Titel: Ueber Fabrication von Gußstahl, unmittelbar aus Eisenerzen, mittelst Regenerativ-Gasöfen; von C. Wilhelm Siemens in London.
Fundstelle: Band 189, Jahrgang 1868, Nr. LII., S. 227
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LII. Ueber Fabrication von Gußstahl, unmittelbar aus Eisenerzen, mittelst Regenerativ-Gasöfen; von C. Wilhelm Siemens in London. Aus Les Mondes, t. XVII p. 222 und dem Engineer vom 10. Juli 1868, S. 30. Mit Abbildungen auf Tab. III. Siemens, über Gußstahlfabrication mittelst Regenerativ-Gasöfen. Hr. C. Wilhelm Siemens in London hielt am 7. Mai d. I. vor den Mitgliedern der Chemical Society einen Vortrag über die Anwendung der von ihm und seinem Bruder Friedrich Siemens in Berlin erfundenen Regenerativ-Gasöfen zur Gußstahlfabrication. Als Einleitung gab er eine Skizze der Eigenschaften des Gußstahles und der verschiedenen Methoden seiner Darstellung. Er definirte dieses Product als „eine Verbindung von Eisen und Kohlenstoff, welche die merkwürdige Eigenschaft besitzt, durch Erhitzen und darauf folgendes plötzliches Abkühlen außerordentlich hart zu werden.“ Der Härtegrad, dessen ein Stahl fähig ist, wird durch seinen Gehalt an Kohlenstoff bedingt; die nachstehende kleine Tabelle gibt eine Uebersicht des durchschnittlichen Kohlenstoffgehaltes von Stahlsorten für verschiedene Zwecke. (Die Analysen von A. Willis wurden im Siemens'schen Laboratorium in London ausgeführt.) Bezeichnung der Stahlsorten. Kohlenstoffgehalt. Untersucht von: Wootz 1,34 Proc. T H. Henry Stahl für flache Feilen 1,20 Proc. Willis. Stahl für Dreheisen 1,00 Proc. Willis. Huntsman-Stahl für Schneidwerkzeuge 1,00 Proc. Willis Gewöhnl. Stahl für Schneidwerkzeuge 0,90 Proc. Willis. Stahl für Meißel 0,75 Proc. Willis. Stahl für Prägstempel (zum Schweißen) 0,74 Proc. Willis. Zweimal raffinirter Gerbstahl 0,70 Proc. Willis. Stahl zum Schweißen 0,68 Proc. Willis. Stahl zu Bohrern für Steinbrüche 0,64 Proc. Willis. Stahl zu Maurerwerkzeug u. Rammen 0,60 Proc. Willis. Gewöhnlicher Stahl zum Stanzen 0,42 Proc. Willis. Stahl für Spaten und Hämmer 0,30 bis 0,32 Proc. Willis. Bessemerstahl zu Schienen 0,25 bis 0,30 Proc. Verschiedene. Homogenes Metall (Panzerplatten) 0,23 Proc. Percy. Wenig gestahltes Eisen aus dem offenen Herde 0,18 Proc. Willis. Vor dem Zusatze von Spiegeleisen genommene Probe 0,05 Proc. Willis. Bessemereisen (rein) Spur Abel. Stahl mit 1,40 Proc. Kohlenstoffgehalt steht dem weißen Roheisen nahe; bei einem Kohlenstoffgehalte unter 0,3 Proc. läßt sich das Metall nicht mehr härten (und ist als homogenes oder geschmolzenes Eisen zu betrachten). Die Gegenwart von Schwefel und Phosphor ist sicherlich schädlich, wenn dieselben in etwas beträchtlicher Menge vorhanden sind; nach der Ansicht des Vortragenden können indessen Spuren dieser Elemente zuweilen nützlich wirken, indem sie die Flüssigkeit und Zähigkeit des Gußstahles vermehren. — Die Anwendung manganhaltiger Zuschläge nach dem Patente von Heath (1839) ermöglicht guten Stahl aus gewöhnlichen Sorten von englischem Puddeleisen darzustellen, und Mushet's Entdeckung der wichtigen Vortheile, welche man aus dem Zuschlag von manganhaltigem Roheisen (Spiegeleisen) ziehen kann, hat den von Bessemer errungenen Triumphen den Weg geöffnet. Nach Siemen's Ansicht hat das Mangan, neben seiner Eigenschaft den Schwefel und andere Verunreinigungen zu entfernen, auch die Wirkung die Qualität des Stahles zu verbessern. Silicium, sofern dessen Menge 0,5 Proc. beträgt, macht den Stahl unfähig zu Zainen vergossen zu werden; andererseits wirken geringe Mengen dieses Körpers vortheilhaft, indem sie die heftige Entwickelung von Gasen in der Zeit zwischen dem Schmelzen und dem Erstarren des Stahles verhindern. Ueber die Einwirkung des Titans, des Zinnes und des Arsens ist nichts Bestimmtes bekannt; Dr. Werner Siemens hat aber im Jahre 1853 nachgewiesen, daß das Wolframmetall auf den Stahl eine merkwürdige Wirkung hat, indem es dessen Eigenschaft erhöht, in gehärtetem Zustande den ihm mitgetheilten Magnetismus beizubehalten. Diese Eigenschaft wies der Vortragende mit Hülfe eines permanenten Hufeisenmagnetes nach, welcher mit Einschluß seines Ankers das Zwanzigfache seines eigenen Gewichtes trug; wogegen der berühmte Harlemer Magnet nicht mehr als das Dreizehnfache seines Gewichtes zu tragen im Stande ist. Der Stahl, aus welchem der Siemens'sche Magnet angefertigt ist, enthält ungefähr 2 Proc. Wolfram und 0,4 Proc. Kohlenstoff. Der Vortragende gieng hierauf zur Beschreibung verschiedener Methoden der Stahlbereitung über, deren wichtigste die folgenden sind: der directe Proceß in catalonischen Feuern; die Cementation; das Entkohlungsverfahren oder Stahlpuddeln; der Bessemerproceß; endlich andere Methoden, bei denen durch Einschmelzen von hämmerbarem Eisen (oder von Substanzen, welche Stabeisen geben) mit Roheisen, Spiegeleisen oder anderen kohlenstoffreichen Verbindungen Gußstahl erzeugt wird, wie bei den Methoden von Uchatius, Price und Nicholson, G. Brown, Attwood und Anderen. Versuche über die unmittelbare Darstellung von Stahl mittelst eines Gebläses in einem offenen Herde nach dem Verfahren von Sudre wurden unter der Leitung von Sainte-Claire Deville und zwei anderen Mitgliedern der französischen Akademie abgeführt; allein die rasche Zerstörung des Ofens, in Verbindung mit dem großen Brennmaterialaufwande, hat den Erfolg dieses Verfahrens zweifelhaft gemacht. — Die Möglichkeit der Anwendung von Regenerativ-Gasöfen zum Schmelzen des Stahles und anderer metallurgischer Producte wurde schon im Jahre 1862 durch die Versuche von C. Attwood in England und ein Jahr später durch diejenigen von Lechatelier zu Montluçon in Frankreich erwiesen; letzterer schmolz auf einer aus Bauxit (dem zur Darstellung von Aluminium angewendeten thonerdehaltigen Minerale) bestehenden und dann zweckmäßiger auf einer aus gewöhnlichem weißem Sande geschlagenen Sohle Luppen von Puddeleisen mit Roheisen zusammen. Später schmolzen E. und P. Martin auf den Sireuil-Werken Stahl im Tiegel und auf einem offenen Herde mit Benutzung der brennbaren Gase des Regenerativ-Ofens; ihren aus verschiedenen Stahlsorten bestehenden Producten wurde auf der vorjährigen Pariser Welt-Ausstellung eine goldene Medaille zu Theil. — Zur Abführung eigener Versuche baute der Vortragende in Birmingham zwei Regenerativ-Oefen und es ist ihm gelungen, Stahl von guter Qualität in seinem Ofensysteme zu erzeugen, indem das Erz unmittelbar verwendet wird. Der Vortragende erklärte die Einrichtung dieser Oefen mit Hülfe von Abbildungen im großen Maaßstabe und von Durchschnittsmodellen. Darstellung von Gußstahl unmittelbar aus dem Erze. — Meine Versuche, sagt Siemens, einen Gußstahl von vorzüglicher Qualität direct aus den besseren Eisenerzen mit geringen Kosten darzustellen, habe ich mehrere Jahre fortgesetzt und im letzten Jahre sandte ich einige Stangen aus Rotheisenstein erzeugten Stahles auf die Pariser Welt-Ausstellung, wo mir die goldene Medaille für diese und andere Anwendungen der Regenerativ-Gasöfen zuerkannt wurde. Der zu dieser Stahlerzeugung dienende Ofen (deren mehrere zu einem System verbunden werden) hat in der Gestalt mit einem Schweiß- oder Puddelofen Aehnlichkeit und ist in Fig. 25 und 26 dargestellt. Die Richtung der Flamme ist von Ende zu Ende und die Regeneratoren sind in der Querachse, unter der Sohle angebracht, welche auf eisernen Platten ruht, die durch einen Luftstrom kühl erhalten werden. Die Luft tritt unter den Sohlplatten an der Vorderseite ein und entweicht durch zwei Abzugscanäle an der Hinterseite des Ofens. Das Abkühlen der Sohle ist sehr nothwendig, damit nicht Schlacke oder geschmolzenes Metall durch sie in die Regeneratoren-Kammern hinabdringen kann. Der obere Theil des Ofens ist gänzlich aus Dinassteinen gebaut, welche bekanntlich aus fast reiner Kieselerde bestehen. In der Vorderseite des Ofens sind drei Thüren angebracht, eine in der Mitte unmittelbar über der Abstichöffnung und zwei in der Nähe der Brücken, um nöthigenfalls die Sohle ausbessern zu können. Die Sohle des Ofens wird aus Quarzsand hergestellt, welcher außerordentlich gut entspricht, wenn er gehörig ausgewählt und behandelt wird.Anstatt, wie gebräuchlich, zur Herstellung der Sohle feuchten Sand in den kalten Schmelzofen zu bringen, trocknet Siemens den Sand und führt ihn in den heißen Ofen ein, in Schichten von beiläusig 1 Zoll Dicke. Die Hitze des Ofens muß so stark seyn, daß die Oberfläche jeder Schicht schmilzt; man beginnt also mindestens mit Schweißhitze und steigert dieselbe am Ende der Operation zur vollen Stahlschmelzhitze, um den obersten Schichten noch mehr Festigkeit zu ertheilen. (Die Oberfläche der Sohle soll die Form einer flachen Schale annehmen, welche in der Nähe der Abstichöffnung am tiefsten ist.) Mancher weiße Sand bildet unter diesen Umständen eine harte undurchdringliche Kruste, welche 20–30 Beschickungen von flüssigem Stahl aushält, ohne einer wesentlichen Ausbesserung zu bedürfen. (Geringere Sorten von weißem Sande vermischt man innig mit beiläufig 25 Proc. gewöhnlichem rothem Sande, um dieselben Resultate zu erhalten.)Beim Abstechen des Ofens wird der lockere Sand in der Nähe der Abstichöffnung entfernt, bis man die untere Oberfläche der harten Kruste erreicht. Die tiefste Stelle dieser Oberfläche wird hernach mittelst einer zugespitzten Stange durchstochen, nach deren Wegziehen das flüssige Metall aus dem heißesten und tiefsten Theile der Sohle in die Gießpfanne vor dem Ofen ablauft. Die Charge wird in einen cylindrischen Trichter oder Rumpf gefüllt, welcher über der Mitte der Sohle angebracht ist. Ein solcher verticaler Rumpf besteht aus einem gußeisernen Rohr, welches ein Thonrohr trägt; letzteres ist daran mittelst eines Bajonnetscharniers befestigt und reicht in den Ofen hinab, während das gußeiserne Rohr mit seiner Flansche auf der die Beschickung enthaltenden Plattform aufliegt. Den Rumpf A umgibt ein Feuerraum, durch welchen die Flamme vom Ofen aufsteigt; man läßt dieselbe in regulirten Mengen nahe am oberen Ende des Rumpfes entweichen, da man den letzteren und das in ihm enthaltene Erz zum Rothglühen zu erhitzen bezweckt. In den Rumpf reicht ein schmiedeeisernes Rohr hinab, um einen Strom von reducirendem Generatorgas in das erhitzte Erz treiben zu können, was sich leicht dadurch bewerkstelligen läßt, daß man einen Dampfstrahl in das vom Hauptgascanal nach dem oberen Theil des Ofens sich abzweigende Gasrohr leitet (hierbei muß man aber für eine vollständige Condensation des Dampfes sorgen, indem man das Gas zuletzt einen kleinen Scrubber passiren läßt, in welchem Wasser über Kohksstücke tröpfelt, wobei das Gas zugleich von schwefliger Säure gereinigt wird, deren Schwefel sich sonst mit dem reducirten Erz verbinden könnte). Der Ofen wird in folgender Weise beschickt. Nachdem Rumpf und Gasrohr sich in der gehörigen Stellung befinden, wird beiläufig ¼ Ctr. Holzkohle durch den Rumpf chargirt, um eine Basis für das Erz zu bilden, mit welchem derselbe hernach gefüllt wird. Dann werden beiläufig 10 Ctr. Roheisen durch die Thüren in der Vorder- oder Hinterseite des Ofens eingetragen, welcher, nachdem es geschmolzen ist, ein Metallbad unter dem Rumpf bildet. Unterdessen hat sich das Erz im unteren Theile des Rumpfes, welches in einer Atmosphäre von reducirendem Gase erhitzt wird, theilweise zu Metallschwamm reducirt, welcher, wenn er das Metallbad erreicht, sich schnell in demselben auflöst und so für das Niedergehen des überliegenden Erzes Platz macht, welches gleichfalls auf seinem Wege reducirt und dann im Bade aufgelöst wird; selbstverständlich beschickt man hierzu die Plattform continuirlich mit frischem Erze. Das Auflösen des reducirten Erzes erfolgt außerordentlich schnell, in der Praxis wird es aber durch die Zeit begrenzt, welche für die Reduction des Erzes im Rumpfe erforderlich ist und mehrere Stunden beträgt. Es ist jedoch nicht wesentlich, daß das Erz vollständig reducirt wurde bevor es das Bad erreicht, weil der im Roheisen enthaltene Kohlenstoff zur Vervollständigung der Operation dient. Am besten wendet man ein Gemenge von Roth- und Spatheisenstein an, welches die Elemente zur Bildung einer schmelzbaren Schlacke enthält, die sich auf der Oberfläche des Metallbades anhäuft und von Zeit zu Zeit durch die Thür in der Mitte des Ofens abgezogen wird. Enthält das Erz Kieselerde, so muß man etwas Kalk zuschlagen; man soll jedoch nur Erze mit wenig Gangart anwenden, um den Ofen nicht mit Schlacke zu überladen. Ferner soll das Erz in Stücken von der Größe einer Erbse bis zu der einer Wallnuß seyn, damit es von den reducirenden Gasen leicht durchdrungen werden kann. Will man pulverförmige Erze anwenden, so muß man sie mit beiläufig 10 Proc. ihres Gewichtes leichter kohlenstoffhaltiger Materialien (wie trockener Lohe, Holz oder Holzkohle) mischen. Nachdem sich das Metallbad im Verlaufe von drei bis vier Stunden hinreichend vergrößert hat, unterbricht man das Beschicken mit Erz und läßt das im Rumpfe enthaltene sinken. Bevor der Rumpf leer geworden ist, wird in denselben ein an seiner unteren Seite mit Thon gefütterter falscher Deckel von Gußeisen mittelst eines starken Drahtes, woran er befestigt ist, von oben eingeführt, um den Zutritt der Flamme zum Inneren des Rumpfes zu verhüten. Holzkohle und Erz werden auf die obere Seite dieses falschen Deckels eingefüllt und bilden, wenn man den Draht durchschneidet, den Anfang der nachfolgenden Charge. Wenn alles Erz verschwunden ist, probirt man das Metallbad mittelst Einführens einer Stange durch eine der Vorderthüren des Ofens; sollte das Bad theilweise erstarrt seyn, so setzt man (durch die Seitenöffnung B, Fig. 26, auf der Bank des Ofens) Gußeisen zu, um es wieder vollständig flüssig zu machen; enthält hingegen das Bad einen Ueberschuß von Kohlenstoff, so setzt man oxydirende Agentien (Braunstein, oder Bleiglätte in Verbindung mit Natronsalpeter) im erforderlichen Verhältniß zu. Alsdann werden 5 bis 8 Proc. Spiegeleisen (welches nicht weniger als 9 Proc. Mangan enthält) zugesetzt, welches man im Bade niederschmelzen läßt, das dann umgerührt wird und endlich abgestochen werden kann. Die Zusammensetzung der anzuwendenden Eisenerze ist ziemlich gleichgültig, wenn dieselben verhältnißmäßig frei von Gangart, sowie insbesondere von Schwefel und Phosphor sind, weil die Hitze jedenfalls zum Schmelzen derselben ausreichend ist. Siemens bemerkt jedoch, daß seine Erfahrung sich bis jetzt auf bloße Versuche beschränkt.

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Tafel Tab.
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