Titel: | Ueber Binitrokresol und Victoria-Gelb; von C. A. Martius und H. Wichelhaus. |
Fundstelle: | Band 193, Jahrgang 1869, Nr. XXXV., S. 143 |
Download: | XML |
XXXV.
Ueber Binitrokresol und Victoria-Gelb; von
C. A. Martius und H. Wichelhaus.
Aus den Berichten der deutschen chemischen
Gesellschaft zu Berlin, 1869, Nr. 9.
Martius und Wichelhaus, über Binitrokresol.
Seit einiger Zeit kommt unter dem Namen Victoria-Gelb oder
Anilin-Orange ein rothes Pulver als Farbstoff in den Handel, welches intensiv
gelbe Lösungen liefert und im allgemeinen Verhalten Aehnlichkeit mit
Binitronaphtol-Verbindungen zeigt.
Wir haben diese Substanz untersucht und gefunden, daß sie beinahe reines
Binitrokresol-Salz ist.
Das daraus abgeschiedene Binitrokresol löst sich leicht in Alkohol, Aether,
Chloroform, Ligroin, sowie in heißem Wasser, und wird bei langsamem Erkalten oder
Verdunsten dieser Lösungen in nur schwach gelblich gefärbten Krystallen erhalten,
die bei nicht hinreichender Menge der Lösungsmittel unter den letzteren zu öligen
Massen zusammenschmelzen, aber bald wieder erstarren.
Im trockenen Zustande schmilzt die Substanz erst bei 109-110° C.
Das Silbersalz ist ziemlich schwer löslich und scheidet sich bei langsamem Erkalten
einer Mischung von Binitrokresol in Ammoniaklösung und salpetersaurem Silber in
wohlausgebildeten, orangerothen Nadeln ab.
Die Eigenschaften dieses Binitrokresols stimmen mit den bisherigen Angaben nicht
überein.
Nach Duclos
Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. CIX S. 135. ist das aus Kresolsulfosäure zu gewinnende Binitrokresol ein gelbes, in
Alkohol lösliches, durch Wasser fällbares, aber nicht erstarrendes Oel.
Beilstein und Kreusler
Jahresbericht für 1866, S. 360. dagegen erhielten bei der Einwirkung von rauchender Salpetersäure auf Xylol neben Toluylsäure,
Terephtalsäure und Nitrotoluylsäure ein krystallisirtes Binitrokresol, welches bei
85° schmolz.
Wir haben nun die verschiedenen Methoden, die zu Binitrokresol führen können,
vergleichsweise ausgeführt und gefunden, daß der durch Einwirkung von salpetriger
Säure auf Toluidin erhaltene Körper die von Beilstein und
Kreusler angegebenen Eigenschaften hat. Die auf diese
Weise erhaltenen gelblichen Krystalle, die durch Ueberführung in Salze gereinigt
wurden, schmelzen bei 84°.
Das Silbersalz besaß die Zusammensetzung des Binitrokresol-Silbers; dasselbe
unterscheidet sich im äußeren Ansehen von dem oben beschriebenen dadurch, daß es in
feineren und dunkler gefärbten Nadeln krystallisirt, die ein eigenthümliches
Irisiren zeigen.
Das Verfahren, welches Duclos befolgte, lieferte demselben
ein Gemenge von Nitro-Producten, aus denen nur schwierig Binitrokresol zu
isoliren war. Die analytischen Zahlen sind nicht so zutreffend, daß sie die
vollkommene Reinheit der Substanz garantiren. Beim Ausschütteln des nach der
Vorschrift von Duclos aus einer geringen Menge Kresols
dargestellten Productes mit Aether erhielten wir durch Verdunsten des letzteren
Krystalle; wir glauben daher, daß das völlig reine Binitrokresol aus
Kresolsulfosäure nicht flüssig ist und werden dieß weiter festzustellen suchen.
Einstweilen läßt sich hiernach noch nicht bestimmen, aus welchem Material das
Victoria-Gelb dargestellt wird, zumal da noch als dritte Möglichkeit die
Herkunft aus einem isomeren Toluidin hinzutritt.
Das Binitrokresol erfährt eine ähnliche Umwandlung durch Einwirkung von Cyankalium,
wie die Pikrinsäure; man erhält eine tief purpurroth gefärbte Lösung, aus der sich
nur schwierig Krystalle gewinnen lassen und die bei Zusatz von Säuren gelatinöse
Massen ausscheidet.
Durch Zinn und Salzsäure wird unter Reduction der Nitrogruppen das Doppelsalz einer
Base in schönen Krystallen erhalten, mit deren Untersuchung wir uns beschäftigen
werden.
Die Lösungen derselben färben sich schon an der Luft und werden durch
Oxydationsmittel lebhaft geröthet. Namentlich Eisenchlorid verleiht denselben eine
ebenso schöne als intensiv rothe Farbe.