Titel: | Ueber die Fabrication der Wiener Hefe; von Payen. |
Fundstelle: | Band 190, Jahrgang 1868, Nr. XLV., S. 153 |
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XLV.
Ueber die Fabrication der Wiener Hefe; von
Payen.
Aus des Verfassers Précis de Chimie industrielle, cinquième
édition, Paris 1867.
Payen, über die Fabrication der Wiener Hefe.
Die in der Umgegend von Wien und in MährenVon Mautner und Sohn zu
St. Marx, Simmering und Florisdorf; von Springer
in Reindorf; von Neumann bei
Mährisch-Ostrau, welche sämmtlich Hefe, Alkohol und Rückstände zum
Mästen von Ochsen und Schöpsen fabriciren. fabricirte Hefe
zeichnet sich durch ihre vortrefflichen Eigenschaften aus; sie wird bloß gepreßt und
dann in Kisten versendet. Man verbraucht sie möglichst bald nach ihrer Ankunft; sie
dient zum Backen sehr wohlschmeckender Brödchen, der sogen. „Wiener
Brödchen“ und theilt diesem Gebäcke weder den bitteren Geschmack,
noch den starken aromatischen Geruch mit, welche bei der gewöhnlichen Bierhefe von
beigemengten Hopfenbestandtheilen herrühren. Die Wiener Hefe, von der man um ein
Drittel weniger gebraucht als von der Bierhefe,Die betreffenden Versuche wurden ausgeführt bei Sigmund, Bäcker, rue de la Banque; bei
Wanner in der Bäckerei der
Welt-Ausstellung (österreichische Abtheilung); bei Vaury, Bäcker, rue
Saint-Honoré, No. 400; bei Lauvergne, Bäcker, Faubourg
Saint-Martin, No. 5, sämmtlich in Paris.
wird ohne Hopfen, mit einem Gemenge von Malz, Roggen und Mais fabricirt.
Diese Körner geben nach dem Quetschen und Einteigen eine Maische, welche mit einem
Fermente versetzt, einer zwei und siebzig Stunden lang dauernden Alkoholgährung
unterworfen wird; während derselben erzeugt sich zunächst ein leichter Schaum, dann
erscheint Hefe, welche auf der Flüssigkeit schwimmt und drei- bis viermal
abgeschöpft wird; die
zuletzt sich bildenden Antheile läßt man unbeachtet. Aus 100 Theilen Frucht soll man
auf diese Weise 10 Theile Hefe gewinnen.
Es ist leicht zu begreifen, daß diese Methode, da sie den wirksamsten Antheil der das
Ferment bildenden kugelförmigen Vegetationen zu sammeln gestattet, eine Hefe von
weit besserer Qualität gibt, als die ist, welche man sammelt indem man die zu Boden
gesunkenen, bereits abgestorbene Hefenportionen enthaltenden Antheile mit den zarten
Antheilen mengt, welche durch ihre eigene Thätigkeit und durch die Kohlensäureblasen
der gegohrenen Maische suspendirt erhalten sind. Nach der mikroskopischen
Untersuchung besteht die Wiener Hefe aus eiförmigen Körnchen von ziemlich
regelmäßiger Größe; die meisten derselben messen in ihrem größten Durchmesser
durchschnittlich ein Hundertstel-Millimeter (zwischen 9 und 12
Tausendstel-Millimeter). Manche sehr kleine kugelförmige Körnchen, welche
ohne Zweifel noch jünger waren, hatten einen Durchmesser von 2 bis 3
Tausendstel-Millimeter.
Alle vollständig entwickelten Körnchen enthielten eine grauliche Substanz, in welcher
sich durchaus keine bestimmten Formen unterscheiden ließen. Mit einer wässerigen,
mit sehr wenig Alkohol versetzten Jodlösung in Berührung gebracht, färbten sich
diese Körnchen bräunlich orange. Als sie auf dem Objectträger in etwas Schwefelsäure
von 60° Baumé gebracht wurden, zerfiel die körnige Substanz zum größten
Theile und löste sich auf, indem vier, fünf oder sechs ölartige Tröpfchen frei
wurden, welche sich meistentheils an die innere Wandung eines jeden Körnchens
anlegten.
Die von Champion und Pellet
ausgeführte Analyse der Preßhefe, wie dieselbe aus Deutschland kommt, ergab nach dem
Trocknen, wobei sie 75 Proc. Wasser verlor, 7,7 Stickstoff und 3,457 ölartiges,
verseifbares Fett; die Cellulose und die übrigen näheren Bestandtheile wurden nicht
bestimmt.
Die trockene Hefe gab, als sie mit Beobachtung der nöthigen Vorsichtsmaßregeln
verbrannt ward, 8,1 Proc. Asche. Diese bestand aus:
Phosphorsäure
46,9
Kieselsäure
1,8
Kali
22,3
Natron
15,9
Magnesia
5,0
Kalk
1,3
Wasser (mit den Phosphaten verbunden)
4,4
Chlor und Schwefelsäure
Spuren
Eisenoxyd u. nicht näher bestimmte Substanzen
2,4
–––––––
100,0.
Dieses Gesammtresultat stimmt mit den Ergebnissen meiner früheren Untersuchungen über
die chemische Zusammensetzung der Bierhefe überein, wornach dieselbe eine ähnliche
Zusammensetzung wie die Grundgebilde der Pflanzen besitzt.Nach Abscheidung der mineralischen, fetten und stickstoffhaltigen
Bestandtheile durch Behandlung mit kalter Säure und mit kochend heißer
Aetzkalilauge, haben nach Mulder's Analyse die
Hüllen der Hefe in der That die Elementarzusammensetzung: C12
H10
O10. Die deutsche Hefe ist reicher an Fett und an
Mineralstoffen; die aus dieser Vergleichung sich ergebenden Unterschiede deuten
darauf hin, daß diese Hefe sich unter günstigeren Bedingungen entwickelt und besser
ernährt hat, als dieß bei den verschiedenen anderen Methoden zur Hervorrufung und
Unterhaltung der Alkoholgährung der Fall ist, wodurch sich ihre bemerkenswerthen
Wirkungen erklären.Der Rückstand des Getreides, welches die Maische und Hefe geliefert hat, wird
zum Füttern und Mästen von Schafen und Rindvieh benutzt.