Titel: | Ueber Kryolithglas (Hot-Cast Porcelain); von H. E. Benrath, Director der Spiegelgußhütte bei Dorpat. |
Autor: | H. E. Benrath |
Fundstelle: | Band 192, Jahrgang 1869, Nr. LX., S. 239 |
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LX.
Ueber Kryolithglas (Hot-Cast Porcelain); von H. E. Benrath, Director der Spiegelgußhütte bei Dorpat.
Benrath, über Kryolithglas.
Durch freundliche Vermittelung des Hrn. Ingenieurs C. Rättig in New-York in den Besitz einer probe des productes der
bedeutendsten Kryolithglas arbeitenden Hütte der American
hot-Cast Porcelain Company, sowie des von derselben benutzten
Krholiths gelangt, habe ich dieselben näher geprüft und lasse die Ergebnisse der
Untersuchung hier folgen.
Die Probe, ein gepreßter Lampenfuß, ist gleichmäßig und gut geschmolzen, milchweiß in
der mittleren Schicht, opalisirend bis durchsichtig an der Außen- und
Innenfläche; Härte und Widerstandsfähigkeit gegen Stoß und Schlag sind derjenigen
guten Glases wenigstens gleich; der Bruch ist muschelig, mit Glasglanz; spec. Gew. =
2,471.
Bei der Analyse wurde die folgende Zusammensetzung gefunden, wobei das Natron aus dem
Procentdeficit berechnet ist:
Kieselsäure
67,07
Thonerde
10,99
Eisenoxyd
1,02
Manganoxydul
1,09
Kalk
Spuren
Natron
19,83
–––––––
100,00
Nach einer Notiz von T. Ellis
Polytechn. Journal, 1868, Bd. CLXXXVIII S.
340. wird auf der angeführten amerikanischen Hütte zur Herstellung dieses Glases
ein Gemenge von 1 Gewichtstheil Kryolith und 2 bis 4 Gewichtstheilen Quarzsand
verschmolzen. — Der hohe Eisenoxydgehalt der untersuchten Probe, welcher
übrigens chromatisch gut neutralisirt ist, bestätigt die Angabe Rattig's, daß der Sand stark eisenhaltig ist, da der
Kryolith von den eingesprengten Eisenoxydablagerungen mechanisch befreit, kaum Spuren von
Eisenverbindungen erkennen läßt.
Behufs bestimmter Einsicht in die bei Herstellung des Kryolithglases erfolgende
Wechseleinwirkung der verwendeten Materialien und hierauf zu gründender
Satzberechnung für obiges Glas wurde ein directer Schmelzversuch im Platintiegel
angestellt; da ich aber voraussah, daß ein Gemenge aus 1 Thl. Kryolith und 2 Thln.
Quarzsand über der Deville'schen Gebläselampe nicht in
gleichmäßigen Fluß gelangen würde, wurde zunächst der Versuch mit gleichen
Quantitäten beider Stoffe gemacht. Dieses Verhältniß entsprach einem Gemenge von 7
Aequiv. Kieselsäure auf 1 Aequiv. Kryolith. Bei dem Erweichen der Masse im Feuer
fand eine intensive Gasentwickelung statt, und bildete dieses Gas, mit den
Verbrennungsproducten des Terpenthins zusammenkommend, dicke weiße Nebel, wobei sich
schwer zu entfernende Kieselsäure am Rande des Tiegels absetzte. Das Fluor des
Kryoliths entwich also mit einem Theil des Siliciums der Kieselsäure in Form von Fluorsilicium. Eine vollständige Schmelzung gelang nicht,
und sah ich mich daher genöthigt, wollte ich brauchbare Resultate erzielen, den
Schmelzversuch im Siemens'schen Glasofen der hiesigen
Hütte zu wiederholen. Da hier kein Mangel an Hitze zu befürchten war, konnte das
härtere (schwerschmelzbare) Gemenge – 1 Thl. Kryolith und 2 Thle. Quarzsand
— Anwendung finden, in welchem 14 Aequiv. Kieselsäure mit 1 Aequiv. Kryolith
zur Wechselwirkung gelangen.
Die vorläufig noch hypothetische Zersetzungsgleichung wäre für diesen Fall:
Textabbildung Bd. 192, S. 240
(3Na Fl,
Al2 Fl3) + 14SiO2; 1 Kryolith; = (3 NaO, Al2O3, 11 SiO2)+ 3 Si Fl2; Kryolithglas; Fluorsilicium
und Kann das Glas mithin aufgefaßt werden als 3(NaO,3 SiO
2)+ Al2O3
,2SiO2
, d. h. als eine Lösung von Thon in Natrontrisilicat.
Die berechnete procentische Zusammensetzung wäre:
3 NaO
=
93
entsprechend
19,6
proc.
Al2O3
=
51,4
entsprechend
10,9
proc.
11SiO2
=
330
entsprechend
69,5
proc.
3(NaO,3SiO2)+Al2O3,2SiO2
=
474,4
100,0
proc.
Das Gemenge schmolz im Ofen leicht und läuterte vollkommen. Als der Tiegel aus dem
Ofen genommen wurde, war das Glas vollkommen durchsichtig und blieb so auch, wo es,
den rasch erkaltenden Wänden in dünner Schicht anhaftend, fast plötzlich abkühlte,
während im Boden des
Tiegels, wo die Glasschicht etwa 5 Millimeter dick war, gleichzeitig mit dem
Gestehen der Masse, von mehreren Punkten aus zunächst flammenförmig ausstrahlend,
ein Milchweißwerden ausging, und endlich die ganze Schicht in Milchglas übergegangen
war.
Dieses Verhalten erklärt die oben erwähnte durchsichtige Oberfläche des hot-cast porcelain.Die mit der metallenen Form in
Berührung gekommene äußere Schicht wurde zu rasch abgekühlt, um zum Entglasen Zeit
zu haben.
Das gewonnene Kryolithglas war im Aeußeren dem amerikanischen vollkommen ähnlich, nur
blendend weiß. Spec. Gewicht = 2,373.
Die Analyse ergab die Zusammensetzung:
Kieselsäure
70,01
Proc.
Thonerde
10,78
Proc.
Natron
19,21
Proc.
––––––––––
100,00
Proc.
Die gefundene Zusammensetzung im Vergleich mit der oben berechneten bestätigt die
Richtigkeit der letzterer zu Grunde gelegten Zersetzungsgleichung, und sie stimmt
andererseits auch mit der Zusammensetzung der amerikanischen Probe so weit überein,
daß das Satzverhältniß 1 Kryolith und 2 Sand zur Herstellung der letzteren benutzt
seyn muß.
Bezüglich des von Ellis angegebenen Verhältnisses 1
Kryolith und 4 Sand erschienen Zweifel von vornherein gerechtfertigt. Das daraus
resultirende Glas müßte 25 Si O2 auf 3 Na O + Al2O
3 enthalten und die
procentische Zusammensetzung
Kieselsäure
83,8
Thonerde
5,8
Natron
10,4
–––––
100,0
haben. Nun konnte PelouzeComptes rendus, t. LXIVp. 53; polytechn. Journal Bd. CLXXXIV. S
310. schon ein aus Thonerde, Soda und Sand gewonnenes Glas der
Zusammensetzung
Kieselsäure
75,0
Thonerde
7,6
Natron
17,4
–––––
100,0
trotz 120 stündiger Gluth im St. Gobain'schen Spiegelglasofen nicht vollständig
lauter bekommen, und es ist daher im höchsten Grade unwahrscheinlich, daß dieß mit dem noch 9 Proc.
härteren Glase in Philadelphia gelänge.
Das Weißwerden des heiß durchsichtigen Kryolithglases (mag es immerhin dem
Milchglasfabrikanten nicht neu seyn) ist, so scheint es mir, theoretisch von
Interesse, indem Pelouze der Thonerde eine
entglasungswidrige Wirkung zuschreiben will, namentlich da sein eben angeführtes
Glas sich nicht entglaste. Im vorliegenden Falle entglaste sich dagegen ein an
Kieselsäure bedeutend ärmeres Glas ohne weiteres, und scheint somit auch dieser Fall
dafür zu sprechen, daß es bei dieser Erscheinung auf die relativen Verhältnisse der
Einzelbestandtheile weit mehr als auf die Art derselben ankommt.
Von besonderem Interesse erscheint die Fabrication des Kryolithglases aber noch wegen
des bei derselben auftretenden Nebenproductes, nämlich des entweichenden Fluorsiliciums, welches allem Anscheine nach bisher
unverwerthet geblieben ist. Unter den Verbindungen welche die chemische Technik sich
in neuester Zeit nutzbar zu machen wußte, beginnt die Kieselfluorwasserstoffsäure
oder Kieselflußsäure eine bedeutende Rolle zu spielen. So wies z. B. die letzte
Pariser Welt-Ausstellung in Classe 44 Aetzkali und andere Alkalisalze auf,
welche von Tessié durch Zersetzung von Staßfurter Salz
mittelst Kieselflußsäure hergestellt waren. Zur Erlangung der Säure hat man sich
bisher genöthigt gesehen, direct auf dieselbe zu arbeiten, so z. B. in
Großblitersdorf bei Saargemunden (Moseldepartement), wo in einem Hohofen
Fluorsilicium durch Zusammenschmelzen von Flußspath, Sand und Kohle gewonnen und
dann mittelst Wasser in geeigneten Condensationskammern zersetzt wird. (Dieses
Verfahren war in Classe 51 ausgestellt.)
Wie oben erwähnt, tritt das Fluorsilicium bei dem Kryolithschmelzen als Nebenproduct
auf, welches leicht lästig werden kann; gelingt es nun dasselbe, indem man etwa in
gedeckten Häfen schmilzt, abzuleiten (wozu in diesem Falle durchaus, kein
Saugapparat erforderlich wäre) und es in einer geeigneten Condensationskammer mit
Wasser in Berührung zu bringen, so würde es sich mit demselben in Kieselflußsäure
und abgeschiedene Kieselsäure nach der Gleichung 2 Si Fl2 +
2
HO = 2 H FI, Si Fl2 + Si O2 umsetzen.
Zur Beurtheilung der auf diese Weise zu gewinnenden Quantitäten beider Säuren möge
die folgende Rechnung dienen.
Ein Hafen, welcher nur einen Inhalt von 300 Pfd. Gemenge (100 Pfd. Kryolith und 200
Pfd. Sand) hat, würde 54 Proc. des Gewichtes des Kryoliths, also 54 Pfd. Fluor
liefern, welches sich mit 20 Pfd. Silicium zu 74 Pfd. Fluorsilicium verbände. Diese
würden sich mit Wasser
umsetzen in 60 Pfd. wasserfreie Kieselflußsäure und 26 Pfd. trockene gefällte
Kieselsäure. Man gewänne somit 20 Proc. des verwendeten Gemenges an Kieselflußsäure,
ganz abgesehen von ca. 8,5 Proc. gefällter Kieselsäure, auf deren Werth für die
Fabrication von Wasserglas noch neuerdings von Gossage
(dieses Journal Bd. CLXXXVI S. 245) hingewiesen worden ist.
Nach der Mittheilung von Ellis stellen sich die Kosten des
Kryolithglases 10–20 Proc. höher als für gewöhnliches Flintglas, und es
dürfte daher schon im Interesse weiterer Verbreitung dieses im Uebrigen
vortrefflichen Productes, ein Benutzen der Fabricationsabfälle geboten seyn.