Titel: | Ueber die Zusammensetzung des Heißguß-Porzellans oder Kryolithglases; von C. P. Williams, früherem Professor der analytischen Chemie am polytechnischen Collegium zu Philadelphia. |
Fundstelle: | Band 192, Jahrgang 1869, Nr. CX., S. 412 |
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CX.
Ueber die Zusammensetzung des
Heißguß-Porzellans oder Kryolithglases; von C. P. Williams, früherem Professor
der analytischen Chemie am polytechnischen Collegium zu Philadelphia.
Aus dem Journal of the Franklin Institute, vol. LVII p.
252; April 1869.
Williams, über das Kryolithglas.
Das sogenannte Heißguß-Porzellan (Hot-cast
Porcelain) ist eine eigenthümliche, feste und zähe, mehr oder weniger
durchsichtige, milchweiße, im Ansehen französischem Porzellan nicht unähnliche
Glassorte, deren Fabrication jetzt in Philadelphia und Pittsburg in ausgedehntem
Maaßstabe betrieben wird. Seiner Beschaffenheit nach steht dieses Glas zwischen den
mit den gewöhnlichen Glassätzen unter Zusatz von phosphorsaurem Kalk dargestellten
Sorten (Beinglas, Milchglas), und den mit Zinnoxyd dargestellten Emails oder
Schmelzsorten, indem Es milchartiger als die ersteren und weniger undurchsichtig als
die letzteren ist.
Die zur Fabrication des Heißguß-Porzellans oder Kryolithglases dienenden
Rohmaterialien bestehen in Sand, Zinkoxyd und Kryolith (der bekannten Verbindung von Fluoraluminium mit
Fluornatrium), welche in den gewöhnlichen Glasmacherhäfen zusammengeschmolzen
werden. Sobald dieser Satz zu ruhigem Flusse gekommen und geläutert werden ist, läßt
er sich ganz so wie gewöhnliches Glas verarbeiten.
Dieses Glas besteht im besten Verarbeitungszustande nach der Analyse einer
Durchschnittsprobe aus:
Kieselsäure
63,84
Thonerde
7,86
Eisenoxyd
1,50
Manganoxydul
1,12
Zinkoxyd
6,99
Kalk
1,86
Magnesia
0,25
Natron
10,51
Fluor
8,05
(davon ab Sauerstoff — dem Fluor entsprechend —)
3,39
–––––––
98,59
Die vorstehenden Angaben sind der Durchschnitt aus den Resultaten von fünf von mir
selbst ausgeführten Analysen; zwei andere in meinem Laboratorium von Hrn. W. Main
jun. ausgeführte Analysen ergaben ein
Durchschnittsresultat, welches mit den oben angegebenen Zahlen sehr nahe
übereinstimmt.In diesem Bande des polytechn. Journals S. 239
(erstes Maiheft 1869) wurde eine Abhandlung über das amerikanische
Kryolithglas von Hrn. Benrath in Dorpat
mitgetheilt, dessen theoretische Folgerungen bezüglich der Constitution
dieses Glases im Wesentlichen mit den von Williams gezogenen übereinstimmen. Hr. Benrath hat Es aber wahrscheinlich versäumt, das Kryolithglas vor
der quantitativen Analyse einer genauen qualitativen Untersuchung zu
unterziehen, denn sonst hatte er den bedeutenden Gehalt dieses Productes an
Zinkoxyd sowie an Fluor nicht ganzlich übersehen und von dem Kalkgehalte nur Spuren finden können.A. d. Red.
Die bei diesen Analysen befolgte Methode war folgende: Das gepulverte Glas wurde mit
kohlensaurem Natron geschmolzen, die erhaltene Masse mit Wasser behandelt und nach
Fällung der Kieselsäure und der Thonerde aus der wässerigen Lösung mittelst kohlensaurem
Ammoniak wurde das Fluor als Fluorcalcium, mit kohlensaurem Kalk gemengt, durch
Zusatz von Chlorcalcium abgeschieden. Darauf wurde das Gemenge der beiden Salze mit
Essigsäure behandelt und das auf diese Weise rein erhaltene Fluorcalcium getrocknet,
geglüht und gewogen.
Der übrige Theil der Analysen wurde auf dem bei der Untersuchung von Silicaten
üblichen Wege zu Ende geführt. Thonerde und Eisenoxyd wurden als basische
Essigsäuresalze niedergeschlagen und nach dem Wägen mittelst Weinsäure und
Schwefelammonium von einander getrennt; das Manganoxydul wurde aus der essigsauren
Lösung mittelst Brom als Superoxyd gefällt;Die Anwendung von Brom anstatt des Chlors bei der Fällung und Abjcheidung des
Mangans gibt nach meiner Erfahrung sehr befriedigende Resultate. Besonders
ist dieses Verfahren zu empfehlen, wenn Es sich – wie bei den
gewöhnlichen Eisenerzen – und die Bestimmung kleiner Manganmengen
handelt, zumal wenn Eisen und Thonerde als basische Essigsäure gefällt
worden sind. das Zink wurde in Gegenwart von Essigsäure durch Schwefelwasserstoff als
Schwefelzink gefällt und entweder als Sulfid (durch Glühen mit Schwefel in einem
Strome von Wasserstoffgas erhalten), oder als Oxyd gewogen. Der Kalk wurde durch
Oxalsäure niedergeschlagen und als Aetzkalk gewogen; die Magnesia wurde mit
phosphorsaurem Natron gefällt. Zur Bestimmung des Alkaligehaltes wurden besondere
Portionen der Proben auf die übliche Weise mit Fluorwasserstoffsäure behandelt.
Unter der Annahme, daß das Fluor in dem Kryolithglase als Kieselfluornatrium (Na Fl, Si Fl2)
vorhanden ist, gelangen wir zu folgender procentischen Zusammensetzung dieser
Verbindung:
Textabbildung Bd. 192, S. 414
Sauerstoffgehalt:; Kieselsäure; Thonerde; Eisenoxyd; Manganoxydul;
Zinkoxyd; Kalkerde; Magnesia; Natron; Natrium; Silicium; Fluor; = 13,28 Proc.
Kieselfluornatrium.; 98,66
Dieser Zusammensetzung entspricht sehr nahe die Formel:
2 (R2 O3, 3 Si O2 +
3 [RO, 3 Si O2]) + Na Fl, Si Fl2.
Das Manganoxydul rührt von dem Braunstein her, welcher dem Satze zur Zerstörung der
durch den Eisengehalt des Sandes etc. hervorgerufenen Färbung des Glases zugesetzt
wurde. Der Gesammtgehalt des Glases an Natron (10,51 Proc.) entspricht einem
Kryolithgehalte des Satzes von 23,84 Proc., welche 12,92 Fluor enthalten; somit
werden 4,87 oder ungefähr 39 Proc. des gesammten Fluorgehaltes durch den
Schmelzproceß in Form von Fluorsilicium (Si Fl2) entfernt, welches zu seiner Bildung
noch 3,85 Proc. Kieselsäure erfordert.
Diese Zahlen würden für 100 Theile des ursprünglichen Satzes bei seinem Eintragen in
die Häfen folgende annähernde Zusammensetzung ergeben:
67,19 Theile Kieselsäure,
23,84 Theile Kryolith und
8,97 Theile Zinkoxyd.
Diese Zahlen weichen, wie ich glaube, von den auf den Fabriken in Kensington und
West-Philadelphia in der Praxis beobachteten Verhältnissen nicht wesentlich
ab.
Der bei der Bildung des Kryolithglases stattfindende Vorgang besteht offenbar in der
Bildung von Kieselstuornatrium aus einem Theile des Fluor- und
Natriumgehaltes des Kryoliths, während sich der Rest des Fluors mit Silicium zu
Fluorsilicium verbindet und in dieser Form aus dem Hafen entweicht. Die übrige
Kieselsäure verbindet sich mit dem Zinkoxyde, dem Natron und der Thonerde zu einem
Gemisch von Silicaten, welches in seiner Zusammensetzung von gewissen Glassorten
nicht wesentlich abweicht (ausgenommen darin, daß der Kalk oder eine der anderen zur
Glasfabrication gewöhnlich angewendeten Basen durch Zinkoxyd ersetzt ist). Durch die
ganze Masse dieses Glases hindurch vertheilt sich nun das geschmolzene
Kieselfluornatrium, welches in derselben Weise (wenn auch in verschiedenem Grade)
wie der zur Erzeugung von gewöhnlichem Milchglase seit langer Zeit angewendete
phosphorsaure Kalk wirkt; denn die Alkalifluoride schmelzen, wie Berzelius nachgewiesen hat, in Gegenwart von Kieselsäure,
bei Hellrothgluth, ohne daß sich Fluorsilicium entwickelt und verwandeln sich beim
Abkühlen in porzellanähnliche Massen in derselben Weise wie dieß bei der
Knochenasche der Fall ist.Nach Saussure findet die Schmelzung bei der Temperatur von 378° Wedgwood statt.
Abgesehen von dem schönen, weißen Glase, welches in dieser Weise erzeugt wird, hat
der Glasfabrikant von der Verwendung des Kryoliths noch den Vortheil, daß ihm
dieses Mineral die Soda verhältnißmäßig billig liefert.
Wie mir Hr. W. I. Cheyney zu Philadelphia mittheilte, kann
ein dem „Heißguß-Porzellan“ in seinen Eigenschaften
entsprechendes Product durch Anwendung von Flußspath
(Fluorcalcium) anstatt Kryolith erhalten werden (welches er sich patentiren ließ).
In diesem Falle rührt das milchartige Ansehen wahrscheinlich von der Bildung des
entsprechenden Kieselfluorcalciums her. Ich habe mich von der Richtigkeit seiner
Angabe überzeugt; ich schmolz nämlich ein Gemenge von Feldspath, Sand, Flußspath und
(reiner) Soda zusammen, und erhielt ein Product, welches dem Kryolithglase sehr
ähnlich ist. Bis jetzt war ich noch nicht im Stande, eine begonnene Analyse dieses
Erzeugnisses zu vollenden.
Das Heißguß-Porzellan läßt sich durch Metalloxyde ebenso gut färben wie die
gewöhnlichen Glassorten; der Effect der Farbstoffe wird aber durch das schöne Weiß
seines Körpers in bedeutendem Grade erhöht. Sowohl das weiße als das farbige
Kryolithglas findet zur Fabrication von Gefäßen für Droguisten und Parfümeurs, zu
Lampenfüßen und Lampenschirmen, zu Tischaufsätzen und zur Fußbodenbekleidung schon
jetzt eine sehr ausgedehnte Anwendung.
Zu bemerken ist noch, daß die zur Erzeugung des Kryolithglases benutzten Rohstoffe
auf das Material der Häfen keineswegs stärker einwirken, als die Sätze für die
Fabrication der gewöhnlichen Glassorten. Die in Philadelphia verwendeten Häfen
werden aus einem Gemenge von deutschem und Missouri-Thon mit Chamotte oder
alten Hafenscherben angefertigt.