Titel: | Dioptrische Notizen; von Dr. J. J. Pohl. |
Autor: | Joseph Johann Pohl [GND] |
Fundstelle: | Band 194, Jahrgang 1869, Nr. LIII., S. 216 |
Download: | XML |
LIII.
Dioptrische Notizen; von Dr. J. J. Pohl.
(Fortsetzung von Bd. CXCI S. 281; zweites
Februarheft 1869.)
Pohl, dioptrische Notizen.
III. Ueber die Anwendung terrestrischer
Oculare zum astronomischen Gebrauche.
In Notiz II wurde erwähnt, daß sich starke Vergrößerungen durch Combination der
astronomischen Oculare eines Fernrohres mit den beiden Vorderlinsen
(Collectivsysteme) des dazu gehörigen terrestrischen Oculares erzielen lassen. Warum
man von diesem Auskunftsmittel nicht schon längst ausgedehnten Gebrauch machte, ist
schwer begreiflich, wenn man als Gegengrund nicht die in allen dioptrischen Handbüchern
stehende Angabe gelten lassen will: daß ein Hauptvorzug der doppelten
(astronomischen) Oculare gegenüber den vierfachen (terrestrischen) Ocularen in der
größeren Lichtstärke liege, welche bei Betrachtung lichtschwacher Himmelskörper
wünschenswerth ist. Allein nirgend wurde meines Wissens eine strenge Parallele
zwischen astronomischen und terrestrischen Ocularen behufs astronomischer
Beobachtungen gezogen. Es soll nun im Nachstehenden versucht seyn einen Beitrag
hierzu zu liefern.
a) Das
astronomische Ocular.
Bekanntlich unterscheidet man bei diesem Ocular zwei Hauptsysteme, das sogenannte
Ramsden'sche und das Euler'sche, wovon bis vor wenig Jahren das letztere bloß aus zwei
einfachen Linsen bestand und der wesentliche Unterschied darin liegt, daß bei
Euler's Ocular das Bild zwischen die Linsen, bei
Ramsdens Ocular vor die Collectivlinse fällt,
daher letzteres vorzugsweise als Mikrometer-Ocular benutzt wird. Erst in
neuerer Zeit versuchte man mehr als zwei einfache Linsen zur Construction der
astronomischen Oculare anzuwenden, wie z.B. Kellner's
„orthoskopische Oculare“ aus einer einfachen
Collectiv- und einer achromatischen Augenlinse, Plösl's Euler'sches Ocular Nr. 1 aus drei einfachen Linsen, Steinheil's
AE Ocular aus 3 einfachen Linsen, dagegen dessen
ältere und neuere Mikrometerocculare aus 2 achromatisirten und nach Ramsden's Princip combinirten Linsen bestehen, welche
mit Canada-Balsam gekittet sind.
Hieraus folgt, daß allerdings die älteren, z.B. Fraunhofer'schen Oculare gegenüber den terrestrischen Ocularen den
Vorzug größerer Lichtstärke darbieten, indem der durch Licht-Reflexion
sowie Absorption bedingte Verlust geringer ist. Allein Steinheil's
AE Oculare stehen den früher gebräuchlichen
dreifachen terrestrischen Ocularen in diesen Beziehungen bereits gleich, und
seine Mikrometer-Oculare kommen, was Lichtverluste betrifft, den
vierfachen terrestrischen Ocularen nahe. Eine einfache Untersuchung zeigt
jedoch, daß selbst die Lichtstärke astronomischer Oculare bedeutend vermindert
werden kann, wenn man selben ein kleines Gesichtsfeld gibt, oder dazu Collective
von zu kleinem Durchmesser und stark gefärbte Gläser verwendet. Dieß ist gerade
beim Fraunhofer'schen Oculare der Fall, dessen Feld
ist verhältnißmäßig klein, der Strahlenkegel am Auge umfaßt nur 30 höchstens 42
Grade, und die grünliche oder gelblich-grüne Farbe der Gläser ist ebenso
bekannt, wie jene an Ramsden's Ocularen und
Objectiven. Ob diese Färbung eine zufällige, bloß durch den Glassatz bedingte,
oder absichtliche ist, läßt sich gegenwärtig nicht mit Sicherheit entscheiden.
Wahrscheinlich war die Farbe absichtlich gewählt, wie auch bei vielen Plößl'schen Fernröhren, da es Fraunhofer wohl bekannt war, daß durch grünliche Gläser beim
terrestrischen Gebrauche deutlichere Bilder als durch rein weiße zu erzielen
sind, und ebenso die Färbung der Linsen das secundäre Spectrum weniger scharf
hervortreten läßt. Zweifelnde mögen nur, bei äquivalenten Brennweiten, statt Fraunhofer'schen Ocularen, aus weißem Glase
angefertigte Steinheil'sche AE Oculare benutzen, die einen Lichtkegel von 50 bis 52 Graden in's
Auge senden, und sie werden über den Unterschied in der Wirkung staunen. Ich
verwende wie noch erwähnt seyn mag, beim 4zölligen Dialyten ein terrestrisches
Ocular, dessen Ocularsystem (im engeren Sinne des Wortes) von mir berechnet
wurde und das trotz 135maliger Vergrößerung weit größere Helligkeit gewährt als
Plößl' System mit nur 105maliger Vergrößerung,
– bloß zufolge weißerer Gläser und eines um 13,5 Grad größeren
scheinbaren Gesichtsfeldes. Der Einfluß der Farbe der Gläser auf die
Leistungsfähigkeit eines Fernrohres für die Beobachtung lichtschwacher
Gegenstände, sowie Farben der Doppelsterne etc. ist in neuerer Zeit schon so
anerkannt, daß alle rationellen Optiker zur Construction der Oculare sowie
Objective nur möglichst farblose Gläser benutzen, dagegen durch
zweckentsprechende Zusammenstellung der optischen Systeme das secundäre Spectrum
thunlichst zu eliminiren trachten. Nur röthliche oder durch
Mangan-Verbindungen röthlich-violett gefärbte Gläser, haben vor
den weißen oder grünlichen den Vorzug, sehr feine Doppelsterne sowie
Mondlandschaften präciser zu zeigen.
Was nun die Größe des Gesichtsfeldes astronomischer Oculare betrifft, so ist
selbe je nach deren Construction sehr verschieden. Aeltere Oculare nach Fraunhofer haben, wie schon erwähnt, ein scheinbares
Feld von nur 28 bis höchstens 42 Graden, im Durchschnitte von 35 bis 38°;
Steinheil's
AE Oculare ein scheinbares Feld von im Mittel 52
Grad, dessen Mikrometer-Oculare von 45–48°, und bei
sogenannten Kometensucher-Ocularen ist die Feldgröße noch bedeutender,
wie ich in der That ein dreifaches Kometensucher-Ocular von Plößl besitze, dessen scheinbares Feld nahezu
65° umfaßt. Hinsichtlich der Feldgröße und der dadurch bedingten
Helligkeit sind also in neuerer Zeit entschiedene Fortschritte gemacht worden,
großentheils bedingt durch die Combination dreier einfachen, oder zweier
achromatisirter Linsen mit kürzeren Radien.
Ein Vortheil der astronomischen Oculare liegt für viele Fälle in deren Kürze,
wodurch insbesondere die Fernrohrlänge reducirt und beim Beobachten an
Bequemlichkeit gewonnen wird. Auch die Durchbiegung des Fernrohres ist in Folge
der geringeren Länge verringert. Zu den weiteren Vorzügen dieser Oculare gehören
auch die leichte Centrirbarkeit, verhältnißmäßig geringe Kosten und die
Möglichkeit rascher Reinigung von 4 beziehungsweise 6 Linsenflächen.
Als Nachtheil der astronomischen Oculare erweist sich vor Allem die
Schwierigkeit: bei stärkeren Systemen die durch Staub etc. verunreinigte
Augenlinse reinigen zu können, welche Reinigung um so belangreicher ist, als die
Bildschärfe wesentlich von der vollkommenen Reinheit der Gläser abhängt. Ebenso
läuft man nur zu häufig Gefahr, Sand etc. als Staub auf der Linse liegend,
namentlich bei der ursprünglich deutschen vertieften Fassungsart, einzureiben,
wodurch das Ocular für Sternbeobachtungen nahezu unbrauchbar wird, da dann
hellere Sterne eine Art Kometenschweif zeigen. Selbst die Unbequemlichkeit des
Einsehens bei kleinen Augenlinsen, ist für längere Beobachtungen ebenso störend
wie die Nothwendigkeit, bei starken Ocularen das Auge an deren Deckel dicht
anzulegen. Auch wird hierdurch in kalten Nächten der Uebelstand bedingt, daß
durch die Feuchtigkeit des Auges rasch ein Beschlag der Augenlinse entsteht.
Benutzt man ein astronomisches Ocular am Positions-Mikrometer, so liegt
ein weiterer Nachtheil desselben darin, daß der Kürze halber der Kopf des
Beobachters in nächste Nähe des Kreises sowie der Mikrometerschraube gebracht
wird, wodurch nicht nur ungleiche Erwärmung beider eintritt, sondern auch der
Beobachter durch die zur Beleuchtung der Mikrometer-Fäden etc. häufig
noch angebrachten Lämpchen sehr belästigt ist.
Ein Hauptnachtheil der astronomischen Oculare liegt aber in der Unmöglichkeit,
damit verhältnißmäßig enge Grenzen der Vergrößerung überschreiten zu können,
wenn man nicht zu einfachen Linsen, mit all ihren Fehlern, zurückkehren will.
Diese Fehler blieben selbst großentheils, wenn man wie zu anderen Zwecken, statt
kugelförmiger einfacher Linsen, achromatisirte Linsen von gleicher Brennweite
benützte. In der That kann man bei Fernröhren von 4 Zoll Oeffnung nicht leicht
über 300 und bei 5 Zoll Oeffnung über 400malige Vergrößerung gehen, ohne das
astronomische Ocular zu opfern, oder zu den veralteten Instrumenten mit sehr
großer Focallänge zurückzugreifen.
Die Eigenschaft der astronomischen Oculare die Bilder umzukehren, erscheint wohl
dem an astronomische Beobachtungen Gewöhnten nicht als Nachtheil, muß aber
principiell immerhin als Unbequemlichkeit erklärt werden.
b) Das
terrestrische Ocular.
Allbekannt sind beim terrestrischen Oculare wie beim astronomischen, wesentlich verschiedene
Hauptsysteme in Anwendung, als das bloß aus einer einfachen oder achromatisirten
Zerstreuungslinse bestehende Ocular, das Reversions-Ocular und das aus
Sammellinsen zusammengesetzte Ocular.
Das erstgenannte Ocular ist trotz seiner großen Helligkeit, des kleinen
Gesichtsfeldes halber, selbst im achromatisirten Zustande nach Petzval's Vorgang, nur mehr bei
Theater-Perspectiven, Feldstechern etc. im Gebrauche. Auch das
Reversions-Ocular, aus einem astronomischen Oculare bestehend, bei dem
die Bildumkehrung durch zwei Prismen erzielt wird, hat bei manchen Vorzügen, der
Schwierigkeit vollkommener Ausführung halber, bisher nur zu Hand- und
Zugfernröhren Verwendung gefunden und dürfte auch niemals jenen Anforderungen
genügen, welche man für wissenschaftliche Zwecke stellt. Das aus Sammellinsen
gebildete astronomische Ocular ist hingegen heutzutage ausschließlich bei
größeren Fernröhren benutzt.
So will man sich längst überzeugt haben, daß die früher üblichen, aus drei
einfachen Sammellinsen bestehenden terrestrischen Oculare, durch die sogenannten
4fachen Oculare an Größe des Gesichtsfeldes sowie Achromatismus weitaus
übertroffen werden. Es sind daher jetzt die dreifachen terrestrischen Oculare
völlig aufgegeben, ob mit vollkommenem Rechte, für verschiedene Verwendungen,
läßt sich allerdings nicht so leicht mit Sicherheit bestimmen.
Aber selbst das einfache Ocular erscheint gegenwärtig wesentlich verbessert.
Bedeutend mehr Helligkeit wurde durch Wahl möglichst farbloser Gläser, größeren
Durchmessers des Gesammtsystemes, insbesondere der beiden Collectivlinsen, und
Kürze des Rohres erzielt. Scheinbar und wirklich größeres Gesichtsfeld lieferte
die Substitution des früher gebräuchlichen Ocularsystemes und speciell der
Augenlinse durch stärkere Linsen Und theilweise oder vollständige
Achromatisirung derselben, wie dieß beispielsweise an ehemaligen Ocularen von
Voigtländer, dann Kellner,
Steinheil etc. gefunden wird. Bequemlichkeit und ebenso die Möglichkeit
genauerer Centrirung liefert die Kürze des Rohres, bedingt durch die Wahl
stärkerer Linsensysteme. Größerer Präcision der Bilder und größerer Lichtstärke
liegen ebenfalls Achromatisirung sowie kürzere Brennweiten etc. zu Grunde. Wie
man aus diesen Andeutungen ersieht, entstanden in neuerer Zeit thatsächlich
wesentliche Vervollkommnungen des terrestrischen Oculares, welche ihm
Eigenschaften ertheilten, die man daran vor 25 bis 30 Jahren nicht kannte. In
Folge dieser Verbesserungen sind manche der von den älteren Dioptrikern
behaupteten Nachtheile des terrestrischen Oculares gegenüber dem astronomischen
verschwunden, und es konnte Steinheil mit Recht als
Mikroskop-Ocular für Faden-Mikrometer ein terrestrisches Ocular
liefern, das gleich stark wie sein AE Ocular
vergrößernd, durch Combination zweier achromatischer Collectivlinsen mit den AE Ocularen, bei Mikrometer-Beobachtungen
nebst größerer Präcision der Bilder, den Vortheil der Wegrückung des Auges vom
Positionskreise bietet.
Als Vorzüge dieser von Mehreren verbesserten terrestrischen Oculare gegenüber den
astronomischen, stellen sich nun vorzugsweise folgende heraus:
1) Die Erzielung aufrechter Bilder.
2) Die Möglichkeit, selbst mit vier einfachen Linsen, noch mehr aber mit partiell
oder gänzlich achromatisirten Linsen, zufolge vorhandener mindestens nicht
brechender Flächen, gegenüber vier Flächen astronomischer Oculare, die
Aberrationen leichter und vollkommener beseitigen zu können und somit auch die
Erlangung schärferer Bilder bei gleichen Vergrößerungen.
3) Größere Lichtstärke als bei astronomischen Ocularen bei gleichen,
verhältnißmäßig starken Vergrößerungen. Der einfachste Versuch muß selbst den
Laien von der Richtigkeit des Gesagten überzeugen, wenn nur die vorderste, d. i.
dem Objective unmittelbar zugekehrte Linse, genügend großen Durchmesser besitzt.
Versucht man allerdings für ein Fernrohr von bestimmter Oeffnung, etwa 4 Zoll,
bei einer gegebenen Vergrößerung, z.B. 860, erzielt mit einem terrestrischen
Oculare, im Vergleiche zum astronomischen Oculare die nöthige Oeffnung des
Objectives x für gleiche Helligkeit zu berechnen, so
erhält man nach W. Herschel = 4'',25, also 1/4tel
Zoll größer als für das astronomische Ocular. Es darf jedoch nicht vergessen
werden, daß eine so starke Vergrößerung unter der gestellten Bedingung mit den
gegenwärtig üblichen astronomischen Ocularen, der kleinen nöthigen Brennweiten
sowie Linsendurchmesser halber, so gut wie unmöglich erscheint, und daß bei Wahl
von Collectivsystemen terrestrischer Oculare mit großen Durchmessern, der
Helligkeitsverlust mindestens hereingebracht, zumeist aber in einen
Helligkeits-Ueberschuß verwandelt werden kann.
4) Bequemeres Einsehen bei stärkeren Vergrößerungen, zufolge größeren
Durchmessers der Augenlinse.
5) Aus gleichem Grunde leichtere und für die Linsen gefahrlosere Reinigung.
6) Die Erzielung doppelter und selbst dreifacher Vergrößerungen gegenüber
astronomischen Ocularen.
7) Die bereits früher erwähnten Vortheile beim Gebrauche von
Faden-Mikrometern.
8) Möglichkeit der Anwendung von Polarisations-Vorrichtungen in Form von
Nicol's etc., insbesondere nach Hartnak's neuester Construction, welche bei
astronomischen Ocularen entweder gar nicht, oder nur mit Beeinträchtigung der
Leistungsfähigkeit des Fernrohres benutzt werden können.
9) Bei gleichen Vergrößerungen wie mit den astronomischen Ocularen kann das Auge
von der Ocularlinse etwas weiter abgerückt werden und es ist daher an kalten
Tagen ein Anlaufen der Linse weniger zu befürchten.
Die größeren Fernröhren gewöhnlich beigegebenen terrestrischen Oculare liefern,
mit Ausnahme von Steinheil's Mikroskop-Ocular,
allerdings keine starken Vergrößerungen, da selbe in der Regel nur 1 bis 3/4
Zoll äquivalente Brennweite besitzen. Allein combinirt man das Collectivsystem
derselben mit den vorhandenen astronomischen Ocularen, so erhält man
beträchtliche Vergrößerungen und zwar in dem Maaße stärkere, als schärfere
Collectivsysteme zur Verfügung stehen. Ich ziehe jedoch der größeren Helligkeit
halber vor, unter Aufopferung der Kürze, keine stärkeren Collectivsysteme als
für terrestrische Oculare von 1 bis 3/4 Zoll anzuwenden. Als Nachtheile stellen
sich dann allerdings eine Verlängerung des Fernrohres um 7–10 Zoll und
eine dadurch bedingte schwierigere Centrirung heraus, allein die Verlängerung
ist, abgesehen von Meridianinstrumenten, meist praktisch kaum zu berücksichtigen
und die schwierigere Centrirung wird bei einiger Uebung auch sicher ermöglicht.
Statt des terrestrischen Oculareinsatzes genügt es zumeist in das Hauptrohr des
Oculars ein kurzes am oberen Ende mit einem Schraubengange versehenes
Röhrenstück einzuschieben, an das die betreffenden astronomischen Oculare
geschraubt werden. Nur in seltenen Fällen ist das Collectivsystem gegenüber den
angeschraubten astronomischen Ocularen aus so heterogenen Glassorten verfertigt,
daß sich schwache farbige Ränder oder geringe sphärische Aberration zeigen.
Zumeist kann man dann durch geringe Auseinander-Rückung der Ocularlinsen
helfen, wozu die Schraubengange des Ocular-Röhrenstückes einen gewissen
Spielraum bieten. Sollte dieß nicht genügen, so bleibt nur übrig zum sogenannten
Corrections-Ocular zu greifen, wie ich selbes, dem Beispiele Amici's für's Mikroskop folgend, seit dem Jahr 1858
beim gewöhnlichen Achromaten und Dialyten verwende. Die Collectivlinse des
astronomischen Oculars ist hierbei an ein Röhrenstück geschraubt, in welchem
sich ein zweites Rohr verschieben läßt, das die Augenlinse trägt. Es ist nun
durch den weiten Spielraum der Verschiebbarkeit beider Ocularlinsen leicht die
letzten Spuren von chromatischer und häufig selbst sphärischer Aberration zu beseitigen.
Die Anwendung derartiger Oculare mag daher bestens empfohlen seyn.
Da man durch derartige Combinationen verhältnißmäßig sehr starke Vergrößerungen
erzielt, so bietet die gewöhnliche dynamometrische Bestimmung derselben, selbst
mit Benutzung der Plößl'schen
Ektomographen-Ausschnitte, große Hindernisse dar. Selbst das Zittern der
Hand beim Anlegen des Dynamometer-Fernröhrchens genügt, um bedeutende
Unsicherheit zu bedingen. Bedeutet so beispielsweise zur Erhärtung dieser
Behauptung für den Ektomographen-Ausschnitt von 2 Zoll und eine
Mikrometertheilung von direct 0,033 Linien im Dynamometerfernröhrchen, T die vom Ausschnitte umfaßten Mikrometertheile, so
erhält man für ein Fernrohr von 51,57 Zoll Brennweite:
in Mikrometer-Theilstrichen
Vergrößerung
Differenz
3
240
2,5
288
48
2
360
72
1,5
480
120
1
720
240
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
0,9
800
80
0,8
900
100
0,7
1029
129
0,6
1200
171
Ich glaube dieser Schwierigkeit auf ähnliche Weise abgeholfen zu haben wie beim
Mikroskope,Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wissenschaften,
mathematisch-naturw. Classe, Bd. XI S. 504. nämlich durch Berücksichtigung der Proportionalität der Vergrößerung
astronomischer Oculare mit jener beim terrestrischen Gebrauche. Bedeutet
nämlich:
A die dynamometrisch sorgfältigst gemessene
Vergrößerung des schwächsten vorhandenen Oculares,
A' die ebenso bestimmte Vergrößerung eines anderen
astronomischen Oculares,
T die dynamometrisch mit gleicher Genauigkeit
ermittelte Vergrößerung des astronomischen Oculares mit der Vergrößerung A in Combination mit dem terrestrischen
Collectiv-Systeme, endlich
T' die Vergrößerung für das zweite terrestrisch
combinirte Ocular, dessen ursprüngliche Vergrößerung A' ist, so wird
T' = A'T/A,
oder für die numerische Rechnung bequemer geschrieben, da
falls mehrere astronomische Oculare terrestrisch combinirt werden sollen T/A eine Constante ist:
T' = A'T/A.
Um selbst dem Laien zu zeigen, daß diese Bestimmungsweise genauer sey als die
direct dynamometrische, mag folgendes Beispiel dienen:
Es sey gemessen A = 70; A' = 250 und T = 250,
so gibt obige Formel die gesuchte terrestrische
Vergrößerung T' = 892,9.
Wäre nun behufs der vorgeschlagenen Bestimmungsweise sowohl in der Ermittelung
des A als A' und T ein mittlerer Fehler von – 0,05
Theilstrichen des Dynamometers begangen, so folgt T'
zu 920,3, somit ein Fehler in der gesuchten Vergrößerung von 27,4.
Derselbe Fehler aber bei der directen dynamometrischen Ermittelung des T' begangen, gäbe T' zu
952,1, also die Vergrößerung um 59,2 fehlerhaft. Dieser Fehler ist mehr als noch
einmal so groß wie bei der vorgeschlagenen Bestimmungsweise.
Es erübrigt nur mehr der Beweis, daß thatsächlich entgegengesetzt der allgemein
verbreiteten Meinung, bei Anwendung terrestrischer Oculare statt astronomisches,
unter gleicher Vergrößerung dieselben Gegenstände ebenso deutlich wahrgenommen
werden können, ja selbst bei gesteigerter Vergrößerung noch Himmelskörper und
Details derselben erscheinen, welche bei Benutzung der gewöhnlichen
astronomischen Oculare wegen Vergrößerungsmangel etc. unsichtbar bleiben.
Beobachtungen:
9. Januar 1859. – 5h 30m bis 6h 30m A. Sehr kalt, vollkommene Windstille,
die Luft in jenem Stadium der Reinheit, das Secchi
mit „air excellent“ bezeichnet.
Das Ocular II des vierzölligen Dialyten wurde terrestrisch gebraucht.
Vergrößerung 278, scheinbares Feld 28° 24', wirkliches Feld 5' 51''.
Jupiter, Mond und Rigel erscheinen farbloser als mit dem astronomischen Ocular
V, das eine Vergrößerung von 248, ein scheinbares Feld von 38° 12' und
ein wirkliches Feld von 9' 16'' gibt. Die Details und Contouren sind vollkommen
scharf; alle Fixsterne erster und zweiter Größe zeigen nur einen Beugungsring und keinerlei Deformation.
16. Januar 1859. – 7h 30m – 8h A. Temperatur
– 4°,6. Mondschein, Luftzustand nach Secchi
„air très bon.“ Um 8h war das Objectiv derart mit Reif
beschlagen, daß die Beobachtungen unterbrochen werden mußten. Das astronomische
Ocular V war terrestrisch gebraucht. Vergrößerung 860, scheinbares Feld
42° 36', wirkliches Feld 2' 5''. β
Orionis sehr schön doppelt zu sehen, die Details am Monde sind tief
schwarz und scharf begrenzt. Die Jupiterscheibe ist bis an den Rand deutlich und
die Streifen gut zu sehen.
20. März 1859. – 7h 30m – 7h 50m A. Windstill, „air très bon.“ Mit dem
astronomischen Ocular III terrestrisch gebraucht, Vergrößerung 470, scheinbares
Feld 32° 34', wirkliches Feld 4' 9'', die 4 Hauptsterne im Trapeze Orionis gut zu sehen. Saturn prachtvoll, 5 Monde
sichtbar, davon 2 in nächster Nähe des Planeten, die kleineren Monde viel
deutlicher als mit dem astronomischen Ocular V. Das matte Ringlicht
unverkennbar. Das astronomische Ocular IV terrestrisch gebraucht gab bei
635maliger Vergrößerung, dem scheinbaren Felde von 32° 34' und dem
wirklichen 2' 49'' zwar mattere, aber immer noch gute Bilder.
25. April 1859. – 9h 30m – 10h 25m A. Vollkommen windstill,
„air très bon“
Das Ocular III terrestrisch gebraucht, ε
Hydrae deutlich getrennt, der Begleiter neblig; ζ Cancri zeigt sich als 2 Sterne in Berührung. Mit dem
astronomischen Ocular V erscheint der Doppelstern bloß länglich.
26. April 1859. – 7h 45m A, bei noch voller Dämmerung, windstill, „air excellent.“ Das Ocular III
terrestrisch gebraucht. Saturn herrlich. Die Streifen und Schatten scharf
begrenzt, schwarz. Eine Spur des Nebelringes sichtbar.
10h A. σ
Coronae bor. Herschel gibt den Stern als
vierfach von 7,8., 9., 13. und 16. Größe. Mit Ocular II terrestrisch gebraucht
ist der Stern 13. Größe matt zu sehen, mit Ocular III terrestrisch angewandt,
sehr schön. Mit dem astronomischen Ocular V ist dieser Begleiter unsichtbar.
29. Juni 1859. – 10h 15m A. „air bon.“ Mit
dem astronomischen Ocular IV terrestrisch gebraucht ist der Ringnebel in der
Leier sehr gut zu sehen.
3. Juli 1859. – 10h 45m A. Windstill, „air
excellent.“ Das astronomische Ocular III terrestrisch
gebraucht. π Aquilae sehr scharf und so gut
getrennt wie er mit dem astronomischen Ocular V niemals gesehen wurde. Der
Begleiter von α Lyrae zugleich mit dem
Hauptstern im Felde herrlich zu sehen.
31. Juli 1859. – Mitternacht. Windstill,
„air excellent.“ Das
astronomische
Ocular V war mit einem Collectivsysteme zu einem terrestrischen Oculare
combinirt, welches die Vergrößerung 1064, das scheinbare Feld 36° 38' und
das wirkliche Feld 2' 4'' gab. γ Andromedae.
Der entferntere Begleiter zeigt sich als zwei sich berührende Sterne, die in
einzelnen Momenten wie durch den feinsten Zwischenraum getrennt sind. Der untere
Stern erscheint etwas röthlicher violett als der schief darüberstehende.
19. Februar 1860. – 7h 38m A. Wind mittelmäßig, „air
excellent,“ jedoch starkes Funkeln der Sterne. Mit einem
astronomischen Corrections-Ocular von Amici,
das terrestrisch combinirt die Vergrößerung 304 beim scheinbaren Felde von
50° 26' und dem wirklichen Felde von 9' 5'' gab, zeigt sich ϑ Orionis im Trapeze wie zwei Sterne in
Berührung und an der Stelle von Du Mouchel's Stern
scheint bisweilen ein Lichtpünktchen aufzuschimmern.
Ferner sind hierher noch die in Notiz I angeführten Beobachtungen vom 14. Mai
1862 und 3. April 1863 zu zählen, die mit dem terrestrisch combinirten Ocular IV
angestellt wurden, sowie die Bemerkung bezüglich des Polaris.
IV. Bemerkungen über den Zusammenhang
der Vergrößerungen mit der Leistungsfähigkeit eines Fernrohres, sowie über
dessen raumdurchdringende Kraft.
Versteht man unter wirksamer (resolvirender) Vergrößerung eines Fernrohres jene
Vergrößerung, welche als Grenze zur Erkennung feinerer Details oder kleinerer
Doppelstern-Distanzen beiträgt, während eine weitere Steigerung der
Vergrößerung zwar größer, aber nicht Mehr zeigend sich erweist, so findet man in
dieser Beziehung sehr differirende Urtheile. Auf nachstehende Weise resultiren
hingegen Angaben, welche mir mit der Erfahrung besser im Einklange zu stehen
scheinen als die bisherigen Annahmen, sie seyen daher zu weiterer Prüfung
vorgelegt.
Wäre
D der optisch wirksame Durchmesser des
Fernrohr-Objectives,
d jener des Kreises, welcher bei 250 Millimeter Sehweite
einem Winkel von 5 Bogenminuten entspricht, unter welchem ein scharfes Auge noch
Sterne getrennt wahrnehmen soll, so folgt:
V die Vergrößerung des Fernrohres, welche als Grenze zur
Lösung feiner Details etc. brauchbar ist, nach der Gleichung:
V = D/d.
Jede weitere Vergrößerung erschiene somit im obigen Sinne als die Leistungsfähigkeit
des Instrumentes nicht mehr erhöhend.
Setzt man nun d = 0,3636 Millimeter, gleich 0,01343
Pariser Zoll, so hat man für Fernröhren, deren Oeffnungen in Pariser Zollen gegeben
sind, als wirksame (resolvirende) Vergrößerungen und Trennungsfähigkeiten für
Doppelsterne nachstehende Daten:
Fernrohröffnung.
WirksameVergrößerung.
Differenz.
Trennungsfähigkeit.
Differenz.
1 Par. Zoll
75
4,04 Secunden
2
„
149
74
2,00
„
2'',04
3
„
223
74
1,34
„
0,66
4
„
298
75
1,01
„
0,33
5
„
373
75
0,80
„
0,21
6
„
448
75
0,67
„
0,13
7
„
522
74
0,58
„
0,09
8
„
597
75
0,50
„
0,08
9
„
671
74
0,45
„
0,05
10
„
746
75
0,40
„
0,05
11
„
821
75
0,36
„
0,04
12
„
896
75
0,33
„
0,03
13
„
970
74
0,31
„
0,02
14
„
1045
75
0,29
„
0,02
15
„
1119
74
0,28
„
0,01
Die Prüfung meiner 1 1/2, 2, 2 1/4, 4 und 5zölligen Fernröhren an Doppelsternen steht
hinsichtlich der Resultate mit den Zahlenangaben der Tabelle in gutem Einklange, ich
glaube daher Gleiches auch für größere Instrumente erwarten zu dürfen.
Es sind aber die Flächen Inhalte der betreffenden Fernrohr-Oeffnungen:
Oeffnungin Zollen.
Flächeninhalt.
Differenz.
Oeffnungin Zollen.
Flächeninhalt.
Differenz
1
0'',785
8
50'',265
2
3,141
2,356
9
63,617
13,352
3
7,068
3,927
10
78,540
14,923
4
12,566
5,498
11
95,033
16,493
5
19,635
7,069
12
113,100
18,067
6
28,274
8,639
13
132,738
19,638
7
38,484
10,210
14
153,937
21,189
8
50,265
11,781
15
176,797
22,860
Diese Zahlen, sowie die Angaben in Notiz III berechtigen nun zur weiteren Annahme:
daß die Grenze für das deutliche Sehen mit einem Fernrohre für lichtstärkere
Gegenstände bei günstigen atmosphärischen Verhältnissen mindestens noch bis auf das
Doppelte der wirksamen Vergrößerung als Maximal-Vergrößerung hinausgeschoben
werden könne. Man erhält
somit, wenn der leichteren Uebersicht halber die Vergrößerungen von 50 zu 50
fortschreitend abgerundet werden, nachstehende Tabelle für die
Maximal-Vergrößerungen eines Fernrohres:
Oeffnung.
Maximal-Vergrößerung.
Oeffnung.
Maximal-Vergrößerung.
1 Zoll
150
9 Zoll
1350
2 „
300
10 „
1500
3 „
450
11 „
1650
4 „
600
12 „
1800
5 „
750
13 „
1950
6 „
900
14 „
2100
7 „
1050
15 „
2250
8 „
1200
Wenn mit diesen Vergrößerungen, sowie mit den resolvirenden Vergrößerungen jene
verglichen werden, welche Fraunhofer, Merz, Plößl und Steinheil ihren Instrumenten gaben, so erhält man:
Fernrohr-Oeffnung.
TheoretischeMaximal-Vergrößerung.
Maximalvergrößerungen nach:
Fraunhofer.
Merz.
Plößl.
Steinheil.
1
Zoll
150
48
2 „
300
75
72
3 „
450
216
140
230
4 „
600
270
270
270
300
5 „
750
364
390
6 „
900
410
480
390
480
7 „
1050
580
450
620
8 „
1200
720
9 „
1350
1500
1000
810
10
„
1500
900
11
„
1650
960
12
„
1800
1600
13
„
1950
14
„
2100
1822
2000
15
„
2250
Hiernach zeigt sich, daß die genannten Optiker bei kleineren Fernröhren, etwa bis 8
Zoll Oeffnung, nicht viel die wirksame Vergrößerung überschritten, für große
Refractoren sich aber mitunter sehr der Maximal-Vergrößerung näherten.
Schließlich dürfte eine Zusammenstellung der raumdurchdringenden (penetrirenden)
Kräfte achromatischer Fernröhren, nach W. Herschel's
Formel berechnet, nicht ohne Interesse seyn. Herschel gab
bekanntlich hierfür die allgemeine Gleichung
Textabbildung Bd. 194, S. 227
worin:
a
die Pupillen-Oeffnung bei vollem Lichte,
A
der Durchmesser des Objectives oder Objectivspiegels
einesFernrohres,
B
der Durchmesser des kleinen Spiegels im Reflector ist. FürRefractoren
wird also B = 0.
x
bedeutet hingegen eine Variable, abhängend vom Verluste, dendas
einfallende Licht gleich der Einheit gesetzt, durch die brechendenund
reflectirenden Medien erleidet.
Setzt man mit Zugrundelegung der Herschel'schen
Untersuchungen über die Lichtverluste beim Gange der Strahlen durch Linsen x = 0,8085, so resultiren die penetrirenden Kräfte für
gewöhnliche Achromaten, also Dialyten ausgenommen, zu:
Fernrohr-Oeffnung.
Penetrirende Kraft.
Fernrohr-Oeffnung.
Penetrirende Kraft.
1
Zoll
2,15
9
Zoll
19,34
2 „
2,29
10 „
21,49
3 „
6,44
11 „
23,64
4 „
8,60
12 „
25,79
5 „
10,74
13 „
27,94
6 „
12,89
14 „
30,09
7 „
15,04
15 „
32,24
8 „
17,19
Die penetrirenden Kräfte zeigen somit ein Wachsen nach constanten Differenzen, und
hieraus ergibt sich zur Berechnung derselben für gewöhnliche Achromaten die
Erleichterung, daß man die penetrirende Kraft einfach durch Multiplication des
Objectiv-Durchmessers mit der Constante 2,1493 erhalten könne.
(Die Fortsetzung folgt.)