Titel: | Ueber die vortheilhafte Wirkung der Ventilation in einem Webereisaal; von GeneralMorin. |
Fundstelle: | Band 194, Jahrgang 1869, Nr. XIII., S. 36 |
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XIII.
Ueber die vortheilhafte Wirkung der Ventilation
in einem Webereisaal; von GeneralMorin.
Aus den Comptes rendus, t. LXVIII p. 1189; polytechnisches
Centralblatt, 1869 S. 1047.
Morin, über die vortheilhafte Wirkung der Ventilation in
Webereisälen.
Im Frühjahr 1868 fragte Hr. Fournet in Lisieux beim
Verfasser an, welche Mittel er anwenden müsse, um in einem großen Webereisaale,
welchen er zu Orival besitzt, einen gesunden Aufenthalt herzustellen. In diesem
Saale befinden sich 400 Arbeiter und 400 Webstühle, welche in den kurzen Tagen am
Morgen und am Abend durch 400 Gasflammen beleuchtet werden. Das Etablissement
besteht in einem Shedbau von 61,2 Met. Länge und 33,1 Met. Breite. Die Höhe bis zu
den Unterzügen beträgt nur 3,3 Met. Der Saal ist in 17 Abtheilungen getheilt; bei
den steilen verglasten Dächern verhält sich die Basis zur Höhe wie 1 : 2 und bei den
flachen, mit Zink gedeckten, wie 3 : 2. Die Bodenfläche beträgt 2025 Quadratmeter,
und es kommen daher auf einen Arbeiter 5,06 Quadratmeter. Der gesammte Fassungsraum
des Saales, nach Abzug des Raumes welcher von den Stühlen etc. eingenommen wird,
beträgt 6000 Kubikmeter, also für jeden Arbeiter 15 Kubikmeter.
Nach den Mittheilungen von Dr. Penot in Mülhausen (Elsaß) sind die dortigen Verhältnisse weit günstiger.
Man rechnet in den Shedbauen für Webereizwecke auf jeden Arbeiter 12 bis 14
Quadratmeter Bodenfläche und 45 bis 55 Kubikmeter Luftraum, und dabei wird beständig
durch eine
Ventilation, welche theils nur eine natürliche, theils auch eine combinirte
natürliche und künstliche ist, über deren Wirkung aber keine Versuchsresultate
vorliegen, die Luft erneuert.
Die große Zahl der Arbeiter, die Nothwendigkeit, die Webketten im feuchten Zustande
zu erhalten, der Einfluß der Verbrennungsproducte des Gases, der Mangel einer
ausreichenden und regelmäßigen Ventilation machten den Aufenthalt in dem
Webereisaale zu Orival so ungesund, daß von den in der Mitte des Saales (an den von
den Ein- und Ausgangsthüren entferntesten Stellen) beschäftigten Arbeitern
gewöhnlich 30 bis 40 krank waren, und unter diesen durchschnittlich 12, welche die
Arbeit aussetzen und das Zimmer hüten mußten. Die arbeitsfähigen Arbeiter, im Sommer
durch die Hitze, im Winter durch die Gasausströmung belästigt, mußten häufig den
Saal verlassen, um frische Luft einzuathmen; viele litten an Appetitlosigkeit und
Körperschwäche. Dieß ging so weit, daß die Production merklich vermindert wurde.
Die Beseitigung dieser Uebelstände erschien für Frühling, Sommer und Herbst nicht
schwierig. Bei dem symmetrischen und einfachen Bau des Saales gewährte der beständig
geheizte, 54 Met. hohe Schornstein der Betriebsmaschinen ein sehr einfaches Mittel,
die verdorbene Luft durch Saugen abzuführen. Was die Einführung der frischen Luft
betrifft, so konnte dieselbe ebenfalls durch Ansaugen bewirkt werden; die Anordnung
mußte aber so getroffen werden, daß man die eingeführten Luftmengen der Jahreszeit
angemessen abändern konnte, damit nicht Belästigungen entstanden. Hierin lag für den
Winter eine sehr große und fast unüberwindliche Schwierigkeit, da keinerlei
Heizungsvorrichtung vorhanden war.
Das durchschnittlich ab- und zuzuführende Luftquantum wurde zu 30 Kubikmeter
pro Stunde und Arbeiter festgestellt; dieß gibt im
Ganzen in der Stunde 12000 Kubikmeter oder in der Secunde 3,33 Kubikmeter. Man hielt
sich jedoch die Möglichkeit offen, dieses Quantum dem Bedürfniß und der Jahreszeit
angemessen zu vermehren und zu vermindern. Die Einströmung der Luft bewirkte man
durch Oeffnungen in den Dächern, und die Entfernung dieser Oeffnungen von den
Arbeitern konnte nicht mehr als 2,8 Met. betragen. Die Größe der Oeffnungen wurde
veränderlich gemacht.
Da die Luft in jedem Websaale einen gewissen Feuchtigkeitsgrad haben muß, so stellte
man ein Rohrsystem auf, aus welchem durch jede Lufteinströmungsöffnung der
Bewegungsrichtung der Luft entgegengesetzt ein ganz feiner Wasserstrahl ausgespritzt
wird; die durch diesen Wasserstrahl hindurchströmende Luft zertheilt denselben in
einen feinen Nebel, von
dem sie so viel Theile aufnimmt, daß sie den ausreichenden Grad von Feuchtigkeit
erhält. Diese Anordnung ist vorzugsweise im Sommer sehr nützlich und trägt auch dazu
bei, eine übermäßige Erhöhung der Temperatur im Inneren zu verhindern.
Ende Juli waren die Arbeiten so weit vorgeschritten, daß man die ersten Beobachtungen
über die Abführung der Luft anstellen konnte, obschon die Einströmungsöffnungen noch
nicht alle fertig waren. Man erkannte sehr bald, daß die hohe Temperatur des
Schornsteines eine viel intensivere Zugwirkung veranlaßte, als man vorher angenommen
hatte. Das abgeführte Luftquantum betrug nicht, wie angenommen, 12000 Kubikmeter
stündlich, sondern 25000 bis 39000. Durch Anbringung von Registern mäßigte man diese
Abströmung und suchte sich dem ursprünglich angenommenen Betrag zu nähern. Im
October 1868 hatte man auf diese Weise das Abströmungsquantum bis auf 18000 bis
20000 Kubikmeter vermindert, und später gelang es, noch weit unter 12000 Kubikmeter
herabzugehen.
Die Einströmungsgeschwindigkeiten der frischen Luft lagen bei den mittleren
Temperaturen zwischen 0,7 und 0,8 Met.; angenommen war beim Entwurf 0,6 Met., damit
man nicht zu kleine Einströmungsöffnungen erhielt. Die folgende Tabelle enthält die
Einströmungsmengen und die äußere und innere Temperatur.
Stündlich eingeführtes
Temperatur
Datum
Luftquantum,Kubikmeter
außenGrad Cels.
innenGrad Cels.
27. Juli
13459
24,7
21,5
29. „
13921
22,8
21,7
6. August
14976
24,0
24,0
10. „
14131
25,0
24,7
15. „
14515
18,0
18,7
8. September
13493
23,4
24,4
25.
„
15379
17,2
20,7
29.
„
14189
18,2
20,0
8. October
14711
16,2
19,8
10. „
15514
14,0
16,2
12. „
14584
19,2
–
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Durchschnittlich
14444
–
–
Sonach erreichte während der Sommer- und Herbstmonate das eingeführte
Luftquantum den Durchschnittsbetrag von 14000 Kubikmeter, während nur 12000
Kubikmeter im Entwurf angenommen waren. Die Querschnitts der
Lufteinströmungsöffnungen sind also für die wärmsten Jahreszeiten mehr als
ausreichend; übrigens würde man, wenn man die Zahl der Oeffnungen vermehrte, nöthigenfalls noch größere
Mengen mit derselben Geschwindigkeit einführen können, um den Luftwechsel durch die
Thüren zu beseitigen oder zu beschränken.
Wie aus der Tabelle hervorgeht, wurde es an den heißesten Tagen möglich, die
Temperatur im Inneren noch etwas unter der äußeren Temperatur zu erhalten. Die
Zinkbedachung erhitzte sich aber im Sonnenschein der Art, daß die Lufttemperatur
über dem Dache und in der Nähe der Oeffnungen über 30° C. betrug. An den
Abenden der ersten Septembertage, als man anfing bei künstlicher Beleuchtung zu
arbeiten, gelang es trotz der Ventilation nicht, die Temperatur herabzudrücken, Um 7
Uhr Abends betrug die äußere Temperatur noch 20 bis 22°; im Inneren erhob sie
sich bald bis auf 25 bis 28°. Es geht hieraus hervor, daß die Zahl der
Oeffnungen noch nicht genügend war. Als die äußere Temperatur am Abend bis auf 16
bis 18° sank, sank auch die innere zu derselben Zeit bis auf 18 bis
20°, was bekanntlich in luftigen Räumen ganz erträglich ist.
Die Verhältnisse änderten sich, als die äußeren Temperaturen niedriger und
insbesondere die Morgen und Abende frischer wurden. Einerseits mußte einer
Ueberhöhung der Temperatur und insbesondere dem Verderben der Luft durch die
Anwesenheit der Arbeiter und durch die Verbrennung des Gases vorgebeugt werden;
andererseits durfte die Temperatur des nicht geheizten Saales nicht zu tief sinken
und die Einführung der frischen Luft nicht lästig werden. Man mußte also den
Querschnitt der Einströmungsöffnungen vermindern, und dieß um so mehr, als die
Durchgangsgeschwindigkeit um so größer wird, je mehr die äußeren und inneren
Temperaturen von einander abweichen. Der Gang der Ventilation muß dann mit einer
gewissen Aufmerksamkeit regulirt werden; doch macht dieß, wenn die entsprechenden
Anordnungen getroffen sind, keine Schwierigkeiten. Freilich wäre die Behandlung eine
viel leichtere und die Wirkung der Ventilation eine viel kräftigere gewesen, wenn
man sich entschlossen hätte, den Saal heizbar zu machen und in den kältesten
Wintertagen schwach zu heizen. In Mülhausen wendet man zu diesem Zwecke Dampfheizung
an oder man benutzt das warme Condensationswasser.
Der regelmäßige Betrieb der Ventilation hat im Juni 1866 begonnen. Schon in den
ersten Tagen machte sich eine Verbesserung der Luft in diesem Saale, welche vorher
mit Ekel und Unwohlseyn erregenden Gerüchen erfüllt war, bemerklich. Seit jener Zeit
sind sowohl vom Arzte, als von der Fabrikverwaltung regelmäßige Listen geführt
worden, welche ausweisen, daß die Durchschnittszahl der Kranken sich von 12 auf 3
bis 4 abgemindert hat.
Zugleich ist das Productionsquantum der Fabrik um 6 Procent gewachsen.
Ein anderer Beweis für die Verbesserung des Gesundheitszustandes der Arbeiter wird
durch den Vertrieb der Bäckerei geliefert, welche Hr. Fournet für seine Arbeiter gegründet hat, um ihnen billiges und gutes Brod
zu liefern. Es sind nämlich in den letzten drei Monaten des Jahres 1867, als der
Saal nicht ventilirt war, 15656 Kilogr. und in den letzten drei Monaten des Jahres
1868, als der Saal ventilirt war, 20014 Kilogr. Brod verbraucht worden.
Man erkennt aus Allem den heilsamen Einfluß, den eine reichliche Lufterneuerung auf
die Gesundheit der Arbeiter in gewissen Etablissements ausübt. Häufig ist, wie auch
im vorliegenden Falle, eine solche Lufterneuerung ohne alle laufende Ausgaben zu
beschaffen, und die Einrichtungskosten sind immer niedrig, insbesondere wenn man
schon beim Bau die erforderlichen Rücksichten nimmt. In Orival, wo während der
Einrichtung der Ventilation der Betrieb nicht unterbrochen werden durfte und wo die
localen Verhältnisse ziemlich bedeutende Hindernisse boten, hat die Gesammtausgabe
immerhin noch nicht 15000 Francs erreicht.