Titel: | Ueber die Bestimmung der im Traubenmoste enthaltenen gesammten Säuremenge; von L. Pasteur. |
Fundstelle: | Band 190, Jahrgang 1868, Nr. XLIII., S. 140 |
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XLIII.
Ueber die Bestimmung der im Traubenmoste
enthaltenen gesammten Säuremenge; von L. Pasteur.Aus den Études sur le vie, par M. L. Pasteur.
Pasteur's Verf. zur Bestimmung des Säuregehaltes im
Moste.
Zu diesem Zwecke benutzt der Verf. ein mittelst Normalschwefelsäure oder
Normaloxalsäure titrirtes Kalkwasser. Im Winter ist eine
solche Kalklösung etwas reicher an gelöster Basis als im Sommer. Zur Sättigung von
0,06125 Grm. Schwefelsäure, welche mit 0,075 Grm. Essigsäure, 0,09375 Grm. Weinsäure
und 0,235 Grm. zweifach-weinsaurem Kali äquivalent sind, bedarf man ungefähr
27 Kubikcentimeter Kalkwasser.
Zunächst hebt man mittelst einer graduirten Pipette 10 K. C. des auf seinen
Gesammt-Säuregehalt zu prüfenden Mostes in ein mit Fuß versehenes Reagirglas,
und zwar ohne Zusatz von Lackmus. Auch der am wenigsten gefärbte, von rothen oder weißen Trauben
herrührende Most enthält immer Substanzen, welche in Folge der Einwirkung selbst des
geringsten Ueberschusses von zugesetztem Alkali sich färben. Dann läßt man das
Kalkwasser aus einer in Zehntel-Kubikcentimeter getheilten Bürette zufließen,
welche man in der linken Hand hält, während man mit der rechten Hand die zu prüfende
Flüssigkeit umschüttelt, bis zum Eintreten einer Veränderung in dem Tone der Farbe,
oder bis zum Erscheinen einer grünlichgelben Färbung, wenn die Flüssigkeit
ursprünglich ungefärbt war. Es ist nothwendig, mit dem Zusatze rasch bis zur neuen
Färbung vorzugehen; von der an Reagens verbrauchten Menge zieht man einen bis zwei
Tropfen ab. In dem Augenblicke wo die Farbenveränderung eintritt, entsteht weder ein
flockiger, noch ein krystallinischer Niederschlag. Man wartet deßhalb einige Minuten
oder besser noch eine halbe bis eine ganze Stunde; binnen dieser Zeit wird die
Flüssigkeit trübe und es setzen sich körnige Krystalle von neutralem weinsaurem
oder, jedoch seltener, von weinsaurem und äpfelsaurem Kalke ab, einem Doppelsalz
welches aus 1 Aequiv. weinsaurem Kalk, 1 Aequiv. äpfelsaurem Kalk und 16 Aequiv.
Wasser besteht. Die beiderlei Salze lassen sich mittelst des Mikroskopes sehr scharf
unterscheiden.
Uebrigens würde diese acidimetrische Probe nicht weniger genaue Resultate geben, wenn
sich auch die Flüssigkeit während des Zutröpfelns des Kalkwassers in Folge einer
Ausscheidung kleiner Krystalle von weinsaurem Kalke trübte. Diesen Niederschlag
braucht man gar nicht zu berücksichtigen, denn zuweilen wird dadurch die Färbung der
Flüssigkeit nur noch bemerklicher; dieser Fall ist aber selten, wenn die Probe sich
nicht in die Länge zieht.
Das rothe Lackmuspapier ist als Reagens zur Beobachtung der Endreaction sehr
unzuverlässig, denn es kommt beständig vor, daß dieses Papier, welches man stets
möglichst empfindlich wählen muß, weit früher blau zu werden und somit alkalische
Reaction anzudeuten beginnt, als ein wirklicher Ueberschuß an Kalkwasser durch die
Färbung der Flüssigkeit angezeigt wird. Dieß rührt daher, daß die Lösungen von
äpfelsaurem und weinsaurem Kalke, gleich dem essigsauren Kalke alkalisch
reagiren.
Wir setzten im Vorstehenden voraus, daß der zu prüfende Most durch Filtriren geklärt
worden war. Muß man ihn in rohem und trübem Zustande untersuchen, so wird die
Erkennung der Endreaction schwierig. In diesem Falle muß man eine zur Sättigung
nicht hinreichende Menge Kalkwasser zusetzen, indem man beispielsweise so weit geht,
bis die Flüssigkeit empfindliches rothes Lackmuspapier bläuet; dann filtrirt man,
nimmt 10 K. C. von
der klaren Flüssigkeit und setzt tropfenweise Kalkwasser zu derselben, bis eine
Farbenveränderung eintritt. Es läßt sich dann leicht berechnen, wieviel Kalkwasser
zur Sättigung des Gesammtvolums der Flüssigkeit erforderlich gewesen wäre.
Beispiel. 10 K. C. Zehntel-Normalschwefelsäure
erfordern 27,5 K. C. Kalkwasser; demnach entsprechen 25,5 K. C. dieses Kalkwassers
0,09375 Weinsäure (C8
H4
O10, 2 H O). Probiren wir nun mit diesem Kalkwasser einen
trüben Most; nach Zusatz von 22,8 K. C. Kalkwasser glauben wir uns zu der Muthmaßung
eines alkalischen Zustandes der Probe berechtigt. Nach dem Zusätze von 24,3 K. C.
tritt die Alkalinität sehr deutlich hervor. Man filtrirt und nimmt 10 K. C. des
Filtrates; diese erfordern den Zusatz von 8 Tropfen Kalkwasser, um eine
Farbenveränderung wahrnehmen zu lassen. Nach dem Volum der Tropfen würde das
Gesammtvolum der Flüssigkeit den Zusatz von 1,2 K. C. Kalkwasser erfordert haben.
Demnach erforderten 10 K. C. dieses Mostes 25,5 K. C. Kalkwasser zu ihrer Sättigung;
folglich enthielt 1 Liter des Mostes das Aequivalent von 0,9375× 100×
25,5 : 27,5 = 8,69 Grm. Weinsäure, vorausgesetzt daß die vorhandene Säure gänzlich
in Weinsäure besteht.
Arbeitet man mit filtrirtem Moste und geht mit dem Zusätze des Reagens in einem Zuge
bis zum Eintritte einer Farbenveränderung vor, so liest man das zur Sättigung von 10
K. C. der zu prüfenden Flüssigkeit erforderliche Volum Kalkwasser unmittelbar von
der Bürette ab. Multiplicirt man dieses Volum mit dem Bruche 9,375 : 27,5, so erhält
man den Weinsäuregehalt eines Liters vom untersuchten Moste. Die Zahl 27,5 ändert
sich übrigens mit dem Titre des Kalkwassers; sie repräsentirt die zur Sättigung von
0,06125 Grm. Schwefelsäurehydrat (SO3, HO) erforderliche
Anzahl von K. C. Kalkwasser.