Titel: | Ueber die Bildung von Salpetrigsäuregas während der Alkoholgährung des Rübensaftes; Bestimmung des im Rübensafte enthaltenen Ammoniaks; von J. Reiset. |
Fundstelle: | Band 190, Jahrgang 1868, Nr. CXXIII., S. 481 |
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CXXIII.
Ueber die Bildung von Salpetrigsäuregas während
der Alkoholgährung des Rübensaftes; Bestimmung des im Rübensafte enthaltenen Ammoniaks;
von J. Reiset.
Aus den Comptes rendus, 1868, t. LXVI p.
177.
über die salpetrigsaure Gährung des Rübensaftes.
Die Rübenbranntweinbrenner betrachten die Entstehung von Salpetrigsäuregas während der Gährung des zuckerhaltigen Rübensaftes als
eine sehr nachtheilige Erscheinung Diese Betriebsstörung tritt fast stets ein, wenn
der Saft nicht mehr die erforderliche Menge freier Säure enthält. Die Gährung nimmt
alsdann einen schleichenden Charakter an, zieht sich in die Länge; in den Bottichen
entwickeln sich reichliche Mengen von Salpetrigsäuregas und im Gefolge dieses noch
nicht erklärten Processes kommt gewöhnlich die Alkoholgährung zum Stillstande, und
tritt nicht wieder ein, wie viel Hefe man auch dem Safte in den Bottichen zugesetzt
haben mag. Das Milchsäureferment entwickelt sich, wird vorherrschend, und der Zucker
wandelt sich rasch in Milchsäure um. Ich habe gefunden, daß Saft, welcher vor dem
Eintritte dieser Gährung nur 2 Grm. freier Säuren per
Liter enthielt, sehr bald einen Säuregehalt von 8 bis 10 Grm. zeigte, ohne mit neuen
Säuremengen versetzt worden zu sein.
Durch eine Reihe von alkalimetrischen, mehrere Campagnen hindurch fortgesetzten
Untersuchungen habe ich als allgemeine Regel festgestellt, daß der Saft, wenn ein
regelmäßiger Betrieb der Destillation und eine gute, rein alkoholische Gährung
erzielt werden soll, eine Quantität freier Säuren enthalten muß, welche 3 Grm.
Schwefelsäurehydrat per Liter Saft, wie derselbe aus dem
Macerationsapparate kommt, entspricht.
Daraus folgt, daß in einer gut betriebenen Brennerei die zuzusetzenden
Schwefelsäuremengen methodisch regulirt werden müssen; diese Säure wird nur zu
häufig auf's Gerathewohl, gewissermaßen als Universalmittel gegen alle bei dem
Betriebe möglichen Unfälle angewendet.
Bei Bestimmung der im normalen Rübensafte enthaltenen Basen findet man, daß das
vorhandene, ohne Zweifel an schwache Säuren gebundene Ammoniak für sich allein beinahe die ganze während der Operationen
zugesetzte Schwefelsäure zu sättigen vermag.
Zur Bestimmung des in dem natürlichen Rübensafte enthaltenen Ammoniaks befolgte ich
die von Boussingault empfohlene Methode; dieselbe führt, bei großer
Genauigkeit und bedeutender Empfindlichkeit, rasch zum Ziele. 30 bis 50 K. C. des
Saftes wurden in den Destillirapparat gebracht, welcher 1 Liter vollkommen reines
destillirtes Wasser enthielt, und das Ganze mit 5 K. C. Kalilauge von 40
Alkalimetergraden vermischt; dann wurde destillirt bis 200 K. C. Destillat
übergegangen waren, worauf eine neue Vorlage vorgelegt und ein zweites Volum
Destillat von 200 K. C. aufgefangen wurde. Um die Menge des vorhanden gewesenen
Ammoniaks zu bestimmen, sättigt man die Producte dieser fractionirten Destillation
mit titrirter Schwefelsäure.
Einige der auf diese Weise erhaltenen analytischen Resultate sind nachstehend
angegeben.
Ein Liter des durch Pressen des Rübenbreies erhaltenen Saftes lieferte:
0,772
Grm.
Ammoniak (NH3)
0,441
Grm.
Ammoniak (NH3)
0,544
Grm.
Ammoniak (NH3)
0,534
Grm.
Ammoniak (NH3)
0,740
Grm.
Ammoniak (NH3)
0,775
Grm.
Ammoniak (NH3)
––––––––––
Im Durchschnitt
0,634.
Die Schwankungen im Ammoniakgehalte werden von der Natur der Rüben und von der
Beschaffenheit des dem Boden, auf welchem dieselben erwachsen sind, zugeführten
Düngers bedingt.
Die Bildung des Salpetrigsäuregases während des in den
Bottichen stattfindenden Gährungsprocesses hat man oft durch eine
Zersetzung der im Safte enthaltenen salpetersauren Salze zu erklären gesucht. Wie
kann man dann aber annehmen, wie dieß von allen Praktikern geschieht, daß eine
Behandlung mit Schwefelsäure das unfehlbare Mittel gegen
diese unerwünschte Erscheinung sei? Indem ich dagegen annahm, daß die Entstehung des Salpetrigsäuregases durch eine Oxydation des Ammoniaks
veranlaßt wird, welche eintritt, sobald dieses Alkali nicht durch eine
kräftige Säure, z. B. durch Schwefelsäure, gesättigt wird, regulirte ich die
Anwendung dieser Säure, mit Berücksichtigung des Ammoniakgehaltes der Rüben.
Dieses seit drei Jahren in der Brennerei zu Ecorcheboeuf angewendete Verfahren gab
vortreffliche Resultate; die salpetrigsaure Gährung tritt nur noch sehr selten und
ganz ausnahmsweise ein.
Leplay und Cuisinier sagen in
ihrer Abhandlung über die Schwierigkeiten der Rübenzuckerfabrication in gewissen Jahrgängen etc.Polytechn. Journal, 1865, Bd. CLXXV S.
456.: „Wenn man den Rübensaft und den Syrup einige Zeit mit
caustischen Alkalien und Kalk kocht, so werden die stickstoffhaltigen Substanzen zersetzt und es entsteht Ammoniak, welches
entweicht“ u. s. w.
Allem Anscheine nach haben die Verfasser nicht daran gedacht, daß dieses Ammoniak in
dem natürlichen Safte der Rüben vor jeder Zersetzung der stickstoffhaltigen
Bestandtheile präexistiren kann; gleichwohl haben sie berechnet, daß eine
Zuckerfabrik, welche täglich 1000 Hektoliter Saft gewinnt, bis zu 300 Kilogr.
schwefelsaures Ammoniak per Tag zu erzeugen
vermöchte.
Diese Menge des genannten Salzes entspricht einem Gehalte des Saftes an Ammoniak (NH3) von 0,770 Grm.
per Liter.
Man sieht, daß dieses industrielle Resultat mit den von mir durch die directe Analyse
des natürlichen Saftes erhaltenen Zahlen sehr nahe übereinstimmt.
Zur Vermeidung eines den Interessen der landwirthschaftlichen Gewerbe und der
Fabrikindustrie nachtheiligen Verlustes hoffen wir, daß die genannten Chemiker ihr
Vorhaben, einen Apparat zur Gewinnung des in den ersten Stadien des Eindampfens des
Saftes sich entwickelnden Ammoniaks zu construiren, wirklich zur Ausführung
bringen.