Titel: | Kleine Beiträge zum chemischen Theil der Zuckerfabrication; von E. F. Anthon, Fabriken-Inspector in Prag. |
Autor: | E. F. Anthon |
Fundstelle: | Band 189, Jahrgang 1868, Nr. LVII., S. 242 |
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LVII.
Kleine Beiträge zum chemischen Theil der
Zuckerfabrication; von E. F.
Anthon, Fabriken-Inspector in
Prag.
(Schluß von S. 143 des vorhergehenden
Heftes.)
Anthon, Beiträge zum chemischen Theil der
Zuckerfabrication.
VI. Instructives Beispiel der Diffusion.
Wenn man eine etwa 1 Zoll im Durchmesser haltende Glasröhre bis auf eine beliebige
Höhe (etwa 3 Zoll hoch) mit normaler Melasse (also mit einem Gehalt von circa 50 Zucker, 30 Nichtzucker und 20 Wasser) füllt,
auf diese recht behutsam eine gleich hohe Schicht reinen farblosen Klärsels bringt,
so daß die Grenze zwischen beiden eine scharfe ist, und die dann verstopfte Röhre
der Ruhe überlassen beobachtet, so wird man bald den Beginn der Diffusion, d. h. ein
Aufsteigen der in der Melasse enthaltenen fremden Stoffe in das reine Klärsel daran
wahrnehmen, daß braune Streifen und Wolken in dem letzteren emporzusteigen beginnen
und das farblos aufgegossene Klärsel immer mehr und zwar so lange dunkler färben,
bis sich die färbenden Theile der Melasse in beiden aufeinander geschichteten Flüssigkeiten
gleichförmig vertheilt haben. Daß dabei auch gleichzeitig die farblosen in der
Melasse enthaltenen fremden Stoffe den Gesetzen der Diffusion (wenn auch in
ungleichen Zeitabschnitten) folgen und sich gleichfalls in beiden Flüssigkeiten in's
Gleichgewicht setzen, braucht wohl kaum hervorgehoben zu werden.
Wenn man nach längerem Stehen der zur Vermeidung von Verdampfung fest geschlossenen
Glasröhre dieselbe entleert, so wird man die interessante Beobachtung machen, daß in
dem unteren Theil der Röhre, und zwar genau bis zu jener Höhe bis wohin Anfangs die
Melasse reichte, sich die Wände mit Zuckerkrystallen überzogen vorfinden —
eine Erscheinung, deren Erklärung eine sehr einfache ist.
Diffusion kann nämlich nur in ungleichartigen Flüssigkeiten, bei gleichartiger Natur
des gelösten Stoffes aber nur bei einem ungleichen Sättigungsgrade der Lösung
stattfinden, jedoch mit Ausnahme jener Fälle, wo man eine mit einem Stoffe übersättigte Lösung mit einer anderen Lösung desselben
Stoffes in Berührung bringt, die zwar nicht übersättigt, für die obwaltende
Temperatur aber doch vollständig gesättigt ist, wo sich dann der Ueberschuß der
ersten Lösung nicht mit dem Gehalte der zweiten Lösung in's Gleichgewicht zu setzen
vermag.
Wenn hiernach auf Melasse, welche mehr als die doppelte Menge Zucker von dem darin
enthaltenen Wasser enthält und demnach als eine mit Zucker übersättigte Lösung
anzusehen ist, reines Klärsel gebracht wird, so kann von dem in der Melasse in
Ueberschuß enthaltenen Zucker sich auch nicht der kleinste Theil in das darauf
gegossene Klärsel erheben (obgleich dieses für gleiche Mengen Wasser berechnet
weniger Zucker enthält als die Melasse), weil eine schon mit Zucker gesättigte
Lösung bei derselben Temperatur keinen Zucker mehr aufzunehmen vermag, die fremden
Stoffe in der Melasse aber ungehindert in das Klärsel diffundiren und sich in diesem
in's Gleichgewicht setzen können. Dadurch aber, daß hierdurch der Melasse die Hälfte
der in ihr enthaltenen fremden Stoffe entzogen wird (indem sich diese auf die
doppelte Menge Flüssigkeit vertheilen), verliert die Melasse den größten Theil ihrer
Zähigkeit, welche sie am Auskrystallisiren des Zuckerüberschusses verhindert hatte
und der demzufolge nun auch auszukrystallisiren vermag.
Diese Beobachtung hatte für mich ein um so größeres Interesse, als sie mir zur
Bestätigung einer längst gehegten Ansicht diente, für die mir aber bis dahin jeder
directe Beweis fehlte, nämlich der Ansicht, daß eine normale Melasse stets als eine
mit Zucker übersättigte Lösung angesehen werden muß, sobald der darin enthaltene
freie Zucker mehr als doppelt so viel beträgt wie die vorhandene Wassermenge, aus
welcher der Ueberschuß
aber nur wegen der großen Zähigkeit der Melasse nicht vollständig
auszukrystallisiren vermag.
VIII. Ueber
die Mängel in der jetzigen Bezeichnungsweise des Resultates der Analyse von
Zuckerproducten.
Bei der jetzt meist üblichen Weise das Resultat der Analyse von Zuckerproducten
auszudrücken, pflegt man die theils gefundenen, theils nach der Differenz
berechneten Bestandtheile gewöhnlich so zusammenzufassen, daß man die
Gesammtzuckermenge, dann die gefundene Aschenmenge (worunter man sich im Gegensatz
zu den organischen Stoffen, die mineralischen Bestandtheile nicht bloß vorstellt,
sondern häufig sich geradezu des Ausdruckes Mineralstoffe bedient) und endlich die
organischen Stoffe zusammengenommen aufführt, eine Darstellungsweise, welche auch in
den meisten Fällen dem Industriellen genügt. Anders verhält es sich aber mit der Art
und Weise wie man dabei die Zahlengruppen bildet. Gewöhnlich stellt man die direct
gefundene Aschenmenge nach Procenten in Rechnung. Nun ist aber die resultirende
Aschenmenge, abgesehen von anderen noch zu berührenden Momenten, je nach der Methode
des Einäscherns eine verschiedene, nicht bloß qualitativ, sondern auch quantitativ.
Beim Einäschern der zu untersuchenden Stoffe für sich besteht sie zu 4/5 aus
kohlensauren, beim Einäschern unter Zuhülfenahme von Schwefelsäure gänzlich aus
schwefelsauren Verbindungen, und man nimmt somit Zahlen mit in Rechnung, welche sich
auf Stoffe und Stoffmengen beziehen, wie sie in der untersuchten Substanz gar nicht
vorhanden waren und die resultirende Zahl zu groß erscheinen lassen. In noch weit
höherem Grade ist dieß der Fall, wenn man nach dem in neuester Zeit von Landolt gemachten Vorschlag die gefundene Aschenmenge
verdoppelt und die so erhaltene Zahl als den Salzgehalt in Rechnung stellt, wie er
es in seinem Bericht über die Analysen der Zuckerproducte etc.Verhandlungen des Vereines zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen, 1867
S. 103; Zeitschrift des Vereines für Rübenzuckerindustrie, Februarheft 1868;
im Auszug im polytechn. Journal Bd. CLXXXVII S. 251. gethan
hat, wozu er durch den Umstand veranlaßt wurde, daß die im Rübensaft vorkommenden
organischsauren Alkalien beim Einäschern ziemlich genau ihr halbes Gewicht Asche
geben, und weil er es für angezeigt erachtete dieselben ihrer ganzen Menge nach als
Salze anzusprechen. Vom Standpunkte der Wissenschaft mag vielleicht gegen diese
Gründe nicht viel einzuwenden seyn, vom Standpunkte des Industriellen aber wird dieß
sicher nicht zugestanden werden. Letzterer wird, wenn von Salzen in den Zuckerproducten
die Rede ist, stets nur die mineralischen Bestandtheile (die Alkalien, incl. Chlor,
Schwefelsäure etc.), nie aber das vor Augen haben was die reine Chemie im
ausgedehntesten Sinne des Wortes unter Salzen versteht, und die vorhandenen
organischen Säuren wohl unter allen Umständen den organischen Stoffen zugruppiren,
wodurch er denn auch sicher zu einer richtigeren Vorstellung gelangt.
Um das Gesagte durch ein Beispiel zu erläutern, sey hier das Resultat einer
Melassenanalyse nach dem Analytiker (Stohmann) selbst,
und nach Landolt's Vorschlag umgerechnet
zusammengestellt.
Diese Melasse enthielt 52,3 Zucker, 20,7 Wasser und 27,0 fremde Stoffe (letztere aus
11,2 Salzen, 9,4 stickstoffhaltigen und 6,4 stickstofffreien organischen
Verbindungen bestehend).
Zucker.
Wasser.
Organ. Stoffe.
Salze.
oder, was dasselbe
52,3
20,7
15,8
11,2
Nach L. wäre die Zusammens. dagegen
52,3
20,7
4,6
22,4.
Welche von beiden Zusammenstellungen der Zuckerindustrielle für die richtige
anerkennen wird, darüber kann wohl nicht der geringste Zweifel obwalten; und doch
tritt der Widerspruch in beiden Zahlenreihen noch weit greller hervor, wenn man von
den 11,2 Proc. der gefundenen Asche die darin enthaltene Kohlensäure, welche
mindestens 1/5 vom Gewichte derselben betrug, in Abzug bringen und den organischen
Stoffen zuschlagen wollte.
Vor Allem kann und muß man an die Zusammenstellung des Resultates einer Analyse die
Forderung stellen, daß sie der Wahrheit und den thatsächlich obwaltenden
Verhältnissen entspreche und nicht unausweislich zu falschen Vorstellungen führe, da
hierdurch die Wissenschaft nur zu leicht dem praktischen Fabrikanten zum Irrlichte
wird.
Um zu einem möglichst richtigen Bilde zu führen und den Industriellen in Stand zu
setzen, aus den ihm gebotenen Analysen den möglich größten Nutzen zu ziehen, schlage
ich vor, daß man sich dahin einige, die Analysen von Rohzucker, Syrup und Melasse
für die gewöhnlichen Fälle in folgender Weise zum Ausdruck zu bringen:
a) Gesammtzuckergehalt nach der
Polarisation;
b) Gehalt an freiem, gewinnbaren
Zucker;
c) Gesammtgehalt an organischen
Stoffen und
d) Gehalt an frei gedachten (nicht
kohlensauren) Alkalien, inclusive der damit verbundenen Mineralsäuren, wornach also,
wie schon oben bemerkt, von der gefundenen Aschenmenge 1/5 für die darin vorhandene
und von organischen Stoffen herrührende Kohlensäure in Abzug zu bringen und den
organischen Stoffen zuzuschlagen wäre. Die Namen „Salze“ und
„Aschenbestandtheile“ für die letztangeführte Stoffgruppe
hätte zur Vermeidung falscher Vorstellungen beim Laien zu entfallen und wäre dafür
der Ausdruck „Mineralstoffe“ zu wählen.
Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin, auf die schon mehrseitig betonte
Mangelhaftigkeit der jetzt im Handel üblichen Werthsbezeichnung des Rohzuckers
hinzuweisen. Fast allgemein wird beim Handel mit Rohzucker in Bezug auf dessen
Gehalt (abgesehen von den durch die Farbe bedingten Qualitätsabstufungen) die bloße
Polarisation zu Grunde gelegt und dabei keine Rücksicht auf die gleichzeitig
vorhandenen Mengen fremder Stoffe genommen, und doch kann thatsächlich bei einer und
derselben Polarisation der Nettowerth um 4–6 Procent und darüber differiren.
Wenn man nun berücksichtigt, daß es sich für den kaufenden Raffinateur gar nicht
oder doch nur untergeordnet darum handelt, wie viel ein Rohzucker polarisirt,
sondern nur darum, was derselbe an ausbringbarem Zucker enthält, so bedarf es wohl
keines weiteren Beweises, daß beim Handel mit Rohzucker nicht dessen Gesammtgehalt
an Zucker nach der bloßen Polarisation, sondern der nach obiger oder in anderer
Weise bestimmte Nettowerth zur Grundlage dienen sollte.
IX. Ueber
das specifische Gewicht einer bei 14° R. gesättigten
Zuckerlösung.
Verschiedene Beobachtungen, welche ich wiederholt über die ungleiche Dichte einer bei
14° R. gesättigten reinen Zuckerlösung machte, gaben zu folgendem Versuche
Veranlassung.
Auf eine 10 Zoll hohe Schicht, in einer weiten Glasröhre befindlicher, grobkörnig
pulverisirter Raffinade wurde eine durch sehr anhaltendes Schütteln von destillirtem
Wasser mit viel überschüssiger fein pulverisirter Raffinade dargestellte und somit
wenigstens nahezu gesättigte Zuckerlösung so gegossen, daß sie nur die Zwischenräume
des Zuckers ausfüllte, und durch 16 Stunden bei 14° R. stehen gelassen.
Nunmehr wurde ein Theil der Lösung klar abgelassen und gab ein specifisches Gewicht
von 1,3272 zu erkennen. Nach Verlauf von weiteren 16 Stunden bei gleicher Temperatur
wurde wieder ein Theil der Zuckerlösung abgelassen, deren Dichte sich wieder genau
zu 1,3272 bei 14° herausstellte.
Jetzt ließ ich den Rest der Zuckerlösung, welcher gleichfalls dieselbe Dichte zeigte,
ablaufen und stellte ihn auf flacher Schale bei 15–16°R. zur
freiwilligen Verdampfung so lange an die Luft, bis sich Zuckerkrystalle
ausgeschieden hatten. Der klare Theil der Lösung zeigte nunmehr eine viel größere Dichte,
nämlich 1,3577 und setzte, als er 24 Stunden in einem verstopften Fläschchen bei
14° R. erhalten wurde, festen Zucker ab unter Verminderung seiner Dichte auf
1,3355. — In den nachfolgenden 24 Stunden reducirte sich die Dichte bei
14° R. auf 1,3338; in noch weiteren 24 Stunden (immer bei 14° R.) auf
1,3300. Mit dieser Zahl schien die Grenze der Abnahme der Dichte erreicht zu seyn,
denn sie blieb sich in den nun folgenden 36 Stunden bei 14° R. vollkommen
gleich.
Hiernach kann die Dichte einer bei 14° R. gesättigt erscheinenden Zuckerlösung
eine verschiedene seyn, je nachdem dieselbe bloß durch anhaltendes Schütteln von
Wasser mit überschüssigem Zucker bei 14° R., oder durch Erkaltenlassen einer
etwas übersättigten Lösung auf 14° R. dargestellt worden ist.
Da jedoch bei einem und demselben Stoffe und für eine und dieselbe Temperatur füglich
nicht zweierlei Sättigungsgrade denkbar sind, so kann der Grund davon wohl nur darin
liegen, daß entweder die Zahl von 1,3272 noch nicht als der der Temperatur von
14° R. vollkommen entsprechende Sättigungsgrad anzusehen ist, oder daß man
die Zahl 1,3300 bereits einem Zustand von Uebersättigung zuzuschreiben habe, worüber
ich jedoch noch kein positives Urtheil auszusprechen wage, sondern nur
vermuthungsweise letztere Zahl als die richtigere ansehen will. Jedenfalls
bezeichnen beide Zahlen aber die Grenzen, um welche man sich bei der Darstellung des
Klärsels zu bewegen hat.
X. Versuche
behufs Ausbildung einer Methode zur Reinigung (Raffination) des Rohzuckers ohne
Wärme (Kochen) und ohne Chemikalien.
Die Ueberzeugung, daß der normale Rohzucker nichts anderes als ein mit Melasse
benetzter reiner fester Zucker ist, führte mich auf den Gedanken, daß es möglich
seyn müsse, denselben durch bloßes systematisches Waschen zuerst mit unreinen, dann
mit immer reineren Zuckerlösungen, auf kaltem Wege und ohne Chemikalien, daher auch
ohne jeden Verlust, in reinen Zucker und Melasse zu zerlegen, und zwar derart, daß.
für je 100 Gewichtstheile in Arbeit genommenen Rohzuckers einerseits die
Gesammtmenge des darin enthaltenen festen freien Zuckers (folglich dessen ganzer
Nettogehalt) erhalten werden kann, andererseits die darin vorhandene Melasse
vollständig und unmittelbar als solche, demnach auch von derartiger Beschaffenheit
daß sie keine weitere Verkochung lohnt.
Es bedarf wohl keines besonderen Nachweises, daß, die Bestätigung dieses leitenden
Gedankens und dessen mögliche Durchführung im Großen vorausgesetzt, ein solches
Verfahren die nahezu gänzliche Vermeidung des Verlustes bei den jetzigen
Raffinationsmethoden zur Folge haben würde, welche genau genommen auch nichts
Anderes als ein Waschproceß des Zuckers sind, der aber auf einem umständlichen,
zeitraubenden und zuckerzerstörenden Umwege ausgeführt wird.
Zur praktischen Verfolgung des ausgesprochenen Gedankens habe ich nun seit einigen
Jahren eine große Reihe von Versuchen im Laboratorium durchgeführt, wodurch ich zwar
noch nicht dahin gelangte, die Sache als technisch reif ansehen zu können, welche
aber die Richtigkeit des Principes meiner Voraussetzung unwiderlegbar dargethan
haben.
Zuerst versuchte ich den Rohzucker ohne jede weitere Vorbereitung zu reinigen, indem
ich ihn unmittelbar in die Wasch- oder Extractionsvorrichtung brachte und
auszudecken suchte. Hierbei stellte sich nun der Uebelstand heraus, daß ich es nicht
zur Beherrschung der für das Niedergehen der Decken nöthigen Zeit bringen konnte,
denn während es mir öfters glückte, eine 20–24 Zoll hohe Schicht Zucker
vollständig binnen 18–24 Stunden auszudecken, bedurfte es zur Erreichung
desselben Zieles in anderen Fällen 2 bis 3, ja sogar 4 Wochen und half in diesen
Fällen auch in der Regel das Rutschen wenig oder gar nichts, ja verzögerte sogar in
mehreren Versuchen noch das Niedergehen der Decken. Ich mußte nun nach einem anderen
Mittel suchen, welches mir die Beherrschung des Niedergehens der Decken ermöglichte
und fand dieses Mittel auch in vollkommen entsprechender Weise in der Bildung einer
Zuckermasse aus dem zu verarbeitenden Rohzucker mit einer geeigneten Menge ersten
(folglich schlechtesten) Ablaufes von der beim unmittelbar vorausgegangenen Versuche
verwendeten Rohzuckermenge, durch mäßiges Erwärmen und nachheriges Erkaltenlassen
der so gebildeten Zuckerfüllmasse im Extractionsgefäß.
An diesem Ziele angelangt, schritt ich zu einer neuen Versuchsreihe (zu welcher ein
aus 93,5 Zucker, 4,4 fremden Stoffen und 2,1 Wasser bestehender Rohzucker verwendet
wurde), die ich in der Weise begann, daß ich die erste Füllmasse aus der für den
ersten Versuch bestimmten Rohzuckermenge durch Befeuchten mit etwas Wasser und
mäßiges Erwärmen bildete, und ausnahmsweise zum Ausdecken dieses Quantums bloß
reines Klärsel verwendete, weil mir bei Beginn dieser Arbeit noch kein Ablauf von
einem vorausgegangenen Versuche zur Verfügung stand. Bei allen folgenden in Arbeit
genommenen Zuckermengen wurde jedoch — dem aufgestellten Princip entsprechend
— zum Anmachen des Rohzuckers stets nur der erste (also schlechteste) Ablauf
von dem unmittelbar
vorausgegangenen Versuche verwendet; die folgenden, in kleinen Portionen gesammelten
Abläufe aber wurden der Reihenfolge nach (also von immer reinerer Beschaffenheit)
zum Ausdecken benutzt und geendet wurde je nach Bedarf mit einer oder einigen reinen
Klärseldecken; bei dieser Versuchsreihe wurden zehn in Zusammenhang stehende
einzelne Versuche (Ausdeckarbeiten) durchgeführt.
Ein Hauptzweck dieser Versuchsreihe war der, mich augenscheinlich zu überzeugen, wie
weit eine Verschlechterung des ersten Ablaufes auf diesem Wege füglich getrieben
werden kann, und namentlich ob dieselbe sich bis zu einem wirklichen Melassenablauf
steigern lasse, obgleich nach meinen bis dahin gemachten Beobachtungen diese Frage
schon mit ziemlicher Gewißheit zu bejahen war.
Die in dieser Richtung erlangten Ergebnisse sind im Nachfolgenden zusammengestellt,
wobei ich mich begnügte den Werth der Abläufe nach deren specifischem Gewichte
abzuschätzen, wie ich es schon in meiner Mittheilung Nr. III erläutert habe und wie es dem vorliegenden Zwecke auch vollkommen
entsprach.
Der Ablauf von Versuch
1
hatte eine Dichte von
1,3467
von Versuch
2
hatte eine Dichte von
1,3617
von Versuch
3
hatte eine Dichte von
1,3712
von Versuch
4
hatte eine Dichte von
1,3722
von Versuch
5
hatte eine Dichte von
1,3780
von Versuch
6
hatte eine Dichte von
1,3801
von Versuch
7
hatte eine Dichte von
1,3850
von Versuch
8
hatte eine Dichte von
1,3950
von Versuch
9
hatte eine Dichte von
1,3990
von Versuch
10
hatte eine Dichte von
1,4090.
Es hatte somit der zehnte Ablauf ein spec. Gewicht, wie es einer Zusammensetzung von
beiläufig 51 Zucker, 27½ fremden Stoffen und 21–21½ Wasser und
folglich. auch der Natur wirklicher Melasse entspricht. Die aufgeworfene Frage war
demzufolge auch zu bejahen und ich gelangte zu diesem Resultate ohne irgend ein
Hinderniß und ohne irgend eine Beobachtung, welche die Besorgniß hätte aufkommen
lassen können, daß im Großen nicht derselbe Erfolg in gleicher Weise erzielbar wäre.
Was die bei dieser Versuchsreihe zum vollständigen Ausdecken nöthige Zeit anbelangt,
so betrug dieselbe für eine circa 20 Zoll hohe
Zuckerschicht bei mäßigem Nutschen durchschnittlich 30, nie aber über 36
Stunden.
Was weiter die Beschaffenheit der bei dieser Versuchsreihe angewandten absichtlich
gebildeten Füllmassen, sowie die nöthig gewesenen Mengen an Decke betrifft, so
gibt hierüber folgende Zusammenstellung Aufschluß:
Füllmasse, Zucker,
bestehend aus
Folglich von folgendem Quotienten.
Nöthig gewesene Decke für 100 Rohzucker.
Nichtzucker,
Wasser.
Versuch
1
85,4
3,8
10,8
95,7
62
Versuch
2
84,3
5,6
10,1
93,8
70
Versuch
3
83,3
7,0
9,7
92,2
80
Versuch
4
80,1
8,4
11,5
90,5
88
Versuch
5
79,8
8,1
12,1
90,7
100
Versuch
6
79,0
9,4
11,6
89,4
128
Versuch
7
78,8
9,7
11,5
89,0
136
Versuch
8
78,3
10,5
11,2
88,2
148
Versuch
9
76,5
11,6
11,9
86,8
160
Versuch
10
75,5
12,7
11,8
85,6
228.
Aus dieser Uebersicht ergibt sich deutlich, daß in dem Verhältniß, in welchem der
Zuckerquotient fällt, sich die nöthige Menge Decke für gleiche Mengen Rohzuckers
steigert, und zwar rascher und in größeren Verhältnissen als ich vorausgesetzt
hatte. Während z. B. bei einem Zuckerquotienten von 95,7 der Füllmasse nur 62 Proc.
vom Gewicht des in Arbeit genommenen Rohzuckers an Decke nothwendig waren, er
heischte ein Quotient von 89,4 schon 128 Proc., und endlich ein Quotient von 85,6
sogar 228 Proc. Der Grund davon ist ein mehrfacher und nicht allein in einem
ungleichförmigen Niedergehen der Decken, sondern auch in einer diffundirenden
Wirkung zwischen denselben zu suchen, indem analog dem in meiner obigen Mittheilung
Nr. VI angeführten Beispiel, beim Niederdrücken der
schwereren unreineren Syrupschichten durch nachfolgend reinere, die größere Menge
fremder Stoffe in ersteren Zeit gewinnt nach oben in die nachfolgenden reineren
Syrupschichten zu diffundiren, so wie endlich bei meinen Versuchen auch noch der
Umstand zur Vergrößerung der nöthigen Deckemengen beitrug, daß ich den Ablauf des
einen Extractionsgefäßes (mechanischer Schwierigkeiten wegen) nicht continuirlich
auf den Inhalt des nachfolgenden Extractionsgefäßes auffließen lassen konnte,
sondern portionenweise aufsammeln und aufgießen mußte, wodurch der Effect der Decken
natürlich abgeschwächt wurde.
Die Vollendung des Ausdeckens gibt sich durch die Farblosigkeit und Dichte des
Ablaufes leicht zu erkennen, doch scheint es zur möglichsten Verminderung der zum
schließlichen Ausdecken nöthigen Menge reinen Klärsels angezeigt, das Ausdecken
nicht bis zum Ablauf reinen völlig farblosen Klärsels zu treiben, sondern zu
unterbrechen sobald der Ablauf einen Quotienten von beiläufig 98 zeigt, wo dann bei
Anwendung conischer Extractionsgefäße mindestens 95 Proc. des eingefüllten
Rohzuckers vollständig
ausgedeckt erscheinen werden, wenn dieselben nicht etwa von gar zu dunkler
Beschaffenheit gewesen sind, in welchem Falle man selbst durch ein Uebermaaß von
reinem Klärsel kein vollständiges Weiß zu erzielen vermag.
Daß das schließlich als Decke zur Verwendung gelangende reine Klärsel nicht verloren
geht, versteht sich von selbst; die größte Menge desselben bleibt im Zucker zurück,
wird also als Mehrausbeute zurückerhalten.
Wenn ich in dieser Mittheilung dem Fachmann auch nichts technisch Reifes geboten
habe, da ich nicht in der Lage bin, meine Versuche im Großen zum Abschluß bringen zu
können, so glaube ich doch dargethan zu haben, daß der oben bezeichnete leitende
Gedanke ein richtiger und die Sache einer weiteren Verfolgung werth sey, wenn auch
vielleicht anfangs nur in der Richtung, daß das besprochene Princip zur
unmittelbaren Darstellung eines Raffinade-Farins oder reinen
Deck-Klärsels aus Rohzucker, oder zu einer billigeren Würfelzucker-
und Kandiserzeugung zur Anwendung gelangt — es weitern Untersuchungen
überlassend zu entscheiden, inwiefern darauf ein neues allgemeines
Raffinations-Verfahren begründet werden kann.
Dem allenfallsigen Bedenken, daß das vorgeschlagene Princip gegen eine Grundregel in
der Zuckerfabrication — wornach man kein Zuckerproduct während der weiteren
Verarbeitung mit einem schlechteren Product zusammenbringen darf — verstoße,
glaube ich im Voraus mit der Bemerkung entgegnen zu müssen, daß dieß bei dem in Rede
stehenden Verfahren nur scheinbar stattfindet; denn wenn ich auch behufs der
Füllmassebildung einen schon mehr oder minder reinen Rohzucker mit einem schlechten
Syrup zusammenbringe, so ist es doch klar, daß dieser Syrup keinen verschlechternden
Einfluß auf den im verwendeten Rohzucker vorhandenen Krystallzucker ausüben kann,
sondern im Gegentheil, da der Rohzucker nur als eine Mischung von festem Zucker und
Melasse anzusehen ist, letztere dadurch eine Verbesserung erleidet.
XI. Ueber
das Auftreten des oxalsauren Kalkes bei der Rübenzuckerfabrication.
Man hat in neuerer Zeit wiederholt ein massenhaftes Auftreten von oxalsaurem Kalk als
Incrustation der Abdampfgefäße in den Zuckerfabriken wahrgenommen, diese Erscheinung
aber, so viel mir bekannt, lediglich mit dem Vorkommen der Oxalsäure in dem
Rübensafte erklärt. Ich halte diese Annahme jedoch für unzulässig und glaube sie in
einer Bildung der Oxalsäure im Kohlensäureofen suchen zu müssen; ich hatte zwar noch nicht
Gelegenheit die Richtigkeit meiner Ansicht durch Versuche sicher zu stellen, bin
aber dessenungeachtet davon vollkommen überzeugt.
Die Sublimirbarkeit der Oxalsäure, ihre Bildung beim Schmelzen von verschiedenen
organischen Stoffen (insbesondere von Holzspänen) mit ätzenden fixen Alkalien und
beim starken Glühen von kohlensaurem Kali mit Kohle, wie es bei der Kaliumbereitung
stattfindet, endlich ihre Elementarzusammensetzung, welche sie der Kohlensäure so
nahe stellt daß Döbereiner ihr den Namen
„kohlige Säure“ beilegte und nach welcher 2 Aequiv.
Kohlensäure nur 1 Aequiv. (bloß 2–3 Proc.) Wasserstoff aufzunehmen haben, um
in Oxalsäure überzugehen, sind offenbar Momente, welche zur Bekräftigung der
ausgesprochenen Ansicht dienen können.
Nach dieser Ansicht ist auch auf ungezwungenere Weise die Erscheinung zu erklären,
daß sich der oxalsaure Kalk bei der Läuterung nicht vollständig niederschlägt; da
nämlich der Entstehungsmoment des oxalsauren Kalkes (bei meiner Annahme) mit der
Saturation zusammenfällt, so ist es auch analog vielen anderen Erscheinungen recht
wohl denkbar, daß ein Theil des sich bildenden oxalsauren Kalkes der
augenblicklichen Fällung entgeht und erst beim Abdampfen der Zuckersäfte zum
Ausscheiden gelangt.