Titel: | Ueber Festigkeit des Papieres; von A. W. Schultz. |
Fundstelle: | Band 189, Jahrgang 1868, Nr. LXXXVI., S. 339 |
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LXXXVI.
Ueber Festigkeit des Papieres; von A. W. Schultz.
Aus der Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure,
1868, Bd. XII S. 317.
Mit Abbildungen.
Schultz, über Festigkeit des Papieres.
Jeder Papierfabrikant weiß, daß die leinerne Faser ein festeres Papier gibt als
baumwollene, daß ungebleichter Stoff dem Papiere mehr Festigkeit verleiht als durch
die Bleiche schon angegriffener, daß ein Papier mit viel Thonerdegehalt nicht so
fest seyn kann als Papier ohne Thonerde u. s. w.; wie groß aber dieser Einfluß der
verschiedenen Fasern ist, darüber existirten bis jetzt nur wenige Versuche. Die
einzigen mir bekannten sind von F. Exner, Lehrer an der
Oberrealschule in Ellbogen angestellt und schon im Jahre 1864 in einer kleinen
Schrift „Untersuchung der Eigenschaften des Papieres“
veröffentlicht. Hr. Exner ermittelte mit einem besonders
dazu construirten Apparate für 50 verschiedene Sorten Papier das Gewicht, welches
man an einen Streifen derselben hängen kann, bis dieser zerreißt. Aus diesem
Gewichte P und dem Querschnitt q des gewählten Streifens läßt sich dann leicht der Modul der absoluten
Festigkeit nach der Formel F = P/q berechnen.
Es läßt sich aber aus diesen Zahlen ein Schluß auf die Festigkeit des untersuchten
Papieres mit Sicherheit nicht machen, da, wie ich später zeigen werde, jedes mit der
Maschine gefertigte Papier nach verschiedenen Richtungen hin eine ganz verschiedene
absolute Festigkeit hat, aber Hr. Exner die für seine
Streifen gewählte Richtung nicht angibt.
Es wird zwar überhaupt das Papier in der Regel nicht allein auf die so ermittelte
absolute Festigkeit in Anspruch genommen, vielmehr beziehen sich die Anforderungen,
die der Fabrikant an ein festes Papier stellt, auf eine aus absoluter, relativer u.
s. w. zusammengesetzte Festigkeit. Da aber die absolute Festigkeit doch stets ein
Theil derselben ist, das Papier auch in einzelnen Fällen z. B. bei den in der
Telegraphie zur Anwendung kommenden Morse-Rollen,
allein auf absolute Festigkeit in Anspruch genommen wird, so ist eine nähere
Kenntniß derselben, besonders der Einfluß der verschiedenen Rohmaterialien und
Darstellungsweisen auf dieselbe, auch für den Fabricanten gleichwohl von großem
Interesse.
Diese Ueberzeugung veranlaßte mich zu Versuchen, die ich mit einem viel einfacheren
Apparat als der, dessen sich Hr. Exner bediente, welcher
aber zu einem bloßen Vergleiche verschiedener Papiere auch vollkommen genügte, angestellt habe. Ich
legte den zu prüfenden, in der Regel 1 Zoll (26 Millimet.) breit gewählten Streifen
Papier p um eine kleine hölzerne Rolle r (vergl. untenstehende Holzschnitte Fig. 1 und 2), welche
an beiden Enden mit Knöpfen zum Aufhängen einer für die Gewichte P bestimmten Schale s
versehen war. Die beiden Enden des Papierstreifens klemmte ich dann in ein 1¼
Zoll (32 Millimet.) starkes kleines Bret b, welches zu
dem Zwecke in der Mitte mit einem viereckigen Loche, in welches ein ebensolcher
Holzklotz K hineinpaßte, versehen und an beiden Enden
unterstützt war. Die Gewichte mit welchen nun nach und nach die Schale beschwert
wurde, wurden hierbei natürlich von den beiden nach oben gehenden Papierstreifen von
jedem zur Hälfte getragen, oder es hätte schon die Hälfte der Gewichte, welche
schließlich den so belasteten Streifen Papier zerrissen, genügt, um einen einfachen
Streifen von der gewählten Breite zu zerreißen.
Textabbildung Bd. 189, S. 340
Textabbildung Bd. 189, S. 340
Zunächst ist nun auf die Größe der Gewichte P, außer der
Qualität der zum Papier gewählten Faser u. s. w., besonders der Querschnitt eines
solchen Papierstreifens, das Product aus seiner Breite und Dicke von Einfluß. Um
hierin für alle Versuche möglichste Gleichmäßigkeit zu erzielen, wählte ich für die
Streifen stets dieselbe Breite 1 Zoll (26 Millimet.), war also nur noch von dem anderen Factor, der
Dicke, abhängig. Diese läßt sich nur schwer und mit Hülfe besonderer Instrumente
bemessen, außerdem ist es eine Größe, welche im Uebrigen für den Papierfabrikanten
oder Consumenten von gar keinem Interesse ist; vielmehr wird das Papier fabricirt
und verkauft nach einer, dieselbe Faser und dieselbe Pressung beim Glätten
vorausgesetzt, der Dicke proportionalen Größe, dem viel leichter zu ermittelnden
Gewicht. Dieses habe ich denn auch bei einem Vergleiche der verschiedenen
untersuchten Papiere zu Grunde gelegt.
Ich komme nun zu den Resultaten der gemachten Versuche, und zwar zunächst auf einen
Unterschied zwischen geschöpftem und mit der Maschine gefertigtem Papier. Die
Verfilzung der einzelnen Fasern geschieht bei dem geschöpften Papier nach allen
Richtungen hin ganz gleichmäßig, es ist also auch natürlich, daß ein geschöpftes
Papier nach allen Richtungen hin gleiche Festigkeit hat. Nicht so ist es mit dem auf
der Maschine gefertigten Papier. Hierbei lassen sich besonders zwei Richtungen
unterscheiden: die Längsrichtung, nach welcher sich das Papier ausdehnt, und die
Querrichtung, in welcher es zusammenschrumpft. Wenn schon dieser Unterschied auch
auf eine verschiedene Festigkeit des Papieres nach diesen beiden Richtungen hin
schließen läßt, so ergibt sich das noch vielmehr aus folgender Betrachtung:
Wenn eine durch Verfilzung kleiner Fasern entstandene Masse, wie das Papier, in
irgend einem Punkte zerreißt, so muß dabei erstens die Adhäsion der in dem
zerrissenen Querschnitte parallel zum Risse nebeneinander liegenden Fasern, und
zweitens die Cohäsion der normal zum Risse liegenden Fasern, von welchen ja jede
einzelne zerrissen oder doch ihrer ganzen Länge nach aus den übrigen Fasern
herausgezogen werden muß, überwunden werden. Von diesen beiden zu überwindenden
Kräften ist entschieden die letztere die stärkere, und es müßte demnach jedes Papier
nach der Richtung hin, in welcher die meisten Fasern ihrer Länge nach liegen, die
größte absolute Festigkeit haben. Das ist aber von den vorhin erwähnten beiden
Richtungen des Maschinenpapieres mit der Längsrichtung der Fall, so daß ein geübtes
Auge aus der Richtung der Fasern in einem beliebigen Stücke Papier auf die Richtung,
in welcher dasselbe die Maschine passirte, schließen kann. In der That beweisen denn
auch die Versuche an sämmtlichen verschiedenen Papiersorten, die ich in oben
beschriebener Weise auf ihre Festigkeit prüfte, daß die absolute Festigkeit eines
Papieres in der Längsrichtung nicht unbedeutend größer ist als in der Querrichtung.
Wir wollen der Kürze wegen das Gewicht, bei welchem ein nach der Längsrichtung
genommener Papierstreifen riß,
P1, dagegen dasjenige,
bei welchem ein nach der Querrichtung genommener Streifen riß, Pq nennen; dabei sind
dann alle in Folgendem angegebenen Werthe für P1 und Pq bei jeder einzelnen Papiersorte als
Mittel von 6 bis 10 Versuchen erhalten worden. Bei 15 verschiedenen Papiersorten,
welche ungefähr zu gleichen Theilen aus leinenen und baumwollenen Fasern bestanden,
welche beim Verbrennen durchschnittlich 6,8 Proc. Asche hinterließen und ein
durchschnittliches Gewicht von 5,0 Grm. pro Quadratfuß
(50 Grm. pro Quadratmeter) hatten, ergab sich so im
Durchschnitt P1 = 18,20
Pfd.; Pq = 12,04 Pfd.
Bei grauem Packpapier, 9,5 Grm. pro Quadratfuß (95 Grm.
pro Quadratmeter) schwer und 13,7 Proc. Asche beim
Verbrennen hinterlassend, war P1 = 28,2 Pfd.; Pq = 21,3 Pfd. Bei Schrenzpapier, zum
größten Theile aus wollenen Fasern bestehend, 15,5 Grm. pro Quadratfuß (155 Grm. pro Quadratmeter)
schwer und 1,8 Proc. Asche beim Verbrennen hinterlassend, war P1 = 13,2 Pfd.; Pq = 9,3 Pfd. Bei Papier aus reinem
Holzstoff, 6,0 Grm. pro Quadratfuß (60 Grm. pro Quadratmeter) schwer und 0,2 Proc. Asche beim
Verbrennen hinterlassend, war P1 = 23,4 Pfd.; Pq = 16,3 Pfd. Das
Verhältniß der Festigkeit der Längsrichtung zu der der Querrichtung war also
durchschnittlich 3 : 2.
Was den Einfluß des Glättens oder Satinirens auf die
absolute Festigkeit des Papieres anbelangt, so hängt derselbe ab von dem
Widerstande, welchen die Papierfaser gegen das Zerdrücken leistet, denn auf diese
Art der Festigkeit wird ja das Papier beim Glätten in Anspruch genommen. So lange
der Druck dabei nicht so groß ist, daß die Elasticitätsgrenze der einzelnen Fasern
überschritten wird, werden die letzteren nur näher an einander gedrückt, ihre
Adhäsion wird größer und somit auch ihre absolute Festigkeit, wenn auch, eben der
Vergrößerung der Adhäsion entsprechend, nicht bedeutend. Ein Papier (fein
Druck-), ohne Zusatz von Holzmasse gefertigt, 3,8 Grm. pro Quadratfuß (38 Grm. pro Quadratmeter)
schwer, beim Verbrennen 6,47 Proc. Asche hinterlassend, ergab ungeglättet P1 = 13,6 Pfd.; Pq = 8,6 Pfd.; einmal
geglättet P1 = 13,7
Pfd.; Pq =8,6 Pfd.;
zweimal geglättet Pq =
14,7 Pfd.; Pq = 9,1 Pfd.
Bei einem anderen Papiere (fein Schreib-), ebenfalls ohne Holz- und
auch ohne Thonerdezusatz, 5,3 Grm. pro Quadratfuß (53
Grm. pro Quadratmeter) schwer, war ungeglättet P1 = 20,5 Pfd.; Pq = 14,5 Pfd., dagegen
geglättet P1 = 22,0
Pfd.; Pq = 15,4 Pfd. Die
Holzfaser scheint dagegen nicht großen Widerstand gegen das Zerdrücken leisten zu
können; die Elasticitätsgrenze wird dabei schon bei verhältnißmäßig geringem Drucke
überschritten, und dadurch die Faser selbst so angegriffen, daß auch die absolute Festigkeit
des daraus gefertigten Papieres, trotz der vergrößerten Adhäsion, eine geringere
wird. Das schon vorhin erwähnte Papier aus reinem Holze, bei welchem ungeglättet P1 = 23,4 Pfd.; Pq = 16,3 Pfd. war,
ergab hierfür, nachdem es geglättet war, nur ungefähr die Hälfte obiger Werthe, es
war P1 = 12,8 Pfd.; P q = 8,4 Pfd. Bei einem
Conceptpapiere, zu dessen Masse ein Holzzusatz von 33⅓ Proc. genommen war,
das 5,9 Grm. pro Quadratfuß (59 Grm. pro Quadratmeter) schwer war und 7,1 Proc. Asche beim
Verbrennen hinterließ, war ungeglättet P1 = 24,7 Pfd.; Pq = 15,8 Pfd.; geglättet P1 = 20,0 Pfd.; Pq = 14,1 Pfd. So groß also auch die
absolute Festigkeit des Papieres aus Holzstoff ist, so eignet sich doch der letztere
nicht zur Fabrication von Papieren, welche stark geglättet werden müssen, oder
welche sonst einen starken Druck auszuhalten haben.
Was schließlich noch den Einfluß des Thonerdegehaltes
eines Papieres auf dessen absolute Festigkeit anbelangt, so will ich zwei Versuche
nicht unerwähnt lassen, die ich mit Papieren, welche sich nur durch ihren Gehalt an
Thonerde von einander unterschieden, machen konnte. Bei dem einen, einem
Druckpapiere von 4,7 Grm. pro Quadratfuß (47 Grm. pro Quadratmeter) Gewicht, das beim Verbrennen 6 Proc.
Asche hinterließ, war P1
= 16,8 Pfd.; Pq = 12,5
Pfd.; dagegen ergab dasselbe Papier, als es nur mit etwas mehr Thonerdezusatz
angefertigt war, so daß es beim Verbrennen 10 Proc. Asche hinterließ, P1 = 15,8 Pfd.; Pq = 10,7 Pfd. Das
zweite war ein Conceptpapier von 5,3 Grm. Gewicht pro
Quadratfuß (53 Grm. pro Quadratmeter) und mit einem
Holzzusatze von 33⅓ Proc. Bei demselben war ungeglättet bei 5,7 Proc.
Aschenrückstand P1 =
20,2 Pfd.; Pq = 14,3
Pfd.; dagegen geglättet bei 7,6 Proc. Aschenrückstand P1 = 12,1 Pfd.; Pq = 11,9 Pfd.