Titel: | Ueber die optische Milchprobe; von Professor Heeren. |
Fundstelle: | Band 193, Jahrgang 1869, Nr. CIV., S. 396 |
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CIV.
Ueber die optische Milchprobe; von Professor Heeren.
Aus den Mittheilungen des hannoverschen
Gewerbevereines, 1869 S. 156.
Heeren, über die optische Milchprobe.
Die Undurchsichtigkeit oder Trübung der Milch hat ihren Grund lediglich in dem
Butterfette, welches in Gestalt außerordentlich kleiner Kügelchen in einer klaren
Flüssigkeit schwimmt. Unter dem Mikroskop betrachtet erscheinen die Zwischenräume
zwischen den Kügelchen vollkommen wasserklar, zum Beweise, daß die übrigen
Bestandtheile, Käsestoff, Milchzucker u.a. an der Trübung keinen Antheil nehmen. Die
Größe der Kügelchen ist sehr verschieden und schwankt zwischen 1/600 und 1/100
Millimeter, doch dürfte die Mehrzahl etwa 1/300 Millimeter im Durchmesser haben.
Darnach berechnet sich die Zahl der auf 1 Milligramm gehenden Kügelchen auf etwa 50
Millionen. Da sich nun das Gewicht eines Tropfens Milch auf etwa 75 Milligramme
stellt, ein Tropfen aber bei einem mittleren Fettgehalt der Milch von 4 Proc., 3
Milligramme Fett enthält, so kommt auf 1 Tropfen Milch die ungeheure Menge von 150
Millionen Fettkügelchen.
Das allein sichere und genaue Verfahren zur Bestimmung des Fettgehaltes der Milch
besteht in der chemischen Analyse, indem man eine gewogene Menge der Milch zur
Trockne verdampft und aus dem trockenen Rückstande das Fett mittelst Aether
auszieht, um, nach der Verdampfung des Aethers das zurückbleibende Butterfett zu
wägen. Da aber eine solche Untersuchung die geübte Hand und die Hülfsmittel eines
Chemikers, auch viel Zeit beansprucht, so sind verschiedene andere abgekürzte, auch
dem Nichtchemiker zugängliche Methoden empfohlen und auch in Anwendung gekommen.
Zu diesen gehört zuvörderst das Chevallier'sche
Crêmometer, ein Glascylinder, durch eine daran angebrachte Scale in 100
Theile getheilt.
Man füllt ihn bis an den obersten Theilstrich mit der zu prüfenden Milch, läßt ihn 24
Stunden ruhig stehen und schließt von der Dicke der Rahmschicht, die man an der
Scale nach Procenten bestimmt, auf den Fettgehalt der Milch. Als mittlere
Durchschnittszahl kann man für gute nicht abgerahmte Milch etwa 10 Raumprocente Rahm
annehmen, doch steigt er nicht selten auf 12 Proc. und noch darüber. – Auf
eine irgend genaue Fettbestimmung kann dieses Verfahren schon aus dem Grunde keinen
Anspruch machen, weil sich immer nur ein Theil des Fettes als Rahm zur Oberfläche
begibt, ein anderer Theil aber selbst bei längerem Stehen in der Milch verbleibt,
das Verhältniß dieser Theile zu einander aber je nach der Concentration der Milch,
nach der Temperatur und anderen zufälligen Einflüssen Aenderungen unterliegt, wie
auch die weiter unten von mit aufgeführten vier genauen Fettbestimmungen darthun,
bei deren erster sich der Fettgehalt von 3,16 Procent durch das Abrahmen auf 0,701,
also im Verhältniß von 100 zu 22,1 verminderte, oder, mit anderen Worten, wo sich
77,9 Proc. des ganzen Fettgehaltes als Rahm absonderten, während bei der zweiten
sich 66 Proc., bei der dritten 94,7, bei der vierten 63 Proc. als Rahm abschieden.
Auch die mehr oder weniger lockere oder dichte Beschaffenheit des Rahmes läßt eine
genaue Beurtheilung seiner Menge aus dem Volumen keineswegs zu. Noth eine
Unbequemlichkeit des Crêmometers liegt eben darin, daß die Prüfung einen
Zeitraum von mindestens 24 Stunden beansprucht. Daß die crêmometrische
Methode sich solchen praktischen Zwecken, bei welchen es sich um die Rahm-
oder Buttergewinnung handelt, trefflich anschließt, ist nicht zu verkennen, weil
sich die Absicht hier nicht auf die wirklich vorhandene, sondern nur auf die als
Rahm gewinnbare Fettmenge richtet. Wo dagegen die Milch für die gewöhnlichen Zwecke
des Haushaltes bestimmt ist, muß es wünschenswerth erscheinen, beim Bezuge der Milch
von Milchhandlungen den Grad ihrer Fettigkeit oder Magerkeit überhaupt, also den
gesammten Fettgehalt kennen zu lernen.
Die angeführte, mit dem Crêmometer verbundene Unsicherheit und
Unbequemlichkeit gab Veranlassung zur Erfindung der optischen
Milchprobe, welche den Fettgehalt der Milch nach dem Grade ihrer
Undurchsichtigkeit beurtheilt. Das erste derartige Instrument war das 1843 von Donné erfundene Lactoskop.Polytechn. Journal Bd. XC S. 303. Dasselbe besteht aus zwei kleinen, in messingenen Fassungen befestigten
Glasscheiben, die sich beliebig einander nähern oder von einander entfernen lassen,
zu welchem Ende sich die eine Fassung in die andere hineinschrauben läßt. Man bringt
eine Probe der Milch
zwischen die Scheiben, hält das Instrument vor das eine Auge und blickt durch die
Milch hindurch nach einer etwa 3 Fuß entfernten, vor einem ganz dunkeln Hintergrunde
brennenden Kerzenflamme. Indem man durch Drehung die bewegliche Scheibe von der
anderen entfernt, und dadurch die Dicke der Milchschicht langsam vergrößert, kommt
man auf einen Punkt, wo die Flamme nur mit Anstrengung noch eben schwach erkennbar
ist. Die Entfernung der Gläser ergibt sich aus einer an der einen Fassung
angebrachten Theilung in 50 Theile, deren jeder einer Entfernung der Gläser von
1/100 Millimeter entspricht. Je fettreicher die Milch, um so undurchsichtiger ist
sie, um so geringer mithin die Entfernung der Gläser. Professor Kopp in Neufchâtel, welcher sich in einem Briefe
an Goppelsröder
Man s. die sehr ausführliche Arbeit des Hrn. Dr.
Goppelsröder über seine zahlreichen
Milch-Untersuchungen in den Verhandlungen der naturforschenden
Gesellschaft in Basel vom Jahre 1868. sehr günstig über das Donné'sche Lactoskop
ausspricht, gibt an, daß
der
30.
bis
25.
Grad
des
Instrumentes
einer Milch mit 10 bis 15 Proc.
Rahm,
„
35.
„
30.
„
„
„
einer Milch mit 5 bis 10 Proc.
Rahm,
„
40.
„
35.
„
„
„
einer Milch mit 5
Proc. entspreche.
Er führt folgende 7 Versuche an:
Rahmprocente
Grade amLactoskop
I.
abgerahmte und mit Wasser verdünnte Milch
4
42
II.III.IV.V.
theilweise abgerahmte Milch
7793
35352850
VI.
gute Milch
9
23
VII.
künstliche Milch aus Wasser und Rahm
1
125
Leider gestatten diese Versuche keinen Schluß auf die Sicherheit des Donné'schen Verfahrens, weil es nur mit den etwas
unsicheren Angaben des Crêmometers, nicht mit Resultaten einer chemisch
genauen Fettbestimmung verglichen wurde.
Dieselbe Idee liegt dem später von Alfred Vogel
construirten, und in einer 1862 in Erlangen bei Enke
herausgekommenen Broschüre beschriebenen Galaktoskope
Ueber dasselbe wurde im polytechn. Journal Bd. CLXVII S. 62 und Bd. CLXVIII
S. 226 berichtet. zu Grunde, welches durch Einfachheit, sowie nicht minder durch größere Genauigkeit der Angaben
als eine wirkliche Verbesserung des Donné'schen
bezeichnet zu werden verdient. Zwei kleine halbrunde Glasplatten sind in genau 1/2
Centimeter Entfernung von einander (die runde Seite nach unten) in eine oben offene
Messingfassung wasserdicht eingekittet. In einem besonderen Glase werden durch
Füllung bis zu einer Marke 100 Kubikcentimeter Wasser abgemessen, worauf man aus
einer kleinen Pipette abgemessene Mengen Milch zu dem Wasser gibt und von dieser
Mischung etwas zwischen die Glasplatten gießt, um gerade so, wie bei dem Donné'schen Instrumente die Undurchsichtigkeit zu
prüfen. Zeigt sich die Undurchsichtigkeit noch nicht genügend, so gibt man den
Inhalt des Instrumentes zu der übrigen Flüssigkeit in das Maaßglas zurück, setzt
noch mehr Milch hinzu und fährt mit diesem allmählichen Milchzusatz bis zum Eintritt
der erforderlichen Undurchsichtigkeit fort. Zwar verursacht dieses öftere Umgießen
und wiederholte Milchzusetzen einigen Zeitaufwand, dennoch läßt sich bei einiger
Uebung eine solche Probe in wenigen Minuten ausführen. Je größer der Fettgehalt der
Milch, um so weniger wird man zuzusetzen haben, und umgekehrt. Um nun nach dieser
optischen Probe den Fettgehalt der Milch zu finden, sind von Vogel zwei verschiedene Milche sehr genau durch chemische Analyse auf
ihren Fettgehalt untersucht und zugleich der optischen Probe unterzogen worden, nach
welchen Resultaten dann vom Prof. Seidel eine
Formel,Die Seidel'sche Formel lautet x = 23,2/m + 0,23,
worin m die Anzahl der verbrauchten
Kubikcentimeter Milch bedeutet. und nach dieser wieder von Vogel eine
TabelleNach der Seidel'schen Formel berechnet: 1KubikcentimeterMilchentsprechen23,43ProcentFett 1,5„„„15,46„„ 2„„„11,83„„ 2,5„„„9,51„„ 3„„„7,96„„ 3,5„„„6,86„„ 4„„„6,03„„ 4,5„„„5,38„„ 5„„„4,87„„ 5,5„„„4,45„„ 6„„„4,09„„ 6,5„„„3,80„„ 7„„„3,54„„ 7,5„„„3,32„„ 8„„„3,13„„ 8,5„„„2,96„„ 9KubikcentimeterMilchentsprechen2,80ProcentFett 9,5„„„2,77„„ 10„„„2,55„„ 11„„„2,33„„ 12„„„2,16„„ 13„„„2,01„„ 14„„„1,88„„ 15„„„1,78„„ 16„„„1,68„„ 17„„„1,60„„ 18„„„1,52„„ 19„„„1,45„„ 20„„„1,39„„ 22„„„1,28„„ 24„„„1,19„„ 26„„„1,12„„ 28„„„1,06„„ 30„„„1,00„„ 35„„„0,89„„ 40„„„0,81„„ 45„„„0,74„„ 50„„„0,69„„ 55„„„0,64„„ 60„„„0,61„„ 70„„„0,56„„ 80„„„0,52„„ 90„„„0,48„„100„„„0,46„„ berechnet ist, welche für Milchzusätze von 1 bis 100 Kubikcentimeter den
zugehörigen Procentgehalt der Milch angibt.
Eine später von Feser in einer Broschüre „Werth
der bestehenden Milchproben,“ München 1866, beschriebene Abänderung
des Vogel'schen Galaktoskops, bei welcher die Mischung
des Wassers mit der Milch in dem Instrumente selbst vorgenommen wird, bietet zwar
den Vortheil größerer Schnelligkeit, weil das häufige Umgießen wegfällt, aber, wie
ich fürchte, auf Kosten der Genauigkeit, da das Abmessen so sehr kleiner Mengen
leicht einige Unsicherheit herbeiführt. Mit Recht bemerkt Feser, daß die Beobachtungen mit dem Galaktoskop, um recht genau
auszufallen, bei völliger Dunkelheit des Locales, abgesehen natürlich von der
brennenden Kerze, gemacht werden sollten.
Es ist nun der Zweck meiner vorliegenden kleinen Arbeit, auf einen, schon a priori gegen die optische Probe überhaupt zu machenden
Einwurf hinzuweisen, welcher, so weit die mit zugängliche Literatur reicht, bisher
ganz übersehen wurde und sich doch durch angestellte Gegenversuche völlig bestätigt
hat; nämlich die Abhängigkeit des Grades der
Undurchsichtigkeit der Milch von der Größe der Fettkügelchen.
Denken wir uns zwei Kugeln von verschiedener Größe, die eine z.B. von dem zweifachen
Durchmesser der anderen, so werden sich ihre Querschnitte oder Kreisflächen wie die
Quadrate der Durchmesser verhalten, also in diesem Falle wie 4 : 1.
Es sind nun aber auch die Querschnitte, welche die Größe der von ihnen aufgefangenen
Lichtkegel bedingen, so daß mithin die größere Kugel eine viermal größere Lichtmenge
absorbirt als die kleinere. Nun aber stehen die körperlichen Inhalte, folglich auch
die Gewichte im kubischen Verhältniß der Durchmesser, so daß in unserem Falle die
größere Kugel das 8fache Gewicht von jenem der kleineren besitzt. Die 8mal schwerere
Kugel wird also nicht auch die achtfache, sondern nur die vierfache Lichtmenge, also
im Verhältniß zu ihrem Gewichte nur halb so viel Licht absorbiren als die kleine.
Verhielten sich die Durchmesser wie 3: 1, so würden sich die aufgefangenen
Lichtmengen wie 1: 3 verhalten. Die absorbirten Lichtmengen stehen somit im
umgekehrten Verhältnisse der Durchmesser, und eine gewisse Menge Fett in Gestalt
kleiner Kugeln wird größere Undurchsichtigkeit herbeiführen, als die gleiche Menge
in Gestalt großer Kugeln. – Eine ähnliche Beziehung zwischen körperlichen
Inhalt und Querschnitt macht sich geltend bei der Absonderung des Rahmes, wo die
größeren Kügelchen sich schneller aufwärts bewegen als die kleineren, weil sich die
Steigkraft nach dem Gewichte oder dem körperlichen Inhalte, der Widerstand aber, den
sie durch die Flüssigkeit erleiden, nach der Größe des cylindrischen Raumes, den sie
beim Aufsteigen durchlaufen, oder nach dem Querschnitte richtet, oder, mit anderen
Worten, weil größere Körper im Verhältnisse zu ihrem Gewichte weniger Widerstand
erleiden als kleinere. Ein Blick durch das Mikroskop zeigt in der That beim Rahm
einen größeren mittleren Durchmesser der Fettkügelchen als bei abgerahmter Milch,
denn bei ersterem hat die vorherrschende Mehrzahl der Kügelchen einen Durchmesser
von 1/300 Millimet., während auch viele einen zwei- bis dreimal größeren
Durchmesser besitzen, wogegen die abgerahmte Milch vorzugsweise kleine Kügelchen von
1/400 bis 1/600 Millimet., obwohl auch manche von 1/300 bis selbst 1/200 Millimet.
enthält. Daß sich auch im Rahm eine nicht unbeträchtliche Menge sehr kleiner
Fettkügelchen vorfindet, mag daher rühren, daß sie von den größeren mechanisch mit
fortgerissen werden. Schwerer erklärlich erscheint mit das Vorkommen von einzelnen
großen Fettkörperchen in der abgerahmten Milch. Man könnte diese Trägheit der sie
umgebenden und beschwerenden membranösen Hülle zuschreiben, wenn nicht die weiter
unten folgenden Versuche gezeigt hätten, daß das specifische Gewicht der im Rahm
enthaltenen Fettkügelchen mit jenem des reinen Butterfettes übereinstimmt, daß also
diese Hülle, wenn sie überhaupt existirt, von so außerordentlich geringer Dicke seyn
muß, daß sie das specifische Gewicht der Körperchen nicht in bemerkbarem Grade zu
erhöhen vermag. Es bleibt hier nur die Vermuthung, daß jene trotz ihrer Größe nicht aufgestiegenen
Fettkörperchen eine ungewöhnlich dicke Hülle besitzen. Ob übrigens bei sehr langem
Stehen sich schließlich doch noch alle Kügelchen zur Oberfläche begeben und die
übrige Milch als klare Flüssigkeit zurücklassen würden, ist des Sauerwerdens wegen
schwer zu entscheiden. Nach Berzelius soll Milch bei
einer nicht über + 3° C. und nicht unter 0° gehenden Temperatur eine
Woche lang stehen gelassen, zwar den größten Theil der emulsiven Theile als Rahm
abscheiden, aber doch immer noch einen Theil zurückbehalten. Sollte nicht Milch, im
Vacuum aufbewahrt, sich längere Zeit conserviren und endlich klären? Auch eine
andere räthselhafte Erscheinung, daß sich der Rahm in einer von der übrigen Milch
ziemlich scharf begrenzten Schicht absondert, sieht bis jetzt noch einer begründeten
Erklärung entgegen.
Mag dem nun seyn wie ihm wolle, so wird dadurch die Thatsache, daß sich im Rahm
vorherrschend die größeren Kügelchen abscheiden, nicht alterirt und es folgt nun aus
den vorhin entwickelten Gründen, daß eine abgerahmte, folglich die kleineren
Kügelchen enthaltende Milch undurchsichtiger erscheinen muß, als sie, dem geringen
Fettgehalte nach zu urtheilen, erscheinen müßte, daß mithin die optische Milchprobe
bei Untersuchung von abgerahmter Milch keine richtigen Resultate liefern könne.
Bei den folgenden 4 Milchproben wurden zum Zwecke der chemischen Fettbestimmung jedesmal 40 Gramme der zu untersuchenden Milch
mit ungefähr 25 Grammen reinen Quarzsandes in einer Porzellancasserole unter stetem
Rühren auf dem Dampfbade zur Trockne gebracht; die trockene Masse wurde dann nach
dem Erkalten mit reinem absolutem Aether übergossen und mit einem Pistill eine Weile
gerieben, worauf dann der Aether auf ein kleines Filtrum gegeben und in ein vorher
taxirtes leichtes Bechergläschen filtrirt wurde. Dann übergoß man den Sand mit einem
neuen, dem seinigen etwa gleichen Volumen Aether rieb wieder, u.s.f., bis endlich
nach 20maliger Behandlung der Aether, in einem besonderen Gläschen aufgefangen und
verdampft, kaum eine erkennbare Spur von Fett zurückließ. Jedesmal nach Beendigung
von drei Decantationen wurde der Aether im Wasserbade unter Aufblasen eines
Luftstromes, um das Kochen zu verhindern, verdampft. Das schließlich verbleibende
Butterfett wurde etwas über 100° C. erhitzt, um etwa vorhandene Spuren von
Wasser zu verjagen, und gewogen.
Mag immerhin dieses Verfahren mühsamer und zeitraubender seyn, als andere, namentlich
jenes von Eisenstuck (Journal für praktische Chemie, Bd.
LXXXVI S. 380) und von Storch (Zeitschrift für analytische Chemie, 1868 S. 68)
empfohlene, auch einen viel größeren Aufwand an Aether verlangen, so bietet es
jedenfalls da, wo es sich um besonders scharfe Bestimmungen handelt, eine größere
Garantie der vollständigen Extraction des Fettes, weil durch das oft wiederholte
Reiben (wozu sich eben eine Casserole ihrer Form wegen vorzüglich eignet, während
zugleich der Schnabel das Abgießen des Aethers ohne Verlust ermöglicht) der hart
eingetrocknete Rückstand, welcher leicht eingeschlossene Fetttheilchen enthalten
kann, fein zerrieben und so vollständig aufgeschlossen wird.
Die vier, mit scrupulösester Sorgfalt von mit ausgeführten Versuche waren nun die
folgenden:
I. Reine Milch von einer ziemlich frisch milchenden Kuh, in meiner Gegenwart
gemolken, zeigte bei 14° R. ein spec. Gewicht von 1,0316. Die chemische
Prüfung ergab einen Fettgehalt von 3,160 Proc. Mit einem von dem Mechaniker Greiner in München bezogenen Vogel'schen Galaktoskop geprüft, wurden 8 Kubikcentimeter Milch
verbraucht, entsprechend nach der Tabelle 3,14 Proc. Die Milch wurde in zwei Theile
getheilt, diese 24 Stunden lang im Keller aufbewahrt und von dem einen Theil die
Milch mittelst des Hebers unter dem Rahm weggenommen. Diese abgerahmte Milch zeigte
bei 14° R. 1,0343 spec. Gew., und gab bei der chemischen Prüfung 0,701 Proc.;
bei der optischen 22 K. C., entsprechend 1,28 Proc. Nun wurde die zweite nicht abgerahmte Portion durch sanftes Hinundherbewegen
gleichförmig gemischt, auf ihr spec. Gew. untersucht, welches sich genau so, wie
Tages zuvor = 1,0316 zeigte, und sodann durch Zusatz von Wasser auf das
4,508-fache Gewicht verdünnt, wodurch ihr Fettgehalt jenem der abgerahmten
Milch gleich wurde. Diese verdünnte Milch von 0,701 Proc. Fettgehalt zeigte bei der
optischen Prüfung 0,690 Proc.
II. Milch, nicht in meiner Gegenwart gemolken, sollte aber nach Angabe des Verkäufers
noch intact seyn. Specifisches Gewicht = 1,0270. Fettgehalt chemisch bestimmt =
5,018; optisch 5,61 Proc. Abgerahmt spec. Gew. = 1,0312, Fettgehalt chemisch 1,670,
optisch 2,8 Proc. Die ungerahmte Milch durch Verdünnung auf gleichen Fettgehalt mit
der abgerahmten gebracht, ergab optisch 14 K. C., entsprechend 1,88 Proc.
III. Milch, aus einer Milchhandlung bezogen, wahrscheinlich etwas abgerahmt. Spec.
Gew. = 1,0265; Fettgehalt chemisch 4,225; optisch 5,0. Abgerahmt spec. Gew. =
1,0312; Fettgehalt chemisch 0,225; optisch 1,0. Die ungerahmte Portion auf einen
Fettgehalt von 0,225 verdünnt, also jetzt mit der abgerahmten von gleichem
Fettgehalt gab optisch über 200 K. C.
IV. Milch aus einer anderen Handlung, ohne Zweifel theilweise gerahmt. Specifisches
Gewicht = 1,0260. Fettgehalt chemisch 2,312, optisch 3,2 Proc. Abgerahmt specifisches Gewicht = 1,0280;
Fettgehalt chemisch 0,850; optisch 1,66 Proc. Die ungerahmte Milch durch Verdünnen
auf den Fettgehalt der abgerahmten gebracht, zeigte optisch 24 K. C., entsprechend
1,19 Proc.
Ein Blick auf diese Zahlen liefert zunächst einen Beweis für die wirklich
überraschende Genauigkeit der optischen Prüfung, so lange man mit ganzer, intacter
Milch zu thun hat, denn die Abweichung der chemischen und optischen Bestimmung in
Nr. I, 3,16 und 3,14 ist gewiß kleiner, als man bei Beobachtungen erwarten sollte,
wobei das allmähliche Verschwinden der Sichtbarkeit einer Kerzenflamme als Maaßstab
dient. – In Nr. II ist die Uebereinstimmung 5,018 und 5,61, oder 100: 112
schon geringer, aber auch die Möglichkeit, daß die Milch trotz der Angabe des
Verkäufers einen kleinen Zusatz abgerahmter Milch erhalten hatte, keinesweges
ausgeschlossen. In Nr. III und IV, wo sich zwischen der chemischen und optischen
Prüfung bedeutendere Differenzen, 4,225 und 5,0 (oder 100:118) und resp. 2,312 und
3,2 (oder 100: 139) herausstellten, hatte wahrscheinlich, resp. ohne Zweifel,
theilweise Abrahmung stattgefunden.
In allen vier Untersuchungen zeigten sich die Abweichungen der optischen Prüfung weit
stärker bei der abgerahmten, als bei der vor der Abrahmung untersuchten Milch, wie
folgende Zusammenstellung zeigt:
Verhältniß des wirklichen zu dem optisch gefundenen Fettgehalt:
vor dem AbrahmenD.h. vor dem von mit ausgeführten Abrahmer, abgesehen ganz von dem
vielleicht schon früher von Seiten des Producenten vorgenommenen
Abrahmen.
nach dem Abrahmen
bei Nr.
I
1 : 0,997
1 : 1,82
A
bei Nr.
II
1 : 1,12
1 : 1,73
bei Nr.
III
1 : 1,18
1 : 4,44
bei Nr.
IV
1 : 1,39
1 : 1,95.
Es bestätigt sich hierdurch die oben a priori
aufgestellte Behauptung, daß die optische Prüfung bei abgerahmter Milch nicht zutreffen könne, weil diese wegen der Kleinheit
der Fettkügelchen undurchsichtiger erscheine, als sie dem wirklichen Gehalte nach
seyn müßte.
Als bei jenen Versuchen die ungerahmte Milch durch Zusatz
von Wasser so weit verdünnt wurde, daß sie mit der gerahmten gleichen Fettgehalt
besaß, zeigten sich optisch bedeutende Differenzen. Hier lagen also in der That zwei
Milche von völlig gleichem Fettgehalte vor, welche aber doch optisch sich
verschieden verhielten und auch naturgemäß verhalten mußten, wie die folgende
Zusammenstellung zeigt.
Textabbildung Bd. 193, S. 405
Wären die Milche II, III und IV nicht schon vorher von dem Producenten theilweise
abgerahmt worden, so hätten die Zahlen der zweiten Spalte mit denen der ersten
ebenso gut übereinstimmen müssen, wie bei der Milch Nr. I, welche bestimmt nicht
vorher abgerahmt war.
Gehen wir noch einen Schritt weiter, so zeigt sich die Möglichkeit, aus der
Combination der chemischen mit der optischen Prüfung annähernd zu berechnen, wie
stark eine Milch abgerahmt worden ist. Ohne aber auf diese wohl etwas unfruchtbare
Rechnung einzugehen, bemerke ich nur kurz, daß eine Differenz der optischen von der
chemischen Prüfung jedenfalls auf stattgehabte Abrahmung, und zwar auf eine um so
stärkere Abrahmung hindeutet, je größer sich diese Differenz zeigt. So ergibt sich
aus der Zusammenstellung A, daß die Milch Nr. I intact
war, nächst ihr die Milch Nr. II wegen der Differenz 1: 1,12 schon eine geringe
Abrahmung vermuthen läßt, während bei III und IV die Differenzen 1: 1,18 und 1: 1,39
zeigen, daß diese Milche, sowie sie von den Handlungen bezogen wurden, schon in sehr
bemerklichem Grade abgerahmt waren.
Ueber das specifische Gewicht der
Milchlügelchen.
Bei den im Vorhergehenden aufgeführten vier Versuchen wurde das specifische Gewicht
der Milche vor und nach dem Abrahmen bei 14° R. mit möglichster Schärfe
bestimmt, um so den Einfluß kennen zu lernen, den der durch das Abrahmen verminderte
Fettgehalt auf das specifische Gewicht ausübt, und es wurde dabei das specifische
Gewicht des reinen Butterfettes, wie ich es bei einer zu diesem Zwecke ausgeführten
Bestimmung bei 14° R. gefunden habe, = 0,924 angenommen.
Es ist nun klar, daß die Abnahme des Fettgehaltes eine Erhöhung des specifischen
Gewichtes der Milch zur Folge haben mußte und daß sich aus dem Unterschiede im
Fettgehalt auch der Unterschied der specifischen Gewichte berechnen ließ, daß aber,
wenn das specifische Gewicht der ganzen Milchkügelchen in Folge der membranösen
Hülle nicht mit jenem des reinen Butterfettes übereinstimmte, dann auch die
Berechnung mit der empirischen Ermittelung nicht übereinstimmen konnte.
Nun fand sich das specifische Gewicht
vor demAbrahmen
nach demAbrahmen
Differenz imFettgehalt
bei
I
1,0316
1,0343
2,459 Proc.
„
II
1,0270
1,0312
3,348 „
„
III
1,0265
1,0312
4,000 „
„
IV
1,0260
1,0280
1,460 „
Wenn nun in Versuch I die abgerahmte Milch einen Raum von 1 / 1,0343 = 0,96683
einnimmt und mit 0,02459 Fett gemischt würde, dessen Raum 0,02459/0,924 = 0,02661
beträgt, so wird das Gewicht der Mischung 1,02459, das Volumen aber 0,99344, mithin
das specifische Gewicht 1,02459/0,99344 = 1,0313 seyn, welches mit der durch den
directen Versuch gefundenen Zahl 1,0316 fast genau übereinstimmt.
Auf gleiche Weise berechnet sich im Versuch II das specifische Gewicht der Milch vor
der Abrahmung aus jenem nach der Abrahmung und der Differenz des Fettgehaltes unter
Annahme des specifischen Gewichtes der letzteren = 0,924 zu 1,0272, während die
directe Bestimmung 1,0270 ergab.
In Versuch III ergibt die Rechnung 1,0266, welches von der directen Bestimmung 1,0265
kaum abweicht.
Endlich in Versuch IV folgt aus der Berechnung die Zahl 1,0264, welche mit der durch
unmittelbare Wägung gefundenen Zahl 1,0260 ebenfalls nahe genug übereinstimmt.
Gesetzt nun, die Fettkügelchen wären mit einer Caseïn-Hülle von 1,25
spec. Gew. umgeben und dadurch schwerer als reines Fett, so ergibt die so eben
gemachte Berechnung, aber mit Berücksichtigung der Hülle, eine minder genaue
Uebereinstimmung. Wäre z.B. das spec. Gew. der Milchkügelchen durch die Gegenwart
der Hüllen von 0,924 auf 0,950, also um den geringen Betrag von 0,026 erhöht, so
berechnet sich in Versuch I das spec. Gew. der Milch schon
auf
1,0323
statt
des
gefundenen
1,0316
in
Versuch II
„
1,0279
„
„
„
1,0270
„
„ III
„
1,0274
„
„
„
1,0265
„
„ IV
„
1,0268
„
„
„
1,0260
und doch würde unter diesen Voraussetzungen sich die Dicke der
Hülle auf den 42. Theil des Halbmessers der Kügelchen berechnen, also auf den
fünfundzwanzigtausendsten Theil eines Millimeters. Ob die Existenz so feiner Membranen mit
Wahrscheinlichkeit anzunehmen sey, lasse ich dahin gestellt.
Recapitulation. Zur Erleichterung der Uebersicht der
etwas verwickelten Untersuchungen mögen die Hauptpunkte nochmals kurz zusammengefaßt
werden:
1) Abgerahmte Milch enthält kleinere Fettkügelchen, als ungerahmte Milch.
2) Kleinere Kügelchen bewirken im Verhältniß zur vorhandenen Fettmenge stärkere
Trübung, als größere.
3) Da sich die optische Milchprobe auf den Grad der Undurchsichtigkeit stützt, so
kann sie für ganz oder theilweise abgerahmte Milch keine brauchbaren Resultate
geben.
4) Sorgfältige Versuche haben die große Genauigkeit der optischen Probe, namentlich
des Vogel'schen Galaktoskops und der von ihm berechneten
Tabelle bestätigt, aber eben nur für intacte, ungerahmte Milch.
5) Je stärker die Milch abgerahmt worden, desto stärker differirt die optische Angabe
von dem wahren Fettgehalt.
6) Zwei Portionen derselben Milch, die eine durch Abrahmen, die andere durch
Verdünnen auf genau gleichen Fettgehalt herabgebracht, zeigen bei der optischen
Probe bedeutende Differenzen, und zwar gibt diese Probe bei der verdünnten Milch den
Fettgehalt richtig, bei der abgerahmten dagegen zu hoch an.
7) Es ist die Möglichkeit gegeben, durch Kombination der chemischen mit der optischen
Probe zu ermitteln, der wievielste Theil des Fettes einer Milch durch Abrahmung
entzogen wurde.
8) Die beobachtete Zunahme des spec. Gew. der Milch durch
Abrahmen stimmt genau überein mit der, nach dem Verluste an Fett berechneten Zunahme, vorausgesetzt, daß das spec. Gew.
der Milchkügelchen gleich dem des reinen Butterfettes angenommen wird. Nimmt man
dagegen dasselbe wegen der supponirten membranösen Hülle auch nur wenig größer an,
so stimmen auch die Versuche weniger gut. Jedenfalls muß die Hülle von solch
unermeßlicher Feinheit angenommen werden, daß sie kaum als existirend gedacht werden
kann.
So sehr sich nun auch die optische Probe, namentlich das Vogel'sche Galaktoskop, vielleicht auch die Feser'sche Abänderung desselben für Landwirthe und alle solche Personen,
welche die Milch in bestimmt ungerahmtem Zustande prüfen können, als ganz
vorzüglich, ja in der That unübertrefflich empfiehlt, so kann es doch beim
gewöhnlichen Milchverkehr, wo die Milch so häufig, ja gewöhnlich, im theilweise
abgerahmten Zustande zum Verkauf kommt, nicht empfohlen werden, und halte ich
darnach das
Crêmometer für solche Fälle immer noch für das
brauchbarste Instrument, da die Unrichtigkeiten seiner Angaben doch wohl nicht so
weit gehen, wie die in der obigen Tabelle A
verzeichneten mittelst der optischen Prüfung gefundenen, welche für abgerahmte Milch
den Fettgehalt um das 1,82-, das 1,73-, das 4,44- und das
1,95fache des wirklich vorhandenen zu hoch angab.