Titel: | Die Straßenbahn mit nur einer Schiene, System Larmanjat; von Ingenieur Friedrich Bömches. |
Fundstelle: | Band 192, Jahrgang 1869, Nr. XCV., S. 350 |
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XCV.
Die Straßenbahn mit nur einer Schiene, System
Larmanjat; von Ingenieur
Friedrich
Bömches.
Vorgetragen in der Versammlung des
nieder-österreichischen Gewerbevereines vom 16. April
1869. — Aus den Mittheilungen des nieder-österreichischen Gewerbevereines
Vereines, 1869, Nr. 17.
Mit Abbildungen.
Bömches, über die Straßenbahn mit nur einer Schiene nach dem System
von Larmanjat.
Billige Transportmittel ist das Losungswort des Tages, gleichviel ob durch secundäre,
schmalspurige, durch Local-, Vicinal- oder Straßenbahnen geschaffen,
und daher jedes Element gern gesehen, welches berufen seyn dürfte, zur Ventilirung
der Frage über billige Eisenbahnen sein Scherflein beizutragen.
Diese finden vorzugsweise ihre Pflege in Ländern mit dünngesäeter und wenig
wohlhabender Bevölkerung. So sehen wir ganze Netze von schmalspurigen, als den
vornehmlichen Repräsentanten der billigen Bahnen, in Norwegen, in Schweden, in
Schottland, in Queensland, in Brittisch-Indien und in Chili sich
entwickeln.In Norwegen haben sämmtliche Bahnen — mit Ausnahme der Linie von
Christiania nach Eidtvold und einer Abzweigung nach der schwedischen Grenze
— und in Schweden 400 von den bestehenden 1040 Meilen (engl) eine
schmale Spur. Die beiden Länder sind daher vorzugsweise in der Lage, über
die Kosten sowohl der Anlage, als auch des Betriebes sichere Anhaltspunkte
zu bieten.Nach den veröffentlichten Berichten authentischer Fachmänner hat sich der
Verkehr auf den Bahnen mit schmaler Spur ebenso sicher gezeigt als auf jenen
mit breiter; dafür sind aber auf den ersteren nicht nur die Anlage, sondern
auch die Betriebskosten bedeutend niedriger. Die einen verringern sich
ziemlich proportional der Spurweite und die anderen sind erheblich
niedriger, theils weil der Widerstand in den Curven im Verhältniß der
Spurweite abnimmt, theils auch weil das todte Gewicht der Wagen
vergleichsweise mit der Spurweite sich vermindert, und endlich weil die
leichteren Locomotiven auf der schmalen Bahn die Schienen nicht so stark
abnutzen, als Es die schweren auf der breiten thun.Die schmalspurigen Bahnen (inclusive Betriebsmaterial und Stationen) haben in
Norwegen bei einer Spurweite von 3,37 Fuß von 140 — 280,000 fl., und
jene in Schweden mit einer Spurweite von 3,86 F. nur 94,000 fl. gekostet.
Die allerdings noch hohen Preise dürften in dem gebirgigen, daher
schwierigen Terrain ihre Erklärung finden, durch welches bedeutende
Erdarbeiten, Felseinschnitte und Dämme, sowie zahlreiche Brücken nothwendig
wurden.
Aber auch in wohlhabenden und dicht bevölkerten Staaten schenkt man ihnen die
verdiente Würdigung, als billiges Transportmittel einerseits, und andererseits als
wichtiges Belebungsmittel der Hauptlinien.
So finden wir in Frankreich und Preußen, ungeachtet der größeren Anzahl und Entwickelung der Hauptbahnen,
das System der secundären, unter dem Namen der Vicinalbahnen, zum Theil mit
namhaften Subventionen von Seite der Staatsgewalt in's Leben gerufen und in stetiger
Entwickelung begriffen.
In den fachmännischen Kreisen Deutschlands erfreut sich seit kurzer Zeit die Frage der secundären Bahnen einer besonderen
Aufmerksamkeit und ist deren gründliches Studium auf Anregung der Hamburger
Versammlung deutscher Architekten und Ingenieure im September 1868 von dem Vereine
deutscher Eisenbahnverwaltungen beschlossen worden. Die technische Commission des
Vereines hat demnach über „Anlage und Betrieb secundärer
Vahnen“ näher zu berathen und die gewonnenen Resultate schon der im
Juli dieses Jahres in Wien stattfindenden Generalversammlung mitzutheilen.
Die Commission, von zahlreichen und namhaften Ingenieuren aus allen Theilen
Deutschlands (Oesterreich inbegriffen) zusammengesetzt, stellte sich die Aufgabe,
„technische Grundzüge über die secundären
Bahnen“ aufzustellen, um diesen eine ähnliche Geltung wie
den bekannten, für Hauptbahnen längst bestehenden, zu verschaffen.Diese Grundzüge sollten einerseits Freiheit und Vielseitigkeit in der Anlage
von Nebenbahnen zum Grundsatz nehmen, andererseits aber genaue Grenzen über
zulässige Ersparungen und Vereinfachungen aller Art fixiren. Auf diese Weise
wäre Es möglich, die secundären Bahnen den gegebenen Localverhältnissen
thunlichst anzuschmiegen und beim Projectiren, bei Concessionsertheilungen,
beim Anschluß an Hauptbahnen, Verpachtung des Betriebes u. s. w. eine
allgemein anerkannte Grundlage zum Ausgangspunkt und zur Richtschnur bei
Meinungsverschiedenheiten zu gewinnen.Es liegen zwei schätzbare Arbeiten auf dem fraglichen Gebiete bereits vor:
die Sätze, welche die Versammlung deutscher Eisenbahn- Techniker in
Dresden 1865 aufgestellt hat, und eine umfangreiche Arbeit, welche der
österreichische Ingenieur- und Architekten-Verein veranlaßt
und in seiner Zeitschrift zu Anfang des Jahres 1867 veröffentlicht hat.
Indessen hielt die Commission die erste Arbeit für zu allgemein und die
letztere noch einiger Umgestaltung bedürftig, um sie als Norm für ganz
Deutschland anzusehen.
Es wird Niemand, welcher von der Bedeutung der secundären Bahnen überzeugt ist, die
hohe Wichtigkeit dieser Arbeit für die gewerblichen, die commerciellen und die
volkswirthschaftlichen Interessen der gesammten deutschen Lande unterschätzen.
Denken wir uns einen Augenblick die harmonische Entfaltung dieses im Interesse der
Bahnen, der industriellen und landwirthschaftlichen Etablissements, der Forste, der
Gewerke, der Ortschaften, der Städte gelegenen billigen Transportmittels, so können
wir uns leicht ein Bild machen von dem riesigen Netze secundärer Bahnen, welches in
wenigen Jahren in Deutschlands Gauen zur Ausführung kommen wird; wenn wir bedenken,
daß die Gesammtlänge der Eisenbahnen in dem Bereiche der deutschen
Eisenbahnverwaltungen nicht weniger denn 4000 Meilen beträgt, von welchen über 1000
auf Oesterreich-Ungarn entfallen.Dem fleißig gearbeiteten Eisenbahn-Handbuche (II. Jahrgang) von I. Kohn ist zu
entnehmen, daß in Oesterreich-Ungarn Ende 1868:Bahnen im Betrieb waren in einer Länge von1005MeilenBahnen im Bau oder noch zu bauen in einer Länge von690Meilen——————————somit Ende 1868 eine Gesammtlänge von1695Meilengesichert war.
Von diesen 1000 Meilen entfallen nur circa 40 auf
Local-, Montan und Industriebahnen, von denen wiederum nur eine einzige für
Personen und Waarentransporte eingerichtete, nämlich die von Lambach nach Gmunden,
mit Dampf betrieben wird und daher den gerechten Anspruch auf den Namen secundäre
Bahn machen kann. Auf 42,5 Meilen Bahn mit normaler Spur kommt somit nur 1 Meile
secundärer, deren Betrieb noch sehr kostspielig ist, weil sie mittelst Pferdekraft
geschieht.
Dieser Stand der Dinge in Oesterreich ist eine vollkommene Anomalie und werden an die
Stelle der heutigen vierzig bis Hunderte, ja vielleicht Tausende von Meilen
secundärer Bahn treten, sollen sie anders ihre naturgemäße Aufgabe als billiges und
ausreichendes Transportmittel erfüllen.
Daher muß uns jedes neue System erwünscht sehn als willkommenes Element, die heute
noch bestehende Lücke in dem wirthschaftlichen und Verkehrsleben des Kaiserstaates
auszufüllen.
In die Reihe dieser dürfte auch das von mir zu besprechende System Larmanjat gehören.
Die Besucher der Welt-Ausstellung von 1867 werden
sich einer
dreiräderigen Straßen-Locomotive erinnern, welche, von zwei Personen bedient,
mit einer Geschwindigkeit von 1–1,5 Meile auf den breiten Wegen um das
Ausstellungsgebäude fast täglich in den Vormittagsstunden herumfuhr. Diese
Locomotive, welche circa 3 Pferdekräfte stark ist, war
von Hrn. Larmanjat ausgestellt.
Was aber den Besuchern weniger bekannt seyn dürfte, ist eine Promenade, welche die
Maschine am 16. Mai 1867 mit einem angehängten Omnibus von der Ausstellung in's Bois de Bologne und zurück machte. Gegen 30 Personen,
unter welchen sich Prinz Ierome Bonaparte befand, nahmen
an dieser Fahrt Theil und konnten sich überzeugen, daß die Maschine mit der
angehängten Last Steigungen von 1/16 mit 1 Meile Geschwindigkeit erklomm, Curven von
5 Meter (16′) beschrieb und mit großer Leichtigkeit den zahlreichen Wagen
auswich, welche (es war die Zeit der größten Frequenz von 3 bis 4 Uhr) die Fahrt um
die zwei Teiche des Bois machte.
Kein Zweifel, daß Hr. Larmanjat noch öftere Probefahrten,
und zwar mit mehreren angehängten Wagen auf weniger guten Straßen, als die in der
unmittelbaren Nähe von Paris, unternommen haben wird. Bei dieser Gelegenheit dürfte
er gefunden haben, daß bei der Maschine die Lenkung des vorderen Rades durch die
Unebenheiten der Schotterstraße erschwert und daß bei den Wagen die
Seitenschwankungen auf dem stark gewölbten Profile der französischen Straßen,
besonders wenn sie naß oder durch Schnee oder Eis schlüpfrig geworden sind, mit
zunehmender Geschwindigkeit wachsen und geradezu betriebsgefährlich werden
können.
Eine Führung sowohl für die Maschine, als auch für die
Wagen erschien daher nothwendig und bot die Veranlassung zur Bettung einer Schiene
in den StraßenkörperDer Uebergang von zwei Schienen zu einer geschah nur allmählich. Von der
normalen Spurweite der großen Bahnen mit 4′6″6′″
ging man auf die schmale von 3′, 2 ½′, 2′ über
und endlich legt Larmanjat nur eine Schiene.; — eine Idee, welche sehr glücklich genannt werden muß, weil nach
zwei Richtungen hin fruchtbar.
Um die Function dieser Schiene zu kennzeichnen, bemerke ich vorläufig, daß von den
drei Rädern der Maschine nur das vordere, das Leitrad, auf der Schiene und die zwei
Treibräder auf der gewöhnlichen Straße laufen, und daß die Wagen vier Räder
besitzen, zwei in der Längenachse, welche auf der Schiene, und zwei nach der
Querachse des Kastens, welche auf der Straße ruhen. Durch diese Einrichtung dient
die Schiene der Locomotive als Leit- und den Wagen
als
Tragschiene. Was wird bei der einen, was bei den anderen
hierdurch erreicht?
Es ist bekannt, daß die Entwickelung einer ausgiebigen Zugkraft die Anwendung
schwerer Locomotiven nothwendig macht, da Es sich nicht nur um die Erzeugung des
Dampfes, sondern auch um die Bedingung handelt, daß die Treibräder mit einem Drucke
auf die Schienen gepreßt werden, welcher so stark ist, daß dieselben bei ihren
Umdrehungen unter der Wirkung des Dampfes nicht auf den Schienen gleiten.
Letzteres tritt namentlich bei feuchter Witterung trotz der schwersten Maschinen,
welche z. B. auf dem Semmering und dem Brenner verkehren, ein und hilft man diesem
Uebelstande bekanntlich durch das Sandstreuen auf die Schienen ab, mit einem Wort,
man vergrößert die Adhäsion, indem die Reibung zwischen Rad und Straße eine größere
ist, als zwischen Rad und Schiene.
Dadurch also, daß die Treibräder der Maschine von Larmanjat auf der Straße laufen, wird die Adhäsion und dadurch die Zugkraft vermehrt,
ohne das Gewicht der Maschine und somit die todte Last zu vergrößern. Während die
Adhäsion zwischen Treibrad und Schiene 1/10 der Belastung beträgt, so ist durch die
angestellten Versuche constatirt, daß diese zwischen Rad und Straße bis auf ⅓
steigt. Es resultirt aus dem Umstande, daß nur das Leitrad auf der Schiene und die
Treibräder auf der Straße laufen, der wichtige Vortheil, bei dem gleichen Gewichte
der Maschine eine größere Zugkraft zu erzielen.
So bei der Maschine. Wie steht Es mit den Wagen?
Was bei der Maschine nützlich, nämlich die Vermehrung der Adhäsion durch Vergrößerung
der Reibung, wäre bei den Wagen schädlich, weil dadurch das Gewicht der zu
transportirenden Last vermehrt und daher eine größere Zugkraft erfordert würde. Um
letztere auf das Minimum zu reduciren, sucht Larmanjat das ganze Gewicht des Wagens durch die zwei in
der Achse befindlichen Räder auf die Schiene zu übertragen, während die zwei
seitlichen, auf der Straße laufenden Räder nur zur Erhaltung des Gleichgewichtes
dienen.
Wie richtig auch diese Anwendung ist, wird durch die Thatsache klar, daß die Reibung
der Straßenfuhrwerke 1/25, während die Reibung der Eisenbahnwaggons nur 1/280 der
fortzuschaffenden Bruttolast beträgt. Nach den angestellten Versuchen macht die
Reibung bei den Wagen Larmanjat's nur 1/230 der
Bruttolast aus.
Wir sehen daher, daß die glückliche Combination der Schiene als Leitschiene für die
Maschine und als Tragschiene für die Wagen die zwei wichtigen Vortheile bietet:
einmal die Zugkraft der Locomotive ohne Vermehrung des Eigengewichtes zu erhöhen, und dann das
Gewicht der zu transportirenden Wagen zu vermindern.
Ich gehe nun zur genaueren Beschreibung des Systems über, wie dieses sowohl bei dem
Oberbau, als auch bei den Fahrbetriebsmitteln auf der ausgeführten Probebahn zur
Anwendung gekommen ist.
Diese verbindet die beiden Ortschaften Raincy (Station der
Mülhausener Linie) und Montfermeil, und hat eine Länge
von circa 5 Kilometer. Die verwendete Schiene, welche in
den bestehenden Straßenkörper gebettet ist, steht 1,60 Meter von dem Fußwege ab, hat
ein Gewicht von circa 13 Kilogrm. per laufenden Meter (circa 8 Pfd. per Fuß) und ist mittelst Hakennägeln auf Querschwellen
von 0,40 Meter Länge, 0,16 Meter Breite und 0,07 Meter Höhe, welche in der
Entfernung von 1 Meter von einander liegen, befestigt. Das Profil dieser Bahn ist in
Fig. 1 und Fig. 2
ersichtlich.
Fig. 1
Textabbildung Bd. 192, S. 355
Fig. 2
Textabbildung Bd. 192, S. 355
Um die Fahrbetriebsmittel von den Erschütterungen auf der unebenen Straße weniger
leiden zu lassen, wurde auf eine Länge von 200 Meter eine Holzbahn gelegt, welche
auf den die Schiene tragenden Querschwellen Langschwellen zeigt, die mit Kies
bedeckt, eine gleichmäßige ebene Fläche für die Seitenräder bilden (siehe Fig. 3). Die Spurweite der Langschwellen ist 1,30 Met.
und steht die Schiene blos 2 Centimet. über das Niveau der Straße heraus.
Fig. 3
Textabbildung Bd. 192, S. 356
Die größte Steigung, welche in der Trace vorkommt, ist 1 : 13 un der Radius der
kleinsten Curve 5,90 Met. Es ist dieß die geschlossene Curve in der Station Raincy,
in welche der Zug einfährt, um die für das Umdrehen der Locomotive und der Waggons
sonst nöthige Drehscheibe zu ersparen, während in der Endstation ein kleines Gebäude
mit Drehscheibe diesen Zweck erfüllt. Ungefähr in der Mitte der ganzen Strecke
befindet sich die Wasserstation. Die Weichen bestehen aus einer 1 Meter langen
Schiene, welche, um einen Reibnagel drehbar, sich in die gewünschte Stellung bringen
läßt.
Auf dieser Strecke verkehrt nun die von Larmanjat gebaute
Straßenlocomotive, welche eine Tendermaschine ist und im dienstfähigen Zustande 4300
Kilogrm. (86 Zoll-Ctr.) wiegt. Das auf der Schiene laufende, mit doppeltem
Spurkranze versehene Leitrad ist in ein drehbares Gestell gelegt, welches von einem,
vor der Rauchkammer sitzenden Manne mittelst Getriebe eingestellt werden kann, um
das Einfahren in Curven zu erleichtern. Die beiden auf der Straße laufenden
Treibräder, welche eine unter dem Feuerraume gelegene gemeinschaftliche Achse haben,
besitzen einen Durchmesser von 1,10 Meter und eine Lauffläche von 0,14 Meter. Der
Kessel ist ein Rohrkessel und trägt über sich einen kleineren, mittelst Stützen
verbundenen Cylinder, welcher als Dampfraum dient. Die Feuerdecke sowohl, als auch
die Röhren können selbst bei der größten vorkommenden Steigung nicht vom Wasser
bloßgelegt werden und beträgt die gesammte Heizfläche 9 Quadratmeter. Der Kessel ist
auf einen Arbeitsdruck von 9 Atmosphären geprüft und geschieht dessen Speisung durch
Giffard'sche Apparate.
Die zwei Cylinder sind innenliegend und beträgt deren Kolben durchmesser wie Hub 0,14 Meter.
Die Uebertragung der Bewegung geschieht auf eine gemeinschaftliche Kurbelachse, auf
welcher beiderseits Getriebe aufgekeilt sind, die mit einer Uebersetzung von 1 : 6
in Zahnräder, welche auf die Treibräderachse gekeilt sind, greifen und so die
letzteren in Bewegung setzen.Wir begnügen uns mit dieser allgemeinen Beschreibung der Maschine und fügen
nur noch hinzu, daß deren Construction einige Abweichungen von der anderer
Straßenlocomotiven anfweist. Diese bilden einen Bestandtheil des von Larmanjat genommenen Patentes (für Frankreich und
das Ausland), welches sich also nicht nur auf den einschienigen Oberbau,
sondern auch auf die Construction seiner Maschine und Wagen erstreckt.
Die Waggons haben, wie erwähnt, in der Längenachse des Kastens zwei Tragräder mit
doppeltem Spurkranze und einem Durchmesser von 0,60 Met.; die Räder laufen in
drehbaren Gestellen und ruht der Kasten mittelst Spiralfedern auf denselben. In der
Mitte des Waggon befindet sich die Querachse, auf welche die in der Spurweite der
Treibräder laufenden Gleichgewichtsräder aufgekeilt sind. Diese Räder hängen mit
ihren Lagern in Federn, deren Widerstandsfähigkeit zu denen der Tragfedern wie 1:50
ist. Ein Personenwagen wiegt 1500 Kilogrm. (30 Z.-Ctr.) und nimmt 16 Reisende
auf, deren Sitze nach der Längenachse (Rücken gegen Rücken) gestellt sind. Die
angebrachten Bremsen wirken nur auf die Tragräder.Die Kosten der Herstellung einer Straßenbahn nach dem System Larmanjat betragen in Frankreichper Kilometer Bahn auf gewöhnlicher
Straße10,000 Frcs.eine Locomotive10—20,000 Frcs.ein Personenwagen2,500—3,500 Frcs.Reduciren wir diese Preise nach dem in Oesterreich üblichen Einheitspreise
für Material und Arbeitslohn, so dürften folgende Summen annähernde
Nichtigkeit beanspruchen.Eine Meile Oberbau mit Langschwellen, welches System erfahrungsgemäß die
besten Resultate gibt, würde 50,000 fl., eine Locomotive (mit einer
Leistungsfähigkeit von 1500 Zoll-Ctr. auf horizontaler Strecke) 8000
fl., ein Personenwagen 1300 fl. und ein Güterwagen 800 fl. kosten.
Nach der auf der Versuchsstrecke durchgeführten Probe können die beschriebenen
Locomotiven, ihr Eigengewicht mitgerechnet, auf der horizontalen Strecke bei einer
Geschwindigkeit von 15 Kilometer (circa 2 Meilen) 15,000
Kilogrm. (300 Zoll Ctr.) befördern, während dieselben auf einer Steigung von 1/13
bei 6,6 Kilometer (0,9 Meilen) 10,300 Kilogrm. (206 Zoll-Ctr.) Totalgewicht
ziehen.
Diese Leistungsfähigkeit übersteigt nicht wesentlich die einer gut gebauten
Straßenlocomotive und muß hier erwähnt werden, daß die Construction des
Fahrbetriebsmateriales bei den gegenwärtig in Ausführung begriffenen Locomotiven und
Waggons wesentliche Verbesserungen erleiden und voraussichtlich bessere Resultate in Bezug auf
Leistung ergeben werden. Es dürfte nicht schwer seyn, nicht nur die
Leistungsfähigkeit der Maschine auf 1000—1500 Zoll-Ctr. auf
horizontaler Strecke zu erhöhen, sondern auch die Stellung des Leitrades zum
Einführen in die Curven von dem Stande des hinter der Feuerbüchse befindlichen
Maschinenführers aus zu besorgen und somit einen Mann per Maschine zu ersparen.
Besprechen wir nun die Vortheile und Nachtheile des Systemes.
Unter den ersten erscheinen vor allen die rasche Ausführung und die geringen
Herstellungskosten, beide durch den Umstand hervorgerufen, daß die Schiene auf der
bestehenden Straße gelegt werden kann, den einzigen, aber seltenen Fall ausgenommen,
wo eine größere als die Maximalsteigung von 1 : 13 vorkommen sollte, in welchem
Falle eine Umlegung der Straße stattzufinden hätte. Ferner erscheinen die geringen
Kosten für die zu transportirenden Lasten, welche erfahrungsgemäß nur ½ bis
⅓ der Pferdekraft auf Straßeneisenbahnen betragen.
Von den Nachtheilen sey zuerst der Störung des Wagenverkehres gedacht, welche
einestheils durch die aus dem Straßen-Niveau hervortretende Schiene und dann
durch das mögliche Scheuwerden der Pferde, hervorgerufen durch den Lärm und das
Rauchwerfen der Maschine, verursacht wird. Die Schiene kann in gleicher Weise wie
bei den Straßenbahnen in das Niveau der Fahrbahn gelegt und die Maschine so
construirt werden, daß sie weder Geräusch verursacht, noch Rauch ausstößt.Die Brölthalbahn, welche in die Station Troisdorf der Deutz-Siegener
Bahn (Preußen) einmündet und Bergwerks- und Hüttenproducte
verfrachtet, hat eine enge Spur von 2,5′, folgt einer Chaussee in der
Gesammtlänge von circa 3 Meilen und wurde
anfänglich von Pferdekraft in Betrieb gesetzt. Später in eine Locomotivbahn
verwandelt, machte man die angenehme Erfahrung, daß sich die Pferde der
Straßenfuhrwerke an Maschinen, die keinen Lärm machen und keinen Rauch
ausstoßen, bald gewöhnten. Die zu befürchtende starke Abnutzung des Materiales kann ferner durch die
Anlage der Bahn mit Langschwellen auf ein Minimum reducirt werden und die scheinbar
großen Erhaltungskosten endlich werden durch den Umstand auf das richtige Maaß
zurückgeführt, daß Holz in Schotter oder Kies gebettet, daher in einer ziemlich
gleichmäßigen Temperatur befindlich und den abwechselnden Einwirkungen der Sonne und
der Feuchtigkeit weniger ausgesetzt, sich ziemlich gut erhält; wobei Es noch
unbenommen bleibt, das zu verwendende Holz zu imprägniren und somit seine
Dauerhaftigkeit zu vergrößern.
Daß die Nachtheile von den Vortheilen aufgewogen werden, beweist übrigens der
Umstand, daß sich das System Larmanjat in dem Lande der
Erfindung einer ziemlich günstigen Aufnahme erfreut. Frankreich mit seinem planmäßig angelegten
und sorgfältig unterhaltenen Netze vorzüglicher Straßen ist hauptsächlich berufen,
aus den Vortheilen des billigen Transportmittels directen Nutzen zu ziehen. So hat
das französische Ministerium für Handel und öffentliche Bauten durchaus keinen
Anstand genommen, die Legung der Schienen auf allen Landesstraßen Frankreichs unter
den zwei Bedingungen zu gestatten, daß einmal die Schiene nicht aus dem Niveau der
Straße treten darf, und dann daß die von den Zügen benutzte Breite von den
Concessionären der Bahn in fahrbarem Zustande erhalten werde — zwei
Bedingungen, welche wir übrigens bei allen Pferdebahnen finden, die auf bestehenden
Straßen laufen.
Concessionen zum Bau und Betrieb von Straßenbahnen nach dem Systeme von Larmanjat sind schon in sechs Departements für acht
verschiedene Linien genommen worden. Merkwürdigerweise sind darunter mehrere, welche
Orte mit einander verbinden, die an einer bereits bestehenden Eisenbahn liegen. Es
ist also unter Umständen noch vortheilhaft, Orte, welche schon durch einen
Schienenstrang verbunden sind, auf anderem Wege, welcher die Einbeziehung von
industriellen und agricolen Etablissements, Ortschaften etc. ermöglicht, durch die
Schiene Larmanjat's mit einander in Beziehung zu
bringen.
In Oesterreich ist das System berufen, eine große Anwendung zu finden, wo die selten
in gutem Stande befindlichen Straßen die Anlage einer Larmanjat'schen Schiene als günstiges Medium für ein billiges
Transportmittel doppelt willkommen heißen. Das System dürfte sich vorzugsweise zu
Montan-, Industrie-, Local- und etwa provisorischen Bahnen
eignen, welche von Unternehmern zu dem Baue einer großen Bahn für eine mehr oder
weniger kurze Zeitdauer angelegt werden. Im Allgemeinen wird überall, wo ein
halbwegs regelmäßiger Verkehr von Personen und Waaren in Aussicht steht und wo die
Anlage einer großen Bahn die Rentabilität des Unternehmens in Frage stellen würde,
das System Larmanjat, welches auf der bestehenden Straße
schnell und billig hergestellt werden kann, gern gesehen seyn.Das Larmanjat'sche Patent wurde für Oesterreich
von dem inländischen Consortium Wottitz und Comp. gekauft, welches entweder selbst die
Ausführung der zu bauenden Linien übernimmt oder das Privilegium gegen eine
pro Meile zu bestimmende Pauschalsumme
überläßt.