Titel: | Nordamerikanischer Artillerie-Commissions-Bericht. |
Fundstelle: | Band 193, Jahrgang 1869, Nr. LXXV., S. 282 |
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LXXV.
Nordamerikanischer
Artillerie-Commissions-Bericht.
Nordamerikanischer
Artillerie-Commissions-Bericht.
Dem Senate der Vereinigten Staaten von Nordamerika sind dem Scientific American vom 12. Juni 1869 zufolge von der dortigen
Artillerie-Commission am 15. Februar 1869 folgende, aus den Resultaten der
mit schweren Geschützen angestellten Versuche
hervorgegangene Schlußfolgerungen berichtlich eingesendet worden:
1) Der Ankauf von zur Armirung von Fortificationen oder Schiffen bestimmten schweren
Geschützen muß bis zur Auffindung einer sicheren Methode haltbare Rohre herzustellen
ausgesetzt bleiben.
2) Das Rodman'sche System der Rohrdarstellung genügt für
glatte, aber nicht für gezogene schwere Rohre, welche letzteren, den neueren
Erfindungen in Defensivwerken überhaupt und der Eisenplatten-Panzerung insbesondere gegenüber,
jedoch nicht mehr entbehrt werden können. Es verringert sich die den Rodman'schen Rohren ursprünglich gegebene Spannung ihrer
Seitenwände, bei deren Gebrauch als gezogene Geschütze nämlich erfahrungsgemäß immer
mehr und verschwindet mit der Zeit sogar gänzlich.
3) Massiv gegossene Dahlgren-Rohre, als glattes
Geschütz verwendet vorzüglich haltbar, genügen als gezogenes Geschütz ebenwohl
nicht, so daß es den Anschein hat, als ob diese Art des Gusses im Princip unrichtig
sey und solchergestalt zu Tensionen des Rohrmateriales führe, welche die Zerreißung
desselben durch die Pulverkraft begünstigen.
4) Es müssen Versuche angestellt werden, um den eigentlichen Grund des Zerspringens
der Rohre und hierauf gestützt eine Methode ihrer durchaus zuverlässigen Herstellung
aufzufinden.
5) Den Erfindern muß Aufmunterung, sowie namentlich voll und ehrlich die Möglichkeit
des Versuches ihrer dem Gouvernement gemachten Vorschläge, wenn sie zur Lösung
dieses artilleristischen Problemes beizutragen versprechen, gegeben werden.
6) Die Hafenvertheidigung ist auf bessere Mittel zu basiren. Der letzte Krieg hat
dargethan, daß Sand das beste Baumaterial für Defensiv-Werke ist, Mauerwerk
aber den Panzer- und selbst Holzschiffen gegenüber nicht mehr ausreicht und
endlich auch Forts überhaupt, für sich allein bestehend, das Vorgehen gut armirter
Schiffe nicht wirksam zu hindern vermögen, hierzu unter allen Umständen auch noch
Fahrwasser-Sperrungen gehören, welche in richtiger Beziehung zu eigens mit
Bezug auf sie construirten Fortificationen stehen.
7) Keinem Officier der Armee oder der Flotte darf es gestattet seyn, Patente auf
Erfordernisse des öffentlichen Dienstes zu nehmen oder sich an deren Herstellung
durch Privatunternehmungen zu betheiligen; der Congreß dagegen hat die Pflicht alle
Officiere, welche dem Gouvernement eigene Erfindungen von Werth vorlegen, in
angemessener Weise zu belohnen.
8) Das Artillerie-Departement der Armee kann mit großen ökonomischen
Vortheilen und ohne jeden Schaden für den Dienst eingehen. Von der Artillerie
abcommandirte Officiere des Landheeres und der Marine zu Washington, unter einem
Chef vereinigt, können alle Dienstfunctionen dieser Behörde versehen, ohne dabei
ebenso viele Kosten zu verursachen und hierbei auch wissenschaftliche Ausbildung mit
praktischer Erfahrung vereinigen, welche letztere für die richtige Auswahl von
Geschütz und Munition unentbehrlich ist.
Ein gänzlicher Wechsel in dem System der Beschaffung neuer Geschütze und Artillerie-Vorräthe,
sowie der Anstellung von darauf bezüglichen Versuchen und der Beurtheilung von deren
Wichtigkeit, erscheint der Commission im Interesse des öffentlichen Dienstes jetzt
um so dringender geboten, als das betreffende bisherige System sich offenbar der ihm
gestellten Aufgabe, die öffentlichen Gelder nach den Grundsätzen der Wissenschaft zu
verwenden und dadurch den Fehlern des bisherigen Geschützwesens abzuhelfen, nicht
gewachsen gezeigt hat. Es steht für die langen Küstenstrecken der Vereinigten
Staaten und für deren bedeutende Marine gegenwärtig sogar noch kein einziges
gezogenes Geschütz schweren Kalibers zur Disposition und doch sollen zur Armirung
der Forts schon wieder etwa 1900 Geschützrohre angekauft werden, von denen über 1100
glatte Geschütze größerer Kaliber, nämlich 85 zwanzig-, 490 fünfzehn-
und 600 dreizehnzöllige Rohre dieser Art seyn sollen, während doch die Erfahrung
aller Nationen bereits dargethan hat, daß der richtige Weg zur wirksamsten
Entwickelung artilleristischer Kraft auf dem Gebiete des gezogenen Geschützes liegt,
in dem Fortschleudern schwerer sphärischer, durch glattes Geschütz mit nur geringer
Anfangsgeschwindigkeit versehener Massen aber nur ein Rückschritt um etwa zwei
Jahrhunderte gesunden werden kann, da solche, nur sehr langsam zu bedienende
Geschütze die Wirksamkeit des rascheren Feuers der verhältnißmäßig leichteren
gezogenen Geschütze nicht zu erreichen vermögen; ferner begreift obige
Anschaffungszahl auch noch 200 zwölfzöllige und 610 zehnzöllige gezogene Rodman-Geschütze in sich, obgleich bisher
sämmtliche in der Land- und Seearmee mit zwölfzölligen Geschützen dieser Art
angestellte Versuche ungünstig ausgefallen waren, zehnzöllige gezogene Geschütze
außer den Parrot'schen, welche beide Artilleriezweige
verworfen haben, aber in den Vereinigten Staaten noch niemals zum Versuche gekommen
sind.
Eine Aussicht auf Verbesserung des Geschützwesens ist bei gegenwärtiger
Zusammensetzung der Artillerie Bureaus also durchaus nicht vorhanden und erscheint
es der Commission daher als ihre Pflicht, den Vorschlag zu machen, daß fernerhin zur
unparteiischen Versuchsführung bei Prüfung der Waffen, sowie zur Wahrung der
öffentlichen Interessen bei Auswahl und Ankauf derselben, eine aus höheren
Officieren der Land- und Seemacht bestehende Artillerie-Commission
bestimmt werde, deren Mitglieder der Bedingung entsprechen müssen, daß sie in
keinerlei Weise persönlich an den betreffenden Patenten oder Erfindungen betheiligt
sind.
Rendsburg, im Juli 1669.
Darapsky.