Titel: | Verfahren zur Fabrication von Stabeisen und Stahl mittelst Entkohlung des geschmolzenen Roheisens durch Natronsalpeter; von Henry Bessemer. |
Fundstelle: | Band 190, Jahrgang 1868, Nr. XVII., S. 32 |
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XVII.
Verfahren zur Fabrication von Stabeisen und Stahl
mittelst Entkohlung des geschmolzenen Roheisens durch Natronsalpeter; von Henry Bessemer.
Aus dem Practical Mechanic's Journal, August 1868, S.
143.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Bessemer's Verf. zur Fabrication von Stabeisen und Stahl.
Die Specification eines am 11. Februar 1856
H. Bessemer ertheilten Patentes (polytechn. Journal Bd. CXLI S. 428)
enthält die Beschreibung eines neuen Verfahrens zur Umwandlung von eingeschmolzenem
Roheisen oder von umgeschmolzenem oder gefeintem Roheisen in Stahl oder Stabeisen,
ohne Anwendung von Brennmaterial zum Wiedererwärmen oder zur Erhaltung der
Temperatur des flüssigen Metalles. Diesen Zweck erreicht der Genannte dadurch, daß
in und zwischen die Theilchen einer Masse von geschmolzenem Eisen atmosphärische
Luft oder eine andere gasförmige Substanz eingepreßt wird, welche eine genügende
Menge Sauerstoff enthält oder zu entwickeln vermag, um die Verbrennung des im Eisen
enthaltenen Kohlenstoffes zu unterhalten, bis die erwähnte Umwandlung vor sich
gegangen ist. Dieses Verfahren ist jetzt als „Bessemerproceß“
allgemein bekannt. Die im Folgenden zu beschreibende Methode der Ausführung dieses
Processes (patentirt am 31. December 1867)
besteht darin, an den Boden des das geschmolzene Eisen enthaltenden Gefäßes ein
Kästchen mit durchbrochenen Wandungen zu bringen, welches eine hohe Temperatur zu
ertragen vermag und eine starre Substanz, z. B. salpetersaures Natron, enthält,
welche beim Erhitzen Sauerstoff abgibt. Das durch die Hitze des flüssigen Eisens aus
dem Natronsalpeter entwickelte Sauerstoffgas tritt durch die Löcher des Kästchens
hindurch in und zwischen die Partikelchen des geschmolzenen Eisens in derselben
Weise, als wenn, wie bei dem gewöhnlichen Verfahren zum Bessemern, Gebläsewind durch
die Formen zugeführt wird. Werden zur Sauerstoff-Entwickelung starre
Substanzen benutzt, wie z. B. Natronsalpeter, so ist es vortheilhaft ein
Umwandlungsgefäß (sogen. Birne) wie es bei dem gewöhnlichen Bessemerprocesse üblich
ist, d. h. also ein Gefäß zu benutzen, welches auf Zapfen ruht und mit einer
Oeffnung oder einem Ausgusse zum Eintragen und Ausgießen des Metalles versehen ist,
aus welcher gleichzeitig die während der Umwandlung des letzteren entstandenen Gase
entweichen können; überdieß hat das Gefäß eine Oeffnung am Boden. Diese letztere
dient gewöhnlich zur Aufnahme der Düse oder als Windkasten und wird vom Metalle
bedeckt, sobald das Gefäß im Betriebe steht und die Formen Wind zuführen. Bei der
Anwendung von starren Substanzen zur Erzeugung von Sauerstoff hingegen wird dieser
Windkasten durch einen mit feuerfestem Material beschlagenen Behälter ersetzt, den
man mit salpetersaurem Natron anfüllt und mittelst eines durchlöcherten feuerfesten
Backsteines oder einer durchbrochenen Platte von feuerfestem Thone verschließt. Der
Kasten hat solche Dimensionen, daß die Oberfläche des Natronsalpeters im Vergleich
mit dem größten Horizontalschnitte des im Umwandlungsgefäße enthaltenen Metalles nur
gering ist; dadurch wird die Intensität der Einwirkung des Reagens gemäßigt und die
rasch verschlackende Wirkung verhindert, welche in Folge des Hindurchtretens des
Gases zwischen dem Metalle und den Seiten des Gefäßes auftreten müßte. Auch schmilzt
man den Natronsalpeter und gießt ihn dann in das Kästchen, in welchem man ihn
erstarren läßt, um auf diese Weise eine größere Regelmäßigkeit der Wirkung zu
erzielen, als sonst erfolgen würde, indem dann das flüssige Metall nur aus die
Außenfläche des Blockes von dem geschmolzenen Salze einwirken kann. Auch kann man
den Salpeter in eine besondere Form gießen und nachher in den Kasten bringen. In
manchen Fällen wird der Natronsalpeter vor dem Eintragen in den Kasten mittelst
eines kräftigen Druckes in Formen gepreßt und die Heftigkeit seiner Einwirkung auf
das Eisen durch Zusatz von Thon oder einer anderen indifferenten Substanz in
beliebigem Grade vermindert.
Zum besseren Verständnisse, wie das Gefäß, welches das Sauerstoff abgebende Material
(den Natronsalpeter) enthält, bei der zum Bessemern allgemein üblichen Birne
anzuwenden ist, geben wir in Fig. 13 den
Verticalschnitt von einem in dieser Weise vorgerichteten Apparate. Am unteren Theile
der Birne a ist ein eiserner Reif b an den diesen unteren Theil bildenden Platten a′ befestigt; die zur Aufnahme des Salpeters bestimmte Kammer d ist an ihrer oberen Kante mit einer Flansche versehen,
welche auf dem Gefäß durch eine Reihe von Vorsteckstiften e befestigt wird. Diese Kammer ist mit feuerfestem Thon gefüttert. Nachdem
sie mit dem Natronsalpeter g gefüllt worden, wird sie
mit dem aus Scharmotte bestehenden durchbrochenen Deckel h bedeckt und ist nun zum Gebrauche fertig. Wenn aber der Salpeter in
geschmolzenem Zustande in die Kammer d eingegossen wurde
und in derselben erstarrte, so kann der Deckel h
wegbleiben; das Metall wirkt dann direct auf die Oberfläche des Salpeters und bringt
diesen allmählich zum Schmelzen, so daß niemals Krystalle desselben durch das Metall
aufsteigen können.
Vor dem Eintragen der Roheisenbeschickung ist es zu empfehlen, die Birne vorzuwärmen;
zu diesem Zwecke wird mittelst der Vorsteckstifte e
ein eiserner Rost an dem
Boden der Birne befestigt und auf demselben ein Feuer angezündet; die
Verbrennungsgase entweichen dann durch die Mündung i der
Birne. Nachdem die Birne hinlänglich abgewärmt worden, wird der Rost beseitigt und
die Kammer d angesetzt, wie Fig. 13 zeigt. Die Kanten
der Platte h werden mit dünnem Brei aus Thon und Sand
lutirt; dann wird die Birne um ihre Zapfen (von denen der eine bei j durch punktirte Linien angedeutet ist) gedreht und in
die Stellung gebracht, in welcher sie mit dem umzuwandelnden Roheisen vollständig
beschickt werden kann, ohne daß eine Wirkung des Salpeters stattfindet; alsdann
erhält das flüssige Metall durch eine Aufwärtsbewegung der Birne auf einmal die zu
seiner Umwandlung erforderliche Lage. Das Metall fließt nämlich nun durch die Löcher
der Platte h und kommt mit dem Natronsalpeter in
Berührung; sofort entwickelt sich Sauerstoffgas und dringt in so viel Strömen, als
die Deckelplatte Löcher hat, durch das flüssige Eisen, ganz in derselben Weise wie
der zugesührte Gebläsewind beim gewöhnlichen Bessemerfrischen. Das Sauerstoffgas
entkohlt das Roheisen und verwandelt es in Stabeisen oder Stahl, worauf die
erhaltenen Producte in der üblichen Weise durch Drehen der Birne um ihre Achse aus
der Mündung i ausgegossen werden.
Eine Abänderung des Verfahrens besteht darin, daß die beim Erhitzen Sauerstoff
abgebende Substanz vorerst in einem passenden Gefäß zum Schmelzen gebracht und dann
durch enge Oeffnungen oder Formen in dünnen Strahlen in das geschmolzene Metall mit
hinreichender Kraft injicirt wird. Es ist zu empfehlen, das Salz in eisernen, mit
einem zur Circulation von überhitztem Dampfe oder heißer Luft dienenden Mantel
versehenen Gefäßen zu schmelzen; in den unteren Theil der Birne setzt man eine oder
mehrere aus feuerfestem Thon bestehende Formen ein, welche mittelst eines kurzen
Rohres mit dem den flüssigen Salpeter enthaltenden Gefäße in Verbindung gesetzt
werden. Dieses Rohr wird durch überhitzten Dampf oder heiße Luft vorgewärmt, bevor
man den geschmolzenen Salpeter hineintreten läßt, um das Eindringen des flüssigen
Metalles in die Formwandungen zu verhindern. Ebenso verfährt man, nachdem die ganze
Masse des flüssigen Salpeters injicirt worden ist, damit das Eisen nicht in die
Formen selbst eindringen kann. Um diese Strahlen geschmolzenen Natronsalpeters in
das flüssige Eisen hineinzupressen, läßt man überhitzten Dampf oder heiße Luft von
hinreichend starkem Drucke auf die Oberfläche des flüssigen Salzes einwirken, wobei
die Mündung des dasselbe enthaltenden Gefäßes mittelst eines Ventiles geschlossen
wird.
Die gebräuchlichen Bessemer'schen Birnen lassen sich für die Anwendung von Salpeter anstatt von
atmosphärischer Luft leicht umändern, wie sich aus Fig. 14 ergibt, welche
den Verticalschnitt einer solchen Birne nebst dem mit ihr verbundenen Apparate zur
Anwendung von geschmolzenem Natronsalpeter darstellt. Die Birne A besteht aus Eisenplatten und ist mit einem Futter von
feuerfestem Thone B versehen. Am unteren Theile der
Birne ist ein Kranz C befestigt, an welchem geschlitzte
Lappen D vorstehen, mittelst deren die Formplatte E mit der Birne verbunden wird. Diese Platte ist mit
einem röhrenförmigen Theile F versehen, und mit einem
über ihre Oberfläche vorstehenden etwas conischen Ringe G, in welchen ein Pfropf (Gebläseform) von gebranntem feuerfestem Thon
genau anschließend eingesetzt wird, den man dann mit etwas Portlandcement oder Gyps
luftdicht verstreicht. Der centrale Theil dieser thönernen Form ist hohl und in ihm
convergiren mehrere engere Oeffnungen I, I, welche dazu
bestimmt sind, den flüssigen Natronsalpeter in Form dünner Strahlen in dem
geschmolzenen Metalle zu vertheilen. An der Hinterseite der Birne ist die Kammer J befestigt; dieselbe ist mit einem Mantel L versehen, welcher auch den Vierweghahn M umschließt, der von außerhalb gestellt wird, daher
sein Schlüssel in der Zeichnung nicht sichtbar ist. K, K
sind Seitenbacken, mittelst deren der Mantel L mit dem
Gehäuse der Birne verbunden ist.
Bevor man den Apparat in Thätigkeit setzt, zündet man ein Feuer in der Birne an, läßt
das Gebläse an und leitet einen heißen Luftstrom durch die Thonform G, um das Feuer zu unterhalten. Inzwischen wird der
Natronsalpeter mittelst des Trichters und des Hahnes N
in die Kammer J eingetragen; dann wird der Hahn
geschlossen. Hierauf wird durch die bei P mittelst
durchbrochener Linien angedeutete hohle Achse (den Zapfen) der Birne mittelst des
Rohres Q heiße Luft in den Mantel von J zugelassen, welche man durch den Hahn R ausströmen läßt; diese Luft muß so heiß seyn, daß sie
den in J enthaltenen Salpeter zum Schmelzen bringt; auch
kann letzterer, bevor man ihn in J einträgt, in einem
anderen Gefäße geschmolzen und durch die in den Mantel eingelassene Luft in
flüssigem Zustande erhalten werden. Während das Metall in die Birne abgestochen
wird, benutzt man einen Strom heißer Luft, um die Röhren (Düsen) und die Form, durch
welche der flüssige Salpeter zu passiren hat, zu erhitzen und gleichzeitig das
Eindringen von geschmolzenem Eisen in dieselben zu verhindern; diese Luft wird aus
der hohlen Achse der Birne mittelst des Rohres S
zugeleitet, tritt durch den Vierweghahn M und die Röhren
T und T′ zu der
thönernen Form (Formblock) und zieht durch die Röhren oder Düsen derselben ab. Wenn
die Mündung der Birne O aufwärts gedreht wird, senkt
sich der Formblock oder die Form; sobald dieselbe in das flüssige Metall einzutauchen beginnt, wird der Vierweghahn gedreht und dann die Birne in die
in der Zeichnung angegebene Stellung gebracht.
In Folge der Drehung des Vierweghahnes tritt die gepreßte Luft nicht länger aus den Röhren T und T' durch die Form hindurch, sondern nunmehr durch das Rohr U in den oberen Theil der Kammer J, drückt hier auf die Oberfläche des flüssigen Salpeters und preßt ihn durch den Vierweghahn und die Röhren T und T' sowie durch die verschiedenen Düsenmündungen I hindurch in das geschmolzene Metall. Nachdem die ganze flüssige Salzmasse in das Metall injicirt worden ist, folgt ihr die
gepreßte Luft auf demselben Wege und drängt das Metall von der Form so lange hinweg, bis die Birne wieder gesenkt und von
ihrem Inhalte entleert wird. Wendet man eine solche Menge von Salpeter an, daß das Roheisen nur theilweise entkohlt wird,
so wird durch das Hindurchdringen der Luft nach der Injection der ganzen Salpetermasse nicht allein die Entkohlung in dem
erforderlichen Grade vervollständigt, sondern auch die Temperatur des Metalles erhöht. Diese Temperaturerhöhung tritt noch
rascher ein, wenn eine Quantität flüssiges Spiegeleisen zugesetzt wird, nachdem aller Salpeter injicirt worden ist.
Zur leichteren Auswechselung einer alten Form gegen eine neue wird das Rohr T' bei W mit einem Gelenke versehen. An dem Knierohr T ist ein Ring festgebolzt, der mit Schwalbenschwanz versehen ist; das Rohr T' hat eine entsprechende, gleichfalls mit Schwalbenschwanz versehene Flansche, welche in den Ring paßt, so daß das Rohr T', wenn seine Flansche von der Formplatte E gelöst wird, mittelst des Gelenkes W aus dem Wege geschoben und somit die Formplatte von der Birne abgenommen werden kann.
Von dem Natronsalpeter wird gewöhnlich eine solche Quantität angewendet, daß das in Arbeit genommene Roheisen sogleich in
Stabeisen oder Stahl verwandelt wird; in manchen Fällen ist es jedoch räthlich, eine geringere Menge zu nehmen und das Rohmaterial
in leichtflüssiges Gußeisen von besserer Qualität zu verwandeln, welches man alsdann nach dem gewöhnlichen Verfahren dem Bessemerproceß
unterwirft oder anderweitig verwendet.
Wie in der Eingangs dieser Mittheilung erwähnten Patentspecification, sowie in einem anderen, H. Bessemer am 31. Mai 1856 ertheilten Patente in allgemein gehaltenen Ausdrücken bemerkt worden, kann flüssiges Eisen mit salpetersaurem oder mit chlorsaurem Natron und Kali behandelt werden, indem man
das betreffende Salz mittelst eines Luftstromes oder mehrerer Luftströme unter die Oberfläche des Metalles führt und in das Metallbad hineinpreßt.
Der Chemiker I. Hargreaves hat zuerst im Jahre 1864 die Einwirkung des Kali‐ und Natronsalpeters auf flüssiges Roheisen einer näheren Prüfung unterworfen
und dabei die Beobachtung gemacht, daß mittelst Anwendung von Natronsalpeter, dessen zu heftige Einwirkung durch Zuschlag
von Eisenoxyd oder Braunstein gemäßigt werden kann, das geschmolzene Roheisen sich in beliebigem Grade entkohlen läßt, wobei
das frei gewordene Alkali mit dem im Eisen enthaltenen Silicium, Schwefel und Phosphor chemische Verbindungen bildet. Sein
auf diese Beobachtung begründetes Verfahren zur Fabrication von Stahl und Stabeisen ließ er sich gemeinschaftlich mit dem
Eisengießereibesitzer Th. Robinson zu Widnes patentiren. (Man sehe die Abhandlung von Hargreaves im polytechn. Journal Bd. CLXXXVII S. 480, zweites Märzheft 1868.) Nun benutzt Bessemer eine ganz allgemein gehaltene Angabe in seinen Patenten vom Jahre 1856, um das Verfahren von Hargreaves in modificirter Ausführung seinerseits ausbeuten zu können.A. d. Red. In manchen Fällen ist es indessen wünschenswerth, die Umwandlung des Metalles, anstatt theilweise durch den zugeführten Gebläsewind,
theilweise durch Salpetersäure‐ oder Chlorsäuresalz, ausschließlich und gänzlich durch ein solches Salz zu bewerkstelligen,
in welchem Falle ein indifferentes Gas, z. B. Kohlensäure oder Wasserdampf, zur Vertheilung des gepulverten, Sauerstoff abgebenden
Salzes in der Masse des Metalles angewendet wird. Zu diesem Zwecke, wird empfohlen, das Salz zunächst möglichst zu entwässern,
dann recht fein zu pulvern und das Pulver mittelst einer mechanischen Vorrichtung (speisenden Schraube) den Röhren zuzuführen,
durch welche das Gas in das flüssige Metall geleitet wird. Die gasförmigen Vehikel, mittelst deren die Sauerstoffentwickler
in das Metall geleitet werden, erhält man z. B. dadurch, daß man Luft oder Wasserdampf unter genügend starkem Drucke durch
ein mit feuerfestem Thon ausgeschlagenes, glühende Kohks enthaltendes Gefäß leitet.