Titel: | Lyall's Schützenbewegung bei Kraftstühlen. |
Fundstelle: | Band 194, Jahrgang 1869, Nr. XXVII., S. 99 |
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XXVII.
Lyall's Schützenbewegung bei Kraftstühlen.
Nach dem Scientific American, Juli 1869, S. 17 und Engineering, September 1869, S.
159.
Mit Abbildungen auf Tab.
III.
Lyall's Schützenbewegung bei Kraftstühlen.
In Amerika erregt in neuester Zeit ein Webstuhl Aufsehen, welcher von James Lyall in New-York construirt sich besonders durch
die eigenthümliche Schützenbewegung charakterisirt. Die Schütze erhält nämlich ihre
Bewegung nicht von einem Treiber aus, sondern diese wird durch einen Mechanismus
hervorgebracht, welcher die Schütze in ganz bestimmter
Weise hin- und herführt.Der Erfinder nennt diese Schützenbewegung „positive motion“ und seinen Webstuhl „Patent positive motion loom.“
Um die Vortheile der neuen Verbesserung hervorzuheben, werden als Nachtheile der
bisherigen Art der Schützenbewegung angeführt:
1) Die Entfernung, bis zu welcher die Schütze entweder durch die Hand oder durch den
Schützentreiber mit Sicherheit getrieben werden kann, ist eine begrenzte und es ist
deßhalb die Herstellung von weiter Waare schwieriger und verhältnißmäßig theurer als
jene von mittelweiten oder engen Stoffen.
Dieser Grund allein würde eine neue Schützenbewegung einer Berücksichtigung
empfehlen, wenn sie sowohl für weise als auch enge Gewebe gleich günstig ist.
2) Da die Schütze keine positive Verbindung mit den anderen Theilen des Webstuhles
besitzt, so hat der Weber während des Laufes der Schütze zwischen den Schützenkästen
keine Controlle über dieselbe.
3) Ist die Herstellung einer vollkommenen Stoffleiste (Sahlleiste) eine
schwierige.
Zur Beseitigung dieser Uebelstände soll die Schützenbewegung durch eine äußere
Vorrichtung erfolgen, welche außerhalb der Kettenfäden befindlich, mit der Schütze
aber in keiner directen Verbindung stehen und keinerlei Seitenbewegung der
Kettenfäden hervorrufen darf.
Die Art, wie diese Bedingung von Lyall erfüllt wurde,
erhellt aus den Abbildungen Fig. 14–16. Fig. 14 stellt
die perspectivische Ansicht des Webstuhles dar; die Figuren 15 und 16 zeigen die
Details der Schützenbewegung, und zwar erstere die Schütze mit dem Schützenwagen,
letztere einen Durchschnitt durch die Lade.
Der Schützenwagen o – und von diesem die Schütze
– erhält mit Hülfe der Schnur u, u eine
hin- und hergehende Bewegung, auf welche später zurückgegriffen wird. Die
Kettenfäden befinden sich zwischen der Schütze und ihrem Wagen, welcher mit den
Rädern 2 auf der oberen Fläche der Schiene l läuft, die
längs der Lade unter der Kette befestigt ist. Die Räder 2 liegen mit ihren Achsen in
schlitzartigen Lagern, so daß sie stets in ihrem oberen Umfang die mit 3
bezeichneten Räder berühren.
Denkt man sich die Schütze vom Wagen o entfernt und
letzteren nach links gezogen, so drehen sich die Räder 2 und 3 im Sinne der
gezeichneten Pfeile mit einer Umfangsgeschwindigkeit entsprechend der
Geschwindigkeit, mit
welcher der Wagen o auf der Laufbahn der Lade sich
fortbewegt.
Wird die Schütze, welche im Betriebe durch die Schiene w
(Fig. 16)
niedergehalten wird, über die Kette auf den Wagen aufgelegt und dieser wie vorher
gezogen, so werden die Räder 4 mit derselben
Geschwindigkeit, aber in umgekehrter Richtung auf den
Kettenfäden rollen, wie die Räder 3 an der unteren Seite sich bewegen, weßhalb
hierbei kein Kettenfaden nach der Seite verschoben werden kann, trotzdem jeder
zwischen die Räder 3 und 4 passiren, also etwas gehoben, resp. gesenkt wird.
Die mit 5 bezeichneten Räder kommen mit den Rädern 4 nicht in Berührung, sondern
rollen unter der Schiene w (Fig. 16), um ein
Aufsteigen der Schütze bei ihrem Laufe zu verhindern.
Aus dem Schnitt in Fig. 16 ist die Form der Laufbahn für den Schützenwagen zu erkennen; n bezeichnet den Kamm. Eine im Betrieb befindliche
Schütze kann nach der Abstellung der Maschine nur entfernt werden, indem man sie an
dem Ende der Lade herauszieht, wenn nicht die Schiene w
losgeschraubt wird.
Wie aus Fig.
14 zu entnehmen ist, geht die an dem Wagen o
befestigte Schnur u über die Leitrollen zu beiden Seiten
der Lade nach abwärts über zwei andere an den unteren Theilen der Ladenarme
befestigte Rollen und von diesen um eine horizontale Scheibe, welche unter dem
Zeugbaum, etwas rückwärts von demselben liegt. Die Bewegung derselben erfolgt von
der Hauptwelle aus durch ein Paar Kegelräder auf eine kurze stehende Zwischenwelle,
an deren unterem Ende eine Scheibe mit einem excentrisch eingesteckten Bolzen
vermittelst einer Zugstange eine horizontale Zahnstange hin- und herbewegt,
somit das Getriebe an der Achse der großen Schnurscheibe abwechselnd dreht. Dadurch
wird die Schnur u auf der einen Seite derselben
abgewunden, auf der anderen aufgewickelt und umgekehrt, und so dem Schützenwagen die
oben erwähnte Bewegung ertheilt.
Setzt man verschieden große Getriebe auf die Welle der Schützenantriebsscheibe oder
ändert den Kurbelarm, so kann die Geschwindigkeit der Schütze sowie deren Weg
beliebig verändert werden; es lassen sich somit auch Stücke von sehr bedeutender
Breite weben.
Die übrigen Webstuhltheile bleiben unverändert. Da Lyall's
Webstuhl über ein Jahr lang in Amerika patentirt und in Verwendung ist, so dürften
bald solche Daten vorliegen, um ein richtiges Urtheil über die beschriebene
Anordnung abgeben zu können.
Nachschrift. Nach der deutschen Industriezeitung Nr. 36
u. 37 ist zu weiteren Mittheilungen über diesen in nächster Zeit in Deutschland in Betrieb kommenden
Webstuhl die Firma F. Edmund Thode und Knoop in Dresden erbötig, welcher dieser Stuhl für James
Lyall in Preußen und Sachsen patentirt ist.
Der Ingenieur O. Aster in Chemnitz spricht sich
folgendermaßen aus: „Der Webstuhl von J. Lyall
beruht jedenfalls auf einer interessanten und originellen Idee. Die
amerikanischen Berichte über denselben übersehen allerdings, daß schon längst
bei Band- und bei Cannevasstühlen bis zu einer Elle Breite die mit
Zahnstangen versehenen Schützen durchgezogen und
nicht durch Schlag getrieben werden, sowie daß man den unregelmäßigen Gang der
Webstühle und die Folgen davon im Ganzen längst überwunden hat, und zwar theils
an der Quelle der Kraft, theils an den Stühlen selbst, am ausgedehntestenansgedehntesten bei den breiten Wollenstühlen durch die Abschießfeder mit
abzudrückenden Fallen; wäre dieß nicht der Fall, so wäre die mechanische Weberei
bisher unmöglich gewesen. Bekanntlich fehlt es neuerdings auch nicht an
wichtigen gangbaren Verbesserungen (Protectoren), welche die Abstellung der
Stühle betreffen, sobald die Schütze nicht zur rechten Zeit angekommen ist, sey
es, daß der Schußfaden nicht von der Spule geht, so zu sagen hängt, oder daß ein
gebrochener Kettenfaden mit seinen Nachbarfäden sich verfängt und so eine
Kettenbruchfühlung durch Hemmung des Schützenpfluges selbst bildet. Dafür bietet
die neue Anordnung keinen Ersatz; sie wird wie eine Sense die Kettenfäden,
welche nicht glatt liegen, mähen, bis es der Arbeiter sehr spät gewahrt. Die
praktische Ausführbarkeit der Lyall'schen
Construction ist unzweifelhaft, auch eine praktische Brauchbarkeit in
Specialfällen läßt sich fast garantiren, so bei großer Breite (Billardtuchen)
oder bei sehr haltbarem Schuß und sehr exact herzustellender Sahlleiste
(Cannevas und Wollenrips). Zur Beurtheilung der allgemeinen Brauchbarkeit müssen
eingehendere Versuche über die Geschwindigkeitsgrenze und die
Eigenthümlichkeiten auch dieser neuen und schätzenswerthen Idee erst genauere
Unterlagen geben, sowie die Vereinbarung mit dem Schützenwechsel durchgeführt
werden muß, welcher wesentliche Schwierigkeiten entgegenstehen.“
J. Z.