Titel: | Ueber ein gleichförmiges Drahtmaaß, von F. L. Pope. |
Fundstelle: | Band 192, Jahrgang 1869, Nr. VII., S. 28 |
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VII.
Ueber ein gleichförmiges Drahtmaaß, von F. L. Pope.
Aus dem Engineer, November 1868, S.
406.
Mit einer Abbildung.
Ueber ein gleichförmiges Drahtmaaß.
Das Bedürfniß nach einer Geleichförmigkeit der Drahtlehren ist zu bekannt und machte
sich längst im Handel sowohl als bei der Fabrication fühlbar.
Latimer Clark legte in der Versammlung der British Association zu Dundee eine Tabelle vor, in
welcher er nicht weniger als 13 verschiedene gangbare Maaße vorführte, welche unter
dem Namen Birminghamer Drahtmaaß auftreten; diese wichen in ihren Angaben unter
einander außerordentlich ab, indem die Gewichtsdifferenzen gleicher Nummern Draht
10, 15, in einzelnen Fällen bis 90 Procent betrugen.
Die ursprüngliche Drahtlehre entstand nach der wahrscheinlichsten Annahme, indem man
von Draht, dessen Durchmesser 1/16 engl. Zoll betrug (bell
wire genannt) und der die Nr. 16 erhielt, aufstieg zu weiteren Nummern,
indem man je 25 Proc. des Gewichtes der Längeneinheit, entsprechend 11,8034 Proc.
Durchmesserzunahme, des Drahtes der unmittelbar vorangehenden Nummer zuschlug.
Die Uebelstände, welche nun die große Verschiedenheit der vorkommenden Drahtmaaße
veranlaßte, indem fast jede Fabrik ihren eigenen Weg einschlug, führten verschiedene
Vorschläge zur Behebung derselben herbei. So schlug Jos. Whitworth in England im Jahre 1857 die Annahme eines Drahtmaaßes vor, in
welchem die Nummer eines Drahtes correspondirte mit der Größe des in Tausendtheilen
eines Zolles ausgedrückten Durchmessers desselben.Im Princip gleich construirte Kraft in Wien
Blechlehren, bei welchen die Nummern mit der Dicke in Linien und Punkten
ausgedrückt correspondiren. Dieser Vorschlag schien doch zu eingreifend, als daß er eine praktische
Anwendung finden konnte. Im nächsten Jahre regte Jacob Cocker ein neues Drahtmaaß an, welches nur wenig von dem alten abwich,
aber regelmäßiger als dieses angelegt war. Derselbe führte auch die angenommene
Bezeichnung des Tausendtheiles eines Zolles mit „mil“ ein.
Im Laufe des Jahres 1857 adoptirten die Maschinisten I. R. Brown und Sharp zu Providence, Rhode Island
(nun Darling, Brown und Sharp), eine Drahtlehre welche der Genauigkeit halber eine weite Verbreitung
gefunden und welche unter dem Namen „American
gauge“ bekannt wurde, deren allgemeine Annahme nun Pope empfiehlt. Das von Latimer Clarki. J. 1867 vorgeschlagene Maaß weicht nicht sonderlich von dem
amerikanischen ab; es ist die Zunahme (die Incremente) zwischen je zwei
aufeinanderfolgenden Nummern etwas verschieden. (Die bildliche Darstellung der
Vergleichung der drei Maaße, nämlich des amerikanischen, des Birminghamer und des
neuen von Clark vorgeschlagenen befindet sich bereits in
diesem Journal Bd. CXC
S. 200
Tab. III.)
Der bei dem amerikanischen Drahtmaaß auftretende Verdünnungsfactor — nach Karmarsch
Mittheilungen des hannoverschen Gewerbevereines, 1865 S. 75. jener Bruch, mit welchem der Durchmesser einer Drahtsorte zu multipliciren
ist, um den Durchmesser der nächsthöheren feineren Sorte zu finden — bestimmt
sich leicht folgendermaßen:
A bezeichne das erste Glied der in
einer geometrischen Progression zunehmenden Drahtdicken;
B das um N
von A abstehende Glied;
N Stellungszeiger von A begonnen; endlich sey
R der Verdünnungsfactor, so ist
Textabbildung Bd. 192, S. 28
Für A, Draht Nr. 36, ist der Durchmesser 0,005 Zoll, für
B, Draht Nr. 0000, 0,46 zu setzen, ferner für N = 40, so daß der gleichbleibende Verdünnungsfactor
Textabbildung Bd. 192, S. 28 beträgt (log R = 0,0503535).
Man erhält somit jedes Glied der Reihe, indem man den Durchmesser der gefundenen
Nummer mit R multiplicirt, um jenen der nächstfolgenden
Nummer zu erhalten.
Um auch den Unterschied des amerikanischen Drahtmaaßes und des alten
„Birminghamer“ zu versinnlichen, sind auf den Schenkeln des
Winkels A C B die Theilungen entsprechend aufgetragen
und zwar auf A C das englische und auf B C das amerikanische, das von Pope befürwortete Maaß.
Ebenso gestattet nachstehende Tabelle einen Vergleich; Draht Nr. 15 alt entspricht
fast genau Nr. 13 neu, wie dieß aus dem Holzschnitt und der Tabelle zu entnehmen
ist.
Textabbildung Bd. 192, S. 30
Englische (Birminghamer)
Eisendrahtlehre; Peters's Normallehre; Nr.;
Drahtdicke in Millimeter; Verdünnungsfactor; wirklich (Holzapffel).; nach Karmarsch's Rechnung.;
wirklich; nach Karmarsch's Rechnung.; Nr.; Dicke in
Millimeter.; Gewicht von 1 Quadratmeter Eisenblech, Pfd. (zu 500 Grm.)
Pope befürwortet die Annahme des amerikanischen
Drahtmaaßes als Normalmaaß statt des von Clark
vorgeschlagenen aus dem Grunde, weil jenes nicht nur bereits zehn Jahre von Darling, Brown und Sharp
geliefert werde, sondern auch in England seiner Genauigkeit wegen Achtung und
Verwendung erworben habe, wie dieß Clark selbst
zugesteht.
Es sey dem Referent gestattet, bei der Wichtigkeit welche diese Angelegenheit auch
für deutsche Industrielle beansprucht, auf folgende Aufsätze von Karmarsch zu verweisen, und sie theilweise
anzuführen.
„Ueber die für Drähte aus verschiedenen Metallen und in verschiedenen
Ländern üblichen Nummern-Systeme habe ich (Karmarsch) nach und nach eine Reihe von Bestimmungen theils gesammelt,
theils selbst ermittelt, welche in den Mittheilungen des Gewerbevereines für
Hannover, Jahrg. 1858 S. 143 und S. 225; Jahrg. 1859 S. 334; Jahrg. 1860 S. 85
und Jahrg. 1863 S. 83 veröffentlicht worden sind. Ich habe schließlich den
Versuch gemacht (Jahrg. 1865 S. 75) für die Abstufungen der Drahtdicken ein
rationelles Gesetz abzuleiten, das geeignet scheint, an die Stelle der ungemein
schwankenden empirischen Feststellungen zu treten.“ (Mitth., Jahrg.
1867 S. 262.)
„Wenn auch bei den Dickenabstufungen der üblichen Drahtlehren viele
Unregelmäßigkeiten sich ergeben, so tritt doch bei den gut angeordneten Systemen
entschieden die der Natur der Sache entsprechende Regel hervor: den
Verdünnungsfactor — d. h. jenen Bruch, mit welchem der Durchmesser einer
Drahtsorte zu multipliciren ist, um den Durchmesser der nächstfolgenden feineren
Sorte zu finden — mit steigender Feinheit der Drähte abnehmen zu lassen.
Es wird hierdurch erreicht, daß die Sprünge von einer Nummer zur anderen bei
groben Sorten nicht zu groß und bei feinen nicht zu klein ausfallen. Aber die
Ausführung des Grundsatzes wird offenbar mehr durch ein halbdunkles praktisches
Gefühl, als durch bestimmtes Bewußtseyn geleitet und empirischer Griff scheint
den Platz eingenommen zu haben, welcher einer wissenschaftlichen Festsetzung
gebührt.“
„Wenn überhaupt anerkannt wird, daß feinere Drahtsorten eines kleineren
Verdünnungsfactors bedürfen, als die gröberen desselben Sortimentes, so muß
streng genommen gefordert werden, daß der genannte Factor mit jedem Schritte von
einer Nummer zur anderen sich ändere; und wiewohl die Festhaltung bestimmter
Durchmesser der Ziehlöcher nur innerhalb gewisser Genauigkeitsgrenzen möglich
ist, so ist es doch nicht unnütz eine Vorschrift zu kennen, deren Erfüllung man
so viel thunlich anzustreben hat.“
„Es geht aus dem eben Gesagten als völlig naturgemäß hervor, die
Verdünnungsfactoren einer Nummernreihe derart zu bestimmen, daß sie eine
geometrische Progression bilden, d. h. jeder folgende durch die Multiplication
des vorhergehenden mit einer gewissen (für das ganze Sortiment gleichbleibenden)
Zahl (z) entsteht. — Ein dahin gerichteter
Vorschlag ist bereits gemacht worden (s. polytechnisches Centralblatt, 1858 S.
1401), aber in der Absicht eine einzige „allgemeine
Drahtlehre“ aufzustellen, was schon darum nicht angeht, weil
verschiedene. Gebrauchszwecke bald feinere, bald gröbere Abstufungen verlangen.
Auch ist die dort gewählte Progression eine zu rasche, und eine Nachweisung über
die Berechnung ist nicht gegeben.“
„Nennt man n die Anzahl Nummern oder Sorten in
einem Sortimente, D die Dicke der gröbsten und d die Dicke der feinsten Nummer, endlich p den Verdünnungsfactor zwischen D und der zunächst darauf folgenden Nummer, so
ergibt sich, allgemein ausgedrückt, die Reihe der Dickabstufungen wie
nachstehend:
Textabbildung Bd. 192, S. 32
Demnach wird
Textabbildung Bd. 192, S. 32
und wenn man für z einen Werth willkürlich annimmt,
berechnet sich jener von
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„Um mit den praktisch bewährten Ordnungen übrigens im Einklang zu bleiben,
erscheint als zweckmäßigster Werth für z (dessen
Ableitung ich der Kürze halber übergehe) der Bruch 0,998; und es ist folglich
jeder Verdünnungsfactor um 1/500 (0,002) kleiner zu nehmen als der unmittelbar
vorhergehende. Der Factor zwischen der dicksten Drahtnummer (1) und der zweiten
(2) wird demnach = p; zwischen Nr. 2 und 3 = 0,998
p; zwischen Nr. 3 und 4 = 0,9982. p; dann so
fort: 0,9983. p
— 0,9984. p
— 0,9985. p.... bis bei n Nummern des Sortimentes der
letzte Factor = 0,998n-2. p wird.“
„Man kann hiernach die Verdünnungsfactoren und Drahtstärken für jede
Drahtlehre berechnen, wenn die größte und die geringste Dicke nebst der Anzahl
dazwischen liegender Nummern gegeben ist. Mein Zweck besteht also auch nicht
darin, ein neues oder allgemeines Nummernsystem aufzustellen, sondern nur zu
zeigen, wie man jedes vorhandene System nach richtigem Grundsatze regeln könne
etc.“ (Mitth., Jahrg. 1865 S. 75 bis 77.)
In dem Artikel „Ueber verschiedene Drahtlehren und im Besonderen die von
Peters (Zeitschrift des Vereines deutscher
Ingenieure, 1867) empfohlene Universal- oder Normallehre“
(Mitth., Jahrg. 1867 S. 262), sagt Karmarsch nach der
Mittheilung verschiedener Tabellen:
„Wer die im Vorstehenden mitgetheilten Draht- (und Blech-)
Nummern-Systeme und dasjenige, was ich selbst schon früher (an den
Eingangs genannten Stellen) Gleichartiges beigebracht habe, zusammengenommen
überblickt, wird gewiß der Ansicht seyn, daß in diesen zur Bequemlichkeit des
Handels bestimmten Einrichtungen eine Buntheit herrscht, welche nur
Unsicherheit, Verwirrung und zahllose Mißverständnisse hervorbringen muß. In
einem völlig verwandten Falle, der die Feinheitsbestimmung der
Maschinengespinnste aller Art betrifft, ist die industrielle Welt schon längst
über den Gebrauch ganz weniger Systeme einig, von denen jedes seinen
festgesetzten und genau bekannten Anwendungskreis hat. Gegenwärtig, wo Uebereinstimmung im Maaß- und Gewichtswesen ein Losungswort
des Tages ist, tritt das Bestehen so vieler und in jeder möglichen Weise von
einander abweichender Drahtund Blechlehren um so mehr als schreiende Anomalie
auf, und es ist der
Wunsch gerechtfertigt, diesem Unwesen ein Ziel gesetzt zu sehen. Dieß
beabsichtigt Peters durch Aufstellung einer für alle
Draht- und Blechgattungen aus den verschiedensten Metallen, sowie für
Bandeisen, Drahtstifte, Holzschrauben, Niete, Ketten, Nadeln, Klavierstifte u.
dgl. ausschließlich anzuwendenden Dickenbezeichnung mittelst Nummern —
einer von ihm sogenannten Normallehre —
einzuleiten. Es werden von ihm die Schwierigkeiten der Durchführung einer
solchen Neuerung nicht verkannt; eine Reihe von dazu dienlichen Maßregeln,
welche er vorschlägt, mag hier oder dort theilweise Bedenken erregen; aber der
Zweck ist von zu großer Wichtigkeit, die Möglichkeit ihn zu erreichen, kann
nicht bestritten werden, und so bleibt es jedenfalls ein großes Verdienst, den
Anstoß gegeben zu haben, zu dessen Unterstützung und weiterer Verfolgung sich
jeder rationelle Techniker verpflichtet fühlen sollte.“
„Die naturgemäßen Forderungen an eine solche Normallehre lassen sich
folgendermaßen formuliren:
1) Sie muß in einfachen Nummern von den dickeren zu den dünneren Sorten aufsteigen, weil selten oder gar
nicht das Bedürfniß vorliegt, über etwa 8 Millimeter hinaus noch die Lehre zu
gebrauchen, da dann der Zollstock gewöhnlich noch ausreicht; nicht so aber für
die höchsten Feinheitsgrade eine bestimmte praktische Grenze gesetzt ist. Für
die wenigen Fälle, wo Drahtsorten über 8 Millimeter mit Lehren zu messen sind,
wie in den Messingdrahtziehereien und Holzschraubenfabriken, können
Null-Nummern (0, 2/0, 3/0, etwa bis 10/0) hinzugefügt werden.
2) Die Abstufungen der Dicke zwischen den einzelnen aufeinanderfolgenden Nummern
müssen nicht zu groß und rationell seyn, in welchen Beziehungen einerseits der englischen
Eisendrahtlehre (Mitth., Jahrg. 1858 S. 150) und andererseits dem von mir
entwickelten Gesetze (Mitth., Jahrg. 1865 S. 75) der Vorzug zu geben
ist.
3) Die Lehre soll sich dem Metermaaße in einfachster und bequemster Weise
anschließen, und zwar dadurch, daß man das Gewicht eines Quadratmeters
Eisenblech, als der überwiegend wichtigsten Blechgattung, für jede Nummer auf
eine möglichst einfache Zahl von Kilogrammen oder Pfunden
(Halb-Kilogrammen) stellt.“
„Diesen Grundsätzen zufolge adoptirt Peters im
Wesentlichen die von mir rectificirte englische (Birminghamer) Drahtlehre,
jedoch mit folgenden Abweichungen und Zusätzen:
1) Ueber 4/0 hinauf werden die Nummern bis 10/0 einschließlich
fortgesetzt.
2) Nach Nr. 36 werden noch 4 Nummern — bis 40 einschließlich —
hinzugefügt.
3) Die Dicken der einzelnen Nummern werden durch (meist ganz geringfügige)
Veränderungen so regulirt, daß sich für das Gewicht eines Quadratmeters Blech
eine möglichst einfache Zahl ergibt. Dabei ist das specifische Gewicht des
Eisenbleches zu 7,7778 angenommen.
4) Für den etwaigen Bedürfnißfall bleibt die
Einschaltung von Zwischenstufen in Gestalt halber
Nummern zulässig, deren Dicke das arithmetische Mittel aus den Dicken der beiden
benachbarten ganzen Nummern seyn würde.“
Der Ref. hat dem Holzschnitt S. 30 den Hauptinhalt der Tabelle angeschlossen, welche
Peters für seine Normallehre aufstellte; ferner die Tabelle von Karmarsch (Mitth., Jahrg. 1865 S. 77), welche die auf Holzapffel's Angabe gestützten Dicken der Drähte nach der
englischen Cisendrahtlehre, sowie jene nach dem vorausgeschickten Gesetze
berechneten Dicken und Verdünnungsfactoren angibt.
Joh. Zeman.