Titel: | Die Umwälzung in der Gasbeleuchtung; von E. Schinz. (Zweite Mittheilung.) |
Autor: | C. Schinz |
Fundstelle: | Band 193, Jahrgang 1869, Nr. XIV., S. 47 |
Download: | XML |
XIV.
Die Umwälzung in der Gasbeleuchtung; von E. Schinz. (Zweite Mittheilung.)
Schinz, über die Umwälzung in der Gasbeleuchtung.
Seitdem ich meinen ersten AufsatzPolytechn. Journal Bd. CXCII S. 388; erstes Juniheft 1869. über diesen Gegenstand schrieb, sind zwei Monate verflossen, während welcher
ich meine Versuche weiter verfolgt habe, deren Resultate mit Stoff zu dieser
Mittheilung geben.
Namentlich habe ich seitdem einen für die Praxis hinlänglich großen Apparat gebaut,
dessen Erfolge meine Erwartungen weit übertrafen.
Dieser Apparat hat einschließlich Dampferzeuger und Kamin nur 1,2 Met. Länge, 0,42
Met. Breite und 0,8 Met. Höhe. Er enthält zwei Retorten, welche im Ganzen im Inneren
des Ofens nicht mehr als 0,0035 Quadratmeter Heizfläche darbieten, und dennoch
liefert er stündlich 1 Kubikmeter CO + H von stets gleicher Zusammensetzung, nämlich
fast genau gleiche Volumina beider Gase.
Gewiß haben manche Leser über die erste Mittheilung gestutzt, wenn sie gesehen haben,
daß auf bloß theoretische Berechnung hin der Brennstoff-Consum für Wassergas
per 1000 Kubikmeter = 319 Kilogr. Steinkohlen
angenommen ist, während ebenso viel Kohlengas thatsächlich 909 Kil. Kohks
erfordert.
Meine Theorie ist aber durch das Experiment nicht zu Schanden geworden, sondern sie
hat sich glänzend bewährt.
Große Gasretorten, wie sie in den Gasanstalten gebraucht werden, und die höchstens
100 Kil. Gaskohle aufnehmen, liefern in 4 Stunden 22 Kubikmeter Gas, also per Stunde 5,5 Kubikmeter, und haben eine Heizfläche von
2,636 Quadratmeter.
Das Verhältniß der Heizflächen zwischen meinen Wassergas-Retorten und den
Kohlengas-Retorten ist also = 0,0035: 2,636 = 1: 753;
das Verhältniß der Production in der Zeiteinheit = 1: 5,5.
Die absolute Productionsfähigkeit verhält sich daher wie 1/1: 753/5,51: 136,
während der berechnete Brennstoff-Consum = 319 : 909 = 1 : 2,85 ist.
1 Kubikmeter Kohlengas braucht thatsächlich in den Gasanstalten 0,909 Kil. In meinem
kleinen Wassergas-Apparat ist dieser Consum sehr annähernd derselbe,
höchstens 1 Kil. per 1 Kubikmeter. In diesem habe ich
aber 0,0035 Quadratmeter innere Heizfläche und 3,60 Quadratmeter äußere
Transmissionsfläche und sehr dünne Wände, während 5 Kohlengas Retorten 13,180
Quadratmeter innere Heizfläche haben und höchstens 8,5 bis 9 Quadratmeter äußere
Transmissionsfläche mit viel größeren Wanddicken.
Bei dem kleinen Apparate ist also das Verhältniß der Wärme verzehrenden Fläche 0,0035
: 3,6 = 1 : 1029, bei den Kohlengas-Oefen 13,18 : 8,75 = 1 : 0,66. Trotz
diesem äußerst ungünstigen Verhältnisse für den kleinen Apparat, ist der effective
Brennstoffe Consum kaum verschieden.
Es geht daraus hervor, daß erstens der Nutzeffect beim Wassergas-Apparate
verhältnißmäßig viel größer seyn muß als im Kohlengas-Apparate, d.h. daß 1
Kubikmeter Wassergas zu seiner Bildung weniger Wärme verbraucht als 1 Kubikmeter
Kohlengas; zweitens, daß das früher berechnete Consum-Verhältniß 1: 2,85,
wenn beide Apparate gleich groß gemacht werden, sich nicht nur rechtfertigt, sondern
Wohl in der Wirklichkeit sich noch günstiger gestalten wird. Drittens endlich werden
2,636 Quadratmeter innere Heizfläche für Wassergas per
Stunde 753 Kubikmeter Gas liefern, während in dem Apparate gleicher Größe für
Kohlengas die Production nur 5,5 Kubikmeter ist; der erstere Apparat gäbe also in 24
Stunden 18072 Kub. Met., der letztere nur 132 Kub. Met.
Gestehen wir nun auch wegen verschiedener nicht vorauszusehender Umstände alle
Chancen weniger günstiger Resultate zu, so sind wir doch nach dem Vorhergehenden
berechtigt anzunehmen, daß ein Wassergas-Apparat in der Zeiteinheit
wenigstens 50 mal mehr Gas produciren wird als ein gleich großer
Kohlengas-Apparat.
Wenn also eine Kohlengas-Anstalt für den täglichen Bedarf 100 Retorten im
Feuer haben muß, so wird das Wassergas nur 2 Retorten, derselben Dimension
erfordern, um dieselbe Gasmenge zu produciren.
Darnach würden sich die früher mitgetheilten Berechnungen der Fabricationskosten,
welche 40,35 Francs für das Wassergas (1000 Kub. Met. unter die Glocke gebracht) und
47,22 Frs. für das Kohlengas ergeben, in so weit modificiren, daß wir für ersteres
Gas in Abrechnung bringen: 1) die Hälfte der Arbeitslöhne = 4 Fr.; 2) 4/5 der Unterhaltungskosten =
2,60 Fr., wodurch dann diese Fabricationskosten für 1000 Kub. Met. unter der Glocke
= 40,35 – (4 + 2,60) = 33,75 Fr. werden.
Dagegen möchte der Mehrconsum des Wassergases gegenüber dem Kohlengase nach meinen
neueren Bestimmungen etwas höher als das 1,133 fache ausfallen. Damals war die
Spannung des Gases in den Brennern nur 13 Millimeter und die Platinnetze wurden in
den oberen Partien nicht mehr ganz weiß, sondern etwas röthlich; durch Erhöhung des
Druckes auf 22 Millimeter wird das ganze Platinnetz weiß und die Lichtstärke
vermehrt, aber auch der Consum und zwar in einem größeren Verhältnisse als die
Lichtstärke. Für Flammen, welche durch Lichtschirme oder mattgeschliffene Glaskugeln
verdeckt sind, kann die kleinere Pressung beibehalten werden; für offene Flammen
dagegen wie in Straßenlaternen, wird die höhere Pressung und der höhere Consum nicht
wohl umgangen werden können, ohne der Schönheit des Lichtes zu schaden.
Statt des früher angegebenen Verhältnisses zwischen Wassergas und Kohlengas = 17,39 :
15,79, würde bei 22 Millimeter Druck zu setzen seyn: 21,33 : 15,79, woraus das
Mittel beider
19,61 : 15,79 = 1,242, wodurch der Preis des Wassergases
33,75 × 1,242 = 41,92 Francs gegen den des Kohlengases = 47,22 Fr. wird.
Daß ein kleiner Wassergas-Apparat per 1 Kubikmeter
erzeugtes Gas mehr Brennstoff erfordert als ein großer, liegt, wie wir gezeigt
haben, in der Natur der Sache; es vermehrt sich dieser Consum noch dadurch, daß ein
solcher Apparat nicht fortwährend Tag und Nacht in der Hitze erhalten wird, sondern
täglich neu aufgewärmt werden muß.
Dennoch werden größere einzelne Etablissements, solche die abgelegen sind oder sehr
kleine Ortschaften, mit Vortheil solche Apparate anwenden können.
Mit der steigenden Größe der Apparate wird natürlich der Kohlen-Consum immer
günstiger; wir wollen aber als Beispiel die Verhältnisse eines so kleinen Apparates
anführen wie derjenige ist, den ich vor mit habe und welcher stündlich 1 Kubikmeter
Wassergas liefert.
Der Kohlen-Consum zum Aufwärmen des Apparates ist 4 Kil., dazu
der für 12 Kub. Met. Gas per Tag
à 12 Kil. = 16 Kil.16 Kil., à 3 Fr. per
100
0,48 Fr.
12
Kub. Met. Gas erfordern (1000 = 292 Kil.) = 35
Kil. Holzkohle à 8
Fr.
0,28 „
Uebertrag
0,76 Fr.
Ein solcher Apparat wird mit allem Zubehör höchstens
kosten
300 Fr.
ein Gasreservoir für 12 Kub. Met. von Kautschuk
400 Fr.
Ausgelegtes Capital
700 Fr.
soll nun dieses Capital in 7 Jahren getilgt werden, so
macht
dieß per Jahr 100 Fr. und per Tag 100/365
=
0,27 „
für Unterhaltung des Feuers neben anderer
Beschäftigung
0,50 „
––––––
Kosten der 12 Kub. Met.
1,53 Fr.
Damit können täglich 6 Stunden lang 12 Brenner von 10 Stearinkerzen Lichtstärke
unterhalten werden, und jeder einzelne Brenner würde per
Stunde kosten 1,53/12 × 6 = 0,021 Fr.
Hier in Straßburg verkauft die Gasfabrik ihr Gas an die Konsumenten per 1 Kub. Met. = 30 Centimes; 1 Flamme von 10 Kerzen
consumirt per Stunde 158 Liter, welche somit kosten
0,047 Fr.
Da das Wassergas sich durchaus chemisch neutral verhält, so ist es möglich, dasselbe
in einem Blasbalg ähnlichen Reservoirs aufzubewahren, welche mit Kautschuk gedichtet
sind; solche Gasbehälter sind nicht nur wohlfeiler als metallene Glocken, mit
Wasserbassins, sondern sie haben auch den Vortheil überall aufgestellt werden zu
können, selbst unter dem Dache eines Gebäudes; sie eignen sich ferner zur
Beleuchtung von Eisenbahnzügen, und gestatten sogar größere Schiffe mit Gas zu
beleuchten, wo dann die abgehende Wärme des Retorten Apparates noch zu Küchenzwecken
Anwendung finden könnte.
Das Gas kann auch sehr bequem und ökonomisch zum Kochen verwendet werden, wenn man es
zum Selbstkosten-Preise hat; denn obgleich 1 Kub. Met. Wassergas nur etwas
mehr als 1/3 so viel leistet wie 1 Kil. Steinkohle und daher 12 mal so viel kostet,
so wird der Umstand, daß die Wärme nur so lange consumirt wird als der Kochzweck es
erfordert, daß beinahe keine äußere Wärme-Transmission stattfindet und
endlich sehr wenig Wärme evacuirt wird, dennoch das Gas wohlfeiler machen als die
gewöhnlichen Brennstoffe; der Beweis dafür ist, daß selbst mit Leuchtgas à 30 Centimes per 1
Kub. Met. die Küche für einen kleinen Haushalt nicht mehr kostet als wenn man andere
Brennstoffe verwendet.
Straßburg, im Juni 1869.