Titel: | Beiträge zur Kenntniß des Verhaltens der Kohle zum Sauerstoff; von Dr. E. Richters, an der Bergschule zu Waldenburg. |
Autor: | E. Richters |
Fundstelle: | Band 193, Jahrgang 1869, Nr. XV., S. 51 |
Download: | XML |
XV.
Beiträge zur Kenntniß des Verhaltens der Kohle
zum Sauerstoff; von Dr. E. Richters, an der Bergschule zu
Waldenburg.
Richters, Beiträge zur Kenntniß des Verhaltens der Kohle zum
Sauerstoff.
I.
In Bd. CXC S. 398 dieses Journals (erstes Decemberheft 1868) habe ich auf eine
eigenthümliche Veränderung aufmerksam gemacht, welche die Steinkohle erleidet, wenn
sie einige Zeit bis auf 180–200° C. erhitzt wird. Es wurde in der
gedachten Abhandlung nachgewiesen, daß Steinkohlenpulver bei der angegebenen
Temperatur einerseits Sauerstoff aufnehme, andererseits Kohlensäure und Wasser
abscheide, daß aber die Menge des aufgenommenen Sauerstoffes die des Kohlenstoffes
und Wasserstoffes, welche sich verstüchtigen, weit überwiege, so daß sich eine
verhältnißmäßig bedeutende Gewichtsvermehrung einstelle.
Ich bemerkte damals, daß letztere nach circa 20
stündigem Erhitzen ihr Maximum erreicht habe; dieß ist indessen nur richtig für
Kohlen von der Zusammensetzung der in der Abhandlung mit d,
e und f bezeichneten. Die Gewichtszunahme
steht, wie mit fernere Versuche gezeigt haben, sowohl ihrer Quantität als Zeitdauer
nach im Allgemeinen in einem umgekehrten Verhältnisse zum Sauerstoffgehalt der
Kohle. Eine Kohle mit nur 4,81 Proc., also einer sehr geringen Menge Sauerstoff,
nahm während eines 72 stündigen Erhitzens fortwährend, und zwar um 8,45 Proc. an
Gewicht zu. Der Inhalt meiner damaligen Abhandlung ist übrigens durch eine spätere
Mittheilung von Hindrichs wesentlich bestätigt,
beziehungsweise ergänzt worden.Verhandlungen der geologischen Reichsanstalt, Märzheft 1869.
Ich ließ Steinkohlenpulver, welches durch Erhitzen an Gewicht zugenommen hatte, 48
Stunden lang unter der Campane der Luftpumpe stehen, welche bis auf 22 Millimeter
Quecksilberdruck evacuirt worden war. Es behielt sein ganzes Gewicht inclusive der Zunahme bei, ein Beweis, daß wir es mit
einer wirklichen Oxydation und nicht mit einer bloßen Absorption zu thun haben.
Die damals gemachten Beobachtungen ließen mich vermuthen, daß ähnliche
Oxydationsprocesse, wie wir sie beim Erhitzen der Kohle als rasch verlaufende und
daher in ihren Resultaten leicht wahrnehmbare Vorgänge beobachten, auch bei
gewöhnlicher Temperatur, dann aber nur ganz allmählich, und der Beobachtung sich
daher leicht entziehend, vor sich gehen würden. Daß Steinkohle bei gewöhnlicher
Temperatur Kohlensäure exhalirtSauerstoff inhalirt, und daß diese Kohlensäureausscheidung in höherer Temperatur zunimmt, hat
Varrentrapp nachgewiesen.Polytechn. Journal Bd. CLXXVIII S. 379. Geht also der eine der beim Erhitzen der Kohle stattfindenden Processe auch
unter gewöhnlichen und normalen Verhältnissen vor sich, so war es nicht
unwahrscheinlich, daß auch der andere, die ohne Kohlensäurebildung erfolgende Sauerstoffabsorption, gleichfalls bei gewöhnlicher Temperatur, wenn gleich
langsam und sehr allmählich stattfinden werde. Hieraus würde sich dann der Schluß
ergeben, daß die Steinkohle bei längerem Lagern an der
Luft sich unter Umständen in gleicher Weise verändern werde, wie es beim Erhitzen
rasch und in kurzer Zeit geschieht.
Ich habe mit Steinkohlen von verschiedener Beschaffenheit im Ganzen 16 Versuche
ausgeführt, welche die Bestimmung der bei gewöhnlicher Temperatur stattfindenden
Sauerstoffabsorption bezweckten; ich bediente mich hierzu theils graduirter, an
einem Ende offener, am anderen Ende vermittelst eines Hahnes verschließbarer Glasröhren, theils eines Apparates, wie ihn Dietrich
Fresenius' Zeitschrift für analytische Chemie,
III. Jahrgang (1864) S. 161. zur Ausführung gasvolumetrischer Analysen, speciell der
Kohlensäurebestimmungen construirt und beschrieben hat.
In die 50–75 Kub. Cent. fassenden Glasröhren wurde ein abgewogenes Quantum
Steinkohle von bekanntem spec. Gewicht gebracht und vermittelst eines kleinen
vorgelegten Asbestpfropfes befestigt. Das offene Ende des so beschickten Rohres
wurde darauf in Quecksilber getaucht und der Hahn am oberen Ende behufs Herstellung
des Gleichgewichtes geöffnet. Nachdem eine Stunde die Zimmertemperatur constant
geblieben war, wurde der Hahn wiederum geschlossen und Volumen, Temperatur und
Barometerstand notirt. – Bei Benutzung des Dietrich'schen Apparates, dessen Capacität vorher genau ermittelt und
dessen aus Blei gefertigte Kühlschlange durch ein Glasrohr ersetzt worden war,
diente das sogen. Gasentwickelungsgefäß zur Aufnahme der Kohle.
Von den überhaupt ausgeführten Versuchen will ich die drei letzten hier ausführlicher
mittheilen, weil dieselben einestheils am längsten fortgesetzt wurden und ich ferner
bei Ausführung der ersten Versuche auf verschiedene Fehlerquellen aufmerksam wurde,
die später vermieden werden konnten.
I. Mit Anwendung des Dietrich'schen Apparates und mit 50
Grm. gepulverter Steinkohle vom Jacobflötz des Theresienschachtes, welche bereits
zwei Monate lang in einem lose verschlossenen Gefäße der Luft des Laboratoriums ausgesetzt
gewesen war. Luft ungetrocknet, aber nur für 10'' C. mit Feuchtigkeit gesättigt.
4. Mai Morgens 10 Uhr Beginn des Versuches, Volum. 218,2 Kub. Cent. bei 15,750 C. u.
717,3 Millim. Barometerstand. (= 194,8 K. C. normal).
4.
Mai
Abends
218,5 K. C.
bei
15,75° C.
u.
715,1 Millim.
(= 194,4 K. C. norm.)
5.
„
Morg.
209,6 „
„
12,50° „
„
724,1 „
=
190,9 „
„
5.
„
Abends
212,0 „
„
15,75° „
„
724,1 „
=
191,0 „
„
6.
„
Morg.
208,6 „
„
13,0° „
„
720,7 „
=
188,8 „
„
6.
„
Abends
212,2 „
„
15,25° „
„
715,0 „
=
189,0 „
„
7.
„
Morg.
210,4 „
„
14,75° „
„
715,0 „
=
187,8 „
„
8.
„
Morg.
210,8 „
„
18,0° „
„
715,0 „
=
186,0 „
„
9.
„
Abends
212,6 „
„
21,0° „
„
717,3 „
=
186,2 „
„
10.
„
Morg.
201,4 „
„
16,0° „
„
721,8 „
=
180,8 „
„
10.
„
Abends
207,0 „
„
21,5° „
„
720,7 „
=
181,9 „
„
11.
„
Morg.
202,0 „
„
18,0° „
„
717,3 „
=
178,8 „
„
Es waren daher in 168 Stunden = 7 Tagen 16 K. C. Gas (auf 0° und 760 Millm.
Luftdruck reducirt) absorbirt worden. Um zu zeigen, daß letzteres nur Sauerstoff
gewesen, wurden 6 K. C. einer Lösung von Pyrogallussäure in concentrirter Kalilauge
in das calibrirte Rohr gebracht, nachdem der den oberen Theil desselben
verschließende Gummischlauch geöffnet worden war. Der letztere wurde dann sogleich
wieder geschlossen und die Lösung durch Auf- und Abbewegen des einen Rohres
auf die innere Wandung des anderen möglichst vertheilt. Nachdem das Volumen sich
darauf 12 Stunden lang constant erhalten hatte, wurde abgelesen. Der Restgehalt der
abgeschlossenen Luft an Sauerstoff (den der atmosphärischen Luft zu 21
Volumprocenten angenommen) berechnet sich auf 24,9 K. C.; absorbirt wurden 23,1 K.
C. Der Versuch kann zwar keinen Anspruch auf große Genauigkeit machen, genügt aber
seinem Zwecke vollkommen.
II. Im calibrirten Glasrohre und mit 20 Grm. Kohlenpulver vom Robertflötze des
Theresienschachtes ausgeführt. Dasselbe wurde unter dem Exsiccator bis zum
Constantbleiben des Gewichtes getrocknet und dann
sogleich in das schwach erwärmte Rohr getragen, durch welches bis. zum völligen
Erkalten ein Strom getrockneter Luft geleitet wurde.
Beginn des Versuches 23. Mai 12 Uhr Mittags. Volumen der Luft 37 K. C. bei 190 C. und
726,8 Millim. Druck = 33,1 K. C. normal.
24.
Mai
Morg.
35 K. C.
bei
17° C.
u.
726,8 Millim.
= 31,5 K. C. norm.
24.
„
Abends
34,8 „
„
17° „
„
726,8 „
= 31,3
„ „
25.
„
Morg.
34,2 „
„
17° „
„
725,2 „
= 30,7
„ „
25.
„
Abends
34,2 „
„
17,5° „
„
722,9 „
= 30,6
„ „
26.
„
Morg.
33,8 „
„
17,0° „
„
718,4 „
= 30,1
„ „
26.
Mai
Abends
34,2 K. C.
bei
19,0° C.
u.
716,2 Millim.
= 30,0 K. C. norm.
„
Morg.
33,3 „
„
18,0° „
„
718,4 „
= 29,5
„ „
27.
„
Abends
33,3 „
„
21,0° „
„
721,8 „
= 29,4
„ „
28.
„
Morg.
32,5 „
„
18,75° „
„
724,1 „
= 28,9
„ „
28.
„
Abends
32,6 „
„
20,0° „
„
724,1 „
= 28,9
„ „
29.
„
Morg.
32,2 „
„
19,5° „
„
724,1 „
= 28,6
„ „
29.
„
Abends
32,2 „
„
20,5° „
„
721,8 „
= 28,4
„ „Bei diesem wie dem nachfolgenden Versuche war an dem betreffenden
Tage das Glasrohr durch Umhüllung mit schwarzem Papier der
Einwirkung des Lichtes entzogen worden.
30.
„
Morg.
31,6 „
„
19,5° „
„
724,1 „
= 28,1
„ „
31.
„
Morg.
30,2 „
„
19,0° „
„
724,1 „
= 26,9
„ „
31.
„
Abends
30,1 „
„
18,5° „
„
722,9 „
= 26,8
„ „
1.
Juni
Morg.
29,8 „
„
17,25° „
„
725,2 „
= 26,4
„ „
2.
„
Morg.
29,3 „
„
16,0° „
„
729,7 „
= 26,5
„ „
Von da ab blieb das Volumen constant. Die anfänglichen 33,1 K. C. Luft enthielten
6,95 K. C. Sauerstoff, von welchen 6,6 K. C. = 95 Proc. absorbirt wurden.
III. Mit Anwendung eines calibrirten Glasrohres und mit 20 Grm. Kohlenpulver vom
Carlflötze des Theresienschachtes ausgeführt. Die Luft war
während der ganzen Dauer des Versuches mit Feuchtigkeit gesättigt.
Beginn des Versuches 22. Mai Morgens 9 Uhr. Volumen der Luft = 60,6 K. C. bei 19,750
C. u. 722,3 Millim. Druck = 52,4 K. C. normal.
22.
Mai
Abends
60,0 K. C.
bei
19° C.
u.
722,3 Millim.
= 52,1 K. C. norm.
23.
„
Morg.
58,4 „
„
17,5° „
„
726,8 „
= 51,4
„ „
23.
„
Abends
58,2 „
„
17,5° „
„
726,8 „
= 51,2
„ „
24.
„
Morg.
57,2 „
„
17° „
„
726,8 „
= 50,5
„ „
24.
„
Abends
57,2 „
„
17° „
„
726,8 „
= 50,5
„ „
25.
„
Morg.
56,4 „
„
17° „
„
725,2 „
= 19,7
„ „
25.
„
Abends
56,5 „
„
17,5° „
„
722,9 „
= 49,4
„ „
26.
„
Morg.
56,0 „
„
17,0° „
„
718,4 „
= 48,8
„ „
26.
„
Abends
56,6 „
„
19° „
„
716,2 „
= 48,8
„ „
27.
„
Morg.
55,4 „
„
18° „
„
718,4 „
= 48,1
„ „
27.
„
Abends
55,4 „
„
21° „
„
721,8 „
= 47,6
„ „
28.
„
Morg.
54,1 „
„
18,75° „
„
724,1 „
= 47,1
„ „
28.
„
Abends
54,3 „
„
20° „
„
724,1 „
= 47,2
„ „
29.
„
Morg.
53,8 „
„
19,5° „
„
724,1 „
= 46,7
„ „
29.
„
Abends
53,8 „
„
20,5° „
„
721,8 „
= 46,4
„ „
30.
„
Morg.
52,8 „
„
19,5° „
„
724,1 „
= 45,9
„ „
31.
„
Morg.
51,9 „
„
19° „
„
724,1 „
= 45,2
„ „
31.
„
Abends
51,7 „
„
18,5° „
„
722,9 „
= 45,3
„ „
1.
Juni
Morg.
51,4 „
„
17,25° „
„
725,2 „
= 45,2
„ „
Von 11 K. C. Sauerstoff, welche in dem ursprünglichen Luftvolum enthalten waren,
wurden nur 7,2 K. C. absorbirt, eine weitere Absorption erfolgte, wie die drei letzten
Reihen zeigen, dann nicht mehr (vergl. Versuch II). Aehnliche Resultate erhielt ich
stets, wenn eine mit Feuchtigkeit gesättigte Luft in Anwendung kam, jedenfalls weil
unter dem Einflüsse der Feuchtigkeit eine reichlichere Kohlensäurebildung erfolgte, welche bei Anwendung von trockener Luft nicht
zu beobachten war.Ich erinnere daran, daß, wenn sich der Sauerstoff mit Kohlenstoff verbindet,
ein bestimmtes Volumen Sauerstoffgas dasselbe
Volumen Kohlensäure gibt, daß also eine Kohlensäurebildung auf Kosten des
Sauerstoffes der abgesperrten Luft keine Volumenveränderung der letzteren
zur Folge haben konnte.
Die Notirungen wurden möglichst genau des Morgens wie des Abends um 8 1/2 Uhr
vorgenommen, also nach Verlauf von je 12 Stunden, nachdem die Zimmertemperatur
mindestens 1 Stunde lang constant geblieben war, oder doch höchstens um 0,5°
C. geschwankt hatte.
So sehr man geneigt seyn möchte, aus der geringen Differenz der am Abend und am
Morgen des nämlichen Tages ausgeführten Messungen zu folgern, daß am Tage überhaupt
keine Absorption stattgefunden habe, so nehme ich doch Anstand, dieß auf Grund
meiner Beobachtungen mit Bestimmtheit zu behaupten. Man wird dieses Bedenken
vollkommen gerechtfertigt finden, wenn man berücksichtigt, daß, während einerseits
mit verhältnißmäßig sehr bedeutenden Gasmengen operirt wurde, es sich andererseits
bei Entscheidung dieser Frage um die genaue Bestimmung von Bruchtheilen eines
Kubikcentimeters handelte; außer der genannten waren noch eine Menge anderer
Fehlerquellen vorhanden, welche besonders geeignet erschienen, gerade das Resultat
der am Abend ausgeführten Messungen zu alteriren. Ich erwähne nur 1) die während des
Tages fortwährend stattfindenden Temperaturschwankungen; 2) die große
Absorptionsfähigkeit der Kohle für strahlende Wärme, welche letztere
selbstverständlich zunächst auf die im Apparate eingeschlossene Luft übertragen
wurde; eine Differenz aber von nur 1° C. zwischen der Temperatur der
eingeschlossenen und der Zimmerluft mußte auf das Resultat schon von einem ganz
erheblichen Einfluß seyn, wie man sich durch eine einfache Rechnung leicht
überzeugen kann.
Auffallend ist es, daß sich stets beim Beginn des Versuches, auch wenn derselbe am
Tage seinen Anfang nahm, eine sehr wahrnehmbare Volumverminderung bemerkbar machte,
welche sich etwa auf die ersten 36 Stunden ausdehnte und dann am Tage wenigstens nicht mehr mit Sicherheit zu beobachten
war; auch will ich nicht unerwähnt lassen, daß stets eine Absorption deutlich
wahrnehmbar war, wenn der Apparat dem Einflusse des Tageslichtes durch Umhüllung mit
schwarzem Papier oder auf ähnliche Weise entzogen wurde.
Ist es mit nun auch, was den Einfluß des Lichtes auf die Absorptionserscheinungen
anbelangt, trotz Monate lang fortgesetzter Versuche nicht gelungen, zu einem
positiven und in jeder Beziehung zweifellosen Ergebniß zu gelangen, so fühle ich
mich doch zu einer gewissenhaften und objectiven Mittheilung der erhaltenen
Resultate um so mehr bewogen, als dieselben vielleicht Anderen, welche unter
günstigeren Verhältnissen und mit zweckmäßiger eingerichteten Instrumenten zu
arbeiten Gelegenheit haben, Veranlassung geben, die Versuche wieder aufzunehmen, um
die gewiß interessante Frage definitiv zu erledigen. Soviel aber ergibt sich aus
meinen bisherigen Beobachtungen mit voller Gewißheit, daß sowohl die vollkommen
trockene wie lufttrockene Kohle sowohl aus trockener wie mit Wasserdampf gesättigter
Luft Sauerstoff aufzunehmen vermag, ohne dafür Kohlensäure abzuscheiden. Ich werde
in einer folgenden Abhandlung zeigen, daß in diesem Verhalten der Kohle der
Schlüssel zur Erklärung einer ganzen Reihe von Erscheinungen liegt, welche ohne
diese Thatsache geradezu unerklärlich bleiben müßten.
Es dürfte vielleicht nicht unnöthig seyn, hier kurz einem Einwande vorzugreifen, der
gegen die obige Schlußfolgerung erhoben werden könnte, dem nämlich, daß die
Sauerstoff absorbirende Substanz nicht die Kohle selbst, sondern der sie begleitende
Schwefelkies gewesen sey. Berechnet man den ganzen Eisengehalt der Asche auf
FeS², so enthält die Kohle vom Carlflötz 0,31 Proc., vom Robertflötz 0,43
Proc., vom Jacobflötz 0,36 Proc. Schwefeleisen. Die Kohlen sind also, worauf bei
ihrer Auswahl ein besonderes Gewicht gelegt wurde, außerordentlich arm an
Schwefelkies. Nun ist letzterer aber in trockener Luft ganz unveränderlich; in
feuchter Luft absorbirt er allerdings Sauerstoff, aber in verhältnismäßig geringer
Menge, so daß, wenn man eine indifferente Substanz, z.B. reinen Quarzsand, mit
solchen Mengen zerriebenem Schwefelkies mengt, wie sie in den drei erwähnten Kohlen
vorkommen, im ersten Falle keine, im zweiten nur eine sehr geringe
Sauerstoffaufnahme stattfindet, wenn man die Gemenge längere Zeit mit einem
abgemessenen Luftvolumen in Berührung bringt.
II.
Bekanntlich wirkt die Steinkohle sowohl wie die Holzkohle auf viele sauerstoffreiche
Verbindungen desoxydirend. Bei diesen Processen geht
stets ein Theil des Sauerstoffes in die Zusammensetzung der Kohle ein, so daß
dieselbe nach Behandlung mit dem Oxydationsmittel sauerstoffreicher ist wie
vorher.
Ich richtete meine Aufmerksamkeit zunächst fast ausschließlich auf die Wirkung der
Eisenoxydsalze, aus Gründen, welche sich aus dem Inhalte der nächsten Abhandlung
ergeben werden. Folgendes will ich der Mittheilung der Versuche vorausschicken. Die
oxydirenden Einwirkungen der Eisenoxydsalze sind quantitativ sehr verschieden. Stark
saure Lösungen von schwefelsaurem Eisenoxyd werden kaum reducirt. Rascher oxydirend
wie dieses wirkt schwefelsaures Eisenoxydul in Verbindung mit Luft, besonders wenn
man der Lösung des Salzes eine geringe Menge Alkali zufügt. Eisenchlorid wird, zumal
in der Wärme, ziemlich rasch und energisch desoxydirt und theilweise zersetzt, indem
sich Eisenoxyd auf der Oberfläche der Kohle niederschlägt; dasselbe kann durch
Behandlung mit verdünnten Säuren vollständig entfernt werden; ähnlich verhält sich
essigsaures Eisenoxyd. Verdünnte Salpetersäure wirkt schon in der Kälte, rascher
beim schwachen Erwärmen, heftig oxydirend auf Steinkohle ein, wobei letztere ihr
Gewicht bedeutend vermehrt und theilweise veränderte Eigenschaften erhält.
Nach stattgefundener Einwirkung der Eisensalze auf die Steinkohle wurde letztere mit
einem Ueberschuß von verdünnter Schwefelsäure digerirt, um etwa ausgeschiedenes
Eisenoxyd zu entfernen, und nur dann wurde das Resultat als maaßgebend mit
aufgenommen, wenn die Kohle bei der Elementaranalyse eine rein weiße, nicht im
mindesten roth gefärbte Asche hinterließ.
Um zu zeigen, daß die Veränderung, welche die Zusammensetzung der Kohle nach der
successiven Behandlung mit Eisensalzen und verdünnter Schwefelsäure zeigte, nicht
auf Rechnung der letzteren zu schreiben sey, digerirte ich dieselbe Kohle längere
Zeit mit der Säure allein, und bestimmte dann ihre elementare Zusammensetzung (s.
Analyse 3).
Bei der nachfolgenden Zusammenstellung der Resultate habe ich der besseren Uebersicht
wegen sogleich die Zusammensetzung der aschenfreien Substanz angegeben, und den
Aschengehalt der bei 100° C. getrockneten Kohle unten beigesetzt. Die am Fuße
der Columnen stehenden, mit + oder – bezeichneten Zahlen geben die
Gewichtszunahme oder Abnahme an, welche die Kohle nach der Behandlung mit den
verschiedenen Agentien zeigte:
1
2
3
4
5
6
7
8
9
C
84,76
84,85
85,02
84,16
84,31
84,45
83,96
84,29
81,23
H
5,39
5,29
5,38
5,28
5,20
5,25
5,33
5,33
4,89
O
9,85
9,86
9,60
10,56
10,49
10,30
10,71
10,38
13,88 (+
Asche
7,33
7,62
6,13
6,90
6,26
6,49
6,49
6,72
6,78
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
– 1,3%
– 9%
+ 0,2%
– 0,4%
+ 0,5%
– 1,6%
+ 3,9%
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
C
84,15
82,78
83,82
84,17
83,56
82,03
83,11
83,13
82,90
79,96
H
4,85
4,69
4,95
5,02
4,89
4,72
5,23
5,32
5,09
4,66
O
11,00
12,53
11,23
10,81
11,55
13,25
11,66
11,55
12,01
15,38 (+
Asche
3,08
3,00
3,71
4,96
3,04
3,44
3,37
2,40
2,38
2,00
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
+ 0,9%
– 0,10%
+ 1,24%
+ 0,45%
+ 3,44%
Die sämmtlichen Kohlen stammen aus Gruben des Waldenburger Revieres:
1 u. 2 Kohle vom 6. Flötz des Erbstollens;
3 dieselbe, 2 Tage lang mit verdünnter Schwefelsäure
digerirt;
4 dieselbe, 8 Tage lang mit einer Lösung von schwefelsaurem
Eisenoxydul, dem 1/2 Aeq. Kali zugefügt worden war, behandelt;
5 dieselbe, 3 Tage lang mit einer Lösung von essigsaurem
Eisenoxyd behandelt;
6 dieselbe, 14 Tage lang mit einer Lösung von schwefelsaurem
Eisenoxydul behandelt;
7 dieselbe, mit einer Lösung von schwefelsaurem Eisenoxydul, dem
einige Tropfen Kalilauge zugefügt worden, digerirt;
8 dieselbe, mit einer Lösung von schwefelsaurem Eisenoxyd
behandelt;
9 dieselbe, 2 Tage lang mit einer verdünnten Salpetersäure (14
Proc. NO⁵) bei gelinder Wärme behandelt. Die Kohle wurde nach der
Behandlung mit einer Lösung von kohlensaurem Natron sechsmal ausgekocht, bis das
Anfangs braune Filtrat nur noch hell gelb gefärbt erschien. Die unveränderte
Kohle gab 69 Proc. sehr stark gebackene, die mit
Salpetersäure behandelte Kohle 71 Proc. kaum
gesinterte Kohks;
10 Kohle vom Besteflötz des Wrangelschachtes Niederbank;
11 dieselbe Kohle, wie Nr. 7 behandelt;
12 dieselbe Kohle, mit einer Lösung von schwefelsaurem
Eisenoxydul bei Abschluß der Luft behandelt;
13 Kohle vom Besteflötz des Wrangelschachtes Oberbank;
14 dieselbe Kohle, mit einer verdünnten Lösung von Eisenchlorid
bei gewöhnlicher Temperatur behandelt;
15 dieselbe, mit einer Lösung von Eisenchlorid im Dampfbade 2
Tage lang digerirt;
16 u. 17 Kohle vom Carlflötz des Theresienschachtes;
18 dieselbe, mit Eisenchlorid wie Nr. 15 behandelt;
19 dieselbe, mit Salpetersäure wie Nr. 9 behandelt. Die
unveränderte Kohle gab 68 Proc. stark gesinterte, die
mit Salpetersäure behandelte eben so viel lose und pulverige Kohks.
Die Zahlen zeigen ausnahmslos eine Zunahme des Sauerstoffgehaltes der Kohle nach der
Behandlung mit den oxydirenden Verbindungen. Die Menge des reducirten Eisenoxyduls,
welche bei Anwendung von Eisenoxydsalzen mit Chamäleonlösung bestimmt wurde, habe
ich nicht aufgeführt, da die Einwirkung in offenen Schalen oder Bechergläsern bei
Zutritt der Luft vor sich ging, die Zahlen also keinen Anhaltspunkt für den
Vergleich der einerseits abgegebenen und andererseits aufgenommenen Sauerstoffmenge
bieten können.
III.
Im Anschlusse an meine erste Abhandlung über das Verhalten der Steinkohle beim
Erhitzen bis auf circa 190° C., will ich hier
einige merkwürdige Beobachtungen mittheilen, welche sich auf das Verhalten der Holzkohle unter ähnlichen Verhältnissen beziehen.
Ich erhitzte gepulverte Meilerkohle aus Fichtenholz auf einem Uhrglase im
Trockenschrank bis auf 105° C., nachdem dieselbe vorher bis zum
Constantbleiben des Gewichtes bei 100° C. getrocknet worden war; auch hier
stellte sich nach einiger Zeit eine wahrnehmbare Gewichtsvermehrung ein, welche
allerdings weder bei diesem noch bei einem der nachfolgenden Versuche eine so
bedeutende Höhe erreichte, wie bei der Steinkohle. Die Temperatur wurde allmählich
bis auf 150° C. gesteigert, und die Kohle von Zeit zu Zeit gewogen. Nach 36
stündigem Erhitzen betrug die Gewichtszunahme 2,46 Proc. Ich ließ die Kohle darauf
48 Stunden lang unter der Campane der Luftpumpe stehen, nachdem dieselbe bis auf 22
Millm. Druck evacuirt worden war. Als ich dann Luft einströmen ließ, zog die Kohle
aus derselben Feuchtigkeit an, welche ihr Gewicht wiederum vermehrte; nach längerem
Trocknen bei 100° C. aber stellte sich ihr ursprüngliches Gewicht
einschließlich der durch das Erhitzen bewirkten Zunahme von 2,46 Proc. genau wieder
ein. Eine zweite Probe derselben Kohle nahm bei gleicher Behandlung um 1,83 Proc. an
Gewicht Zu; dieselbe wurde dann in eine Platinschale gebracht, mit siedendem Wasser
übergossen und 3 Stunden lang im Dampfbade erwärmt, sodann auf einem gewogenen
Filter gesammelt, und wiederum bei 100° C. getrocknet. Sie hatte gleichfalls
ihr volles Gewicht inclusive der Zunahme von 1,83 Proc.
beibehalten. Kohle aus Eichen- und Buchenholz, welche ich mit durch
Verkohlung im Platintiegel darstellte, verhielt sich ganz ähnlich; nach 36 stündigem
Erhitzen bei 105–150° C. betrug die Gewichtszunahme der ersten 1,51,
der anderen 1,61 Proc.
Behandelt man Holzkohle bei gewöhnlicher Temperatur oder in der Warnte mit
Eisenoxydsalzlösungen, so bemerkt man ähnliche Erscheinungen wie bei der Steinkohle. Doch
sind hier in Folge der so bedeutenden Absorptionsfähigkeit der Holzkohle Irrthümer
außerordentlich leicht möglich. Besonders bei Anwendung von Eisenchlorid, welches am
raschesten desoxydirt wird, sind letztere zu besorgen. Dasselbe wird durch die
Holzkohle theilweise in Eisenoxyd, welches sich auf der Oberfläche der Kohle
niederschlägt, und in Salzsäure zersetzt; ersteres läßt sich durch Behandlung mit
einem Ueberschuß der Säure vollständig entfernen, dagegen bleibt ein Theil der
letzteren absorbirt und ist weder durch Kochen mit Wasser noch mit einer Lösung von
kohlensaurem Natron vollständig fortzuschaffen. Ich dampfte deßhalb zur Bestimmung
der zurückgehaltenen Salzsäure die wie angegeben behandelte Kohle mit einer Lösung
von kohlensaurem Natron in einer Platinschale ein, bedeckte sie mit einer Schicht
des Salzes und verglühte dann bei ganz gelinder Hitze bis sämmtliche Kohle zerstört
war, was sehr leicht gelingt. Die Masse wurde mit Wasser aufgenommen, mit
Salpetersäure übersättigt, filtrirt und das Chlor hierauf durch Silberlösung
gefällt. Für die gefundene Menge des letzteren wurde die aequivalente Menge
Chlornatrium von der aus dem Verluste berechneten Sauerstoffmenge der Kohle
abgezogen, da die bei der Elementaranalyse zurückbleibende Asche nur noch sehr
geringe Mengen Chlor enthielt, sich also das Chlornatrium bei der angewandten
ziemlich bedeutenden Hitze zum größten Theil verflüchtigt hatte. Nachfolgend die
Ergebnisse der bis jetzt ausgeführten Versuche:
Textabbildung Bd. 193, S. 60
C; H; O; Asche; a; b; c
Diese Zahlen geben, mit Ausnahme von 26 (vergl. unten), die procentische
Zusammensetzung der aschenfreien Substanz der Kohle, und
zwar ist:
20 u. 21 die bei 100° C. getrocknete
Fichtenholzkohle;
22 dieselbe Kohle, welche beim Erhitzen um 2,46 Proc. an Gewicht
zugenommen und dann 48 Stunden unter der Luftpumpe gestanden hatte;
23 dieselbe, welche beim Erhitzen um 1,83 Proc. zugenommen hatte,
und darauf mit siedendem Wasser behandelt worden war;
24 dieselbe, welche 2 Tage lang mit einer Lösung von
schwefelsaurem Eisenoxyd digerirt worden; eine Sauerstoffzunahme ist nicht
deutlich ersichtlich;
25 dieselbe Holzkohle, 2 Tage lang mit Salzsäure allein behandelt
und darauf mit NaO, CO², Lösung ausgekocht, nach Abzug von 0,62 Proc.
Chlornatrium von dem wie gewöhnlich bei der Elementaranalyse durch
Differenzberechnung erhaltenen Sauerstoffgehalte;
26a u. b, dieselbe
Holzkohle, welche 2 Tage lang mit Eisenchloridlösung digerirt und darauf mit
Salzsäure und kohlensaurem Natron behandelt worden war; c; = Mittel von a u. b;
27 aschenfreie Substanz von 26, nach Abzug von 1,87 Proc. NaCl
von dem bei der Elementaranalyse durch Differenzberechnung erhaltenen
Sauerstoffgehalt.
Sollte die Ursache der Gewichtsvermehrung, welche beim Erhitzen der Holzkohle
beobachtet wurde, in einer ähnlichen Oxydirbarkeit bestehen, wie sie die in den
Steinkohlen vorkommenden Kohlenwasserstoff- oder
Kohlenwasserstoff-Sauerstoffe Verbindungen unbestreitbar besitzen, so würde
ein solches Verhalten auf manche eigenthümliche Eigenschaften der Holzkohle selbst
ein neues Licht werfen. Sobald es meine Zeit gestattet, werde ich dem Gegenstand
wiederum meine Aufmerksamkeit zuwenden und über denselben weitere Mittheilungen
machen. Vorläufig gebe ich die beobachteten Thatsachen ohne jeden Commentar.