Titel: Dr. J. R. v. Mayer's calorischer Kraftmesser; von Prof. C. Teichmann in Stuttgart.
Fundstelle: Band 194, Jahrgang 1869, Nr. LIX., S. 285
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LIX. Dr. J. R. v. Mayer's calorischer Kraftmesser; von Prof. C. Teichmann in Stuttgart. Aus dem württembergischen Gewerbeblatt, October 1869, Nr. 42. Mit einer Abbildung auf Tab. VII. v. Mayer's calorischer Kraftmesser. Die Wichtigkeit der neuen Anschauungen, welche wir dem Erfinder des calorischen Kraftmessers verdanken und von denen dieser Apparat selbst ein prägnanter Ausdruck ist, der bedeutende Einfluß den diese Anschauungen auf die gesammte neuere Naturforschung gehabt haben, und der Wunsch, dieselben mehr und zum Gemeingut Aller zu machen, mag es entschuldigen, wenn ich bei Beschreibung desselben etwas weit aushole. Es ist längst bekannt, daß überall wo durch Reibung, Stoß, Compression von Gasen etc. mechanischer Effect verschwindet, Wärme entsteht, daß umgekehrt unsere Dampfmaschinen Wärme verbrauchen und mechanische Arbeit liefern, daß ferner die Sonnenwärme das Wasser der Flüsse und Seen verdunstet, daß der erwärmte Dunst in die Höhe steigt und sich zu Wolken verdichtet, um als Regen wieder niederzufallen und, von den Bergen herabfließend, unsere Mühlen und Fabriken zu treiben. Auch hier wird Wärme aufgewendet und mechanische Arbeit geleistet; und zwischen den Mühlsteinen, wo diese Arbeit verbraucht wird, erwärmt sich wieder das Mehl. Diese Thatsachen weisen auf einen innigen Zusammenhang zwischen Wärme und mechanischem Effect, welcher von Dr. J. R. v. Mayer in Heilbronn zuerst klar erkannt wurde, indem derselbe im Jahre 1842 den Satz aufstellte, daß beides nur verschiedene Erscheinungsformen einer und derselben Kraft sind, daß diese Kraft unzerstörbar, weder einer Vermehrung noch einer Verminderung fähig, dagegen in ihrer Form beständigen Wandlungen unterworfen ist, in ähnlicher Weise wie dieß für die wägbaren Stoffe längst erkannt und nachgewiesen wurde. Verbrennen wir Kohle, so brauchen wir dazu einen Bestandtheil der Luft, Sauerstoff. Kohle und Sauerstoff sind aber nach der Verbrennung nicht aus der Welt verschwunden, sie finden sich, zu Kohlensäure verbunden, in der Luft wieder. Die Pflanze athmet die Kohlensäure ein, zerlegt sie in ihre Bestandtheile und liefert wieder einerseits Lebensluft, Sauerstoff, andererseits verwendet sie zu ihrem Aufbau die Kohle, die wir im Holze wiederfinden. Der in der Natur vorhandene Vorrath von Kohlenstoff und Sauerstoff ist seiner Größe nach unveränderlich, erleidet aber in seiner Form die mannichfaltigsten Umwandlungen. Ganz ebenso verhält es sich mit den Kräften: Wir kennen den mechanischen Effect seit Galilei und Newton in zwei verschiedenen Formen: Gewichtserhebung und Bewegung (lebendige Kraft), und verwandeln mittelst unserer Maschinen täglich auf die mannichfaltigste Weise die eine Form in die andere. Das Wasser sinkt im Wasserrad nieder und hebt dafür den Hammer, der gehobene Hammer fällt, seine Erhebung verwandelt sich in Geschwindigkeit, in lebendige Kraft; das schwingende Pendel verwandelt in beständigem Wechsel seine Erhebung in Bewegung. Wir wissen ebenfalls längst, daß diese beiden Formen von mechanischem Effect äquivalent sind, und die Mechanik bestimmt die Menge von Bewegung, die Größe der lebendigen Kraft, in welche sich eine bestimmte Menge von Arbeit oder Gewichtserhebung verwandeln läßt und weist nach, daß die umgekehrte Verwandlung in demselben Verhältniß vor sich geht – abgesehen von den durch Reibung, unelastischen Stoß etc. herbeigeführten „Verlusten,“ wie die Lehrbücher der Mechanik hinzusetzen. Der bei der Reibung als solcher verschwindende Effect ist aber nicht verloren, nicht aus der Welt verschwunden, so wenig als bei der Verbrennung Kohle und Sauerstoff: er ist in Wärme verwandelt. Die bei jeder Reibung entstehende Wärme ist proportional der verbrauchten Arbeit. Der Engländer Joule fand im Jahr 1843, indem er die verschiedensten Körper gegen einander reiben ließ, daß, welches auch die Natur der reibenden Körper sey, aus einer Arbeit von 1480 Fußpfund (der Gewichtserhebung von 1 Pfund auf die Höhe von 1480 Fuß oder 424 Meter) eine Wärmeeinheit entsteht, d.h. die Wärmemenge, welche die Temperatur von 1 Pfd. Wasser um 1° C. erhöht. Schon ein Jahr vorher hatte Mayer die Arbeit bestimmt, welche aus einer gegebenen Wärmemenge entsteht, wenn ein Gas unter einem Druck sich ausdehnt (eine Quecksilbersäule hebt) und dabei sich abkühlt. Dieselbe Zahl, das mechanische Aequivalent der Wärme wurde von beiden Forschern fast gleichzeitig, aber vollkommen unabhängig von einander auf ganz verschiedenen Wegen mit merkwürdiger Uebereinstimmung gefunden. In der Regel verschaffen wir uns die Wärme nicht durch Aufwendung von mechanischem Effect, sondern durch Verbrennung. Die Ursache derselben ist chemische Anziehungskraft der Kohlenstoff- und Sauerstoffatome, die Wirkung Wärme; die Anziehungskraft wird befriedigt, verbraucht, Wärme wird producirt. Chemische Anziehung ist ebenfalls ein Aequivalent der Wärme; getrennte Elemente gleichen gehobenen Gewichten, chemische Verbindungen auf der Erde liegenden Gewichten.Die chemischen Anziehungskräfte, obgleich nur auf kleine Entfernungen wirkend, sind sehr bedeutend im Vergleich zur Anziehungskraft der Erde. Ein Pfund Kohle, das sich mit Sauerstoff verbindet, erzeugt 7000mal so viel Wärme, als wenn es 1480 Fuß hoch herabfällt. Lassen wir aber Gewichte aus kosmischen Höhen (Sternschnuppen) auf die Erde fallen, so repräsentiren diese Effecte Wärmemengen, welche wir durch keine chemische Verbindung erzeugen können. Und weiter ist die Anziehungskraft der 350,000mal schwereren Sonne so bedeutend, daß dagegen jede chemische Verwandtschaft verschwindend klein ist. Die Schlüsse, welche Mayer in dieser Richtung auf die „Dynamik des Himmels,“ auf die Entstehung und Unterhaltung der Sonnenwärme etc. gemacht hat, können wir hier nur berühren und müssen im Uebrigen auf sein Werk „die Mechanik der Wärme,“ Stuttgart bei Cotta, sowie auf das elegant und im besten Sinne des Wortes populär geschriebene Buch von Tyndall: „Die Wärme eine Art der Bewegung,“ deutsch von Wiedemann und Helmholtz, verweisen. Wie ein auf der Erde liegendes Gewicht durch eine andere Kraft gehoben und dadurch zu neuer Arbeitsleistung befähigt werden kann, so können auch chemische Verbindungen getrennt, ihre Anziehungskraft wieder hergestellt werden. Die Verwandlung von mechanischem Effect in Wärme, von chemischer Differenz in Wärme, können wir leicht und vollständig bewirken; häufig geschieht dieselbe gegen unseren Wunsch und Willen; nicht ebenso in unserer Gewalt haben wir die entgegengesetzte Verwandlung. Die Pflanzen nehmen unter dem Einfluß des Sonnenlichtes Kohlensäure auf und zerlegen dieselbe in ihre Bestandtheile; sie scheiden Sauerstoff aus und verwenden den Kohlenstoff zum Aufbau ihres Körpers; sie verwandeln Wärme in chemische Differenz. „Die Pflanzenwelt bildet ein Reservoir, in welchem die flüchtigen Sonnenstrahlen fixirt und zur Nutznießung geschickt niedergelegt werden: eine ökonomische Fürsorge, an welche die physische Existenz des Menschengeschlechtes unzertrennlich geknüpft ist und die bei der Anschauung einer reichen Vegetation in jedem Auge ein instinctartiges Wohlgefallen erregt.“ Bei der Verbrennung der Pflanze erscheint wieder die Wärme, welche sie bei ihrer Bildung dem Sonnenstrahl entzogen. Unsere Steinkohlenlager, aus untergegangenen Wäldern entstanden, repräsentiren einen Vorrath von Sonnenwärme, welchen die Natur seit Jahrtausenden für uns aufgespeichert hat. Durch Watt haben wir Wärme in mechanischen Effect zu verwandeln gelernt und üben diese Kunst in ausgedehntem Maaße, wiewohl nicht in ökonomischer Weise. Von der auf den Herden unserer Dampfkessel erzeugten Wärme gehen ungefähr 95 Procent durch den Kamin und das Abblasrohr in die Luft und heizen die Atmosphäre, und nur 5 Procent, im allergünstigsten Falle 7 bis 8 Proc., häufig aber nur 2 bis 3 Proc. werden in mechanische Arbeit verwandelt. Oekonomischer wird derselbe Zweck erreicht durch den menschlichen und thierischen Organismus. Der lebende Körper nimmt Kohlen- und Wasserstoffverbindungen aus dem Pflanzenreich (oder von pflanzenfressenden Thieren) auf und verbrennt dieselben im Blute zu Kohlensäure und Wasser, indem sie sich mit dem Sauerstoff der eingeathmeten Luft verbinden. Er erzeugt dadurch die zum Leben nöthige Körperwärme und den zur Verrichtung der verschiedensten Arbeiten, zur Fortbewegung etc. nöthigen mechanischen Effect. Die bei der Verbrennung einer bestimmten Menge Kohlenstoff oder Wasserstoff entstehende Wärmemenge ist dieselbe, ob die Verbrennung schnell oder langsam, direct oder indirect, und unter welchen Umständen sie erfolge. Im ruhenden Körper entsteht durch die Verbindung der eingenommenen Nahrungsmittel mit dem eingeathmeten Sauerstoff genau so viel Wärme, wie wenn wir diese direct verbrennen. Der arbeitende Körper verbraucht mehr Nahrungsmittel, producirt aber nicht in demselben Verhältniß mehr Wärme, indem ein Theil der verwendeten chemischen Anziehungskraft, ungefähr 16 bis 18 Proc. des Gesammtverbrauches, statt in Wärme in Arbeit verwandelt wird; gerade wie die aus der Dampfmaschine in die Luft ausströmende Wärmemenge kleiner ist, wenn die Maschine arbeitet, als wenn wir den Dampf ausströmen lassen, ohne zu arbeiten. Verwenden wir aber die Arbeit unseres Körpers oder der Dampfmaschine zur Erzeugung von Wärme, etwa mittelst Reibung, so finden wir den Rest vollständig wieder. Ein Motor ist um so vollkommener, je mehr von der consumirten Wärme er in Arbeit umsetzt und je weniger er unverändert wieder ausgibt; denn die Erwärmung der Umgebung ist dabei in der Regel nicht beabsichtigt. Den von einem Motor gelieferten Effect zu bestimmen, bezweckt Mayer's Kraftmesser, Figur 9, welcher von dem Director der Maschinenfabrik Heilbronn den Studien des Dr. v. Mayer entsprechend in sinniger Weise ausgeführt worden ist. Der den bekannten Prony'schen Zaum benutzende Apparat verwendet die ganze Kraft des Motors zur Erzeugung von Wärme durch Reibung, mißt die producirte Wärmemenge und berechnet daraus die Größe des Effectes. In den Wänden eines hölzernen, mit Wasser gefüllten Kastens a ist eine Welle b gelagert, welche außerhalb des Kastens eine Riemenrolle c, innerhalb eine Bremsrolle d trägt. Gegen die letztere pressen sich zwei Bremsbacken e, die mit einem Hebel f verbunden sind, welchem die Wände des Kastens nur kleine Drehungen gestatten. Verbindet man die Riemenrolle c durch einen Riemen mit dem zu untersuchenden Motor, preßt die Bremsbacken mittelst der Schrauben g so zusammen, daß der Gang des Motors ein normaler wird, so wird durch die Reibung am Umfang der Rolle die ganze Arbeit aufgezehrt und in Wärme verwandelt, deren Betrag durch die Temperaturzunahme des Wassers gemessen wird. Eine Controlle dieser Messung erhält man, wenn man die Waagschale h so lange belastet, bis der Hebel f in horizontaler Lage im Gleichgewicht ist. Aus der Belastung der Schale läßt sich dann die Größe des Reibungswiderstandes am Rollenumfang berechnen und durch Multiplication desselben mit dem vom Umfang zurückgelegten Weg ergibt sich die Leistung direct wie beim Dynamometer von Prony; sie entspricht der gleichzeitigen Hebung des dem Reibungswiderstande das Gleichgewicht haltenden Gewichtes auf eine jenem Wege entsprechende Höhe. Vom gewöhnlichen Prony'schen Zaum unterscheidet sich der Apparat nur durch den Wasserkasten, den das neue Princip nöthig macht, und durch die indirecte Anhängung der Waagschale. Beide Messungen in Verbindung mit einander geben die einer bestimmten Arbeitsleistung entsprechende Wärmemenge oder das mechanische Aequivalent der Wärme, das sich demnach mit Hülfe des Apparates einem größeren Publicum vormessen läßt. Ordnet man den Versuch schließlich h so an, daß vor demselben die Temperatur des Wassers soweit unter der des Apparates und der Luft ist, als nach demselben darüber, so wird sich die störende Wärmeabgabe und Aufnahme durch die Kastenwände etc. ziemlich compensiren. Bei Anwendung eines Thermometers, das Zehntelgrade genau abzulesen gestattet, und bei einer Temperaturdifferenz von 10 bis 20° werden sich für die technische Praxis Fehler, welche 1/100 des Resultates übersteigen, vermeiden lassen. Die bisherigen Dynamometer werden schwerlich genauere Resultate geben. Ein solches Thermometer und etwa noch ein Hubzähler würden eine nützliche Zugabe für den Gebrauch bilden. Da die Dimensionen des Apparates viel bedeutender sind als bei den berühmten Joule'schen Versuchen, und ungleich größere Arbeitsmengen zur Wirkung kommen (der Apparat welcher sich auf der Heilbronner Ausstellung befand, kann nach ungefährer Schätzung bis 10 Pferdekräfte absorbiren), so muß der relative Betrag der störenden Einflüsse viel kleiner seyn, und man sollte hoffen dürfen, mit einem nach demselben Princip mit äußerster Sorgfalt ausgeführten Instrument das mechanische Wärmeäquivalent noch genauer bestimmen zu können, als es bisher bekannt ist.

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Tafel Tab. VII
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