Soll der Bremsapparat in Thätigkeit gesetzt werden, so gelangt die Stange F mit dem Hebel G aus der
Stellung b′ nach b
Figur 8, das
Gleitstück senkt sich in der Hängtasche, der Schieber gelangt in Thätigkeit und
durch den Hebel G, die Stange H und die Hebelwelle J werden die
Ausströmungsrohre der Dampfcylinder gleichzeitig durch die Schieber d abgeschlossen.
Das Umsteuern und Abstellen der Maschine geschieht vermittelst einer Schraube zur
Bewegung des mit einer Mutter versehenen Hebels, wie in Figur 8 und 9 angegeben
ist.
a′ ist die Umsteuerungswelle, a die darunter liegende Welle für die Hebel der
Hemmvorrichtung. Um die Manipulation des Umsteuerungs- und Bremsapparates zu
vereinfachen, sind die Handrädchen V, V′ für beide mit den Zahnrädchen R′ und r (Fig. 9)
versehen. Wird durch Einrücken des Hebels L das
Zwischenrad R mit R′
und r in Eingriff gebracht, so genügt die Bewegung an
dem Handrädchen V um gleichzeitig die Maschine in den
Zustand der Ruhe und den Bremsapparat in Thätigkeit zu setzen.
Auch während der Bewegung der Maschine, z. B. bei dem Abwärtsfahren auf starker
Steigung, wo die Maschine in der Regel mit starker Expansion arbeitet, kann der
Führer den Gang derselben etwas hemmen, ohne den Umsteuerungsmechanismus zu
verstellen, indem er den Hebel L in die punktirte
Stellung Fig.
9 bringt und durch Umdrehen des Handrädchens V
dem Kolben Gegendampf gibt.
G.
M.