Titel: Ueber rotirende Soda-Oefen.
Fundstelle: Band 194, Jahrgang 1869, Nr. LIV., S. 229
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LIV. Ueber rotirende Soda-Oefen. Aus den Verhandlungen der Jahresversammlung der Association of Mechanical Engineers zu Newcastle am Tyne vom 4. August 1869 mitgetheilt von Dr. Georg Lunge zu South Shields. Mit Abbildungen auf Tab. IV. Lunge, über rotirende Sodaöfen. In der Sitzung der Institution of Mechanical Engineers vom 4. August d. J. verlas der Secretär des Vereines eine Beschreibung des rotirenden Sodaofens, verfaßt von R. C. Clapham und Henry Allhusen. Die Beschreibung war von mehreren colorirten Zeichnungen begleitet, welche ich nicht wiedergeben kann; ich muß mich daher auf eine früher von mir erworbene Zeichnung beschränken, welche einen von Black, Hawthorn und Comp. in Gateshead am Tyne gebauten Ofen darstellt. Dieß ist dieselbe Maschinenbauanstalt, aus welcher auch der in dem eben erwähnten Vortrage beschriebene hervorgegangen ist. Ich will zunächst den wesentlichen Inhalt des Aufsatzes von Clapham und Allhusen nach dem stenographischen Berichte wiedergeben, muß aber gleich von vorn herein darauf aufmerksam machen, daß die nach dem Vorlesen desselben stattgefundene Discussion ein ganz anderes Licht auf die Sache warf. Ferner muß ich dem etwa möglichen Mißverständniß vorbeugen, als ob Clapham oder Allhusen etwas mit der Erfindung oder Verbesserung des rotirenden Sodaofens zu thun hätten; sie berichten eben nur über denselben, wie er von den später angeführten Erfindern angegeben und von Black, Hawthorn und Comp. gebaut ist, und in der Allhusen'schen Fabrik arbeitet. Vorläufig lasse ich also Clapham und Allhusen reden. –––––––––– Die Verwandlung von schwefelsaurem Natron (Sulfat) in rohe Soda (ball soda) ist der dritte Proceß, welcher in Sodafabriken vorgenommen wird, und seine Wichtigkeit kann man daraus ersehen, daß allein in dem Tyne-District 450,000 Tonnen und 560,000 Pfd. Sterl. die totale jährliche Quantität und den Werth des Sulfats, der Kreide und Kohle repräsentiren, welche in SodaöfenIm Original steht „rotirenden Sodaöfen,“ dieß ist aber ein handgreiflicher Schreib- oder Druckfehler.Der Ref. verarbeitet werden. Die rotirenden Oefen wurden im Jahre 1853 von Elliott und Russell eingeführt, in der Absicht durch Maschinerie dasjenige zu ersetzen, was seit 1794 durch Handarbeit geschehen war. Aber in Folge der zahlreichen praktischen Schwierigkeiten, welche sich einstellten, realisirten sich die erhofften Ersparungen und anderen Vortheile nicht, und der cylindrische Ofen würde keine weitere Verbreitung gefunden haben, wenn ihn nicht die Herren Stevenson und Williamson, Besitzer der Jarrow Chemical Works, mit großer Beharrlichkeit in verschiedener Hinsicht verbessert hätten. Die letzteren haben fünf von den fünfzehn zur Zeit in England arbeitenden Oefen errichtet. Das Princip dieser Oefen – welche nach der Construction von Black, Hawthorn und Comp. zu Gateshead am Tyne in Fig. 15 und 16 auf Tab. IV dargestellt sind – ist folgendes. Die Beschickung des zu verschmelzenden Materiales wird in einen rotirenden Cylinder eingetragen, welcher aus fünf-sechszehntelzölligem Kesselblech mit einem Futter von feuerfesten Ziegeln besteht, und so aufgestellt ist, daß die Flamme von dem Feuerherde an dem einen Ende des Cylinders bequem durch denselben hindurch und nachher noch über die Flüssigkeit in der Verdampfpfanne am anderen Ende streichen kann. Die äußeren Abmessungen des Cylinders sind: 15' 6'' LängeAlle Maaße in diesem Aufsatze sind natürlich englische. und 9' Durchmesser, die inneren Abmessungen: 13' 3'' Länge, 7' 6'' Durchmesser im Centrum und 6' 6'' Durchmesser an den beiden Enden. In dem Ziegelfutter sind zwei (horizontal laufende) Reihen von Chamotteblöcken angebracht, „Brecher“ (breakers) genannt, welche 14 Zoll im Centrum und 9 Zoll an den Enden über dem Futter hervorragen; durch diese wird der Inhalt gründlich gemischt und nach und nach dem Feuer ausgesetzt. Zwischen dem Feuerherde und dem Cylinder ist ein loser Ring angebracht, bestehend aus einer schmiedeeisernen, mit Chamotteziegeln ausgefütterten Bandage, und zwischen dem anderen Ende des Cylinders und der Pfanne ist ein Raum gelassen, welcher „Rauchkammer“ heißt, damit der größte Theil der durch den starken Zug fortgerissenen Substanz sich dort absetzen könne, statt in der zu verdampfenden Flüssigkeit. In dem Rauchcanal am anderen Ende der Verdampfpfanne ist ein horizontaler Schieber zur Regulirung des Zuges angebracht, und noch weitere Controlle wird durch einen verticalen Schieber gegeben, welcher zwischen Pfanne und Rauchcanal angebracht ist und durch ein nahe an der Maschine aufgehängtes Gewicht balancirt wird. Der Bewegungsapparat ruht auf einer Grundplatte von 2 1/2 Zoll Dicke; diese ist in fünf Stücken gegossen, welche durch sechs warm aufgezogene schmiedeeiserne Reifen zusammengehalten werden; das Ganze ist auf dem Steinfundament durch 12 anderthalbzöllige Bolzen befestigt. Auf derselben Grundplatte ist die Dampfmaschine befestigt; sie ist vertical, direct wirkend, mit Umsteuerung versehen; der Dampfcylinder hat 9 Zoll Durchmesser und arbeitet bei 30 Zoll Ueberdruck mit 6 Pferdestärken. Der Ofencylinder macht eine Umdrehung per Minute in der schnellen, und eine Umdrehung in fünf Minuten in der langsamen Bewegung. Die schnelle Bewegung wird direct von dem Krummzapfen durch die obere Welle erhalten, an deren Ende eine Schraube ohne Ende angebracht ist, welche ein Zahnrad in Bewegung setzt, das mittelst Füßen und Schraubenbolzen an dem Pfannen-Ende des Cylinders befestigt ist. In einigen Fällen sind die Zahnräder in Segmenten gegossen worden, aber wegen ihrer Ungenauigkeit und der Schwierigkeit die Zahntiefe an den Verbindungsstellen richtig herzustellen, wird ein einziges Gußstück vorgezogen. Die langsame Bewegung wird erhalten, indem man den Frictions-Conus an der oberen Welle ausrückt und die untere Rolle einrückt, so daß das Zahnrad und Getriebe an beiden Enden des letzteren in das Getriebe und Zahnrad des ersteren eingreifen. An die Ofencylinder sind zwei gußeiserne Ringe angenietet, deren jeder durch zwei schmiedeeiserne Reifen aus 1 1/2zölligem Quadrateisen verstärkt ist. Auf jedem Ring ist eine schmiedeeiserne Bandage aufgezogen, welche auf zwei gußeisernen, mit Spurkränzen versehenen Frictionsrädern läuft, die 4 1/2zöllige, durch diagonale Lager unterstützte Achsen haben. In einigen Fällen sind die Cylinder-Ringbandagen in einem Stücke aufgezogen worden, indem die Bandagen ausgebohrt und die Ringe abgedreht wurden, aber in Folge von Expansion und Gewicht lockern sich die Bandagen früher oder später, so daß die Bolzen abbrechen. Aus diesem Grunde ist es räthlich, die schmiedeeiserne Bandage in Segmenten mit diagonalen abgeschliffenen Stößen anzubringen, und die versenkten Bolzen durch ein oblonges Loch in dem gußeisernen Ringe gehen zu lassen, durch welches Mittel die Expansion stattfinden kann und das Brechen der Bolzen daher verhütet wird. Die Beschickung der Oefen besteht in der Fabrik von Allhusen und Söhne aus 22 Centner Sulfat, 25 Centner Kreide und 12 Centner Kohle. Das Sulfat wird gleich bei der Ablieferung in den Lagerraum durch ein halbzölliges Sieb geschüttet, und dadurch eine passende Quantität „Kleines“ für den Cylinder ohne besondere Kosten gewonnen. Die Kreide wird in Stücken von mäßiger Größe eingetragen. Die Kohle wird vertheilt; 3 Centner werden mit dem Sulfat und 9 Centner mit der Kreide gemischt. In der Tagesschicht, wobei die Verdampfpfanne ausgeleert wird, werden fünf, in der Nachtschicht sechs Beschickungen gemacht. Bei voller Arbeit verbraucht man also 12 Tonnen 2 Centner Sulfat in 24 Stunden, oder 72 Tonnen 12 Centner per Woche von 6 Tagen. Das Arbeitsverfahren ist folgendes: Zuerst werden die 25 Centner Kreide und 9 Centner Kohle eingetragen, und der Cylinder in die langsame Bewegung versetzt. Nach einer Stunde und 10 Minuten ist die „Verkalkung“ (Verwandlung von Kreide in Kalk) gewöhnlich beendet, was jedesmal durch das Auftreten einer bläulichen Flamme rings um die Arbeitsthür angezeigt wird. Wenn man nun die 22 Centner Sulfat und 3 Centner Kohle einträgt, so läßt man das verticale Register auf 10 Minuten herunter, um den Zug so viel als möglich zu verringern. Etwa 20 Minuten nachdem das Register wieder gehoben worden ist, wird die Schmelzung des Sulfats durch die Erscheinung einer hellgelben Flamme um die Arbeitsthür angezeigt; alsdann ändert der Arbeiter sofort die langsame Bewegung in die schnelle um. Eine kleine Thür in dem Gewölbe über der Pfanne gestattet ihm zu erkennen, wenn die Reaction der Materialien auf einander hinreichend vorgeschritten ist, was er aus ihrer hellen Farbe und zunehmenden Consistenz und auch aus den hellgelben Flammenstrahlen schließt, die von den Theilen der Schmelze ausströmen, welche an den „Brechern“ anhängen. Dieses Stadium wird gewöhnlich in einer halben Stunde erreicht, und bei seinem Eintreten der Ofeninhalt auslaufen gelassen; die Gesammtdauer für eine Operation ist also durchschnittlich 2 Stunden und 10 Minuten. Es ist natürlich interessant, einen praktischen Vergleich der rotirenden mit den gewöhnlichen Sodaöfen anzustellen; da aber Angaben dieser Art immer von vielen localen Umständen abhängen, so muß es erwähnt werden, daß die Vergleichung vorzugsweise aus Beobachtungen und Arbeits-Auszügen von Allhusen's Fabrik abgeleitet ist, wo 25 Handöfen und 2 rotirende Oefen vorbanden sind. Alle Beschickungsmaterialien werden in Waggons und durch Hebwerke gehoben. Was die Constructionskosten betrifft, so kann man die wesentlichen Theile eines rotirenden Ofens folgendermaßen abschätzen. Den Preis des Ofens einschließlich des Arbeitsgerüstes, aber ausschließlich der Hebmaschinerie, kann man zu 1500 Pfd. Sterl. annehmen; das Gebäude, Verbindung mit dem Haupt-Zugcanal, Fußboden und Schienen für die Sodawaggons zu weiteren 500 Pfd. Sterl. – zusammen 2000 Pfd. Sterl. (13,500 Rthlr.). Nach demselben Principe kostet der Handofen 325 Pfd. Sterl., sein Gebäude, Zugcanal und Fußbodenplatten 175 Pfd. Sterl., im Ganzen 500 Pfd. Sterl. (3375 Rthlr.). Die Unkosten für Hebung und Eintragung der Beschickung können in beiden Fällen als gleich angenommen werden; aber der rotirende Ofen erfordert Dampf für seine Maschine und Laugenpumpe, und einen im Verhältniß stärkeren Zug, macht also ein größeres Anlagecapital für Kessel, Zugcanal und Schornstein nöthig. Ein rotirender Ofen in vollem Gange kann per Woche von 6 Tagen 72 Tonnen 12 Centner Sulfat verarbeiten, ein Handofen 21 Tonnen 12 Centner. Aber wenn man Stillstände und Reparaturen in Anschlag nimmt, so überschreitet der erstere nicht 66 Tonnen, während der letztere 21 Tonnen erreicht. Um die Menge des beim Feuern wirtlich consumirten Brennmateriales zu erhalten, muß man das Anheizen, das Trocknen der Kreide und die Erzeugung von Dampf in Betracht ziehen. Das Gewicht wird auf diese Art als nahezu dasselbe in beiden Arten Oefen gefunden, nämlich 13 Centner Kohle für jede verarbeitete Tonne Sulfat; natürlich variirt es je nach der Qualität der Kohle. Da für den Flammofen die Hälfte der Kreide in Oefen getrocknetDieß geschieht nur in den wenigsten Fabriken des Districtes. G. L. und in einer Mühle gemahlen wird, während nur die andere Hälfte direct vom Lager kommt, so hat hierin der Cylinder einen Vorzug von 6 Pence per Tonne Sulfat, welcher sich freilich bis jetzt durch den Unterschied in den Reparaturkosten wieder ausgeglichen hat; denn die Reparaturenrechnung vom September 1867 bis Juni 1869 zeigt 1 Shill. 4 Pence gegen 1 Shill. 10 Pence. Der Arbeitslohn für Beschickung ist ganz derselbe für beide Oefen; aber in der Bearbeitung ist eine entschiedene Ersparniß an Lohn im Betrage von 1 Sh. (10 Sgr.) per Tonne Sulfat, da die gegenwärtigen Lohnsätze 2 Sh. 6 Pence für den Handofen und 1 Sh. 6 Pence für den Cylinderofen sind (einschließlich des Anheizens). Die chemischen Resultate fallen ein wenig zu Gunsten des Cylinderofens aus, was Quantität und Stärke der producirten Soda betrifft, besonders wo man sie caustisch wünscht, während man in Fabriken, wo man Kreide verwendet, findet, daß viel kohlensaurer Kalk durch den starken Zug in die Verdampfpfanne fortgerissen wird und in Folge davon das daraus gezogene Salz sich nicht so gut zur Fabrication von Krystallsoda eignet als das aus Handöfen gewonnene. Obwohl in den meisten Sodafabriken, in welchen der rotirende Ofen eingeführt ist, die Meinung vorherrscht, daß außer seiner allgemeinen Ueberlegenheit über den Handofen der erstere namentlich im Falle von Lohnstreitigkeiten einen augenscheinlichen Vortheil hat, so ist doch hinreichende Veranlassung zu constatiren, daß noch immer Hindernisse existiren, welche modificirt, wenn nicht ganz beseitigt werden müssen, ehe die alten Oefen ganz und gar von den neuen verdrängt werden können. Verbesserungen der letzteren sind entschieden erforderlich, um die Consumption des Brennmateriales und die Reparaturkosten zu verringern, und um die Quantität des verarbeiteten Sulfates und die Qualität der Soda zu erhöhen, und wenn die bislang erfahrenen Schwierigkeiten durch diese Bemerkungen deutlich an's Licht gestellt worden sind, so geschah dieß in der Hoffnung, daß in Folge der dadurch erweckten Aufmerksamkeit sie um so schneller gehoben werden mögen. –––––––––– So weit also der Vortrag von Allhusen und Clapham. An diesen schloß sich nun eine Discussion, aus welcher ich folgende Hauptpunkte hervorhebe (ebenfalls nach dem stenographischen Berichte). Henry Allhusen führte an, daß der Apparat in seiner Fabrik seit zwei Jahren in ununterbrochener Arbeit sey. J. L. Bell (Besitzer der rühmlichst bekannten chemischen Fabrik zu Washington bei Newcastle, und vielleicht der intelligenteste chemische Fabrikant in Nordengland) theilte mit, daß er einen Cylinderofen in Arbeit habe. Unzweifelhaft sey es an und für sich eine Sache von einiger Bedeutung, daß man die Wirkung von Maschinerie für Handarbeit von nicht ganz gewöhnlicher Art substituiren könne, und bis zu dieser Grenze gebe er bereitwillig zu, daß der rotirende Sodaofen bedeutenden Werth habe. Aber er müsse sagen, daß er mit den Resultaten sehr wenig zufrieden sey, die er einmal in rein chemischer Hinsicht, und zweitens in ökonomischer Beziehung erhalten habe. Die Schwierigkeiten in der Sodafabrication, speciell die Reactionen zwischen den verschiedenen Ingredienzien während des Schmelzprocesses im Sodaofen, sind ungemein complicirter Art, und wenn man dieses und außerdem den sehr verschiedenen Geschicklichkeitsgrad der Arbeiter in Betracht zieht, so muß man sich wirklich wundern, daß die Resultate im Allgemeinen doch noch einen hinreichend markirten Charakter von Regelmäßigkeit haben. Aber unglücklicherweise ist der Grad derselben weit entfernt von dem was die Theorie als möglich anzeigt, und er hatte gehofft, daß man durch die Anwendung des rotirenden Sodaofens, wobei irgend welche Unregelmäßigkeit in der Arbeit oder Geschicklichkeit vermieden wird, mehr mit der Theorie übereinstimmende Resultate würde erhalten können. Aber in dieser Erwartung sey er durchaus getäuscht worden. Die Qualität des Fabricates, welches in dem selbstwirkenden Apparate erzielt wird, ist factisch entschieden nicht besser als die desjenigen aus dem alten Ofen, und im Gegensatze zu den Angaben des verlesenen Aufsatzes müsse er leider sagen, daß er bisher noch nicht zu der Ansicht gekommen sey, daß die erhaltenen Resultate denjenigen des alten Ofens gleichstünden. Als er den Ofen in Washington baute, ließ er ihn in einem separaten Hause errichten und ganz und gar von separaten Arbeitern und Cisternen bedienen, damit das Product der einen Art von Ofen unter keiner Bedingung mit dem der andern Art gemischt werden könne; daher könne er mit Sicherheit und zwar nach einer etwas längeren Erfahrung als Allhusen sprechen, und er müsse zu seinem Bedauern sagen, daß das Resultat so sey wie eben angegeben. Erstens sey er nicht der Ansicht, daß die erhaltene Soda an Qualität und Stärke der nach dem alten Verfahren erhaltenen gleichkomme, und zweitens sey dieß auch mit einem anderen wesentlichen Erforderniß, nämlich der Ausbeute, der Fall. Es ist von der allergrößten Wichtigkeit, daß der Fabrikant aus einer Tonne Sulfat eine ebenso große Menge kohlensaures oder caustisches Natron erzielt, als er es nach den Lehren der Chemie im Stande seyn sollte. Bei den alten Oefen belaufe sich der Verlust auf etwa 7 1/2 Procent, bei dem rotirenden Ofen aber nach seiner Erfahrung auf etwas mehr. Gegenüber diesen beiden negativen Ergebnissen muß man freilich unzweifelhaft eine kleine Ersparniß an Arbeitslohn in Anschlag bringen. Clapham und Allhusen geben diese gleich 1 Sh. per Tonne Sulfat an, (und Bell's Calculationen stimmen damit sehr gut überein). Wenn man jedoch diese Zahl in der einzigen Weise in Rechnung bringt, in welcher der praktische Fabrikant es thun darf, so ist das Resultat sehr entmuthigend. Abgesehen nämlich von Reparaturkosten, weil diese bei der Neuheit der Maschinerie noch nicht hinreichend festzustellen sind, braucht man sich nur an die Anlagekosten von 2000 Pfd. Sterl. zu halten. Wenn man nun bedenkt, daß eine Ersparniß von 1 Sh. per Tonne Sulfat nur 173 Pfd. Sterl. für ein ganzes Jahr bedeutet, und daß man dafür ein Anlagecapital von 2000 Pfd. Sterl. aufwenden muß, so ist dieß an und für sich nicht sehr verlockend für den Fabrikanten, und noch viel weniger, wenn ein Zweifel darüber besteht, ob die Resultate denjenigen des alten Ofens gleichkommen. Auf diese Bemerkungen Bell's wurde weder von Clapham noch von Allhusen etwas erwiedert, und nur noch von dem letzteren, auf eine Anfrage von anderer Seite her, angeführt, daß das Futter aus Chamottesteinen ein Jahr lang, und die „Brecher“ drei Monate lang dauern. Aus dem Mitgetheilten kann sich wohl jeder Leser selbst ein Urtheil über den jetzigen Stand der Frage: ob stehender oder rotirender Sodaofen – bilden. Ich will aber doch zur Orientirung noch anführen, daß bei weitem die meisten Fabrikanten selbst im Tynedistrict nichts von den Cylinderöfen wissen wollen, und selbst die Einführer desselben, die Jarrow Chemical Company, die größere Hälfte ihres Fabricates in den gewöhnlichen Oefen herstellen. Ich für meinen Theil kann dem nur beistimmen, was aus den Schlußsätzen des Clapham-Allhusen'schen Aufsatzes mit genügender Deutlichkeit hervorgeht: nämlich daß von dem Siege des rotirenden Ofens erst dann die Rede seyn kann, wenn entweder seine Construction, oder die Arbeitsweise, oder beide zugleich, noch weitere Verbesserungen erfahren haben werden. –––––––––– Diese meine Ansicht muß ich auch noch nach Einsicht einer Abhandlung von Lamy im Bulletin de la Société d'Encouragement, Juli 1869, S. 435 beibehalten (welche der Herausgeber des polytechnischen Journals so gütig war mir zu übersenden), obwohl Lamy's Urtheil sehr günstig lautet; doch wird dieß nur wenig auffallen, da er sich ausschließlich auf die Angaben eines der Patentträger (Stevenson) beruft, welcher naturgemäß für seine Erfindung eingenommen ist. Lamy's Aufsatz ist von Zeichnungen begleitet, welche einen von Rob. Daglish in Widnes (Lancashire) gebauten Ofen darstellen, man s. Figur 1720 auf Tab. IV; ganz dieselben Zeichnungen sind mir (in photographischer Wiedergabe) von Hrn. Daglish zugestellt worden, und können also wohl für eine getreue Wiedergabe der von Daglish durch seine Gießerei zu St. Helen's in Lancashire in den Handel gelieferten Oefen gelten. Daglish und Black, Hawthorn und Comp. sind bis jetzt die einzigen Fabrikanten dieser Oefen in England und somit in Europa. Das Princip beider ist natürlich dasselbe, doch scheinen die Details der Construction und mechanischen Vorrichtungen nicht unbedeutend verschieden zu seyn. Man bemerkt in dem Daglish'schen Ofen (Fig. 1719) den Cylinder A, A, die Gleitrollen B, das Zahnrad C, die Dampfmaschine D und das Füllungs- und Entleerungsloch E. Lamy macht auch darauf aufmerksam, daß die innere Verkleidung nicht genau cylindrisch, sondern gegen die Mitte zu concav ist; ganz dasselbe geht ja auch aus der Clapham-Allhusen'schen Beschreibung hervor. Zwischen dem Cylinder und dem Feuerherde auf der einen Seite, und der Verdampfpfanne auf der anderen Seite ist ein mit Ziegeln ausgefütterter eiserner Ring F (Fig. 17), 10–12 Centimeter breit, welcher lose an einer Kette aufgehängt ist, und dazu dienen soll, etwaige Stöße beim Umdrehen des Cylinders nicht auf den Ofen fortzupflanzen. Auch dieser ist von Clapham-Allhusen angedeutet. Die von Lamy beschriebene Arbeitsweise Stevenson's (der Jarrow Chemical Works zu South Shields bei Newcastle) weicht ein wenig, aber nur unbedeutend, von derjenigen Allhusen's ab. Man bringt den rothglühenden Cylinder mit der Oeffnung nach oben zum Stehen, und beschickt ihn mit 1370 Kilogrm. Kreide und 535 Kil. Kohle in kleinen Stücken. Dieses Gemenge läßt man etwa 1 1/4 Stunde herumgehen, mit je einer Umdrehung in sechs Minuten. Dann setzt man 1220 Kil. Sulfat und 227 Kil. Kohle zu, und läßt noch eine halbe Stunde mit derselben Geschwindigkeit umgehen, worauf die Masse geschmolzen ist und die Reaction eintritt. Jetzt läßt man noch eine halbe Stunde lang und zwar je zweimal in einer Minute umgehen, und dann die Masse in eine Reihe eiserner Waggons auslaufen. Die Dauer der Operation ist somit 2 1/4 Stunde, oder 10 Operationen in 24 Stunden (im Original steht, natürlich durch einen Druckfehler, 2 Stunden); die Production ist 33520 Kil. Mischung oder 18000 bis 19000 Kil. rohe Soda. (Die verarbeitete Quantität Sulfat, nämlich 12200 Kil., stimmt genau mit der Maximalproduction von Allhusen's Ofen = 12 Tonnen 2 Centner; man sieht aber aus den Angaben des letzteren, daß die Durchschnittsproduction nicht unerheblich dagegen zurückbleibt.) Lamy zählt als Vortheile des rotirenden Ofens auf: gleichmäßigere Hitze, vollständigere Zersetzung des Sulfates, größere Ausbeute an Soda, bessere Qualität derselben, Ersparniß an Kohle und an Arbeitslohn. Freilich sieht man aus Bell's und eigentlich auch aus Allhusen's Angaben, daß es mit allen diesen Vortheilen nicht viel auf sich hat, und daß selbst die einzige direct erwiesene Ersparniß, die an Arbeitslohn, nur unbedeutend ist und kaum die Zinsen des höheren Anlagecapitals deckt.Noch weniger wird dieß bei den niedrigeren Löhnen in Frankreich und Deutschland der Fall seyn. Das letztere wird von Lamy fast ganz so wie von Allhusen angegeben, nämlich 35000 Frcs. = 1400 Pfd. Sterl. Lamy selbst führt als Schattenseite die freilich jetzt durch bessere Construction verminderten Betriebsstörungen an, welche bei dem kleineren Umfange der meisten continentalen Fabriken die halbe oder ganze Production unterbrechen können. Auch sind die Drehöfen nur dann brauchbar, wenn man mit ihnen Pfannen zur Verdampfung der Sodalauge durch offenes Flammfeuer verbindet; doch findet man jetzt auch in continentalen Fabriken diese Einrichtung viel häufiger als früher. Sollten sich größere Fabrikanten auf dem Continente doch entschließen, Drehöfen einzuführen, so würden sie wohl am besten thun, statt kostspieliger Experimente einfach einen Cylinder und Maschinerie von einer der genannten englischen Fabriken kommen zu lassen.

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Tafel Tab.
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