Titel: | Ueber die Bestimmung der Schwefelsäure auf volumetrischem Wege; von Dr. Ad. Clemm. |
Autor: | Ad. Clemm |
Fundstelle: | Band 192, Jahrgang 1869, Nr. LVIII., S. 229 |
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LVIII.
Ueber die Bestimmung der Schwefelsäure auf
volumetrischem Wege; von Dr. Ad.
Clemm.
Clemm, über die Bestimmung der Schwefelsäure auf volumetrischem
Wege.
Wohl die beiden vorzüglichsten volumetrischen Methoden, welche zur Bestimmung der
Schwefelsäure neben der Gewichtsanalyse im Gebrauch sind, sind die von R. Wildenstein und die von Carl Mohr. Erstere beruht darauf, daß man durch eine Chlorbariumlösung von
bekanntem Gehalte die Schwefelsäure ausfällt, bis kein Niederschlag mehr entsteht,
und aus der verbrauchten Anzahl Kubikcentimeter der Chlorbariumlösung die
Schwefelsäure berechnet. Da der Punkt, wo die vollständige Ausfällung stattgefunden
hat, nur äußerst schwierig zu erkennen ist, so beschreibt Wildenstein ein sogen. Heberfilter, mittelst dessen man kleine Proben
abfiltriren und mit der titrirten Chlorbariumlösung versetzen soll, um diesen Punkt
genau zu treffen. Die Methode, nach der vorgeschriebenen Weise ausgeführt, hat
jedoch mannichfache Umständlichkeiten und nimmt für eine Bestimmung beinahe eine halbe Stunde
Zeit in Anspruch.
In einigen Fabriken ist dieses Verfahren seinem Princip nach gebräuchlich, doch zur
schnelleren Ausführbarkeit etwas modificirt. Die verdünnte, mit Salzsäure
übersättigte Lösung wird in einer Porzellanschale zum Kochen erhitzt und mit
titrirter Chlorbariumlösung so lange versetzt, bis kein Niederschlag mehr entsteht.
Man erkennt diesen Punkt, indem man ein kleines Filterchen in die Lösung taucht,
zwei Tropfen auf eine Glasplatte mit dunklem Untergrund fallen läßt und dann zu dem
einen Tropfen Chlorbarium und zu dem anderen einen Tropfen Schwefelsäure zusetzt.
Entsteht in dem mit Chlorbarium versetzten Tropfen ein Niederschlag, so ist noch
Schwefelsäure vorhanden, entsteht in dem mit Schwefelsäure versetzten ein
Niederschlag, so ist bereits Chlorbarium im Ueberschuß zugesetzt. Wenn auch die
Methode ziemlich schnell ausführbar ist, so kann sie doch aus leicht zu ersehenden
Gründen keinen Anspruch auf große Genauigkeit machen.
Weit genauer ist die von Carl Mohr angegebene Methode. Sie
beruht darauf, daß man die Schwefelsäure als schwefelsauren Baryt durch
überschüssige titrirte Chlorbariumlösung fällt, den Ueberschuß dieser mit
kohlensaurem Natron oder kohlensaurem Ammoniak wegnimmt, den gefällten kohlensauren
Baryt mit Normalsalpetersäure löst und mit Normalalkali zurückgeht. Aus der so
gefundenen Menge kohlensauren Baryts läßt sich die durch Schwefelsäure zersetzte
Menge Chlorbarium und somit die Schwefelsäure selbst leicht berechnen. Arbeitet man
mit Normallösungen, so ist die Rechnung sehr vereinfacht.
Ich gehe nun in meiner Verfahrungsweise, welche eine doppelte Restanalyse genannt
werden kann, noch einen Schritt weiter, indem ich den Ueberschuß des Chlorbariums
durch kohlensaures Alkali von bekanntem Gehalt wegnehme und den Rest dieses titrire.
Meine Methode ist also kurz folgende: Die Lösung wird mit Lackmustinctur versetzt
und genau neutralisirt, sodann durch titrirte Chlorbariumlösung im Ueberschuß alle
Schwefelsäure als schwefelsaurer Baryt gefällt, hierauf titrirtes kohlensaures
Natron zugesetzt (sehr passend eine dem angewendeten Chlorbarium aequivalente
Menge), um allen Baryt zu fällen und endlich der Ueberschuß des kohlensauren Natrons
mit Schwefelsäure titrirt. Es bildet sich bei den verschiedenen Umsetzungen kein
lösliches Salz, welches auf die Lackmustinctur farbenverändernd einwirkte. In
solchen Salzen, deren Basen durch kohlensaures Natron gefällt werden, wird diese
Fällung zuerst vorgenommen. Das Filtrat, welches nun die Schwefelsäure an Natron
gebunden enthält, wird neutralisirt und nach Angabe weiter behandelt. Daß die Methode bei Anwesenheit
von Phosphorsäure, Oxalsäure und überhaupt bei Gegenwart von Säuren, welche in
neutraler Lösung Barytsalze fällen, nicht anwendbar. ist, bedarf kaum der
Erwähnung.
Die erforderlichen Lösungen zur Ausführung der Analyse sind ½ normale
Chlorbariumlösung, enthaltend 52 Grm. Chlorbarium im Liter, ½ normale
kohlensaure Natronlösung, enthaltend 26,5 Grm. kohlensaures Natron im Liter,
½ normale Schwefelsäure, enthaltend 20 Grm. wasserfreie Schwefelsäure im
Liter. Zur Bestimmung sehr kleiner Mengen von Schwefelsäure mögen verdünntere
Lösungen noch geeigneter seyn. Die Lösungen sind so gestellt, daß sich dieselben
Tropfen für Tropfen entsprechen.
1 K. C. der Chlorbariumlösung wird genau von 1 K. C. des kohlensauren Natrons
zersetzt und 1 K. C. des kohlensauren Natrons von 1 K. C. Schwefelsäure genau
neutralisirt. Angenommen also, man habe zu der neutralisirten Lösung 20 K. C.
Chlorbarium gesetzt, so würden, wenn keine Schwefelsäure vorhanden wäre, die hierauf
zugesetzten 20 K. C. kohlensaures Natron zur Zerlegung in kohlensauren Baryt und
Chlornatrium genau verbraucht werden. Es würde somit im Filtrat der erste Tropfen
Schwefelsäure die Röthung der Lackmustinctur hervorbringen. Ist jedoch ein Theil des
Chlorbariums durch vorhandenes Schwefelsäuresalz zersetzt worden, so werde ich genau
so viele K. C. kohlensauren Natrons in Ueberschuß haben als K. C. der
Chlorbariumlösung durch das Schwefelsäuresalz vorher zerlegt worden sind. Um diese
Menge zu erfahren, titrire ich einfach den Ueberschuß des kohlensauren Natrons mit
der aequivalenten ½ normalen Schwefelsäure. Gesetzt, es seyen 6 K. C. von den
zugefügten 20 K. C. Chlorbarium durch Schwefelsäuresalz zerlegt worden, so werde ich
auf Zusatz von 20 K. C. kohlensauren Natrons natürlicher Weise 6 K. C. desselben im
Ueberschuß haben, welche wiederum zur Neutralisation 6 K. C. der Schwefelsäure
brauchen. Ein Beispiel wird dieß vollständig klar machen. Ich löste 0,5 Grm. reines
schwefelsaures Natron in einem 200 K. C. fassenden Kölbchen. Neutralisation war
hierbei natürlich nicht nöthig und ich setzte sofort 20 K. C. des ½ normalen
Chlorbariums zu, hierauf 20 K. C. des ½ normalen kohlensauren Natrons, füllte
bis zur Marke mit Wasser, schüttelte gut um und filtrirte sofort in ein Kölbchen,
welches die Hälfte, d. i. 100 K.C. faßte. Dieses Filtrat titrirte ich mit ½
normaler Schwefelsäure und brauchte dazu 7,0 K. C. Da ich aber von den 200 K. C. nur
die Hälfte zum Titriren nahm, so muß ich natürlich die 7 K. C. erdoppeln, d. i. 14,0
K. C. entsprechend 0,28 Schwefelsäure; die berechnete Menge in 0,5 Grm.
schwefelsaurem Natron ist 0,282.
Der Vortheil dieses Verfahrens vor der Mohr'schen Methode
besteht darin, daß ich den gefällten kohlensauren und schwefelsauren Baryt nicht
auszuwaschen habe, was immer langwierig ist, da die letzten Spuren kohlensauren
Alkalis lebhaft zurückgehalten werden. Man umgeht dieß einfach dadurch, daß man die
Hälfte der Flüssigkeit abfiltrirt. Mohr hat den
Niederschlag weiter zu behandeln, ich dagegen das Filtrat. Man kann daher auch
ebensowohl einen geringeren Bruchtheil als die Hälfte des Filtrates mit der Pipette
herausnehmen, titriren und auf die ganze Menge berechnen. Ferner ist nicht in einer
durch suspendirten schwefelsauren Baryt getrübten Flüssigkeit zu titriren, was die
Erkennung der Farbe bei einigermaßen erheblicher Menge immerhin beeinträchtigt.
Ich will nicht versäumen, zu gleicher Zeit hier einige Bedenken zu besprechen, welche
dem Chemiker bei Prüfung meiner Methode aufstoßen können. Als ein solches will ich
zunächst die mögliche Umsetzung des gefällten schwefelsauren Baryts mit kohlensaurem
Natron anführen. Mohr hat gerade um dieser Fehlerquelle
vorzubeugen, die Anwendung des Kohlensauren Ammoniaks statt kohlensauren Natrons
empfohlen. Meine Versuche haben mir jedoch gezeigt, daß der hieraus entspringende
Fehler, im Falle eine solche Umsetzung überhaupt stattfindet, so gering ist, daß
derselbe, namentlich wenn man rasch arbeitet, ganz vernachlässigt werden kann. Ich
habe mein Filtrat, nach dem Uebersättigen mit Salzsäure, mit Chlorbarium sehr häufig
auf schwefelsaures Natron geprüft, jedoch nie solches gefunden.
Ferner ist zu bedenken, in wie weit die Nichtberücksichtigung des Volums des
Niederschlages einen Einfluß auf das Resultat ausübt. Es kann hieraus allerdings
eine Fehlerquelle entspringen, welche man jedoch auf eine bei der Analyse des
gebrannten Kieses weiter unten zu besprechende Weise verhüten kann. Hat man mit
kleinen Mengen eines Sulphats zu thun, was sich bei häufig wiederkehrenden Analysen
immer erreichen läßt, so entspringt ein ganz zu vernachlässigender Fehler, wie mir
wiederholte Versuche gezeigt haben.
Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, daß man die Normallösungen genau zu prüfen hat, so
zuerst, ob das kohlensaure Natron und die Schwefelsäure sich genau sättigen. Ist
dieß der Fall, so nehme man eine beliebige Menge Chlorbariumlösung, füge etwas
kohlensaures Natron im Ueberschuß zu, titrire diesen Ueberschuß mit Schwefelsäure
und sehe zu, ob das gefundene Resultat mit dem berechneten stimmt. Eine Correction
läßt sich, wenn nöthig, dann leicht anbringen.
Ueber die Anwendbarkeit meines Verfahrens für technische Zwecke, wozu ich es als sehr
rasch ausführbar und dabei hinreichend genau vorzugsweise empfehle, habe ich mit Herrn Dr. G. Lunge viele Versuche
gemacht und mag speciell für die in Sodafabriken vorkommenden Arbeiten Folgendes von
uns gesagt seyn.
Für die Analyse der Rohsodalauge (tank liquors) verwenden
wir stets dieselbe Probe zur Schwefelsäurebestimmung, welche wir schon zur
Alkalinitätsbestimmung benutzt haben. Diese letztere wird natürlich dann mit
Normalsalpetersäure oder Normalsalzsäure ausgeführt. Zu der so neutralisirten
Flüssigkeit wird sofort Chlorbarium und die aequivalente Menge kohlensaures Natron
zugesetzt, filtrirt und 50 K. C. des Filtrates mit Schwefelsäure titrirt. Dasselbe
gilt von der Analyse der Soda-Brode (black
balls). (Hinsichtlich der Bestimmung des Schwefelnatriums in denselben
vergleiche man Dr. Lunge's
Abhandlung „über die analytischen Arbeiten in Sodafabriken“ in
diesem Journal Bd. CLXXXVI S. 205.) — Man könnte hier den Einwurf erheben,
daß der Gehalt an Kieselsäure, welche in kleiner Menge gelöst bleibt, auf das
Resultat nachtheilig einwirken könne. Dr. Lunge hatte eine 7 bis 8 Proc. Kieselsäure enthaltende
Soda als Probe erhalten, worin er die Schwefelsäure auf gewichtsanalytischem und
volumetrischem Wege bestimmte. Beide Analysen stimmten vollkommen überein. Erst beim
letzten Austitriren des kohlensauren Natrons schied sich Kieselsäure, welche gelöst
gewesen war, langsam ab.
Was die Bestimmung des Schwefels in den Kiesen und insbesondere in den abgerösteten
Kiesen betrifft, so läßt sich auch hierzu die Methode sehr wohl anwenden. Nachdem
man mit Salpetersalzsäure aufgeschlossen und gelöst hat, übersättigt man sofort,
ohne vom Rückstand abzufiltriren, mit reinem kohlensauren Natron oder mit
schwefelsäurefreier Natronlauge bis alles Eisen etc. ausgefällt ist, füllt mit
heißem Wasser bis zur Marke 200 auf, läßt absitzen und filtrirt dann die Hälfte ab.
Dieses Filtrat wird sorgfältig neutralisirt und dann mit dieser Lösung wie
gewöhnlich weiter verfahren. Bei einer solchen Kiesanalyse (namentlich beim
gebrannten Kies) kommt das Volum des ersten Niederschlages, des Eisenoxydhydrates,
in Betracht. Wenn man bei den Analysen stets die gleiche Menge der zu untersuchenden
Substanz nimmt, z. B. ½ Grm. frischen Kieses, was hierzu vollkommen ausreicht
und 1 bis 2 Grm. gebrannten Kieses, so wird man auch bei den Ausfällungen des Eisens
immer dasselbe Volum für diesen Niederschlag in Ansatz zu bringen haben. Eine
Differenz von selbst 10 Proc. Eisen macht im Volum des trockenen Niederschlages
keinen merklichen Unterschied. Nimmt man sich daher einmal die Mühe, den ganzen
Eisenniederschlag auszuwaschen und zu trocknen, und das Volum desselben dann zu
bestimmen, so kann man dasselbe stets als richtig ansehen. Man fülle das 200 K. C.
fassende Kölbchen mit Wasser bis zur Marke, werfe den scharf getrockneten
Niederschlag hinein und markire sich für beide Fälle, für frischen und gebrannten
Kies, wie hoch die Flüssigkeit steigt, und fülle dann immer soweit auf. Die auf
solche Weise erhaltenen Resultate zeigten stets gute Uebereinstimmung.
Um zu sehen, ob bei der Fällung des Eisens durch kohlensaures Natron nicht auch
basisches Sulphat gefällt werde, nahm ich eine und dieselbe Flüssigkeit zur
Gewichtsbestimmung und zur volumetrischen Bestimmung. Die Resultate waren der Art,
daß das Eintreten dieses, von vornherein schon unwahrscheinlichen Falles nicht
angenommen werden darf.