Titel: | Miscellen. |
Fundstelle: | Band 192, Jahrgang 1869, Nr. , S. 422 |
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Miscellen.
Miscellen.
Selbstschmierende Liderungen.
Neuerlich ist in England eine neue Art von Packung eingeführt worden, welche solche
Vortheile darbietet, daß sie sich schnell großen Beifall bei den Besitzern von
Dampfmaschinen im ganzen Königreiche erworben hat. Obwohl daselbst erst kürzlich
eingeführt, ist sie schon fast auf allen Eisenbahnen in Amerika in Gebrauch, und
zugleich bei einer unzähligen Menge von stehenden und Schiffsmaschinen angewendet.
Es gibt zwei Arten dieser Packung; eine für Dampfmaschinen und eine andere für
hydraulische Zwecke. Die erste besteht aus einer Anzahl von Baumwollzöpfen in
Verbindung mit einem weißen Schmierpulver, welches aus drei mineralischen
Bestandtheilen, genau seinem Zwecke entsprechend, zusammengesetzt ist. Dieser innere
Kern ist mit einem Schutzmaterial umhüllt und das Ganze in eine Hülle von
geflochtenem Flachs eingeschlossen. Die Verfertigung dieser Packung wurde bei der
Lubricative Packing-Company No. 5 Hackney-road eingeführt und ihr Erfolg ist der
Art, daß ungeachtet der neuen Einführung die Werke in vollster Arbeit stehen. Da die
Packung selbst schmiert, erfordert sie weder Oel noch irgend eine Schmiere, wie lange sie auch benutzt
werden mag; sie ist rein, dauerhaft und verkohlt nicht; reducirt die Reibung auf ein
Minimum; hält die Stangen rein und glatt; ist leicht angebracht; schützt vor
Zeitverlust und Verwüstungen von Material — aus diesem Grunde allein bringt
sie ihre Kosten mehrfach wieder ein. Sie wird in verschiedenen Größen hergestellt,
so daß sie in jede Stopfbüchse paßt, von der ¾zölligen Schieberstange bis zur
Dampf- oder Pumpenkolbenstange von 2 Zoll oder mehr Durchmesser. Sie ist
stets zum Gebrauche fertig, da man sie nur in Ringe zu schneiden und um die Stange
wie gewöhnliche Packung zu legen hat; aber sie läßt sich viel leichter einlegen, da
sie verhältnißmäßig wenig Druck nöthig hat. Aus einer großen Anzahl von Zeugnissen
seitens der verschiedensten bedeutenden Firmen, welche alle ihre Zufriedenheit mit
der neuen Packung aussprechen, geht hervor, daß alle, welche damit Versuche gemacht
haben, ihren steten Gebrauch beabsichtigen, weil sich herausgestellt hat, daß sie
jede andere faserige oder gewebte Packung, welche Oel erfordert, mehrfach
überdauert, und nach längerem Gebrauche ebenso leicht aus der Stopfbüchse entfernt,
wie eingebracht werden kann. Außerdem ist sie noch bei einer Anzahl Eisenbahnen zur
vollsten Zufriedenheit eingeführt worden.
Die zweite Art der Packung ist für hydraulische Zwecke bestimmt und besteht aus
Baumwollzöpfen, welche mit einer Lösung von harzigen und fetten Bestandtheilen
gesättigt und in eine Bedeckung von geflochtener Baumwolle eingehüllt sind. Diese
Packung verbindet verschiedene Eigenschaften mit der gleichen Leichtigkeit der
Benutzung wie die vorige und leistet für Pumpen aller Arten dasselbe wie die erstere
für Dampfmaschinen. Sie wird von Säuren nicht angegriffen und kann mit oder ohne
Schmiere gebraucht werden. Sie ist im Stande, großer Reibung zu widerstehen, da sie
den nöthigen Grad von Elasticität besitzt, um die Pumpenkolben stets in guter
Verfassung zu erhalten. Von dieser Packung wird ebenso lobend wie von der
Dampfpackung gesprochen, und nach den bisherigen Resultaten ist kein Zweifel, daß
die selbstschmierende Packung überall, wo sie benutzt wird, mit der Zeit den Vorrang
gewinnen wird.
Beide Arten von Packung sind Gegenstand von Patenten in England und den meisten
Ländern des Continents; zu haben ist sie allein bei den HHrn. House und Gardener, Nr. 1 und 2, great Winchester street buildings, City of London. (Mechanics' Magazine, December 1868, S. 449;
polytechnisches Centralblatt, 1869 S. 546.)
Ueber den Einfluß des Phosphors auf die Eigenschaften des
Schmiedeeisens und Stahles; von W. M. Williams.
Dr. P. H. Paul hat kürzlich
auf Grund von Analysen, welche er ausführte, die Ansicht ausgesprochen, daß ein
geringer Gehalt an Phosphor im Schmiedeeisen und Stahl nicht so nachtheilig sey, als
man bisher angenommen hat, und Dr. Miller hat ihm hierin beigestimmt.Chemical News, vol. XIX p. 58.
Williams bemerkt nun, diese Ansicht beruhe auf einem
Trugschluß, da Paul die Qualität des betreffenden Stahles
bloß nach der von Kirkaldy bestimmten Festigkeit
desselben beurtheilt habe. Hätte Paul Proben von
Schmiedeeisen oder kohlenstoffarmem Stahl, welche nur durch ihren Phosphorgehalt von
einander abweichen, auf ihre relative Zähigkeit untersucht, so würde er
wahrscheinlich zu einem anderen Schluß gelangt und die bisherige Ansicht über den
nachtheiligen Einfluß des Phosphors bestätigt gefunden haben. Die Wirkung des
Phosphors auf Schmiedeeisen und Stahl bestehe darin, daß er deren Härte und
Sprödigkeit im kalten Zustande vermehre, und zugleich, innerhalb gewisser Grenzen,
ihre Zähigkeit vergrößere, vorausgesetzt, daß sie nicht schon sehr mit anderen hart
machenden Bestandtheilen beladen seyen. Diese Bemerkung beziehe sich aber nur auf
den Fall, daß die Zähigkeit durch eine allmählich angebrachte, in der Richtung der
Länge der Stäbe wirkende Kraft gemessen werde.
Wenn das Schmiedeeisen oder der Stahl in Form von Stäben lediglich einer in der
Richtung der Achse derselben wirkenden Kraft, welche niemals plötzlich wirksam
werden und durchaus nicht von Vibrationen begleitet seyn würde, ausgesetzt werden
sollte, so würde
die Folgerung Paul's, daß ein Gehalt von 0,24 Proc.
Phosphor ganz unschädlich sey, und Miller's Behauptung,
daß ein Gehalt von 0,298 Proc. Phosphor im Stahleisen die Qualität desselben nicht
beeinträchtige, ganz richtig seyn; denn Stahleisen würde für diesen Zweck durch
einen solchen Phosphorgehalt verbessert werden. Es sey aber offenbar, daß die
erwähnten Bedingungen praktisch nicht realisirt werden können.
Wenn man die von der Schneide eines Meißels, eines Beiles, eines Schwertes, eines
Grabstichels oder eines Drehstahles, von den Zähnen einer Feile oder einer Säge zu
verrichtende Arbeit, überhaupt die Leistung, welche man von Schneidwerkzeugen
verlange, in Betracht ziehe, so sey Es einleuchtend, daß das Vermögen, einem
plötzlichen, vibrirenden und transversalen Stoß zu widerstehen, die Eigenschaft sey,
auf welche Es hauptsächlich ankomme. Diese Eigenschaft sey Es aber gerade, welche
der Phosphor zu vernichten strebe. Ein Uebermaaß an gebundenem Kohlenstoff habe eine
ähnliche Wirkung, und Es sey überhaupt unmöglich, Härte ohne ein Opfer an Zähigkeit
zu erlangen; dieses Opfer sey aber weit größer, wenn die Härte durch Phosphor, als
wenn sie in gleichem Grade durch Kohlenstoff hervorgebracht werde.
Die von Phosphor herrührende Härte unterscheide sich von der von Kohlenstoff
herrührenden außerdem durch ihre Unveränderlichkeit, d. h. dadurch, daß sie nicht
durch Anlassen verringert werden könne. Wenn man das Eisen oder den Stahl erhitze,
so verschwinde sie; aber beim Abkühlen stelle sie sich ohne merkliche Aenderung
wieder ein.(Chemical News, vol. XIX p. 481; polytechnisches Centralblatt. 1869 S. 550.)
Notizen, chemischen und physikalischen Inhaltes; von Prof. Dr. Böttger.
1) Ueber Schwarzfärbung der zu Dachbedeckungen dienenden
Zinkbleche.
Um Zinkblechen, welche zur Dachbedeckung verwendet werden sollen, eine dauerhafte, zugleich gegen Oxydation schützende Schieferfarbe zu geben, verfahre man auf folgende
Weise: Man überschütte in einer Porzellanschale 1 Gewichtstheil sogenannte
Kupferasche (Kupferglühspan) mit Königswasser (einem aus 3 Theilen gewöhnlicher
Salzsäure und 1 Theil Salpetersäure bereiteten Säuregemisch), erwärme so lange,
bis unter Aufbrausen und Entwickelung von salpetrigsauren Dämpfen die Auflösung
der Kupferasche erfolgt ist, setze hierauf der grünen Kupferchloridlösung 64
Gewichtstheile Wasser zu und filtrire. In diese Flüssigkeit senke man nun das zu
färbende gehörig gereinigte Zinkblech auf wenige
Augenblicke ein, spüle dasselbe hierauf oberflächlich mit Wasser ab,
lasse Es an der freien Luft abtrocknen und tauche Es dann, gleichfalls nur auf
wenige Augenblicke, in eine Flüssigkeit, welche man durch Auflösen von 1
Gewichtstheil schwarzem Pech und 2 Gewichtstheilen natürlichem Asphalt in 12
Gewichtstheilen Benzol oder leichtem Steinkohlentheeröl erhält. Nach erfolgtem
Trocknen des Harzüberzuges reibe man das Blech, zur Hervorrufung eines gewissen
matten Glanzes, mit Baumwolle oder baumwollenem Zeuge.
Zu dem hier kurz angedeuteten, in der Praxis bereits bewährten Verfahren der
Schwarzfärbung von zur Dachbedeckung dienenden Zinkblechen ward ich veranlaßt
durch die Anfrage eines Industriellen: „wie sich wohl am
zweckmäßigsten dem so blendenden Lichtreflexe neuer Zinkbedachungen möchte
vorbeugen lassen?“
2) Ueber ein neues, außerordentlich
empfindliches Reagens auf Alkalien, insbesondere auf Ammoniak.
Als ein solches hat sich mir jüngst das sogenannte Alkannin zu erkennen gegeben, und zwar als noch weit wirksamer, wie
der vor einiger Zeit von mir zu demselben Zwecke empfohlene schwach angesäuerte
Farbstoff aus den Blättern der Zierpflanze von „Coleus Verschaffelti.“
Man vergl. die frühere Mittheilung des Verfassers im polytechn. Journal
Bd. CLXXXV S. 323. Das Alkannin, ein Extract aus der Alkannawurzel, welches gegenwärtig von
Hirzel in Leipzig fabrikmäßig dargestellt wird,
löst man zu dem
Ende in absolutem Alkohol auf und imprägnirt mit der prachtvoll roth gefärbten
(nicht allzu concentrirten) Flüssigkeit Streifen von schwedischem Filtrirpapier,
die man nach erfolgtem Trocknen in wohlverkorkten Gläsern aufzubewahren hat.
Beim Gebrauche benetzt man einen solchen Papierstreifen allemal zuvor schwach
mit destillirtem Wasser. Die geringste Spur freien Ammoniaks bläuet den roth gefärbten Papierstreifen. Um z. B.
Ammoniak im gewöhnlichen Leuchtgase oder im Tabak- oder Cigarrenrauche
nachzuweisen, bedarf Es der Einwirkung dieser Stoffe auf besagte Papierstreifen
für nur wenige Augenblicke. Selbstverständlich lassen sich mit dieser
alkoholischen Alkanninlösung imprägnirte und dann mit einer sehr verdünnten
Lösung von kohlensaurem Natron behandelte, blau gefärbte Papierstreifen auch zur Nachweisung der
geringsten Spuren freier Säuren mit Vortheil verwenden.
Die mit einer alkoholischen Alkanninlösung imprägnirten Papiere haben vor den mit
dem schwach angesäuerten Farbstoff der Blatter von Coleus gefärbten Papierstreifen auch das noch voraus, daß sie beim
Aufbewahren nicht, wie diese, brüchig und mürbe werden, sondern unbegr-enzt
lange, ohne sich im mindesten zu verändern, aufbewahrt werden können.
3) Wirksamstes Amalgam für
Elektrisirmaschinen.
In der Absicht, ein wo möglich noch wirksameres Amalgam, als die bekannte, aus 2
Theilen Quecksilber, 1 Theil Zinn und 1 Theil Zink bestehende Kienmeyer'sche Legirung, für Reibkissen an
Elektrisirmaschinen zu erzielen, habe ich seiner Zeit sehr umfangreiche
Versuche, insbesondere mit Zusätzen stark elektropositiver Metalle zu völlig
reinem Quecksilber angestellt, unter anderen mit Kalium, Natrium, Cadmium und
Thallium, aber keine besonders befriedigenden Resultate dadurch erzielt.
Schließlich erwies sich ein aus 2 Gewichtstheilen chemisch
reinen Zinks und 1 Gewichtstheile
Quecksilber bereitetes Amalgam als am wirksamsten, und zwar weit
wirksamer noch, als das oben erwähnte Kienmeyer'sche
Amalgam. Zur Bereitung desselben bringt man das abgewogene Quantum Zink in einem
eisernen Schmelzlöffel in Fluß und setzt dann vorsichtig, unter Umrühren
mittelst eines irdenen Pfeifenstieles, das Quecksilber hinzu. Man erhält nach
dem Erkalten eine außerordentlich spröde, leicht zu pulvernde Legirung von
silberweißer Farbe, die in verschlossenen Gläsern in compactem Zustande
aufbewahrt, sich unbegrenzt lange wirksam erweist, und von der man dann, je nach
Bedarf, nur die jedesmal nöthige Menge durch Zerkleinern in einem
Porzellanmörser und Anreiben mit etwas Talg entnimmt.
4) Neue Bereitungsweise reinen
Sauerstoffgases bei gewöhnlicher mittlerer Temperatur.
Läßt man, meinen Beobachtungen zufolge, ein sogenanntes Ozonid mit einem
Antozonid unter gleichzeitiger Mitwirkung einer ganz
schwachen Säure zusammentreten, so entwickelt sich reinstes
Sauerstoffgas. Am zweckmäßigsten hierzu erweisen sich das Bleisuperoxyd und das Baryumsuperoxyd.
Ueberschüttet man zu dem Ende (etwa in einer tubulirten, mit Trichterröhre
versehenen Retorte) ein aus gleichen Gewichtstheilen Bleisuperoryd und
Baryumsuperoxyd bestehendes Gemisch (welches sich willkürlich lange, ohne
zersetzt zu werden, aufbewahren läßt) mit ganz
schwacher Salpetersäure (von circa
9° Baumé), so sieht man augenblicklich einen ruhigen Strom reinsten, von
Ozon und Antozon völlig freien Sauerstoffgases sich entwickeln, und zwar in
Folge von zunächst auftretendem Wasserstoffsuperoxyd, welches im Momente seines
Entstehens, durch die Gegenwart des Bleisuperoxydes, in Wasser und gewöhnlichen
inactiven Sauerstoff zerfällt.
5) Stahlfedern mit einem
goldähnlichen Ueberzuge zu versehen.
Verkupfert man auf galvanischem Wege, mittelst einer Kaliumkupfercyanürlösung,
blanke Stahlfedern mäßig stark und überzieht sie hierauf, gleichfalls unter
Mitanwendung einer aus wenigen Elementen bestehenden Volta'schen Batterie, mit einer dünnen Zinkschicht (durch Zerlegung
einer mäßig concentrirten Lösung von Zinkvitriol), trocknet sie hierauf
sorgfältig, putzt sie mit etwas Schlämmkreide gehörig blank und senkt sie
schließlich in siedendes Lein- oder Baumöl, so sieht man innerhalb
weniger Secunden die Oberfläche derselben sich scheinbar vergolden. Es fi det
nämlich, meinen Beobachtungen zufolge, schon bei einer Temperatur von 160°
C. eine wirtliche Durchdringung des Kupfers und Zinkes, respective die Bildung
von sogenanntem Tombak statt.
6) Einfaches
Bronzirungsverfahren.
Meinen Beobachtungen zufolge ist eine nicht zu verdünnte Wasserglaslösung das
geeignetste Bindemittel zur Befestigung aller Arten von Bronzepulver auf Holz,
Steingut, Porzellan, Bilderrahmen, Spiegelrahmen u. s. w. zu dem Ende hat man
nur nöthig, den betreffenden Gegenstand mittelst eines zarten Pinsels ganz dünn
mit der Wasserglaslösung zu bestreichen und unmittelbar darauf das zarte, in
einem mit feiner Gaze überdundenen Glase mit weiter Mündung befindliche
Bronzepulver aufzustäuben, den Ueberschuß des Pulvers durch schwaches Klopfen
vom Gegenstande zu entfernen, und ihn hierauf, falls der bronzirte Gegenstand
aus Porzellan oder Steingut besteht, schwach zu erwärmen. Das Bronzepulver haftet nach
dieser Procedur so fest auf dem betreffenden Gegenstande, daß dieser selbst eine
Politur mit einem Achatsteine verträgt. Besonders zur Ausbesserung schadhaft
gewordener Bilder- und Spiegelrahmen dürfte dieses einfache Verfahren
sich empfehlen.
7) Bewährteste Mittel zur Entfernung
verschiedener Flecke aus ungefärbten leinenen und baumwollenen
Geweben.
Eine jüngst an mich ergangene Aufforderung von Seiten mehrerer Mitglieder unseres
physikalischen Vereines war die Beranlassuug zur Besprechung des in der
Ueberschrift genannten, schon so vielfach andererseits ventilirten Gegenstandes.
— Als das bewährteste Mittel zur Entfernung der von Rothwein oder Heidelbeeren herrührenden
Flecke aus Tischdecken, Servietten u. dergl. empfiehlt sich, die besteckten
Stellen mit fein pulverisirter Weinsäure dünn zu bestreuen und dann mit Javelle'scher Lauge (unterchlorigsaurer Natronlösung)
zu überschütten. Zur Entfernung von Silberflecken
(herrührend von Silbersalzlösungen) bewährt sich immer noch am besten die
vorsichtige Anwendung einer warmen concentrirten Lösung von Cyankalium. Zur
Entfernung von Tintenflecken eine concentrirte heiße
Lösung von saurem oxalsauren Kali (sogen. Sauerkleesalz). Zur Vertilgung von
(selbst jahrealten) Rostflecken ist nichts geeigneter, als die betreffende
befleckte Stelle in eine siedendheiße, gesättigte Lösung von Sauerkleesalz einzutauchen und
dann mit recht feinem Zinnstaub zu bestreuen. Wie durch einen Zauber sieht man
alle die hier angeführten Gattungen von Flecken, in Folge der Anwendung
erwähnter Agentien, von Weißzeugen verschwinden. (Aus dem Jahresbericht des
physikalischen Vereines zu Frankfurt a. M. für 1867—1886, S. 66.)
Ueber das galvanische Verhalten des
Palladiums; von Professor I. C. Poggendorff.
In seiner merkwürdigen Arbeit über das Hydrogenium (polytechu. Journal Bd. CXCI S. 382)
hat Graham unter Anderem gezeigt, daß das Palladium, wenn
Es Wasserstoff einsaugt, sich ausdehnt, und wenn Es denselben verliert, sich noch
stärker zusammenzieht. Ein Palladiumdraht, der anfangs 609,444 Millimeter maß,
verlängerte sich durch vollständige Sättigung mit Wasserstoff um 9,77 Mllm. und kam
nach Austreibung des Gases auf 599,444 Mllm. zurück, verkürzte sich also um 9,7
Mllm.
Beide Erscheinungen lassen sich, sobald man gerade keine numerischen Bestimmungen
verlangt, in sehr demonstrativer Weise darthun, wenn man das Palladium auf
elektrolytischem Wege mit Wasserstoff imprägnirt, und sich dabei einer sehr dünnen
platte bedient. Ich wandte eine Platte an, welche bei 118,0 Mllm. Länge und 28,0
Mllm. Breite, nur 0,1 Mllm. dick war und 8,0 Mllm. entfernt von einer Platinplatte
in verdünnter Schwefelsäure stand.
Verbindet man dieses Plattenpaar mit einer kleinen Grove'schen Batterie von zwei Elementen in der Weise, daß sich das Palladium
mit Wasserstoff beladen muß, so sieht man dasselbe schon nach wenigen Minuten sich
vom Platin abbiegen und ganz beträchtlich krümmen. Nach ungefähr einer Viertelstunde
hat diese Krümmung ihr Maximum erreicht. Nun tritt eine entgegengesetzte Krümmung
ein, vermöge welcher die Platte sich anfangs gerade richtet, dann sich noch mehr dem
Platin zu biegt, und
endlich mit demselben in Berührung kommt, wodurch dann der elektrolytische Proceß
seine Endschaft erreicht. Der Grund dieser doppelten Krümmung der Palladiumplatte
ist offenbar einfach der, daß sich zuerst ihre dem Platin zugewandte Seite und
später die andere mit Wasserstoff sättigt.
Ist hierdurch die Ausdehnung des Palladiums bei Aufnahme von Wasserstoff dargethan,
so läßt sich andererseits die Zusammenziehung des Metalles bei Austreibung des Gases
fast noch augenfälliger machen. Dazu ist nur erforderlich, daß man die Platte,
nachdem sie auf das Maximum ihrer ersten Krümmung gekommen ist, aus der Flüssigkeit
nimmt, abspült, abtrocknet und über eine Weingeistflamme bringt. So wie sie hier
hinreichend heiß geworden ist, krümmt sie sich in entgegengesetztem Sinn,
außerordentlich rasch und so stark, daß sie förmlich aufgerollt erscheint.
Schließlich mag noch bemerkt seyn, daß wiewohl Es Graham
und Wurtz nicht geglückt ist, auf rein chemischem Wege
ein Palladiumhydrür darzustellen, doch eine solche Verbindung durch den
elektrolytischen Proceß gebildet zu werden scheint; denn die verdünnte
Schwefelsäure, in welcher dieser Proceß vorgenommen wird, färbt sich intensiv braun,
ohne sich zu trüben oder etwas abzusetzen. Eine Lösung von Aetzkali oder Ammoniak,
welche, nach einer vor vielen Jahren von mir gemachten Beobachtung, durch das Tellur
eine so schön und tief rothe Färbung bekommt, bleibt dagegen mit Palladium
wasserklar und ungefärbt. (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft zu Berlin,
1869, Nr. 4.)
Analyse einer Smalte.
Bei der Analyse einer prächtigen, feurigen, dem Ultramarin ähnlichen Smalte erhielt
Dr. A. C. Oudemans
jun. in Delft folgende Resultate:
Kieselsäure
63,7
Bleioxyd
2,7
Kobaltoxydul
5,7
Kali
20,1
Thonerde
4,0
Eisenoxyd
1,3
Wasser
1,7
–––––––
99,2.
Von Nickeloxydul war keine Spur zu finden. (Journal für praktische Chemie, Bd. CVI, S. 55.)
Der Farbstoff „Vesuvin.“
Unter dem Namen Vesuvin bringt die Firma Rudolph Knosp in Stuttgart einen
Farbstoff in den Handel, welcher auf Seide, Wolle und Baumwolle in den helleren
Tönen ein Orange, in den dunkleren ein lebhaftes Braun
gibt. Derselbe ist in seiner Entstehungsart den früher von derselben Firma in den
Handel gebrachten Bismarck und Canelle analog, jedoch nicht mit dem explosiven sogenannten Phenylbraun zu
verwechseln, vor welchem wir früher so eindringlich warnten.
Wir theilen im Folgenden die Anleitung zum Färben dieses interessauten Farbstoffes
mit, wie sie Rudolph Knosp selbst angibt.
Man löst den Farbstoff, indem man ihn in Wasser vertheilt,
dasselbe allmählich unter Umrühren erhitzt und heiß filtrirt. Auf 1 Pfund Teig nimmt
man etwa 50 Pfund Wasser zur Lösung; für Pulver das Doppelte.
Gefärbt kann mit dieser Lösung werden, ohne jegliche
Zuthat auf Wolle und Seide, in
einem Bad aus reinem, weichem Wasser, das man auf circa
70° Reaumur kommen läßt und nach Bedürfniß mit obiger Lösung speist. Ein sehr
geringer Zusatz von unterschwefligsaurem Natron, etwa 1/10 vom Gewicht des
anzuwendenden Farbstoffes, kann beim Färben der Wolle mit Vortheil angewendet
werden, Sehr satte und
glänzende Färbungen erhält man ferner durch geringen Zusatz von einer mit Ammoniak
bis zu vollständiger Neutralität abgestumpften Lösung von Chlorzinn zum
Färbebad.
Zum Druck auf Wolle kann der Teig, mit Wasser zu einem
Brei gut verrührt, mit Gummiwasser versetzt, direct benutzt werden, wenn man ihn,
wie gewöhnlich, durch ein feines Sieb schlägt; für hellere Töne nimmt man die
concentrirte und filtrirte Lösung. Auch beim Druck kann Zusatz von etwas Chlorzinn
zur Farbe empfohlen werden.
Zum Färben der Baumwolle dient
eine Oel- oder Seifenbeize in der Weise, wie sie auch für andere Anilinfarben
angewendet wird. Noch vollkommenere Resultate, was Schönheit und Haltbarkeit
betrifft, lassen sich erzielen durch folgende Vorbereitung, der Baumwolle:
Zuerst schmackirt man die Baumwolle, trocknet sie und bringt sie hierauf in eine sehr
schwache, kalte Lösung von zinnsaurem Natron. Man ringt aus und passirt sie dann
durch ein mit Schwefelsäure angesäuertes Wasser, worauf in fließendem Wasser gut
ausgewaschen wird.
Dieser Farbstoff kann ferner sowohl in Verbindung mit Fuchsin, als mit
wasserlöslichem Hofmanns-Violett gefärbt und gedruckt werden, und ermöglicht
hierdurch die Herstellung sehr interessanter Modefarben. Auch Holzfarben können
damit nüancirt werden. (Musterzeitung für Färberei etc., 1869, Nr. 9.)
Ueber die Bestimmung des Entzündungs-Punktes des
Petroleums und anderer mineralischer Oele; von John Attfield.
Wenn man die Entzündungs-Punkte flüchtiger Flüssigkeiten, d. h. die
Minimal-Temperaturen, bei welchen der aus denselben aufsteigende Dampf bei
Annäherung einer Flamme sich entzündet, bestimmt, so gelangt man nur dann zu
übereinstimmenden Resultaten, wenn man dabei immer eine und dieselbe Methode
anwendet, da das Ergebniß von der Menge der Flüssigkeit, der Gestalt des Gefäßes,
der größeren oder geringeren Annäherung der Flamme etc. abhängig ist. Offenbar würde
Es sehr zweckmäßig seyn, wenn man zur Bestimmung der Entzündungs-Punkte des
Petroleums und der sogenannten künstlichen mineralischen Oele allgemein ein und
dasselbe Verfahren annähme. In England ist nun am 1. Februar d. I. ein Gesetz, die
„Petroleum-Acte“, in's Leben getreten, welches den
Handel mit Petroleum und überhaupt allen, sowohl natürlichen als künstlichen
mineralischen Oelen, sofern deren Entzündungspunkt unter 100° F. (37
7/9° C.) liegt, gewissen Beschränkungen unterwirft, in der Art, daß für die
Lagerung und den Verkauf solcher Oele eine obrigkeitliche Erlaubniß eingeholt werden
muß, und die Flaschen oder sonstigen Gefäße, welche die Oele enthalten, mit
besonderen, den Inhalt anzeigenden und zur Vorsicht auffordernden Signaturen zu
versehen sind. Dieses Gesetz enthält eine bestimmte Vorschrift darüber, auf welche
Weise der Entzündungspunkt zu bestimmen ist, und nur die nach dieser Vorschrift
ausgeführte Bestimmung hat gesetzliche Gültigkeit. Attfield spricht nun den Wunsch aus, daß das in dieser, von den
Professoren Abel, Letheby und ihm aufgestellten
Vorschrift angegebene Verfahren allgemein von den Chemikern angenommen werden
möchte. Er theilt zugleich diese Vorschrift mit, und wir lassen dieselbe hier
folgen.
Anweisung zur Ausführung der Entzündungsprobe bei Petroleum und
anderen mineralischen Oelen. Das zur Aufnahme des Oeles bestimmte Gefäß
soll aus dünnem Eisenblech verfertigt, 2 Zoll tief und an der Mündung 2 Zoll weit
seyn, nach dem Boden hin sich schwach verjüngend; Es soll an der Mündung mit einem
flachen Rande versehen seyn, welcher an seinem äußeren Umfange einen ¼ Zoll
hohen verticalen Rand trägt; über der Mündung soll ein dünner Draht ausgespannt
seyn, welcher so auf dem verticalen Rande befestigt ist, daß er sich ¼ Zoll
über der Oberfläche des flachen Randes befindet. Bei der Benutzung wird dieses Gefäß
in ein anderes Gefäß gestellt, welches aus Weißblech gemacht und 4½ Zoll tief
und 4½ Zoll weit ist; dabei wird Es durch den flachen Rand, welcher auf dem
Rand des äußeren Gefäßes ruht, gehalten. Das zu benutzende Thermometer soll eine
Kugel von ungefähr½ Zoll Durchmesser haben, und nach der Fahrenheit' schen Scala in der Art graduirt seyn, daß je
10 Grade wenigstens einen halben Zoll der Röhre einnehmen.
Das innere Gefäß wird mit dem zu prüfenden Oel gefüllt, indem man dafür sorgt, daß
dasselbe den flachen Rand nicht bedeckt. Das äußere Gefäß wird mit kaltem oder fast
kaltem Wasser gefüllt. Nachdem das innere Gefäß in das äußere eingesetzt ist, wird
der Boden des letzteren durch eine kleine Flamme erwärmt; andererseits wird das
Thermometer in das Oel eingesenkt, so daß die Kugel desselben ungefähr 1½ Zoll tief
eintaucht. Der Apparat wird ferner mit einem pappenen oder hölzernen Schirm
versehen, welcher ihn zu ungefähr zwei Drittheilen umgibt und einige Zoll über die
beiden Gefäße hervorragt.
Wenn das Thermometer auf ungefähr 900 F. gestiegen ist, wird eine sehr kleine Flamme
schnell über der Oberfläche des Oeles hingeführt, und zwar in dem durch den Draht
bezeichneten Abstände von derselben. Wenn dabei keine Entzündung eintritt, so wird
diese Probe nach je 2 oder 30 Temperatur-Zunahme wiederholt, bis über dem
Oele momentan eine blaß blaue Flamme sich zeigt. Ist auf diese Weise der
Entzündungspunkt gefunden, so wiederholt man den Versuch mit einer anderen Probe des
Oeles, indem man das äußere Gefäß wieder mit kaltem Wasser füllt. Wenn man dabei der
beim ersten Versuch als Entzündungspunkt gefundenen Temperatur nahe kommt, zieht man
die Wärmequelle von dem äußeren Gefäß zurück, und macht dann nach je 20
Temperatur-Zunahme den Versuch mit der Flamme, (Chemical News, Vol. XIX p. 70; polytechn. Centralblatt, 1869 S. 484.)
Ueber das Palmnußmehl.
Schon seit längerer Zeit werden nicht nur in England und Frankreich, sondern auch in
Deutschland die Palmnüsse (Elais guinensis) in
bedeutenden Quantitäten eingeführt und daraus das sogenannte Palmkernöl gewonnen,
welches besonders zur Seifenfabrication in großen Mengen verwendet wird. Die
Gewinnung des Fettes erfolgte bisher durch Anwendung hydraulischer Pressen, wobei
man die sogenannten „Palmkuchen“ als Rückstand erhielt, die als
Futtermittel vielfach empfohlen wurden und schnell eine we Verbreitung in England und auch in
Deutschland fanden.
Die Firma I F. Heyl und Comp,
welche in Moabit bei Berlin (außer an anderen Orten) eine Fabrik besitzt, in welcher
schon seit längerer Zeit aus der Rapssaat das Oel durch Extraction mittelst
Schwefelkohlenstoff gewonnen wird, hat in neuester Zeit begonnen, auch aus den
Palmkernen das Oel durch Extraction darzustellen, wobei ein Rückstand in mehlartiger
Form zurückbleibt, der vor den Palmkuchen nicht nur den Vorzug einer gleichmäßigeren
und gleichbleibenden Zusammensetzung besitzt, sondern Wegen seiner Form leichter von
den Thieren, sey es in dem Tranke, sey Es als Beimischung zu anderem Futter
aufgenommen weiden kann, Zur Fütterung der Schweine werden die Rückstände in
feinkörniger Form hergestellt. Die dem Referenten vorliegenden Proben sind
vollkommen geruchlos.
Professor Dr.Stohmaun hat das
Futtermittel analysirt; wir theilen die gefundene Zusammensetzung mit, indem wir zum
Vergleich eine ältere Analyse der Palmkuchen daneben stellen.
Palmnußmehl
Palmkuchen
Wasser
8,55
10,0
Eiweiß
19,56
15,1
Fett
1,19
15,9
Stickstofffreie Nährstoffe
47,73
41,0
HolzfaserAsche
20,042,93
18,0
–––––––––––––––––––
100,00
100,0
Wie der Vergleich zeigt, sind die Palmkuchen reicher an Fett und Wasser, das Mehl
reicher an Stickstoff und stickstofffreien Nährstoffen, sowie an Holzfaser. Für
Jungvieh und Schweine dürfte das Palmnußmehl jedenfalls den Vorzug vor den
Palmkuchen verdienen wegen des größeren Stickstoffgehaltes, der besonders zur Zeit
des Wachsthumes von der höchsten Wichtigkeit ist. Das Mehl hat aber noch den
entschiedenen Vorzug, daß Es nie ranzig wird, wie oft die Kuchen wegen des höheren
Fettgehaltes, die in diesem Zustande von den Thieren nur ungern angenommen werden
und, wenn sie ranzig
sind, der aus der Milch gewonnenen Butter einen unangenehmen Geschmack
verleihen.
Fütterungsversuche im größeren Maaßstabe sind noch nicht angestellt worden, jedoch
eingeleitet, und hoffen wir, später in der Lage zu seyn, auf den Gegenstand
ausführlicher zurückzukommen. Bei Versuchen im Kleinen mit Schweinen, die der
Fabrikant Heyl selbst angestellt hat, haben die Schweine
das Futter mit großer Begierde aufgenommen. In der nächsten Zeit soll das neue
Futtermittel zum Preise von 2 Thlr. per Centner auf den
Markt kommen.(Annalen der Landwirthschaft.)
Liernur's pneumatisches System zur
Entfernung von Abortstoffen.
In fast allen großen Städten Europa's macht sich in neuerer Zeit das Bedürfniß
dringend geltend, für eine rationelle Entfernung der Auswurfstoffe zu sorgen; die
Lösung der Frage ist aber in den meisten Fällen eine umso schwierigere, als die
Ansichten über den besten Weg, der für den fraglichen Zweck zu wählen, sich durchaus
noch nicht genügend geklärt haben. Die Abführung der Abfallstoffe in einen Fluß oder
in das Meer, das sogen. Canalsystem, ist namentlich in England in großartigstem
Maaßstab ausgeführt worden, hat aber nur in wenigen Fällen den Erwartungen
entsprochen, vielfach dagegen arge sanitätliche Uebelstände herbeigeführt. Das
andere Hauptsystem, welches bisher in verschiedenen Modificationen in Anwendung
gekommen ist, das Abfuhrsystem, Entfernung der Auswurfstoffe in transportablen
Behältern, muß immerhin als ein unvollkommenes, für große Städte wenig geeignetes
bezeichnet werden, wenn Es auch seinem Princip nach große Vortheile verspricht.
Diese Vortheile sucht nun Ingenieurhauptmann Charles Th. Liernur aus Hartem in einer den Bedürfnissen großer Städte entsprechenden
Weise dadurch zu erreichen, daß er die Auswurfstoffe mittelst des Luftdruckes
geruchlos sammelt und sie dann unter Bewahrung ihres ganzen Gehaltes an organischen
und unorganischen Stoffen auf den Feldern als Dung verwendet. Wir halten Es für um
so angemessener, auf diese sinnreiche Methode hier etwas näher einzugehen, als
dieselbe nach Liernur's Mittheilung (in Engineering, April 1869 S. 257) Aussicht auf Einführung
in verschiedenen deutschen Städten hat; in Cöln wird sie jetzt z. B. versuchsweise
in zwei öffentlichen Anstalten in Anwendung gebracht, Cassel steht mit Liernur wegen Ausführung derselben auf städtische Kosten
in Verhandlung, in Prag und Brünn ist die Anlage bereits in Ausführung begriffen
etc. Ausführliche Mittheilungen über Liernur's System
gibt Ingenieur Philipp Laurin in einer Schrift:
„Das Liernur'sche System etc.,“ Prag 1869, I. G. Calve'sche k k. Uuiversitätsbuchhandlung, die wir dem Nachfolgenden zu
Grund legen. Liernur geht von den Grundsätzen aus, daß 1)
die Auswurfsstoffe täglich gesammelt werden müssen, sowohl um den Anforderungen der
öffentlichen Gesundheit gerecht zu werden, als auch, um sie in einem so frischen
Zustand zu erhalten, daß sie für die Landwirthschaft den höchsten Werth behalten; 2)
daß die Stoffe nicht in die Canäle geführt werden dürfen, welche das Regen-
und Küchenwasser abführen, weil sie dadurch schädliche Gase entwickeln und das
Grund- und Flußwasser verunreinigt wird, und 3) daß dieselben nicht mit
Wasser verdünnt werden dürfen, damit sie ihren Werth als Dünger nicht verlieren. Die
praktischen Anordnungen für diesen Zweck sind nun folgende. An passenden Orten, z.
B. Straßenkreuzungen, wird in geeigneter Tiefe unter
der Straßenoberfläche ein eisernes Reservoir eingesetzt; in dieses münden, je nach
der Localität, 2–4 Hauptröhren, von welchen aus sich die Seitenröhren rechts
und links nach den Abfallröhren der Aborte abzweigen Die Haupt-, sowie die
Seitenröhren sind aus Gußeisen, im Lichten 5 bis 6“ weit. Die ersteren müssen
einen Fall des Reservoirs von 1 : 80 bis 1 : 100 haben, die letzteren gegen das
Hauptrohr von 1:25 bis 1:50. Der Anschluß der Seitenrohre an das Hauptrohr geschieht
mittelst eines gebogenen Stückes, dessen nach unten gerichtete Biegung
7–8“ unter dem Vereinigungspunkte der beiden Röhren liegt, so daß
durch Füllung dieses Bogenstückes, des Siphon, ein hydraulischer Schluß gebildet
wird. Kommen von den Seitenrohren wieder Abzweigungen vor, so stehen dieselben zu
ersteren ganz ebenso wie diese zum Hauptrohr, und erhält das secundäre Seitenrohr
vor seinem Vereinigungspunkte mit dem ersten einen solchen Siphon. Sämmtliche
Siphons müssen unbedingt gefüllt seyn, weun die Manipulation von Statten gehen soll. Das Hauptrohr,
welches ohnehin wohl immer durch den Fall von 1:100 mehrere Fuß tiefer als das
Reservoir liegt, erhält eine nach aufwärts gerichtete S
förmige Biegung, so daß Es in den Deckel des Reservoirs einmündet und seinen Inhalt
somit von oben in das Reservoir spritzt. Auf dem höchsten Punkte des Hauptrohres,
kurz ehe Es an's Reservoir anschließt, ist ein dicht anschließender Krahn aus
Messing angebracht, welcher von der Straße aus bequem geöffnet und geschlossen
weiden kann. Einige Zoll vom Boden des Reservoirs aus geht bis zum Niveau des
Straßenpflasters eine 4–5“ weite gußeiserne Röhre, welche mit dem
Schlauche zur Abführung des Reservoirinhaltes verbunden wird, und ebenso geht von
der Decke des Reservoirs eine 4“ weite Röhre, welche mit dem Luftschlauche
verbunden wird.
Ist nun die Luft im Hauptrohr einerseits durch die gefüllten Siphons an der
Vereinigung mit den Nebenröhren, anderseits am untern Ende gegen das Reservoir hin
durch den Krahnen und den daselbst zusammengeflossenen überschüssigen Urin
vollständig abgeschlossen, und wird dann die Luft im Reservoir auf ein Viertel
Atmosphäre verdünnt und der Krahn im Hauptrohr Plötzlich geöffnet, so werden
zunächst die Flüssigkeiten, die sich am unteren Ende des Hauptrohres befinden, in
das Reservoir getrieben. Die entstehende Ausdehnung der Luft im Hauptrohr wirkt
natürlich auf alle Siphons, bis zu den Abfallröhren hin, da die Außenluft durch die
letzteren in das Röhrennetz dringt, um das gestörte Gleichgewicht herzustellen.
Dadurch wird ein Theil der Fäces in die Siphons getrieben, welche ihrerseits einen
Theil ihres Inhaltes durch das Hauptrohr nach dem Reservoir senden. Dieses Alles
geht in Zeit von längstens 5–6 Secunden vor sich. Der Krahnen wird hierauf
auf die Dauer von etwa einer Minute geschlossen, damit die in den Röhren vertheilten
Stoffe sich in den Siphons wieder sammeln können. Die Luftpumpe hat während dieser
Zeit den Druck im Reservoir wieder auf ¼ Atmosphäre gebracht. Der Zustand ist
dann wieder ganz der gleiche, nur mit dem Unterschiede, daß im Hauptrohr wenig oder
gar keine Flüssigkeiten mehr sind. Oeffnet man nun den Krahnen wieder plötzlich, so
findet eine andere Wirkung statt. Die Luft im Hauptrohr strömt unmittelbar in's
Reservoir. Das Gleichgewicht wird hergestellt, indem die festen und flüssigen Theile
in den Siphons und Seitenröhren sich in Bewegung setzen. Da die Luft 800 mal
leichter ist, als Wasser, dessen Gewicht dem von fäcalen Stoffen gleichgesetzt
werden kann, so wird sie auch durch die gleiche Kraft 800mal früher m Bewegung
gesetzt, als die in den Siphons und Seltenröhren befindlichen Stoffe. Im Hauptrohr
wird daher die Spannung der Luft eine schon ganz gleichmäßig verdünnte seyn, ehe nur
die Flüssigkeiten in den Siphons Zeit haben sich in Bewegung zu setzen. Es wird
dadurch das Resultat erreicht, daß in allen diesen die gleiche Kraft zur
Fortschaffung ihres Inhaltes in Wirksamkeit tritt, mit anderen Worten, die Stoffe
werden ans den Siphons und Seitenröhren in der Weise nach dem Hauptrohre getrieben,
als ob jedes für sich mit einem luftverdünnten Raum in Verbindung stände. Bei
gleichem Inhalt von Hauptrohr und Reservoir wird nach Oeffnen des Krahnes, sobald
der Druck im Reservoir auf ¼ Atmosphäre herabgemindert ist, die Spannung in
beiden zusammen auf ¼ Atmosphäre steigen, somit noch eine nutzbare von
⅜ Atmosphären verbleiben. Es entsteht hierdurch in den Hauptröhren und
Seitenröhren ein Luftstrom von 1400′ Geschwindigkeit in der Secunde. Wird nun
der Krahnen mehrmals geöffnet, so wird die Fortschaffung des Röhreninhaltes
stoßweise vor sich gehen, und jedesmal wird sich ein mit fein zertheilten Excreten
vermischter Luftstrom durch die Rohre bewegen. Was an den Wänden etwa hängen bleibt,
fließt in den Siphons und dem Hauptrohre wieder zusammen, um beim nächsten Stoß
weiter geführt zu werden, bis Alles in's Reservoir gelangt ist. Mit 5 bis 6 maligem
Oeffnen des Krahnes in Zeit von eben so viel Minuten kann Alles beendet seyn. In der
Dichtung der Röhrenleitungen ist keine übergroße Vorsicht nöthig; sollte eine
Muffenverbindung mangelhaft gemacht seyn, so werden durch den Luftdruck die zunächst
liegenden Erdtheilchen in die undichten Ritze getrieben und solche auf diese Art
unschädlich gemacht. Vorsicht in dieser Hinsicht erfordern nur der Krahnen und das
Reservoir; ersterer wird aus Messing, letzteres aus Kesselblech oder Gußeisen
gemacht, und aus diesen Metallen luftdichte Verbindungen fertig zu bringen, bietet
keine Schwierigkeiten. Der Krahnen, der empfindlichste Theil des ganzen Systems ist
so angeordnet, daß man ihn herausnehmen kann, ohne am Straßenpflaster zu rütteln;
derselbe kann somit jederzeit, so oft man es für nöthig erachtet, gereinigt etc.
werden. Außerdem kann derselbe durch eine Stellschraube jederzeit adjustirt werden.
Sehr wichtig ist die Form des Siphons, da von dieser die Möglichkseit der ganzen
Operation abhängt.
Der Betrieb der Luftpumpe erfolgt durch eine Locomobile von circa 4 Pferdekräften; die Wagen oder Tender, in die der Indalt der
Röhrenleitung geschafft wird, bestehen aus einem luftdichten schmiedeeisernen
Kessel. von 30–50 Kbfß. Inhalt. Bei Beginn der Arbeit, nachdem Locomobile und
Tender an Ort und Stelle angelangt sind, wird die Luftpumpe mit dem Tender durch
einen Kautschukschlauch in Verbindung gebracht, letzterer ebenfalls mit einem bloß
für den Durchgang von Luft bestimmten Schlauch mit dem Reservoir, und endlich wird
noch zwischen diesen beiden der für den Durchgang der Flüssigkeit bestimmte Schlauch
befestigt. Sämmtliche Verbindungen sind durch Krahnen verschließbar. Die für den
Durchgang der Luft bestimmten Krahnen zwischen Locomobile, Tender und Reservoir
werden geöffnet, so daß durch die Arbeit der Luftpumpe beide zu gleicher Zeit
luftleer gepumpt werden. Ist das Reservoir in der oben beschriebenen Weise gefüllt,
so wird der Dungkrahn zwischen diesem und dem Tender geöffnet und die Luft, die dann
auf den Inhalt des Reservoirs ciuwirkeu kann, treibt denselben in den Tender. Die
aus dem Reservoir und Röhrennetze ausgepumpte Luft, welche stark mit Gasen versetzt
ist, wird von der Luftpumpe unter den Kesselrost der Maschine geblasen, so daß
dieselbe verbrannt wird und auf die Luft der Umgebung keinen Einfluß ausübt. Durch
die Gewalt, womit die festen und flüssigen Theile aus den Röhren in das Reservoir
getrieben werden, sind sie schon in letzterem so vermengt, daß sie nur noch eine
flüssige Jauche bilden. An der Röhre, durch welche die Stoffe in den Tender
gelangen, ist die untere, nur wenig vom Boden des Reservoirs abstehende Kante
messerscharf geschliffen; durch die ungeheure Gewalt, womit die Flüssigkeiten daran
vorbeigetrieben werden, werden auch noch ie letzten Reste von Papier oder sonstigen zerreißbaren Abfällen
derart zerstört, daß im Tender eine vollkommen gleichartige, flüssige Masse
enthalten ist. Die Erfahrung hat bewiesen, daß bei Leerung des Inhaltes von
Abtrittsgruben ganze Schuhe ungehindert die Rohre bis in den Tender passirten. An
einem passenden Ort wird endlich der Inhalt der Tender für den weiteren Transport in
Fässer von circa 5 Kbfß. umgefüllt. (Deutsche
Industriezeitung, 1869, Nr. 20.)
Gefäße aus Papiermaché.
Die American Paper-Maché manufacturing Company in
Euenpoint bringt neuerdings in großer Quantität Gefäße verschiedener Form und Größe
aus Papiermaché, als Wassereimer, Waschschüsseln, Spucknäpfe, Milchschüsseln und
dergl. in den Handel; sie zeigen gefällige Formen, sind leicht wie Holz, von
geringer Wandstärke und haben das Aussehen lackirter Blechgesäße. Sie sind fast
unzerbrechlich und gegen Flüssigkeiten ungemein widerstandsfähig, selbst kochendes
Wasser verändert sie in keiner Weise. Verschiedene seit längerer Zeit im täglichen
Gebrauch befindliche Waschgefäße haben sich bis jetzt ganz gut gehalten.
Der dick aufgetragene verschiedenfarbige Lack ist stark bleihaltig, die Substanz der
Geschirre selbst dagegen enthält nur 6,5 Procent Mineralbestandtheile. Wasserglas,
welches man darin vermuthen könnte, ließ sich nicht nachweisen. Dagegen wurde durch
Natronlauge, ebenso auch durch Alkohol, eine organische Substanz ausgezogen, welche
sich durch ihren Geruch wie durch ihre Löslichkeit in kohlensauren Alkalien und ihr
sonstiges Verhalten als Harz erwies. Daß die Gefäße, welche selbst im kochenden
Wasser nicht weich werden, ihre Festigkeit merklich einbüßen, wenn sie mit Alkohol
oder Lauge, den Lösungsmitteln des Harzes, behandelt werden, spricht dafür, daß die
Papiermasse durch Tränken mit Harzlösung diese große Widerstandsfähigkeit erhalten
hat. (Württembergisches Gewerbeblatt, 1869 Nr. 9.)