Titel: | Mittheilungen aus dem Laboratorium für technische Waarenkunde und Mikroskopie am k. k. Polytechnischen Institute in Wien; von Prof. Dr. Julius Wiesner. |
Fundstelle: | Band 193, Jahrgang 1869, Nr. XL., S. 158 |
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XL.
Mittheilungen aus dem Laboratorium für technische
Waarenkunde und Mikroskopie am k. k. Polytechnischen Institute in Wien; von Prof. Dr.
Julius Wiesner.
Mit Abbildungen.
Mittheilungen aus dem Laboratorium für Waarenkunde und Mikroskopie
des polytechnischen Institutes in Wien.
1. Untersuchungen über den Einfluß der
Wasserzufuhr und Wasserentziehung auf die Lebensthätigkeit der Hefezellen;
von J. Wiesner.
Die Wassergehalte lebender Hefezellen schwanken, nach
zahlreichen, eingehenden Versuchen zwischen weiten Grenzen, nämlich zwischen 0 und
80 Procent. Die Vorgänge der Assimilation und Hand in Hand damit, die
Organisationsprocesse in den Hefezellen beginnen erst, wenn die Hefezellen mehr als
13 Procent, wahrscheinlich erst wenn sie 40 Proc. Wasser führen.
Hefezellen, welche durch allmähliche Wasserentziehung
völlig entwässert wurden, werden hierbei nicht getödtet, ob die Wasserentziehung
nach vorangegangener Trocknung an der Luft mittelst Exsiccator, oder mittelst der
Luftpumpe vorgenommen wurde. Selbst durch eine langsame Steigerung der Temperatur
bis zu 100° C. werden die hierdurch entwässerten Hefezellen nicht entwickelungsunfähig. In
allen diesen Fällen kann man sich vom Leben und der Entwicklungsfähigkeit der
entwässerten Hefe überzeugen, wenn man ihr Wasser allmählich zuführt, was am besten durch concentrirte Zuckerlösungen
geschieht, die man nach Zufügung der Hefe nach und nach bis etwa auf 10-20
Proc. Zuckergehalt verdünnt. Es tritt alsbald Gährung ein.
Lusttrockene Hefe, etwa 13 Procent Wasser führend, bedingt Gährung, welche unter
Umständen an Intensität die durch gewöhnliche (70-80 Procent Wasser führende)
Hefe hervorgebrachte Gährung überragt. Lufttrockene Hefe leitet selbst nach
achtmonatlicher Aufbewahrung intensive Gährung ein. Wahrscheinlich behält diese Hefe
noch länger ihr Gährvermögen. Aeltere, als achtmonatliche Hefe, stand mit für die
Untersuchung nicht zu Gebote.
Durch rasche Wasserentziehung werden ganz jugendliche,
noch keine Vacuolen besitzende Hefezellen nicht getödtet, wohl aber die in jeder
Hefe die Mehrzahl der Zellen bildenden völlig herangewachsenen Hefezellen, die
bereits mit kugeligen oder elliptischen Flüssigkeitsmassen – den sogenannten
Vacuolen – versehen sind. Die Tödtung dieser normal
vacuolisirten Hefezellen erfolgt durch die rasche Wasserentziehung in der
Weise, daß die Vacuolenflüssigkeit in das Plasma der Zellen hinein gepreßt wird und
sich hier in Form zahlreicher Tröpfchen vertheilt. Solche todte, abnorm vacuolisirte Hefezellen lassen sich leicht von
lebenden unterscheiden, indem in letzteren nur 1-2, selten drei große
Flüssigkeitstropfen (Vacuolen), in ersteren zahlreiche kleine Tröpfchen auftreten.
Das Plasma der Zellen erscheint bläulich, die Tröpfchen oder die Vacuolenflüssigkeit
röthlich.
Die Tödtung der Hefe durch Alkohol beruht bloß auf rascher Wasserentziehung. Ich
schließe dieß aus den beiden Thatsachen, daß frische Hefe, welche 70-80
Procent Wasser führt, in Alkohol eingetragen, unter Contraction der einzelnen Zellen
und gleichzeitiger abnormer Vacuolisirung, bis auf die wenigen ganz jugendlichen,
noch unerwachsenen Zellen, getödtet wird; ferner daß lufttrockene Hefe, welche nur
etwa 13 Proc. Wasser führt und die in Alkohol nur einen geringen Verlust an Wasser
erleiden kann, in der That nach stundenlangem Liegen in Alkohol ihr Gährvermögen
nicht einbüßt, indem sie, später in verdünnte 15-20 procentige Zuckerlösungen
eingetragen, alsbald Gährung hervorruft.
Bei langsamer Wasserentziehung verschwinden hingegen die
Vacuolen allmählich unter gleichzeitiger Contraction der ganzen Zelle. Die Vacuolen
sind nicht, wie bis jetzt allgemein angenommen wird, unbedingt zur Gährung nothwendig. So wird
z.B. in einer 45 procentigen Zuckerlösung, welche den Hefezellen einen großen Theil
des Wassers entzieht, die allerdings nur schwache Alkoholgährung durch vacuolenfreie
Hefezellen vollzogen.
Die Intensität des chemischen Processes in den lebenden
Hefezellen hängt von dem Wassergehalte der Zellen,
respective ihres Protoplasma's ab. Die weiter unten durch Zahlen begründete
Abhängigkeit der Intensität der Gährung von der Concentration der Zuckerlösung
findet hierin ihre Erklärung, da die vom Protoplasma der Hefezellen aufgenommenen
Wassermengen im ungekehrten Verhältnisse zum Zuckergehalte der Flüssigkeit
stehen.
Unter sonst völlig gleichen Verhältnissen wurden Zuckerlösungen verschiedener
Concentration zum Gähren gebracht. Es trat in den meisten Fällen ein Stillstand in
der Gährung ein, bevor noch aller Zucker zerlegt wurde. In der nachfolgenden Tabelle
stehen unter a die Zuckerprocente der
Versuchsflüssigkeiten, unter b die Procente vergohrenen
Zuckers, gerechnet aus der Menge der entwichenen Kohlensäure, unter c die Dauer der Vergährung in Tagen ausgedrückt.
a
b
c
2 Proc.
82,6 Proc.In diesen Fällen war nach Beendigung der Gährung in der
Versuchsflüssigkeit durch die Fehling'sche Probe kein Zucker mehr
nachweisbar. In allen übrigen Fällen war die Vergährung eine
unvollständige.
3 Tage
4 „
83,7 „In diesen Fällen war nach Beendigung der Gährung in der
Versuchsflüssigkeit durch die Fehling'sche Probe kein Zucker mehr
nachweisbar. In allen übrigen Fällen war die Vergährung eine
unvollständige.
3 „
5 „
83,8 „
5 „
10 „
73,2 „
6 „
15 „
87,5 „
8 „
20 „
95,8 „In diesen Fällen war nach Beendigung der Gährung in der
Versuchsflüssigkeit durch die Fehling'sche Probe kein Zucker mehr
nachweisbar. In allen übrigen Fällen war die Vergährung eine
unvollständige.
9 „
25 „
98,5 „In diesen Fällen war nach Beendigung der Gährung in der
Versuchsflüssigkeit durch die Fehling'sche Probe kein Zucker mehr
nachweisbar. In allen übrigen Fällen war die Vergährung eine
unvollständige.
12 „
35 „
43,0 „
15 „
50 „
8,2 „
12 „
60 „
8,2 „
5 „
75 „
0 „
0 „
Die angeführten Zahlen lehren, daß die vollständigste Zerlegung des Zuckers in
2-4–, ferner in 20-25procentigen Zuckerlösungen vor sich geht.
Diese Zahlen lehren aber ferner, daß die Art der Gährungsproducte von der
Concentration der angewendeten Zuckerlösungen abhängig ist, der Wassergehalt der Hefezsllen mithin den bei der Gährung stattfindenden
chemischen Proceß auch
in qualitativer
Beziehung beeinflußt. In 20-35procentigen Zuckerlösungen, in welchen, wie die
Tabelle lehrt, die Vergährung eine vollständige ist, indem sich im Rückstande kein
Zucker mehr nachweisen läßt, wird relativ mehr Kohlensäure und Alkohol gebildet als
in 2-4procentigen Zuckerlösungen, obschon auch hier die Vergährung nach
Ausweis der Fehling'schen Probe eine vollständige ist.
Die Menge von Bernsteinsäure, Glycerin etc., welche in letzteren Flüssigkeiten
gebildet wird, ist eine größere als die welche in ersteren entsteht.
In völlig concentrirten Zuckerlösungen sind die Wassergehalte der enorm-
contrahirten Hefezellen so geringe, daß in denselben keine Assimilation, mithin hier
auch keine Gährung stattfindet. Concentrirte Zuckerlösungen wirken mithin auf
gewöhnliche Hefe in gleicher Weise wie Alkohol, tödten nämlich die Mehrzahl der
Zellen in Folge rascher Wasserentziehung.Eine ausführliche Abhandlung über den im obigen Artikel mitgetheilten
Gegenstand habe ich der kaiserl. Akademie der Wissenschaften vorgelegt und
kommt in Bd. LIX der Sitzungsberichte der
mathematisch-naturwissenschaftlichen Classe der Akademie zum
Abdrucke. Auf diese Abhandlung verweise ich in Betreff der analytischen
Belege und der mikroskopischen Details.
2. Untersuchung des Chinagrases; von
Albert Ungerer aus Pforzheim.
Die industrielle Verwerthung dieser schönen langen, glänzenden Faser, welche durch
die erste Pariser Welt-Ausstellung (1855) in Europa bekannt wurde, hat in den
letzten Jahren einen ziemlichen Aufschwung genommen, ist aber durch die technische
und namentlich durch die Ausstellungsliteratur so bekannt geworden, daß ich hierüber
wohl nicht weiter zu sprechen brauche. Trotz der Verwendung dieser Faser im Großen,
liegen bis jetzt noch keine genaueren, ihre Eigenschaften und ihre Charakteristik
betreffenden Untersuchungen vor. Die nachfolgenden, vorwiegend mikroskopischen
Untersuchungen, welche ich mit diesem Spinnstoffe anstellte, dürften deßhalb nicht
ohne Werth seyn.
Das Chinagras (China grass, Tchu-ma) ist der Bast einer südostasiatischen Nessel
(Urticee), der Urtica nivea L. (= Boehmeria nivea Gaudich). Die rohe Faser ist
bastartig, von gelblicher, grünlicher, selbst
grünbräunlicher Farbe. Die zubereitete (cottonisirte) ist entweder schneeweiß oder zeigt einen
eben merklichen Stich in's Gelbliche. Stets ist sie durch Feinfaserigkeit, durch
große Länge und durch einen seidenartigen Glanz ausgezeichnet. Die Fasern des Chinagrases sind so wie die der Baumwolle einzelne
Zellen, was um so bemerkenswerther ist, als einzelne dieser Fasern eine Länge von 22 Centimeter
besitzen.Es sind dieß wohl die längsten Bastzellen, welche bis jetzt beobachtet
wurden. J. Böhm (Sitzungsberichte der kais.
Akademie der Wissenschaften, Bd. LIII S. 40) hat zahlreiche Beobachtungen in
dieser Richtung angestellt, und fand, daß die längsten von ihm beobachteten
Bastzellen, nämlich die des Leines, eine Länge von nahezu 10 Centimeter
besitzen. W. Dennoch scheinen manche Zellen noch größere Dimensionen anzunehmen, was sich
daraus entnehmen läßt, daß die genannten Fasern niemals unverletzt sind, und nur
äußerst selten Zellen mit einem natürlichen Ende vorkommen. Beide natürlichen Enden habe ich an keiner der zahlreichen Fasern
beobachtet, die ich untersuchte.
Der Querdurchmesser der Faser beträgt im Mittel 0,05 Millim., steigt jedoch an
einzelnen Fasern bis zu 0,08 Millim. Das ist eine sehr wichtige Eigenthümlichkeit,
indem sich hierdurch die Chinagrasfaser sehr leicht von allen anderen bekannten
vegetabilischen Fasern unterscheidet. Sie ist beispielsweise dreimal so breit als
die Baumwollen- oder Hanffaser, und viermal so breit als die Leinenfaser.
Weitaus breiter als der Fäden der gewöhnlichen Seide, kommt sie nur einer Art von
Seide in Bezug auf Breite gleich, nämlich der Tussahseide (von Bombyx Mylitta) von welcher sie sich durch die
Farblosigkeit und ferner dadurch unterscheidet, daß die Fäden der letzteren dicht
mit parallelen Längsstreifen versehen sind.S. Mittheilungen aus dem Laboratorium für technische Waarenkunde etc., in
diesem Journal, 1868, Bd. CXC S. 234. – Betrachtet man den ganzen Verlauf der Zelle, so ergibt sich, daß
deren Querdurchmesser sehr variabel sind, was nicht nur darin seinen Grund hat, daß
die Faser an und für sich eine unregelmäßige Form besitzt, sondern auch dadurch
hervorgerufen wird, daß die äußeren Schichten der Zelle
niemals vollständig erhalten, sondern mehr oder weniger demolirt sind.
Diese äußersten Schichten hängen der Faser entweder in riemenförmigen Stücken an
oder fehlen stellenweise, namentlich an den Enden gänzlich. Die Faser ist hin und
wieder an einigen Stellen um ihre Achse gedreht. Der Länge nach erscheint sie stets
gestreift, indem sie deutlich geschichtet ist. Die Schichtung der Faser erkennt man
noch viel deutlicher auf dem Querschnitt der Zelle.Ueber die Anfertigung von Querschnitten durch Fasern s. die Noten auf S. 234
der citirten Abhandlung in diesem Journale. Aus dem Querschnitt ersieht man auch, daß die Faser mehr oder minder
abgeplattet ist. Das Lumen der Zelle läuft stets der Richtung der stärksten
Abplattung parallel und erscheint an sehr stark abgeplatteten Zellen nur als eine
der Länge des Contours parallele Linie, woraus sich ergibt, daß es eine beinahe
flächenförmige Form besitzt, d.h. seine Dicke gegen die Breite verschwindend klein ist.
An vielen Stellen mancher Fasern erscheint noch das Protoplasma in Form einer
körnigen, die Innenfläche der Zelle auskleidende Schicht.
Die Faser des Chinagrases setzt sich nach Obigem aus einzelnen
ungemein langen Zellen zusammen, welche in den äußeren Partien stark mechanisch
verletzt sind, so daß sie in der Mehrzahl der Fälle nur noch den inneren Theil
der Zelle repräsentiren. Die äußeren Schichten der Zellenmembran wurden
während des Cottonisirens mehr oder weniger zerstört und abgetragen.
Die Fasern des Chinagrases bestehen, bis auf die Protoplasmareste im Inneren
einzelner Zellen, aus reiner Cellulose. Sie werden durch Kupferoxydammoniak gelöst,
durch Jod und Schwefelsäure kupferroth bis himmelblau gefärbt. Merkwürdig ist noch,
daß die inneren Schichten der Bastzellen der rohen Faser durch Jod intensiv gelb
gefärbt werden, und daß die stellenweise im Zellinneren vorkommenden
Protoplasmamassen hierbei eine blaue Farbe annehmen, trotzdem keine Stärkekörner
vorhanden sind, ein Verhalten, welches sich hin und wieder auch an der cottonisirten
Faser findet.
Die lufttrockene Faser enthält 6,52 Proc. Wasser. Durch 24 Stunden bei 20° C.
in einem mit Wasserdampf gesättigten Raume aufbewahrt, steigerte sich der
Wassergehalt bis auf 18,15 Proc. Die Aschenmenge der trockenen Substanz beträgt 1,70
Proc.
3. Untersuchung des Perugummi; von
Oberlieutenant Carl Beckerhinn.
Unter dem Namen Perugummi kommt in neuester Zeit eine pulverige Substanz in den
Handel, welche angeblich durch Vermahlung einer aus Peru stammenden Wurzel
(Peruwurzel) gewonnen wird. Die weiter unten folgende mikroskopische Untersuchung
lehrt, daß man es in dem Perugummi in der That mit einem zerkleinerten Pflanzentheil
zu thun habe, und lassen die stets leicht nachweisbaren Zellreste auf ein sehr
parenchymreiches Organ, mit großer Wahrscheinlichkeit auf ein knollenförmiges Rhizom
schließen. Das Perugummi ist in die Kategorie der Pflanzenschleime zu stellen, da es
aus löslichem und quellbarem Gummi und außerdem aus größeren Mengen unveränderter
Pflanzengewebe besteht.
Mit dem Verkaufe dieses Gummi beschäftigt sich die Firma Wilhelm E. H. Baumann in Hamburg, von welcher auch die mit von Hrn.
Prof. Wiesner übergebene Substanz, welche zur
vorliegenden Untersuchung diente, herrührt. In Betreff der praktischen
Verwendbarkeit dieses Gummi ist dessen auffallend starkes Verdickungsvermögen
hervorzuheben, welches weitaus größer als jenes des Senegalgummi ist.Liecke, im polytechn. Journal Bd. CLXXXVIII S.
507.
Das Perugummi bildet ein graues, mehliges Pulver, welches einen süßlichen Geschmack
und einen eigenthümlichen milden Geruch besitzt.
Es besteht fast durchwegs aus organisirten Bestandtheilen, welche jedoch nicht, oder
doch nur zum geringen Theile kenntlich werden, wenn man das Pulver behufs
mikroskopischer Untersuchung, in Wasser präparirt, wie
dieß ja bei derartigen Untersuchungen beinahe immer geschieht. Unter Wasser
verschwinden aber die Zellen und Zellreste ganz oder zum Theile, da erstere
hauptsächlich aus in Wasser löslichen Bestandtheilen sich zusammensetzen.
Um die Structurverhältnisse der Zusammensetzungsstücke des Perugummi genau zu
erkennen, ist es nothwendig, das Pulver in eine möglichst indifferente Flüssigkeit
einzutragen. Eine solche ist Olivenöl, welches sich auch wegen der günstigen
Gestaltung der Lichtbrechungsverhältnisse der suspendirten Theilchen sehr für die
Präparation eignet. Die Hauptmenge des Pulvers besteht aus
Zellen-Bruchstücken, ferner erkennt man Bruchstücke von Gefäßen und
zahlreiche Krystalle von oxalsaurem Kalk. Letztere sind stets nudelförmig, kommen
aber häufig in fächerartigen Gruppen vor, indem sie in den Geweben ähnlich so wie in
der Krappwurzel, einzelne Zellen in Form von Bündeln dicht erfüllend,
auftreten.Ueber die Krystallbündel der Krappwurzel s. Wiesner, technische Mikroskopie, S. 84, Fig 43. Hin und wieder erkennt man in dem Pulver ganze Zellen, ja selbst kleine
Zellgewebsstücke. Die wohlerhaltenen Zellen sind Parenchymzellen. Durch genaue
vergleichende Untersuchung ist nicht zu verkennen, daß jene Zellenfragmente, welche
die Hauptmasse des Pulvers ausmachen, auf die Parenchymzellen zurückzuführen sind.
Der Form nach sind in der Drogue zu unterscheiden runde
Parenchymzellen, welche in der Peruwurzel zwischen dem Gefäßbündel und innerhalb der
Gefäßbündel lagen; platte Parenchymzellen, welche dem
Rindenparenchym des Organes angehörten und endlich langgestreckte, welche in unmittelbarer Nähe der Gefäßbündel auftraten.
Der Durchmesser der runden Zellen beträgt meist 0,78, der platten Zellen 0,65
Millim.; der Längendurchmesser der langen Zellen steigt von 0,532-1,566
Millim. Die Mehrzahl der Parenchymzellen ist dünnwandig; ein kleiner Theil,
wahrscheinlich aus der Rinde des Organes, ist dickwandig und führt einen
braungefärbten, von der Zellwand abgehobenen Inhalt. Die dünnwandigen
Parenchymzellen sind die Träger des Gummi.
Vom Gefäßbündel treten in der Drogue nur stark demolirte Fragmente auf, unter denen
Bruchstücke sechsseitig-prismatischer Gesäße mit netzförmiger (Netzgefäße),
seltener mit spiralförmiger Verdickung am deutschsten zu erkennen sind. Stärkekörner
treten nur spurenweise auf. Sie sind rund, haben etwa die Größe der kleinen Weizenstärkekörner und treten in einzelnen, dem
Gefäßbündel benachbarten Parenchymzellen auf. Diese Wahrnehmung ist vielleicht
insofern von Wichtigkeit, als Saleppulver viel Aehnlichkeit mit dem Perugummi
besitzt, und auch im chemischen Verhalten einige Uebereinstimmung zeigt, mithin
Verfälschungen der einen Substanz durch die andere vielleicht vorkommen werden. Die
Salepknolle ist aber so reich an Stärke, daß das Pulver durch Jod deutlich gebläut
wird, was schon durch das freie Auge erkennbar ist. Es ist ferner noch
erwähnenswerth, daß die das Perugummi constituirenden Gewebsreste aus völlig unverholzten Zellwänden bestehen, welche durch
schwefelsaures Anilin gar nicht gefärbt werden.
Geformte Bestandtheile des Perugummi.
Vergrößerung 300/1.
A. Gewebsfragment: α
gestreckte Parenchymzellen, β Netzgefäße.
B. a und b Zellen, a' und b' Zellwandstücke aus
dem Parenchym; i brauner körniger Inhalt. Bei α fehlt ein Stück in der Zellmembran.
C. c' Krystalle von oxalsaurem Kalk. β' Gefäßfragment.
Textabbildung Bd. 193, S. 165
Die chemische Untersuchung des Perugummi ergab folgende Zusammensetzung:
Wasser
12,72 Proc.
in Wasser lösliches Gummi
24,27 „
in Alkohol lösliche Substanzen
48,69 „
in Aether lösliche Substanzen
4,16 „
in Wasser, Alkohol und Aether
unlöslicher Rückstand
4,25 „
Asche
4,82 „
Von dem unveränderten Perugummi lösen sich in Wasser 72,54 Proc., welche aber nur zum
Theil aus Gummi bestehen. Das Gummi scheint mit dem im Traganth auftretenden
löslichen Gummi identisch zu seyn, indem es, wie dieses, durch Bleizuckerlösung
gefällt wird. In der Asche sind Kalk, Eisen, Thonerde, Magnesia, Kali, Kohlensäure,
Phosphorsäure, Kieselsäure und Chlor nachweisbar.
4. Das Gummi der Moringa pterygosperma Gaert.; von J. Wiesner und C.
Beckerhinn.
Dieses Gummi stammt von der genannten Pflanze, einer indischen Capparidee. Es wurde
von den Etablissements français dans l'Inde im J.
1867 in Paris unter dem Namen gomme de ben-ailé und zwar mit der ausdrücklichen Bemerkung
ausgestellt, daß diese industriell verwerthbare Substanz in Indien in ungemein
großen Mengen vorkomme und deßhalb um einen sehr niederen Preis in den Handel
gebracht werden könnte.Exposition universelle, Paris 1867. Catalouge des colonies franc. p. 74. Wie die nachfolgenden Mittheilungen lehren werden, besteht es der Hauptmasse
nach aus den Körpern, welche den Traganth constituiren, und kann gewiß wie die
geringen Sorten des letztgenannten Körpers verwendet werden.
Die uns vorliegenden Proben haben theils Körner-, theils Fadenform. Erstere
überwiegt. Die Stücke haben eine Länge von 2-4 Centimeter. Die Körner
besitzen eine glatte, die fadenförmigen Stücke eine der Länge nach gestreifte
Oberfläche, so daß sie im Aussehen sehr an die bekannten wurmförmigen Stücke des
Senegalgummi erinnern. Alle Stücke sind dunkel von Farbe, röthlichbraun bis
braunschwarz und nur wenig durchscheinend. Dieses Gummi bricht eben. Die frische
Bruchfläche zeigt Fettglanz, der aber bald verschwindet. Es läßt sich sehr leicht
pulvern, zeigt also weder die Sprödigkeit des arabischen, noch die Zähigkeit des
Traganthgummi. Das Pulver hat eine schmutzig graugelbliche Farbe mit einem Stich in's
Zimmtbraune. Die Härte ist erkennbar größer als die des arabischen Gummi. Die Dichte
der einzelnen Stücke ist wegen eingeschlossener Luft sehr wandelbar. Im Mikroskope
gesehen zeigt es zellige Structur; ähnlich wie dieß an allen Traganthsorten
vorkommt. Der zellige Bau dieses Gummi zeigt aber eine Deutlichkeit, wie dieß bis
jetzt noch an keiner Gummiart beobachtet wurde und liefert den Beweis, daß es
keineswegs das Secret einer Pflanze ist, sondern durch chemische Umwandlung ganzer
Gewebsmassen der Rinde, und wie eine genauere Betrachtung lehrt, des
Rindenparenchyms, entstanden ist, mithin eine ähnliche Genesis wie der Traganth
aufweist. Die Membranen der Zellen sind sehr deutlich geschichtet, umschließen aber
nicht, wie dieß bei sämmtlichen echten Traganthen der
Fall ist, Stärkekörner. Diese Eigenschaft theilt das Moringagummi mit jener geringen
Sorte des Traganths, welche als Kuteragummi bekannt ist. An letzterer hat Wigand
Pringsheim's Jahrbücher für wissenschaftliche
Botanik, 1863. das Auftreten einer Gewebestructur und den Mangel an Stärkekörnern
constatirt. Einzelne Zellen des Moringagummi umschließen einen im Mikroskope hell
braunroth erscheinenden Farbstoff, in Form einer amorphen, das ganze
Zell-Lumen erfüllenden Masse. Die inneren Schichten der Zellmembranen sind
noch ausgezeichnet erhalten und bestehen aus im Wasser quellbarem Gummi; die äußeren
setzen sich hingegen zum größten Theile aus löslichem Gummi zusammen und
verschwinden bald, wenn man den zu untersuchenden Schnitt unter Wasser bringt. Im
Polarisationsmikroskrop erscheint die Substanz völlig isotrop.
Wassergehalt
11,71 Proc.
in Alkohol lösliche Bestandtheile
8,30 „
vom Rückstande lösen sich in Aether
7,85 „
vom neuen Rückstande lösen sich in Wasser
24,85 „
in Wasser, Alkohol und Aether unlöslich
43,86 „
Asche der ursprünglichen Substanz
1,81 „
Die mit Weingeist und Aether extrahirte Substanz liefert mit Wasser eine Auflösung,
welche zum geringeren Theile aus Dextrin – einem in Natürlichen Gummiarten
nur selten vorkommenden Körper –, ferner aus einem dem arabischen Gummi
nahestehenden Körper besteht, welcher in allen seinen Eigenschaften mit jener
Gummiart übereinstimmt, die im Traganth vorkommt und wie diese durch
Bleizuckerlösung gefällt wird, ein Verhalten, welches bekanntlich arabisches Gummi
nicht zeigt. Das natürliche Moringagummi gibt mit Wasser eine braune Lösung, in
welcher Bleizucker eine fleischfarbige Fällung hervorruft. Der in Wasser, Alkohol und Aether
unlösliche Rückstand löst sich zum größten Theile in Alkalien auf, indem er der
Hauptmenge nach aus Bassorin besteht. Der in Alkalien nicht lösliche Theil besteht
aus Cellulose. Kleine Gewebsstücke, besonders Bast, seltener Rindenparenchym, haften
den Stücken häufig an.
5. Ueber den Ursprung und die Vermehrung
der Bacterien; von Dr. A. Polotebnow aus St.
Petersburg.
Die kleinen stäbchenförmigen Gebilde, welche unter dem Namen Bacterien bekannt sind
und in organische Substanzen führenden Flüssigkeiten so ungemein häufig auftreten,
bieten in mehrfacher Beziehung auch ein praktisches Interesse dar, da sie in einer
Menge von in Zersetzung begriffenen Substanzen, ferner bei einigen Gährungen (z.B.
der Buttersäuregährung) nicht nur vorhanden sind, sondern sich auch vermehren,
mithin die hierbei auftretenden chemischen Processe wenigstens zum Theile
bedingen.
Die wahre Natur der Bacterien ist bis jetzt nicht aufgeklärt worden; man ist nicht
einmal darüber in's Klare gekommen, ob sie pflanzliche oder thierische Organismen
sind. Die Zoologen haben die Bacterien mit einigen anderen ähnlichen Organismen, Vibrio und Spirillum, welche
Formen häufige Begleiter der Bacterien sind, in die Gruppe Vibrionina zusammengefaßt, die Botaniker hingegen stellten sie in die
Gruppe der Schizomyceten, in die Nähe der Oscillarien. Aber sowohl die Zoologen als
die Botaniker haben sie als eigenartige Organismen mit selbstständiger Vermehrung
aufgefaßt.
Die zahlreichen einschlägigen Experimentalversuche und mikroskopischen
Untersuchungen, welche ich angestellt habe, führten mich zu folgenden
Ergebnissen.
Zwischen den Formen der Vibrionengruppe (Bacterium, Vibrio
Spirillum) herrscht ein genetischer Zusammenhang, und bieten dieselben
keine anderen als Größen und Richtungsunterschiede dar. Die Bacterien und
selbstverständlich auch Vibrio und Spirillum sind keine eigenartigen Organismen,
sondern nur zarte Pilzfäden (Myceliumfäden), die aus den gewöhnlichen Pilzsporen,
vorzugsweise aus den Sporen des weitverbreiteten Penicillium
glaucum hervorgehen. Diese zarten Mycelien entwickeln sich auf zweierlei
Weise: entweder gehen sie aus den Sporen hervor, nachdem selbe durch Theilung runde
Zellen bildeten, welche etwa nur den vierten Theil des Durchmessers der
Penicilliumsporen messen; oder aber sie entstehen aus dem gewöhnlichen Mycelium,
indem an diesem überaus zarte Verzweigungen sich bilden.
Die Bacterien entwickeln sich aus Sporen oder gewöhnlichen Pilzmycelien unter
gewissen äußeren chemischen Bedingungen; unter Anderem in fettem Oel, in
Flüssigkeiten welche Chininsalze enthalten, unter den chemischen Bedingungen der
Buttersäuregährung u.s.w. Die Entwickelung der Batterien, Vibrionen und Spirillen
aus Penicilliumsporen läßt sich am besten verfolgen, wenn man die letzteren in
passenden Flüssigkeiten der Einwirkung hoher Temperaturen von 60-100°
C. aussetzt. Je länger diese Temperaturen auf die Sporen wirken, um so geringer ist
die Menge des sich entwickelnden normalen Myceliums, um so größer die Menge jener
zarten Mycelien, welche man früher als Bacterium u.s.w.
angesprochen hat.
Die aus den Sporen hervorgegangenen Batterien, Vibrionen und Spirillen scheinen nicht
mehr die Fähigkeit selbstständiger Fortpflanzung zu haben. Es ist, nach meinen
Versuchen, in hohem Grade wahrscheinlich geworden, daß eine Vermehrung dieser
Gebilde nur statthaben kann, wenn Pilzsporen vorhanden sind.Eine ausführliche (die experimentelle Begründung der hier aufgeführten Angabe
enthaltende) Abhandlung über meine auf Batterien sich beziehenden
Untersuchungen wird in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie der
Wissenschaften erscheinen.