Titel: | Ueber den krystallisirbaren Zucker hinsichtlich seiner Beziehungen zur Wissenschaft und Saccharimetrie; von Dubrunfaut. |
Fundstelle: | Band 192, Jahrgang 1869, Nr. XC., S. 330 |
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XC.
Ueber den krystallisirbaren Zucker hinsichtlich
seiner Beziehungen zur Wissenschaft und Saccharimetrie; von Dubrunfaut.
Aus den Comptes rendus, t. LXVIII p. 818; April
1869.
Dubrunfaut, über die Verunreinigungen des krystallisirten Zuckers
und deren Einfluß auf die Saccharometrie.
Das Vorhandenseyn der von mir nachgewiesenen Unreinigkeiten in den Zuckern des
Handels und namentlich in den raffinirten ZuckernMan s. Seite 158 in diesem Bande des polytechn. Journals (zweites Aprilheft
1869). scheint mir von großer Wichtigkeit für die Industrie und Volkswirthschaft zu
seyn. Es ist gewiß nicht gleichgültig für die Consumenten, den Reinheitsgrad des
Zuckers und zugleich die Natur der Verunreinigungen desselben zu kennen.
Andererseits, wenn diese Mängel der raffinirten Zucker von Fehlern in der
Fabrication abhängen, welche die Wissenschaft auffinden und denen sie abhelfen kann,
so ist Es ihre Pflicht, die Industriellen auf eine Thatsache aufmerksam zu machen,
welche um so schwerer in's Gewicht fällt, als sie alle ähnlichen Producte der
europäischen Industrie betrifft.
Die Verunreinigungen des Zuckers und ihre Auffindung haben kein geringeres Interesse für die
Wissenschaft selbst, und unter diesem Gesichtspunkt wollen wir den Gegenstand hier
betrachten.
Die Chemiker, welche sich mit Untersuchungen über die Eigenschaften des Rohrzuckers
beschäftigt haben, begnügten sich meistens die schönsten Producte des Handels,
welche sie ebendeßhalb als die reinsten betrachteten, zu ihren Versuchen zu wählen.
Sie gaben daher demjenigen Zucker den Vorzug, welcher als Candis bekannt ist; dieser
ist das Product einer langsamen Krystallisation, also desjenigen Vorganges, welchen
die Wissenschaft als den die vollkommenste Reinigung bewirkenden bezeichnet.
Untersucht man mit Sorgfalt, wie ich Es gethan habe, die raffinirten Zucker des
Handels, einschließlich der weißen Candis welche die Zuckerbäcker darstellen, so
zeigt Es sich, daß sie hinsichtlich der Verunreinigung mit Glucose (verändertem
Zucker) den ersten Rang einnehmen; man findet nämlich darin nicht selten 1 Procent
Glucose, was auch mit der von mir gemachten Beobachtung übereinstimmt, daß alle
raffinirten Zucker sauer sind.
Bei der langsamen Krystallisation des Candis in hoher Temperatur aus sauren Syrupen
vereinigen sich die günstigsten Umstände zur Umwandlung des krystallisirbaren
Zuckers. Ebenso ist bei sämmtlichen Raffinerie-Arbeiten der Ursprung der
Glucosebildung unschwer nachzuweisen.
Bemerkenswerth ist der verschiedene Reinheitsgrad des Zuckers an verschiedenen
Stellen desselben Brodes. Der reinste Zucker findet sich an der Spitze, der
unreinste am Fuße des Kegels; in den auf die Achse desselben senkrechten
Querschnitten nimmt also der Glucosegehalt von der Spitze ab zu, und das Mittel
desselben findet sich in dem Querschnitt durch den Schwerpunkt. Entsprechendes
beobachtet man bei der Untersuchung der der Achse des Kegels parallelen Schnitte;
das Maximum von Glucose findet sich in dem durch die Achse gehenden Schnitte und die
Verunreinigung nimmt bis zur äußersten Flache ab. Am reinsten ist also der Zucker an
der Spitze und in der Rinde, am unreinsten im Inneren und am Fuße des Brodes. Was
von der Glucose gilt, gilt auch für die mineralischen Beimischungen. Aus diesen
Thatsachen folgt, daß der größere Theil der chemischen Arbeiten, welche über die
Eigenschaften der Zucker ausgeführt wurden, ungenau seyn muß, weil dabei ein
keineswegs chemisch reiner Körper als Grundlage gedient hat. Ich begnüge mich hier,
einen Beweis dafür aus der Geschichte der optischen Saccharimetrie zu liefern.
Für das Soleil'sche Polarisationsinstrument mußte das
Drehungsaequivalent des Zuckers bestimmt werden. Man nahm an, daß 16,471 Grm. reinen und trockenen
Zuckers, in Wasser zum Volum von 0,1 Liter gelöst, in einem Rohr von 0,2 Met. Länge
die Polarisationsebene so stark drehen wie eine Quarzplatte von 1 Millimeter Dicke,
und diese Zahl wurde beibehalten, bis meine Arbeiten über die Zuckerfabrication
mittelst Baryt einen reineren Zucker kennen lehrten als zur Grundlage für das
Saccharimeter gedient hatte. Es drehte nämlich der Barytzucker mehr als 100 Proc.
und ich schlug daher als Normalmenge 16,390 Grm. vor, entsprechend dem aus der
Barytarbeit hervorgegangenen Zucker (Comptes rendus, t. XXXII
p. 349); in Folge hiervon wurde im Jahre 1851 die Zahl 16,350 Grm.
angenommen und seither beibehalten.
Bei Gelegenheit meiner jüngsten Untersuchungen über das Vorkommen der Glucose habe
ich meine Versuche über die Reindarstellung des Zuckers wieder aufgenommen und dabei
einen Zucker erlangt, welcher bei dem Normalgewicht von 16,350 Grm. 102 Proc.
polarisirt. Dieser Zucker ist jedoch nicht absolut rein, denn er enthält noch:
a) 0,00039 Asche;
b) 0,00030 Wasser;
c) 0,00018 Glucose;
d) Spuren von Milchsäure.
Die bei den Polarisationsinstrumenten zu Grunde gelegte Zahl 16,350 Grm. wird daher
abgeändert und sicher unter 16,0 Grm. herabgesetzt werden müssen, wenn Es gelungen
ist chemisch reinen krystallisirbaren Zucker darzustellen.
Man ersieht hiernach leicht, welche Irrthümer bei den saccharimetrischen
Untersuchungen durch Anwendung von weißem Candis veranlaßt werden mußten, da dieser
stets freie Säure, Salze und Glucose enthält.Aeltere, sehr sorgfältig ausgeführte Arbeiten haben mir die zahl 15,976 Grm.
ergeben. Ich glaube daß diese Zahl der Wahrheit sehr nahe kommt, obgleich
sie von der jetzt angenommenen um mehr als 0,025 abweicht. Eine
entsprechende correction muß natürlich für die Titrirung der Trommer'schen Flüssigkeit vorgenommen werden.Anm. des Verf.