Titel: | Wiedergewinnung des Schwefels aus Sodarückständen; von Max Schaffner. |
Fundstelle: | Band 192, Jahrgang 1869, Nr. LXXXIV., S. 308 |
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LXXXIV.
Wiedergewinnung des Schwefels aus
Sodarückständen; von Max
Schaffner.Aus den Verhandlungen
der physikalisch-medicinischen Gesellschaft in
Würzburg.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Schaffner, über Wiedergewinnung des Schwefels aus
Sodarückständen.
Die Wiedergewinnung des Schwefels aus den Sodarückständen wurde zuerst mit
praktischem Erfolg auf der Sodafabrik zu Außig a. d. Elbe durchgeführt. — Das
Verfahren, das hier in Anwendung ist, zerfällt in folgende Arbeiten:
a. die Darstellung der schwefelhaltigen
Laugen;
b. die Zersetzung der erhaltenen
Laugen;
c. die Darstellung des chemisch reinen
Schwefels.
a. Zur Darstellung der schwefelhaltigen Laugen werden die
Sodarückstände einem Oxydationsproceß an der Luft unterworfen, indem man dieselben
in große Haufen aufstürzt. Der Haufen erwärmt sich nach einiger Zeit und Es beginnt
die Bildung von Polysulfureten und bei weiterer Oxydation die Bildung von
unterschwefligsauren Salzen. Die Praxis lehrt sehr bald durch Beurtheilung der
Farbe, wie lange man den Haufen liegen lassen muß. Nach einigen Wochen hat nämlich
der Haufen im Inneren eine gelbgrüne Farbe und ist dann zum Auslaugen reif. Er wird
aufgehackt, wobei die größeren Stücke zerschlagen werden, und bleibt noch etwa 24
Stunden an der Luft liegen, wo dann die gewünschte Oxydation vollständig wird. Das
Auslaugen geschieht mit kaltem Wasser in gemauerten oder eisernen Bassins und zwar
so, wie beim Auslaugen der rohen Soda, daß etwa 3 solcher Bassins durch Röhren mit
einander verbunden sind und die Lauge aus einem Bassin in das andere fließt, wodurch
sich die Lauge immer mehr anreichert, so daß man Es am Schluß nur mit concentrirten
Laugen zu thun hat. Nach dem Auslaugproceß werden die Sodarückstände noch einmal
oxydirt, indem man sie in 3' tiefe und eben so breite Gruben bringt, die neben den
Auslaugkästen liegen. Diese Oxydation in Gruben, wobei die durch den Zersetzungsproceß
frei werdende Wärme mehr zusammengehalten wird als in freien Haufen, geht rascher
vor sich als die erste Oxydation. Durch den früheren Auslaugproceß ist die Masse nun
poröser als bei der ersten Oxydation und somit hat auch die Luft mehr Zutritt und Es
bilden sich darum neben Polysulfureten auch mehr unterschwefligsaure Salze.
Statt nach dem ersten Auslaugen die Sodarückstände aus dem Auslauggefäß zur zweiten
Oxydation in eine Grube zu bringen, kann man sie auch im Auslauggefäß liegen lassen
und die zweite Oxydation künstlich dadurch beschleunigen, daß man mit einem
Ventilator die Gase aus einem Kamin, in welchen Feuerungsanlagen einmünden, unter
den doppelten Boden des Auslauggefäßes führt. Man erspart hierdurch an
Arbeitslöhnen, indem das einmalige Aus- und Einfahren aus dem Auslaugbassin
in die Gräben umgangen wird. Zugleich ist diese Art der Oxydation eine sehr
energische, indem in 8 – 10 Stunden der Proceß vollendet und die Masse
abermals zum Auslaugen reif ist. Je nach Beschaffenheit der Sodarückstände kann man
diese Oxydation 3 – 4 Mal wiederholen. Die Kamingase, die im Wesentlichen aus
Wasserdampf, überschüssiger warmer Luft und Kohlensäure bestehen, haben alle
Eigenschaften, um auf das Schwefelcalcium in der Art zersetzend einzuwirken, daß
Polysulfuret und unterschwefligsaures Salz entsteht. Die Gase dürfen jedoch nicht zu
warm zur Anwendung gelangen.
Die Laugen, die man von der ersten Oxydation erhält, bestehen hauptsächlich aus
Polysulfuret neben unterschwefligsauren Salzen; bei den Laugen von der zweiten
Oxydation ist das unterschwefligsaure Salz vorherrschend und die Laugen der dritten
Oxydation enthalten noch mehr unterschwefligsaures Salz. Sämmtliche Laugen
vereinigen sich in einem gemeinsamen Reservoir. Das Product dieser ganzen
Manipulation ist also eine Lauge von einem bestimmten Gehalt an Polysulfureten des
Calciums neben einem gewissen Gehalt an unterschwefligsauren Salzen. Um sich die
Oxydation der Sodarückstände zu erklären, muß man bedenken, daß diese Oxydation
nicht nach einer einzigen Reaction stattfindet; Es kommen mannichfache Reactionen
zur Geltung, je nach der mechanischen Beschaffenheit derselben, ob dieselben dicht
oder locker, ob die Luft mehr oder weniger Zutritt hat, ob die Rückstände mehr
feucht oder trocken, ob der zu oxydirende Haufen groß oder klein, ob die äußere
Atmosphäre kalt oder mehr warm oder endlich ob die künstliche Oxydation durch
Einblasen von Gasen rascher oder langsamer ausgeführt wird. — Wirkt die Luft
allein und geschieht die Oxydation in großen Haufen und ganz allmählich, so kann man
sich folgende Processe vorstellen:
2 CaS + O gibt CaO + CaS2; wirkt die Luft noch weiter ein, so
erhält man aus CaS2 +
3O=CaO, S2O2, bei noch längerer Einwirkung wird aus CaO,S2O2=CaO,SO2 + S und bei
fortgesetztem Oxydiren aus CaO, SO2 + O =CaO,SO3. Wird also zu lanqe oxydirt, so erhält
man schließlich Gyps, aber auch die Bildung von CaO, SO2 ist schon Verlust, da der
schwefligsaure Kalk so gut wie unlöslich ist. Der ausgeschiedene Schwefel, der bei
der Zersetzung des unterschwefligsauren Kalkes entsteht, wird größtentheils beim
Auslaugen wieder gelöst, wenn die Laugen hinlänglich concentrirt sind und genügende
Mengen von Mehrfach-Schwefelcalcium enthalten.
Geschieht die Oxydation mit Kamtngasen, so finden noch andere Reactionen statt; Es
nimmt die Kohlensäure an der Zersetzung Antheil und Es sind dann nachstehende
Reactionen denkbar:
CaS + CO2+O gibt CaO,CO2 +S; diese
Reaction findet namentlich dann statt, wenn Es an Feuchtigkeit fehlt. — Die
normale Reaction ist:
CaS + CO2 + HO gibt CaO,CO2 + HS; das
Schwefelwasserstoffgas wirkt dann weiter, nämlich CaS +
HS gibt CaS, HS,
oder, faßt man diese Reactionen zusammen:
2 (CaS + CaO) + HO + 3CO2 gtbt 3CaO,CO2 +, HS. Wirken die Kamingase weiter ein, so verursacht der darin
enthaltene Sauerstoff folgende Reaction: CaS,HS + 4O
gibt CaO, S2O2 + HO, bei noch längerer Einwirkung
entsteht, wie schon oben angeführt, schwefligsaurer Kalk und schließlich Gyps.
— Es können aber auch noch andere Reactionen auftreten; so kann z. B.
unterschwefligsaurer Kalk direct entstehen :
2CaS + 4O + CO2=CaO,S2O2 +
CaO,CO2. Es kann ferner
unterschwefligsaurer Kalk entstehen: CaS5 + 3O gibt CaO,S2O2 + 3S; Es wird also Schwefel ausgeschieden, wie dieß schon bei
einigen oben angeführten Processen der Fall war; auch dieser Schwefel kann beim
nachherigen Auslaugen zur weiteren Bildung von CaO,S2O2 beitragen, nämlich CaO,SO2 + S gibt CaO, S2O2, obwohl diese Reaction hier nur träge
von statten geht. Auch der Schwefelwasserstoff, der bei oben angeführten Processen
auftritt, kann Ursache seyn, daß Schwefel in freiem Zustand vorkommt, indem sich der
Schwefelwasserstoff in der porösen Haufenmasse mit Luft zersetzt. HS + O gibt S + HO. Aller
dieser freie Schwefel, der in den verschiedenen Fällen auftritt, dient zur Bildung
von Polysulfureten und wird beim Auslaugen gelöst, kann aber auch, jedenfalls aber
in geringerem Grad, zur Bildung von unterschwefligsauren Salzen dienen.
b. Die Zersetzung der Laugen mit Salzsäure geschieht in
geschlossenen Apparaten aus Gußeisen oder Stein. Die Zersetzung ist darauf basirt,
daß unterschwefligsaures Salz durch Salzsäure schweflige Säure entwickelt unter
Ausscheidung von Schwefel. (CaO,S2O2 +
HCl gibt HCl + SO2
+ S +HO); ferner, daß schweflige Säure das Polysulfuret unter Ausscheidung
von Schwefel in unterschwefligsauren Kalk verwandelt (2CaSx + 3SO2=2=2Cao,S2O2 + Sx)—. Der Gang der Zersetzung ist nun folgender und läßt
sich der Zersetzungs- oder Ausfällapparat durch die in Fig. 42 abgebildeten
beiden Kolben versinnlichen. Angenommen die beiden Kolben A und B seyen mit der zu zersetzenden Lauge
gefüllt. Man schließt das Röhrchen a mit einem Stopfen
und gießt nun durch das Trichterloch T Salzsäure ein.
Wenn man mit dieser Manipulation beginnt, so wird sich sofort Schwefelwasserstoff
entwickeln; denn aus einer Lauge, die aus Polysulfureten und unterschwefligsauren
Salzen besteht, wird beim Zufügen von Salzsäure zuerst das Polysulfuret unter
Entwickelung von Schwefelwasserstoff und Ausscheidung von Schwefel zersetzt. Das
Schwefelwasserstoffgas entweicht durch das Rohr c,
streicht durch die Lauge in B und gelangt durch b in's Freie. Ist das Polysulfuret zersetzt und fügt man
Weiter Salzsäure zu, so wird das unterschwefligsaure Salz zersetzt. Es entwickelt
sich schweflige Säure, die ebenfalls durch c in die
Lauge von B gelangt; hier zersetzt sie das Polysulfuret
und verwandelt Es in unterschwefligsaures Salz. Der Kolben A wird nach vollständiger Zersetzung erwärmt, um die von der Flüssigkeit
absorbirte schweflige Säure überzutreiben. Hierauf entleert man den Kolben A, sammelt den ausgeschiedenen Schwefel, und füllt ihn
mit einer neuen Quantität Lauge. Man schließt nun das Röhrchen b, öffnet Rohr a und läßt
durch das Trichterrohr T Salzsäure einfließen. Es
entwickelt sich nun kein Schwefelwasserstoffgas mehr, da durch die schweflige Säure
der vorhergehenden Zersetzung das Polysulfuret in unterschwefligsaures Salz
übergeführt wurde; Es beginnt somit sofort die Entwickelung von schwefliger Säure
und diese gelangt durch das Rohr d in die Lauge des
Kolbens A und führt hier wieder die Polysulfurete in
unterschwefligsaure Salze über. Nach vollendeter Zersetzung erwärmt man den Kolben
B, um die von der Flüssigkeit absorbirte schweflige
Säure überzutreiben, entleert den Inhalt, sammelt den ausgeschiedenen Schwefel und
füllt den Kolben B, mit neuer Lauge. Es wird a geschlossen, b geöffnet
und der Inhalt des Kolbens A mit Salzsäure zersetzt; Es
kann sich auch hier nur mehr schweflige Säure entwickeln, die beim Uebertritt den
Inhalt des Kolbens B zersetzt, und so geht Es fort und
fort. Es tritt also kein Schwefelwasserstoffgas mehr auf, da beim Zufügen der
Salzsäure die Polysulfurete stets durch die schweflige Säure der vorhergehenden
Zersetzung schon zerstört sind. Die schweflige Säure wird also auf diese Weise immer
aus einem Gefäß in das andere getrieben und ist die Lauge richtig zusammengesetzt,
so wird beim regelmäßigen Betrieb gar kein Gas frei, resp. gelangt kein Gas in das
Freie. Durch Titrirung wird die Schwefellauge auf ihren Gehalt an Polysulfuret und
unterschwefligsaurem Salz geprüft und darnach der Sodarückstand schwächer oder
stärker oxydirt.
In der Praxis ist der Ausfällapparat aus Gußeisen oder Stein; Fig. 43 zeigt den
Ausfällapparat von Gußeisen, wie er in den meisten Fabriken eingeführt ist. A und B sind die beiden
Gefäße, die bei dem oben beschriebenen Glasapparat die beiden Kolben vorstellen;
ebenso sind die übrigen Theile, die gleichen Zweck wie beim Glasapparat haben, mit
gleichen Buchstaben bezeichnet. C ist die Laugenleitung;
durch einen daran befindlichen Gummischlauch wird die Lauge bald durch q in das Gefäß A geleitet,
bald durch q′ in das Gefäß B. T und T′
sind Thonröhren und entsprechen den Trichterröhren beim Glasapparat zum Eingießen
der Salzsäure. Die Röhren c und d correspondiren ebenfalls mit dem Glasapparat, c sitzt auf dem Deckel von A, während sein
langer Schenkel in die Flüssigkeit von B einmündet; bei
d ist dieß der umgekehrte Fall, der kurze Schenkel
sitzt auf dem Deckel von B, während der lange Schenkel
in die Flüssigkeit von A eintaucht. Der Hahn a wird geschlossen, wenn die Gase durch c; in die Flüssigkeit von B
treten sollen, Hahn b wird geschlossen und a geöffnet, wenn die Gase durch d in die Flüssigkeit von A treten sollen.
Durch das Rohr B entweicht das etwa überschüssige Gas.
Nach erfolgter Zersetzung mit Salzsäure läßt man durch das Ventil V oder V′ Dampf
einströmen, um die letzte von der Flüssigkeit absorbirte schweflige Säure
überzutreiben. Ist der Proceß beendigt, so fließt der Schwefel mit der
Chlorcalciumlauge durch die Oeffnung O oder O′ aus. Zuerst öffnet man den Holzstöpsel p und läßt den größeren Theil der Chlorcalciumlauge
abfließen. Um zu erfahren, ob alle schweflige Säure übergetrieben ist, öffnet man
den Holzhahn h oder h′ und überzeugt sich durch den Geruch, ob noch schweflige Säure
entweicht. Mittelst der Hähne f und f′ kann man sich von der gehörigen Füllung des
Apparates mit Lauge und von dem Gang der Zersetzung überzeugen. Der Gang der Arbeit
ist ganz derselbe wie beim Glasapparat. Zum Zweck der Reinigung sind alle Röhren mit
Deckel versehen. Der so erhaltene Schwefel ist feinkörnig und enthält etwas Gyps,
hauptsächlich von Schwefelsäuregehalt der Salzsäure herrührend; er fließt sammt der
Chlorcalciumlauge in eine Rinne g und von hier in ein Bassin mit
doppeltem Boden; die Lauge fließt hier ab und der Schwefel bleibt zurück; er wird
mit Wasser abgewaschen und gelangt dann zum Schmelz- oder Reinigungsproceß.
Der ausgefällte Schwefel filtrirt sich sehr gut, da er einen festen, feinkörnigen
Aggregatzustand angenommen hat. Aus unterschwefligsaurem Salz scheidet sich der
Schwefel mit Salzsäure in flüssiger Form, aus Polysulfureten, beim Einleiten von,
SO2, in
feinzertheiltem Zustand ab. Beide Schwefelmodificationen
vereinigen sich zu einem dichten feinkörnigen Schwefel, der sich sehr leicht
filtriren läßt und sich mit großer Geschwindigkeit zu Boden setzt.
c. Die Darstellung des reinen Schwefels geschieht durch
folgenden einfachen Proceß, der direct chemisch reinen Schwefel liefert, welcher als
raffinirter Schwefel in Handel gebracht werden kann. Der Schwefel von dem
Ausfällapparat wird mit so viel Wasser in einen gußeisernen geschlossenen Kessel
gebracht, daß die Masse eine breiartige Consistenz hat; man läßt sodann Dampf
einströmen, der einen Ueberdruck von 1¾ Atmosphären hat, und rührt dabei um.
Es schmilzt auf diese Weise der Schwefel unter Wasser, die an dem Schwefel
adhärirende Chlorcalciumlauge wird vom Wasser aufgenommen und der Gyps ist als
feines Krystallpulver im Wasser suspendirt. Der unter Wasser geschmolzene Schwefel
sammelt sich im tiefsten Theil des Kessels an und kann nun abgelassen und in die
gewünschten Formen gegossen werden. Ist aller Schwefel abgeflossen, so fließt sodann
das gypshaltige Wasser ab, da Schwefel und Wasser sich scharf nach dem spec. Gewicht
scheiden. Gleichzeitig mit dem Schwefel gibt man eine kleine Quantität Kalkmilch in
den Schmelzkessel, um etwa noch vorhandene freie Säure unschädlich zu machen. Aus
dem überschüssigen Kalk bildet sich beim Schmelzen Schwefelcalcium, und wenn dem zum
Schmelzen gelangende Schwefel arsenhaltig ist, so löst sich das Schwefelarsen in
Schwefelcalcium auf und somit wird das Schwefelarsen in das über dem geschmolzenen
Schwefel stehende Wasser geführt. Die Vortheile des Schmelzens unter Wasser sind
daher einleuchtend: Man hat nicht nöthig, den gefällten Schwefel sorgfältig
auszuwaschen und zu trocknen, die Destillation wird erspart und durch denselben
Proceß wird der Schwefel vom Arsenik befreit. Endlich hat die Art des Schmelzens
unter Dampfdruck auch noch den Vortheil, daß der Schwefel nur so weit erhitzt wird,
daß er sich gerade im dünnflüssigsten Zustande befindet und nicht überhitzt werden
kann, was beim nachherigen Gießen in Form sehr erwünscht ist.
Zur Versinnlichung des Schmelzkessels, wie derselbe in Praxis ausgeführt ist, dienen
Fig. 44
und 45, woran
wenigstens die wesentlichen Theile ersichtlich sind. Ein gußeiserner Cylinder B liegt in einem schmiedeeisernen Cylinder A; die Stirnseiten sind mit einander verschraubt. Der Apparat liegt nach
einer Seite geneigt, damit sich der geschmolzene Schwefel am tiefsten Theil
ansammeln kann. In den innern Cylinder B kommt der
Schwefel mit dem nöthigen Wasser und Es befindet sich in diesem Cylinder eine Welle
mit Armen zum Umrühren der Masse. Der Rührer wird durch Maschinenkraft mittelst des
Zahnrades R bewegt. An beiden Enden der Rührerwelle
befinden sich Stopfbüchsen. Bei m wird der Schwefel
eingebracht; Es ist dieß ein Mannlochverschluß (wie bei Dampfkesseln). Der Dampf
strömt aus einem besonderen Dampfkessel bei a in den
schmiedeeisernen Cylinder ein, umgibt also den gußeisernen Cylinder B, strömt bei o in den
inneren Cylinder und nach beendigter Schmelzung läßt man den Dampf durch d und das Ventil v
entweichen. Der geschmolzene Schwefel wird durch eine besondere Ablaßvorrichtung,
die hier nicht gezeichnet ist, bei z abgelassen. S ist ein Sicherheitsventil. Auf diese Weise gewinnt man
etwa 60–65 Proc. des in den Sodarückständen enthaltenen Schwefels in Form von
chemisch reinem Schwefel. Auf 1 Ctr. Schwefel werden 2 – 2¼ Ctr.
Salzsäure gebraucht. Bei rationeller Einrichtung betragen die Arbeitslöhne pro Ctr. Schwefel circa 12
Sgr. — Bei denjenigen Fabriken, wo die Salzsäure großen Werth hat, kann man
auch die Rückstände der Chlorkalkfabrication mit in Anwendung bringen und dadurch
chemisch reinen Schwefel erhalten. Die Rückstände der Chlorkalkfabrication, die im
Wesentlichen aus Manganchlorür mit viel freier Salzsäure neben Eisenchlorid
bestehen, werden zu diesem Zweck wie folgt behandelt: Zuerst werden die
Chlorrückstände von ihrem Eisenchlorid befreit. Man läßt zu diesem Zwecke diese
Rückstände in ein Gefäß fließen und durch ein Trichterrohr Schwefellauge in kleinen
Quantitäten einlaufen. Es entwickelt sich sofort Schwefelwasserstoffgas und dieses
reducirt das Eisenchlorid zu Chlorür. Man rührt dabei um. Fe2 Cl3
+ HS = 2 Fe Cl + H Cl+S Ohne meitere Reaction erkennt man schon an der
Farbe, wenn die Reduction vorüber ist. Der sich hier ausscheidende Schwefel ist von
häßlicher Farbe; er wird von Zeit zu Zeit gesammelt und in den Schwefelöfen
verbrannt. Wenn die Chlorkalkrückstände auf diese Weise präparirt sind, so enthalten
sie also kein Eisenchlorid. Im Ausfällapparat können dieselben nun wie Salzsäure
verwendet werden. Bei Erklärung des Vorganges im Ausfällapparat wurde gezeigt, daß
die Polysulfurete immer durch die schweflige Säure der vorghenden Zersetzung in
unterschwefligsaure Salze übergeführt wurden. Wenn also die Zersetzung mit Salzsäure
erfolgt, so ist kein Schwefelcalcium mehr vorhanden. Statt Salzsäure wendet man nun
die präparirten Chlorrückstände an und Es wirken die in denselben vorhandenen freien Salze nun eben
so gut zersetzend auf die unterschwefligsauren Salze, als reine Salzsäure.
Schwefelmangan und Schwefeleisen kann sich nicht bilden, da gewöhnlich kein
Schwefelcalcium mehr vorhanden ist. Sollte aber doch etwas Schwefelcalcium
gegenwärtig seyn, so setzt man etwas Salzsäure zu, bevor man die Chlorrückstände
anwendet. Man kann auf diese Weise ¾ der ganzen Salzsäure ersparen, die sonst
nöthig wäre und erhält doch reinen Schwefel. Hätte man die Chlorkalkrückstände vor
der eigentlichen Anwendung nicht auf obige Weise vorbereitet, so würde das
Eisenchlorid schädlich wirken, Es wirkt zersetzend auf die schweflige Säure ein und
würde diese aus der Circulation bringen, Es würde sich Schwefelsäure und aus dieser
Gyps bilden, der den Schwefel verunreinigt und Verlust an Schwefel entstehen; denn
Fe2 CI3 + SO2 + HO
gibt 2 Fe Cl + SO3 + HCl. Nach dem
beschriebenen Verfahren wirkt aber das Eisenchlorid nicht schädlich, ein Theil
seiner Salzsäure wird sogar nützlich gemacht und man kann auf diese Weise auch
chemisch reinen Schwefel darstellen ohne Anwendung von Salzsäure oder doch nur mit
sehr geringem Verbrauch von Salzsäure.
Wie oben angeführt, enthält der Schwefel aus den Ausfällapparaten, bevor er zum
Reinigungsproceß gelangt, etwas Gyps. Dieser Gyps kommt von dem Schwefelsäuregehalt
der angewendeten Salzsäure. Auf Grund dieses Gypsgehaltes hat man von einer Seite
die Behauptung aufgestellt, der unterschwefligsaure Kalk zerfalle mit Salzsäure
nicht in SO2 + S (CaO, S2O2 + HCL=
CaCl + SO2 + S + HO), sondern Es bilde
sich Trithionsäure und diese (resp. der trithionsaure Kalk) werde durch Kochen in
Gyps und Schwefel zerlegt. Dem ist aber nicht so. wendet man genügende Mengen von
Salzsäure an, so zerfällt der unterschwefligsaure Kalk vollständig in schweflige
Säure, Schwefel, Wasser und Chlorcalcium. Gekocht wird natürlich bei der Zersetzung
nicht; erst wenn die Zersetzung beendigt ist, wird die schweflige Säure, die von der
Flüssigkeit absorbirt, durch Erwärmen mit Dampf vollständig ausgetrieben.
Dieses Verfahren der Schwefelwiedergewinnung aus Sodarückständen ist nun in fast
allen bedeutenden Sodafabriken des Zollvereines eingeführt, ebenso hat man in
England, Frankreich und Belgien mit der Einführung desselben begonnen. Auf der
Pariser Ausstellung hatten folgende Fabriken Schwefel ausgestellt, der nach diesem
Verfahren dargestellt war:
Die chemische Fabrik Rhenania zu Stolberg (Preußen),
Die chemische Fabrik Silesia zu Saarau (Preußen),
Die chemische Fabrik zu Schönebeck (Preußen),
Die chemische Fabrik zu Außig (Oesterreich),
Die chemische Fabrik zu Hruschan (Oesterreich),
der Verein chemischer Fabriken zu Mannheim (Baden).
Für die Sodafabriken ist dieser neue Proceß von größter Wichtigkeit; die Außiger
Fabrik allein stellt jährlich 9000 Ctr. chemisch reinen Schwefel aus Sodarückständen
dar und hat seit der Einführung des Processes schon für 250,000 fl. österr. W.
Schwefel in Handel gebracht. Zieht man nun die Production der übrigen Fabriken in
Betracht, so wird man gewiß den bedeutenden Werth des Verfahrens nicht
unterschätzen. Aber auch andere Vortheile bietet das Verfahren den Sodafabriken, Es
wird nämlich die Ueberproduction an Salzsäure der meisten Fabriken hierdurch
beseitigt, indem die Salzsäure hier zu einer sehr gewinnbringenden Fabrication
verwendet wird. Dadurch wird Es ferner möglich, sowohl beim Verkauf der Salzsäure
als auch bei dem des Chlorkalkes höhere Preise zu erzielen, da man früher froh war,
die überflüssige Salzsäure nur für wenig Groschen in Form von Chlorkalk zu
verwerthen. Dieß sind die pecuniären Seiten der Wiedergewinnung des Schwefels, aber
auch in Hinsicht auf Hygiene ist die Erfindung ein großer Fortschritt zu nennen.
Früher bedeckte man die Sodarückstände, die sich in der Nähe der chemischen Fabriken
in großen Massen anhäufen, mit Erde. Allein diese Mahregel war sehr unvollständig,
die Zersetzung der Sodarückstände ging nicht so schnell, aber doch allmählich von
statten und wurde so eine reichliche und continuirliche Quelle von
Schwefelwasserstoffgas, wodurch die Umgebung der Sodafabriken fortwährend belästigt
wurde. Auf der Außiger chemischen Fabrik wurden alte Rückstände zu Schwefel
verarbeitet, die neun Jahre mit Erde bedeckt und noch in voller Zersetzung begriffen
waren. Durch den Schwefelwiedergewinnungsproceß, der in der Ausführung geruchlos
ist, wird der Schwefel aus den Rückständen entfernt und nach der Entschwefelung
bestehen dieselben im Wesentlichen aus kohlensaurem Kalk und Gyps, beides Körper,
die geruchlos und keiner weiteren freiwilligen Zersetzung mehr fähig sind. Die
Sodarückstände sind also für alle Zeiten ein für alle Mal unschädlich gemacht. Es
ist mithin auch die Unschädlichmachung der Sodarückstände auf eine glückliche Weise
bewirkt. Diese Rückstände, die, wie schon oben angeführt, nur aus kohlensaurem Kalk
und Gyps bestehen, können nun in vielen Fällen mit Erfolg zu landwirtschaftlichen
Zwecken angewendet werden. Wenn man nun bedenkt, welchen großen Werth der jährlich
wiedergewonnene Schwefel sämmtlicher Fabriken repräsentirt, die nach dem Verfahren
arbeiten, welche Summen jährlich verloren gingen, ebenso daß der Landwirthschaft nun so
große Massen Gyps und kohlensaurer Kalk zugeführt werden, so kann das Verfahren auch
in national-ökonomischer Beziehung gewiß wichtig genannt werden.