Titel: | Ueber künstliches Alizarin; von C. Gräbe und C. Liebermann. |
Fundstelle: | Band 193, Jahrgang 1869, Nr. LXXXVI., S. 321 |
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LXXXVI.
Ueber künstliches Alizarin; von C. Gräbe und C. Liebermann.
Aus den Berichten der deutschen chemischen
Gesellschaft zu Berlin, 1869, Nr. 12.
Gräbe, und Liebermann über künstliches Alizarin.
Nachdem der Inhalt unseres französischen Patentes in die Oeffentlichkeit gedrungen
ist,Mitgetheilt in diesem Bande des polytechn.
Journals S. 140 (zweites Juliheft). glauben wir nicht mehr zögern zu dürfen, der chemischen Gesellschaft unser
Verfahren, Alizarin aus Anthracen zu gewinnen, mitzutheilen und dadurch unsere kurze
Notiz vom 11. Januar d. J.Polytechn. Journal Bd. CXCI S. 342. zu ergänzen. Wir werden dasselbe im Folgenden nur in allgemeinen Zügen
darlegen, indem wir die experimentellen Details und die Analysen für eine in Kürze
erscheinende ausführliche Abhandlung über Anthracen und Alizarin reserviren.
Durch die Reduction des Alizarins zu Anthracen und die theoretische Ansicht, daß das
erstere eine Chinonsäure, wie Chloranilsäure und Chlornaphtalinsäure sey, hatte die
Aufgabe, Alizarin künstlich darzustellen, eine ganz bestimmte Form erhalten und
konnte mit größerer Aussicht auf Erfolg als früher in Angriff genommen werden. Wie
ein Blick auf folgende Formeln
C¹⁴H¹⁰
C¹⁴H⁶
(O²)„(OH)²
Anthracen
Alizarin
zeigt, handelte es sich darum, in das Anthracen, an Stelle zweier Wasserstoffatome,
die für die Chinone charakteristische Gruppe (O²)'' einzuführen und noch zwei
andere Atome Wasserstoff durch zwei Hydroxyle zu ersetzen. Anderson hat durch Oxydation mit Salpetersäure aus Anthracen eine von ihm
Oxanthracen genannte Verbindung erhalten, die unserer Ansicht nach, wie schon früher
mitgetheilt, als das Chinon des Anthracens (Anthrachinon)
C¹⁴H⁸(O²)'' anzusehen ist. Dasselbe entsteht auch durch
andere Oxydationsmittel, wie chromsaures Kali und Schwefelsäure oder Essigsäure. Wir
suchten nun in dieses Anthrachinon zwei Atome Chlor oder Brom einzuführen, um so zu
den beiden noch fehlenden Hydroxylgruppen zu gelangen. Chlor wirkt nur sehr
schwierig auf dasselbe ein; durch Brom aber gelingt die Substitution beim Erwärmen
auf 100°C. Erhitzt man Anthrachinon mit vier Atomen Brom in einer
zugeschmolzenen Röhre mehrere Stunden im Wasserbade, so verwandelt es sich in
Bibromanthrachinon, während gleichzeitig Bromwasserstoff frei wird, der beim Oeffnen
der Röhre entweicht.
C¹⁴H⁸(O²)'' + 4 Br =
C¹⁴H⁶Br²(O²)'' + 2 Br H
Das Bibromanthrachinon, welches durch Umkrystallisiren aus Benzol oder durch
Sublimation in hellgelben Nadeln erhalten wird, zeichnet sich durch seine
Beständigkeit aus. Beim Erhitzen mit ganz concentrirter Kalilauge tritt erst bei
ungefähr 170° Einwirkung ein, wobei die Masse eine dunkelblaue Farbe annimmt.
Dieselbe löst sich alsdann in Wasser mit der bekannten schönen violetten Färbung des
alizarinsauren Kalis. Auf Zusatz einer Säure wird aus dieser Lösung das Alizarin in
rothbraunen Flocken gefällt. Folgende Gleichung veranschaulicht die Entstehung des
Kalisalzes von Alizarin aus Bibromanthrachinon:
C¹⁴H⁶Br(O²)'' + 4 KHO =
C¹⁴H⁶(OK)²(O²)'' + 2 KBr + 2 H²O
Nachdem es uns gelungen war, nach der oben beschriebenen Methode Bibromanthrachinon
zu erhalten und in Alizarin überzuführen, fanden wir noch einen zweiten Weg das
erstere darzustellen.
Wie wir schon früher mitgetheilt haben, wird Bibromanthracen durch Erhitzen mit
Salpetersäure nach folgender Gleichung in Anthrachinon verwandelt:
C¹⁴H⁸Br² + 2 NHO³ =
C¹⁴H⁸(O²)'' + 2 Br + 2 NHO²
Wir vermutheten daher, daß man aus dem Tetrabromanthracen auf dieselbe Weise
Bibromanthrachinon erhalten würde. Als Tetrabromanthracen
C¹⁴H⁶Br⁴ muß die von Anderson
als C¹⁴H⁸Br⁴ beschriebene Verbindung angesehen werden,
wie auf das Bestimmteste aus unseren Analysen hervorgeht. Man erhält dasselbe auf
einem indirecten Weg aus Anthracen, indem man zuerst nach Anderson's Angaben Brom in Dampfform und in der Kälte auf Anthracen einwirken
läßt, bis kein Brom mehr aufgenommen wird. Es wird hierbei
Bibromanthracentetrabromid C¹⁴H⁸Br², Br⁴ und
nicht Anthracenhexabromid C¹⁴H¹⁰Br⁶, wie Anderson annahm, erhalten:
C¹⁴H¹⁰ + 8 Br =
C¹⁴H⁸Br², Br⁴ + 2BrH
Diese Verbindung, die durch gleichzeitige Substitution und Addition entsteht, wird
durch alkoholische Kalilauge auf den Anthracentypus zurückgeführt, indem
Tetrabromanthracen gebildet wird:
C¹⁴H⁸Br², Br⁴ + KHO =
C¹⁴H⁸Br⁴ + 2KBr + 2H²O
Durch Oxydation mit Salpetersäure wird, wie wir vermutheten, dieses
Tetrabromanthracen in Bibromanthrachinon verwandelt, welches wie das aus dem
Anthrachinon dargestellte durch Erhitzen mit Kali in Alizarin übergeht:
C¹⁴H⁶Br⁴ + 2 NHO³ =
C¹⁴H⁶Br²(O²)'' + Br² + NHO²
Wir haben dieselbe Reaction auch mit Chlor verwirklicht, indem wir letzteres bei
150° auf Anthracen einwirken ließen und die gebildete Verbindung mit
alkoholischer Kalilauge behandelten. Wir bekamen so Tetrachloranthracen, aus dem mit
Salpetersäure zuerst Bichloranthrachinon und dann aus diesem durch Erhitzen mit Kali
Alizarin erhalten wurde. Im Allgemeinen verliefen aber die Reactionen mit Chlor
weniger gut wie mit Brom.
Schon in unserer ersten Notiz haben wir darauf hingewiesen, daß wir keine
Verschiedenheiten zwischen natürlichem und künstlichem Alizarin aufgefunden haben,
daß die so sehr charakteristischen Färbungen, die durch beide auf mit Thonerde und
Eisen gebeizter Baumwolle entstehen, vollkommen identisch sind. Wir glauben es daher
mit ein und demselben chemischen Individuum und nicht mit isomeren Verbindungen zu
thun zu haben, von denen eine außerordentlich große Zahl denkbar ist und wovon in
der Chrysophansäure, wie wir nachgewiesen, schon ein Beispiel vorliegt.
Zum Schluß wollen wir noch darauf hinweisen, daß unsere Darstellung des Alizarins das
erste Beispiel der künstlichen Bildung eines im Pflanzenreich vorkommenden
Farbstoffes ist.
vorkommen, wo dieses Schwefelmetall in Berührung mit der Haut oder mit
Nahrungsmitteln (wenn ein Leinenzeug als Filter etc. angewendet wird) lösliche und
daher für die Gesundheit schädliche Quecksilberverbindungen erzeugen kann.
Schließlich muß ich bemerken, daß das Schwefelquecksilber bereits als Farbstoff für
Gewebe angewendet worden ist; Hr. Sacc
Polytechn. Journal, 1858, Bd. CXLVII S. 216. hat durch Aufdrucken unterschwefligsaurer Metalloxyde auf Gewebe und
nachherige Zersetzung dieser Salze mittelst Dämpfens der Gewebe verschiedene
Druckfarben erzeugt, namentlich Schwarz und Grau mittelst unterschwefligsauren
Quecksilberoxyds.