Titel: | Ueber J.John Gjers' Verfahren zur Stahlfabrication. |
Fundstelle: | Band 192, Jahrgang 1869, Nr. CVIII., S. 406 |
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CVIII.
Ueber J.John Gjers'
Verfahren zur Stahlfabrication.
Aus Engineering,November 1868, S.
413.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
Gjers' Verfahren zur Stahlfabrication.
Schon früherPolytechn. Journal Bd. CXC S. 110. brachten wir nach dem Mechanics' Magazine eine
Mittheilung über das jetzt patentirte Verfahren von John Gjers, technischem Dirigenten der Hüttenwerke von Hopkins, Gilkes und Comp., sowie von Lloyd und Comp. in
Middlesborough, zur Darstellung von Stahl — hauptsächlich aus
Cleveland-Eisen — und ergänzen nun jenen Artikel durch nachstehende
Einzelheiten seiner Methode.
Gjers schmilzt Stabeisen mit einem Zusätze von
manganhaltigen Eisenerzen oder von einem Gemenge aus reinem Eisenstein und reinem
Braunstein, ferner mit dem nöthigen Zuschlage und einem Ueberschusse von
kohlenstoffhaltigen Substanzen ein. Gewöhnlich wird das einzuschmelzende Metall mit
einer Schicht von diesem Gemenge überzogen, nachdem letzteres mit Wasser zu einem
dicken, mörtelartigen Brei angemacht worden. Anstatt des Wassers ist die Anwendung einer
bituminösen öligen etc. Substanz vorzuziehen, welche beim Erhitzen
Kohlenwasserstoffe abgibt und einen kohligen Rückstand hinterläßt; gewöhnlicher
Gastheer oder rohes Petroleum dürften sich zu diesem Zwecke wegen ihrer Billigkeit
am meisten empfehlen. Da dieses Gemenge in Folge seiner Zusammensetzung, schon für
sich selbst, im Ofen ein stark gekohltes, manganhaltiges Eisen und eine
leichtflüssige Schlacke gibt, so wird das in Arbeit genommene Metall, indem jenes
Gemenge als Ueberzug angewendet wird, durch diese Behandlung stark gekohlt und
rascher zum Schmelzen gebracht, und als Product erhält man einen leichtflüssigen
Stahl und eine leichtflüssige Schlacke, welche letztere schützend für den ersteren
wirkt.
Demgemäß werden nach Gjers' Verfahren Puddelschienen, oder
Puddelstahl, Rohstahl, Stahl- oder Stabeisenabfälle in Stücke zerschnitten,
und in ein Gemenge von ungefähr 100 Th. Steinkohlentheer, 50 Th. Eisenstein, 25 Th.
Braunstein und 25 Th. gelöschtem Kalk eingetaucht. Man nimmt zu dem Gemenge
verhältnißmäßig mehr oder weniger Oxyde und mehr oder weniger Kalk, je nachdem ein
härteres oder ein weicheres Product erzielt werden soll; erforderlichen Falles nimmt
man auch mehr Kohlenstoff, und zwar in Form von Holzkohle. Nachdem das auf diese
Weise präparirte Material trocken geworden ist, schmilzt man Es in Tiegeln oder auf
dem Herde eines Flammofens ein; vorzuziehen ist Es jedoch, dazu einen continuirlich
betriebenen Stahlofen zu benutzen. Gjers wendet einen Siemens'schen Regenerativ-Flammofen an, welcher in
der Mitte mit einem tiefen, zur Aufnahme des flüssigen Stahles bestimmten Sumpfe
oder Recipienten versehen ist, und empfiehlt, über diesem Recipienten, oder noch
besser um ihn herum oder an jeder Seite desselben eine große, oder eine Anzahl
kleinerer Röhren (Retorten) aus sehr feuerfestem Material anzubringen.
Fig. 3 ist ein
Verticalschnitt und Fig. 4 ein theilweiser Horizontalschnitt eines continuirlichen
Stahlschmelzofens nach Gjers' System. Die aus den
Abbildungen nicht ersichtlichen Theile dieses Ofens sind nach dem bekannten Siemens'schen Regenerativsysteme construirt.
Da die Regeneratoren zwei Reihen bilden, so werden die in den Gaserzeugern erhaltenen
Gase aus diesen durch einen Canal abgeleitet und mit Hülfe des Reversirventiles
durch den einen oder den anderen der Regeneratoren hindurchgeleitet; von hier läßt
man sie, nachdem sie erhitzt worden, in den Ofen abwechselnd an der rechten und an
der linken Seite des Heizraumes a eintreten. Dabei
treffen sie mit der aus dem anderen Regenerator derselben Reihe kommenden erhitzten
atmosphärischen Luft zusammen, und verbrennen nun. Die dadurch erzeugten Verbrennungsproducte treten aus
dem Heizraume an der Seite aus, die der, durch welche die Gase und die erhitzte
atmosphärische Luft eintreten, entgegengesetzt ist. b
ist der in der Mitte des Ofens angebrachte, zur Aufnahme des flüssigen Stahles
dienende Sumpf oder Recipient. Die Sohle b1 desselben besteht aus gemahlenem
Ganister von gleicher Art wie der zum Ausschlagen der Bessemer'schen Birne angewendete; derselbe wird fest eingestampft, und
zwar so, daß die Sohle vom Stichloche h ab allmählich
ansteigt. Auch kann man den Ganister mit ungefähr 1 Proc. gebranntem Kalk oder mit
etwa 2 Proc. fein gemahlenem feuerfestem Thon versetzen. Gjers wendet auch ein Gemenge von reinem Quarzsande und etwa 1 Proc.
gebranntem Kalk oder ungefähr 2 Proc. fein gemahlenem feuerfestem Thon, oder von
gemahlenem reinem Quarz mit einem dieser letzteren Körper, unter Zusatz der
erforderlichen Wassermenge an. Durch diese zum Schlagen der Sohle benutzten
Futtermaterialien wird bezweckt, daß bei Einwirkung starker Hitze die
Kieselsäuretheilchen zu einer harten Rinde zusammenschmelzen oder
zusammensintern.
c,c ist die große Röhre
(Retorte) oder der große Tiegel, welcher zum ununterbrochenen Einschmelzen der oben
angegebenen Beschickung dient; dieser Theil des Ofens besteht aus feuerfesten
Ziegelsteinen, er steht, wie aus der Zeichnung ersichtlich, vertical über dem
Recipienten b und wird mittelst Canälen d,d erhitzt, durch welche
man einen Theil der Flamme aus der Kammer oder dem Heizraum a in die Esse entweichen läßt, ohne daß sie durch die Regeneratoren an der
dem Eintritte der Gase und der erhitzten Luft entgegengesetzten Seite der Kammer
zieht. Der untere Theil c′ des Rohres oder
Tiegels c ruht auf einem (mit punktirten Linien
angedeuteten) aus Ganister oder Graphit bestehenden Untersatze k und verjüngt sich nach unten zu; am Boden ist er
geschlossen, jedoch mit Oeffnungen e,
e versehen, durch welche der erzeugte Stahl oder das
Homogeneisen in den Recipienten b tritt.
Der Betrieb des Ofens selbst wird in nachstehender Weise geleitet.
Nachdem das zur Erzeugung von Gußstahl oder Homogeneisen erforderliche Material durch
die Gicht des Rohres oder Tiegels aufgegeben worden, wird letzterer mit seinem
Deckel geschlossen; dann wird allmählich geheizt. Die in dem unteren Theile c′ des Tiegels befindlichen Theile der
Beschickung, welche der stärksten Hitze des Ofens ausgesetzt sind, gerathen nach und
nach in flüssigen Zustand, treten als Stahl oder Homogeneisen durch die Oeffnungen
e, e in den Recipienten
und bleiben der ferneren Einwirkung der Hitze ausgesetzt, jedoch geschützt durch die
Schlacke. Nach Gjers' Angabe verliert der Stahl,
ungeachtet dieses Schutzes durch die Schlacke, in dem Recipienten b allmählich Kohlenstoff und wird dem Homogeneisen immer ähnlicher;
deßhalb stellt er dieses Product in dem Tiegel stets etwas härter, d. h.
kohlenstoffreicher dar, als Es schließlich erforderlich ist.
Zur Erzeugung von Homogeneisen zieht er Es dagegen vor, den Zuschlag von Eisenstein
zu vermehren und weniger Mangan und Kohlenstoff zuzusetzen. Mit anderen Worten: zur
Darstellung von hartem Stahl wendet er einen Ueberschuß von Kohlenstoff an, welcher
hinreicht, alles Eisenoxyd zu reduciren, das dadurch entstandene Eisen stark zu
kohlen und Es leichtflüssig zu machen; wohingegen er, um Homogeneisen zu erhalten,
nur so viel Kohlenstoff anwendet, daß alles Erz reducirt und das erhaltene Eisen nur
wenig gekohlt wird.
So muß z. B. das Gemenge, welches mit Stabeisen etc. eingeschmolzen werden soll, um
harten Stahl zu geben, auf 100 Theile Erz etwa 20 bis 25 Theile Holzkohle oder deren
Aequivalent enthalten, und die dem Eisen zuzusetzende Quantität dieses Gemenges muß
auf 100 Theile des ersteren 20 bis 35 Th. betragen. Zur Erzeugung weicherer
Stahlsorten, welche dem Homogeneisen näher stehen, nimmt Gjers auf 100 Th. Erz 15 bis 20 Th. Kohlenstoff, und auf 100 Th. Eisen
etwa 35 bis 50 Th. von diesem Gemenge. In der Praxis erhielt er einen sehr guten
Stahl, durch Einschmelzen von ungefähr 100 Pfd. ziemlich stahlartiger Rohschienen,
oder Luppen mit etwa 33 Pfd. eines Gemenges von 100 Th. reichen, ursprünglich 2 bis
3 Proc. Manganoxyd enthaltenden Eisensteines mit der zur Bildung einer
leichtflüssigen Schlacke erforderlichen Menge Kalk und Kieselsäure nebst 20 Th.
Holzkohle. In diesem Falle wird das Gemenge nicht als Ueberzug angewendet, sondern
in ein Pulver von der Gröbe feinen Schrotes verwandelt, und ohne Zusatz von Theer
oder Fett mit dem Metalle auf die angegebene Weise eingeschmolzen, indem die
Holzkohle die Stelle jener kohlenstoffhaltigen Substanzen vertritt.
Vor dem Abstechen des Stahles oder Homogeneisens aus dem Recipienten b muβ man wiederholt Proben ziehen, um sich zu
überzeugen, daß das Metall in dem erforderlichen Grade gekohlt ist; ist dieß nicht
der Fall, so muß man eine genügende Menge von Roheisen, gefeintem Eisen oder
wiedergekohltem Puddeleisen zuschlagen. Hierauf sticht man Es aus dem Recipienten in
Zainformen ab und gibt dann neue Mengen der Beschickung auf.