Titel: | Zur Blutlaugensalz-Fabrication; von Emil Meyer. |
Fundstelle: | Band 189, Jahrgang 1868, Nr. LXXXII., S. 327 |
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LXXXII.
Zur Blutlaugensalz-Fabrication; von
Emil Meyer.
Aus den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft zu
Berlin, 1868, Nr. 13.
Meyer, über Blutlaugensalz-Fabrication.
Wenngleich gegenwärtig Liebig's Theorie der Umwandlung des
Cyankaliums in Blutlaugensalz beim Auflösen der aus Potasche und Thierstoffen
erhaltenen Schmelzen von Niemandem bestritten wird, so weiß doch jeder in dieser
Fabrication thätige Techniker, daß viele bei derselben auftretende
Ungleichmäßigkeiten in den häufigsten Fällen noch eines zutreffenden
Erklärungsgrundes ermangeln. Die in Reinh. Hoffmann's
gediegener Arbeit (aus Erlenmeyer's kritischer
Zeitschrift für Chemie 1859, im Auszuge im polytechn. Journal Bd. CLVII S. 68)
enthaltenen wichtigen Aufschlüsse sind hauptsächlich der von ihm zuerst angewandten
sorgfältigen und schnell auszuführenden Cyan-Bestimmung zu verdanken,
mittelst deren er die verschiedenen Fabricationsvorgänge untersuchte.
Die von mir angewandte Methode, deren Mittheilung vielleicht hier einen Platz finden
darfDas Ferrocyankalium wird in saurer verdünnter Lösung mit titrirter Chromsäure
oxydirt, und das Ende der Reaction durch Betupfung eines
Eisenchlorid-Tropfens erkannt. Alle anderen oxydirbaren Stoffe,
Schwefelkalium etc. werden vorher so weit als möglich entfernt.
Rhodan- und Cyanwasserstoff bleiben bei gewissen Vorsichtsmaßregeln
(niedrige Temperatur, große Verdünnung) von Chromsäure unverändert.Es werden 10 Grm. der zu prüfenden Schmelze als sein gesiebtes Pulver in circa 150 Kubik-Centimeter Wasser
(weniger Wasser ist der Umsetzung nachtheilig) unter Zusatz von frisch
gefälltem kohlensauren Eisenoxydul in einer Schale aufgekocht und dann in
einen 250 Kub.-Cent. haltenden Kochkolben gespült, in dem sie eine
halbe bis eine Stunde der Erwärmung eines Sandbades überlassen bleiben.
Darauf wird die Lösung mit kohlensaurem Bleioxyd entschwefelt, und nach dem
Abkühlen in kaltem Wasser der Kolben bis zur Marke angefüllt und gut
geschüttelt. Durch Filtriren in ein trockenes Glas erhält man 230–240
Kub.-Cent. einer zur Untersuchung dienenden Lösung, von der 50
Kub.-Cent. genau genug 2 Grm. repräsentiren. Die mit einer Pipette
herausgenommenen 50 Kub.-Cent. werden mit 300 Kub.-Cent. kaltem, vorher genügend mit Schwefelsäure (nicht
Salzsäure) angesäuertem Wasser gemischt und darauf mit der auf reines
Ferrocyankalium titrirten Chromsäure-Lösung gemessen (2 Grm.
Blutlaugensalz 100 Kub.-Cent. Chromlösung entsprechend). Die
Oxydation geht sehr schnell vor sich und ist beendet, wenn der mit der
Lösung betupfte Eisenchlorid-Tropfen auf Porzellan nicht mehr grün
oder blau, sondern röthlich braun gefärbt wird. In alkalischer Lösung ist
die Oydation ungleichmäßig, sowie auch in saurer Lösung bei großer
Concentration Rhodanwasserstoff eine Einwirkung ausübt., ist in
bedeutend kürzerer Zeit auch von weniger geübten Arbeitern ausführbar und hat mir den großen nicht
gering anzuschlagenden Vortheil gewährt, durch schnelle und hinlänglich genaue
Analyse zahlreiche von mir angestellte Versuche beendigen und folgende für den
Fabrikbetrieb nicht unwichtige Thatsachen feststellen zu können.
Die Bildung des Ferrocyankaliums findet nur auf nassem Wege statt durch Umsetzung von
Cyankalium mit Schwefeleisen oder kohlensaurem Eisenoxydul. Metallisches Eisen wirkt
zu langsam und ungenügend, um in der Technik Bedeutung zu haben; es ist nur in der
feinsten Vertheilung, wie es sich z. B. bei dem Glühen von Cyaneisen bildet, zur
vollständigen Umwandlung ausreichend. Am schnellsten wirkt das beim Schmelzen
gebildete Schwefeleisen, so daß Schwefel haltende Schmelzen am leichtesten
umgewandelt werden, namentlich in verdünnten Lösungen, welche die grüne Färbung der
Schwefel-Eisen-Kalium-Verbindung zeigen. In concentrirten, gelb
gefärbten Lösungen von über 1,2 spec. Gewicht ist die Umsetzung unvollkommen.
Schwache Auflösungen unter 1,05 spec. Gew. sind hingegen sehr wirksam. Die
Einhaltung des letzten Punktes ist für den Fabrikanten von der größten Wichtigkeit,
um eine schnelle und vollständige Umwandlung des Cyankaliums zu erzielen, welches
sich in den Potasche-Mutterlaugen des Fabrikbetriebes häufig findet, auch
dann, wenn metallisches Eisen und Schwefeleisen in großer Menge vorhanden gewesen
sind.
Cyankalium wird am reichlichsten bei hoher Temperatur und dünnflüssiger Schmelze
gebildet. Das Eintragen der Thierstoffe muß also allmählich geschehen, jedoch nicht
zu langsam, um die Einwirkung des Luft-Sauerstoffes fern zu halten. Beim
Flammofen führt zu starker Zug leicht eine Oxydation herbei, während zu schwacher
Zug die Heizkraft der Flamme vermindert, so daß genau die Mitte einzuhalten ist. Das
Schmelzen in Töpfen ist leichter zu handhaben und liefert gleichmäßigere Producte.
Einen Hauptvortheil gewährt die Anwendung trockener
Thierstoffe, weil dadurch die Temperatur der schmelzenden Masse nicht erniedrigt
wird. Wenn gedarrte und bis zur beginnenden Zersetzung erhitzte Thierstoffe heiß in
die schmelzende Potasche eingetragen werden, ist die Cyanbildung viel größer. Darrkammern zum
vorhergehenden Erhitzen der einzutragenden Thierstoffe an den Abzügen des
Schmelzofens angebracht, sind von bedeutendem Erfolge.
Schwefelsaure Salze sind für die Cyanbildung von großem Nachtheil. Erst nach ihrer
auf Kosten der Thierstoffe geschehenen Reduction tritt Cyanbildung ein. Die
Schmelzen aus neuer Potasche, die circa 20 Proc.
schwefelsaures Kali enthält, sind ärmer an Cyankalium, als die mit Potasche aus den
Betriebsmutterlaugen (dem sogen. Blaukali) geschmolzenen, worin Schwefelkalium
enthalten ist. Doch wird letzteres beim Einschmelzen theilweise zu schwefelsaurem
Kali oxydirt. Die Entfernung des Schwefels aus den Laugen ist deßhalb von großer
Wichtigkeit, sowie die Anwendung eines gut gereinigten, hochgrädigen kohlensauren
Kalis dringend zu empfehlen ist. Ein Gehalt der Potasche an Chloriden ist ohne
nachtheiligen Einfluß. Der Schwefel hat jedoch noch andere Nachtheile für den
Fabrikanten. Schwefelkalium zerstört in hohem Grade die eisernen Schmelzgefäße,
natürlich an der Oberfläche der Schmelze am meisten, weil dort das Eisen am
heißesten ist, wenn es nicht von der Schmelze abgekühlt und abwechselnd der Wirkung
des Sauerstoffes und des Schwefelkaliums ausgesetzt wird. Bei Anwendung von reinem
kohlensauren Kali wird das Eisen bedeutend geschont. Beim Schmelzen in Töpfen
schmilzt Schwefelkalium weit leichter als jedes andere Kalisalz, durch die
Eisenwandung. Außerdem ist Schwefelkalium das leichtflüssigste Kalisalz, so daß dem
Schwefel ein großer Antheil an den Potascheverlusten zuzuschreiben ist, was auch die
großen Mengen schwefelsaures Kali des Flugstaubes beweisen.
Bei dem Ausschöpfen der fertigen Schmelze wirkt ferner das feinvertheilte
Schwefelkalium als Pyrophor und verbrennt unter Funkensprühen. Diese Verbrennung
zerstört gleichfalls Cyankalium. Auch schon ziemlich erkaltete Schmelzen entzünden
sich zuweilen von selbst an der Luft und gerathen in's Glühen, natürlich unter
Verlust von Cyankalium. Flecken von gelbbrauner Farbe zeichnen derartige Schmelzen
aus. Das Zerschlagen der Schmelze darf mithin nur nach dem vollständigsten Erkalten
derselben erfolgen.
Da die Fernhaltung des Schwefels also dringend geboten ist, so muß zur Ueberführung
des Cyans in Ferrocyan eine andere Eisenverbindung gewählt werden, am besten
gefälltes kohlensaures Eisenoxydulhydrat. Letzteres ist vortheilhafter aus
Eisenchlorür wie aus Vitriol darzustellen, um das schwierige Auswaschen der
schwefelsauren Salze zu umgehen. Auch kann die Fällung mit Kalk geschehen. Kocht man
mit einer genügenden Menge dieses Eisenoxyduls die verdünnten Lösungen derSchmelze, so ist man sicher, ihnen allen Schwefel zu entziehen und gleichzeitig alles Cyankalium in Ferrocyankalium übergeführt
zu haben. Letzteres krystallisirt überdieß aus Lösungen, die frei von Schwefelkalium sind, viel vollständiger und reiner.