Titel: | Ueber die neueste Gestalt meines Polaristrobometers (Saccharimeter, Diabetometer); von H. Wild. |
Fundstelle: | Band 194, Jahrgang 1869, Nr. LXXI., S. 338 |
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LXXI.
Ueber die neueste Gestalt meines
Polaristrobometers (Saccharimeter, Diabetometer); von H. Wild.Aus den Mélanges physiques et chimiques
tirés du Bulletin de l'Académie impériale des sciences
de St. Pétersbourg, tome VIII p. 33 vom Verfasser
mitgetheilt.
Mit Abbildungen auf Tab.
VII.
Wild's Polaristrobometer und dessen Verwendung als Saccharimeter
und Diabetometer.
I. Einleitung.
§. 1. Seit dem Erscheinen meiner Schrift: „über ein neues
Polaristrobometer (Saccharimeter, Diabetometer) und eine neue Bestimmung der
Drehungsconstante des Zuckers, Bern 1865 bei Haller“ hat dieses Instrument eine stets zunehmende Verbreitung
und allgemeine Anerkennung gefunden. Dasselbe ist außer von Hrn. Optiker Hofmann in Paris auch in der rühmlichst bekannten
mechanischen Werkstätte des Hrn. Inspector Dr. Meyerstein in Göttingen construirt worden. In chemischen
und pharmaceutischen Laboratorien hat insbesondere das kleinere Handinstrument
seiner Bequemlichkeit und Billigkeit halber vielfach Eingang gefunden und das
größere Instrument hat bei den im Herbst 1866 zu Cöln angestellten
Raffinirungsversuchen hinsichtlich seiner technischen Verwendung als Saccharimeter
eine sehr eingehende und unparteiische Prüfung und Vergleichung mit den anderen
Polarisations-Saccharimetern erfahren.
Diese Prüfung und Vergleichung ist dargestellt in einem von Hrn. Prof. Dr. Landolt in Bonn
abgefaßten „Bericht über die chemischen Analysen, welche bei den auf
Veranlassung des kgl. preußischen Ministeriums für Handel etc. im Herbst 1866 zu
Cöln angestellten Raffinirungsversuchen mit Rüben-Rohzucker ausgeführt
worden sind“ (erschienen in den Verhandlungen des Vereines für
Gewerbfleiß in Preußen, 1867Im Auszug mitgetheilt im polytechn. Journal Bd. CLXXXVII S. 251.). Hr. Landolt gelangt darin zu dem Resultat, daß
die Genauigkeit bei meinem Instrumente 2mal größer sey als bei einem Soleil-Duboscq'schen
und 4mal größer als bei einem Soleil-Ventzke'schen
Saccharimeter;
ferner daß mein Instrument vor den beiden anderen einen Vorzug, namentlich auch noch
deßhalb verdiene, weil die Färbungen der Lösungen bei demselben eine viel geringere
Abnahme der Genauigkeit bedingen und dasselbe frei sey von den bei jenen sich
einstellenden persönlichen Fehlern.
Eine solch' gründliche und unparteiische Würdigung meines Instrumentes auch vom
technischen Standpunkte aus mußte mich ermuthigen, demselben neuerdings meine
Aufmerksamkeit Zuzuwenden und zu trachten, einige seine Anfertigung erschwerende
Theile, worauf ich schon in meiner ersten Beschreibung hinwies, wo möglich zu
verbessern, sowie das Ganze unbeschadet der Genauigkeit der Messungen für den
praktischen Gebrauch bequemer zu machen.
§. 2. Wie ich unten auf S. 17 meiner Schrift „über ein neues
Polaristrobometer etc.“ bemerkt habe, machte die richtige Anfertigung
des Doppelquarzes für seine gleichzeitige Benutzung im weißen und im homogenen
Lichte bedeutende Schwierigkeiten, welche durch Anwendung eines einfachen statt
doppelten Quarzes bei der letzteren Beleuchtung nur auf Kosten bequemer Benutzung
des Instrumentes für weißes wie homogenes Licht umgangen werden konnten. Sodann
waren für genauere Messungen Einstellungen auf den Neutralisationspunkt in allen 4
Quadranten der Kreistheilung nothwendig, welche sowohl für die Beobachtung als für
die Ableitung des Drehungswinkels Weitläufigkeiten zur Folge hatten. Endlich mußten
zur Abhaltung des das vollständige Verschwinden der Interferenzfransen verhindernden
Seitenlichtes entweder die Röhren für Aufnahme der activen Flüssigkeiten sehr weit
genommen oder dann im Inneren mit Diaphragmen versehen werden, was wieder für deren
Reinigung sehr unbequem war. – Diesen Uebelständen zumal wurde durch die
Anbringung einer 60 Millimeter langen Blendröhre vor dem polarisirenden Nicol unter
Weglassung der Linse daselbst einerseits und andererseits durch die Vertauschung des
Doppelquarzes mit einer Doppelplatte von Kalkspath und durch gleichzeitige Benutzung
eines stärker vergrößernden Polariskop-Fernrohres mit Objectiv-Linse
von größerer Brennweite abgeholfen. Bei stärkerer Vergrößerung des Fernrohres resp.
größerer Brennweite der Objectiv-Linse desselben kommen, nämlich viel eher
nur die parallel zur Achse desselben einfallenden Lichtstrahlen innerhalb des
Gesichtsfeldes zur Wirkung und um nun in Folge dieser stärkeren Vergrößerung zur
Erzielung gleich breiter Interferenzfranzen nicht allzu dicke Bergkrystallplatten
verwenden zu müssen, war es gemäß den auf Seite 31 meiner citirten Schrift aus der
Theorie des Savart'schen Polariskops gezogenen Schlüssen
nothwendig, statt derselben Platten aus Kalkspath von 2–3 Millim. Dicke zu verwenden. Die
stärkere Doppelbrechung des Kalkspaths bietet aber den weiteren Vortheil dar, daß
die kleinen Unvollkommenheiten im Schliff des Kalkspaths die so störenden schiefen
Interferenzfransen, welche bei nicht vollständig senkrechter Kreuzung der
Hauptschnitte der beiden Platten im homogenen Lichte in der Nähe der
Neutralisationsstellung auftreten, in der Regel von selbst beseitigen. Endlich hat
die vollkommenere Benutzung bloß von parallel zur Achse laufenden Strahlen auch zur
Folge, daß der wahre Neutralisationspunkt durch eine Einstellung bloß in einem
Quadranten der Kreistheilung gefunden werden kann.
Zur Ablesung der Stellung des Index an der Kreistheilung mußte man sich beim größeren
Instrumente jedesmal erheben, beim kleineren den vorderen Theil desselben dem Auge
zuwenden, was ein rasches Arbeiten sehr beeinträchtigte. Es wurde daher die Theilung
und der Index auf die Ebene der Kreisplatte verlegt und beim kleinen Instrumente
eine fixe Loupe, beim größeren ein besonderes seitliches Fernrohr so angebracht, daß
man beide, Index und Theilung, unmittelbar vom Ocular des Polariskop Fernrohres aus
beobachten kann.
Hr. Professor Landolt hat mir bei Gelegenheit der
erwähnten Prüfungen brieflich noch die Mittheilung gemacht, daß es für den Gebrauch
meines Instrumentes in der Zuckertechnik wünschbar wäre, die Kreistheilung durch
eine lineare wie beim Soleil'schen Saccharimeter zu
ersetzen, die wo möglich gleich den Zuckergehalt nach Procenten angäbe. Denselben
Wunsch hat auch Hr. Dr. Scheibler in einer Kritik meines kleinen Saccharimeters in der
„Zeitschrift des Vereines für Rübenzucker-Industrie im
Zollverein“ Bd. XIV S. 779 ausgesprochen. Die Einführung einer
linearen Theilung bei meinem Instrumente würde nun durchaus die Anwendung eines
Quarzkeil-Compensators bei demselben involviren. In meiner citirten Schrift
habe ich aber auf Seite 12 und 13 zur Genüge die mit diesem Compensator verbundenen
Uebelstände erörtert und gezeigt, wie gerade ein Hauptvorzug
meines Instrumentes darin bestehe, daß man eben bei
demselben in Folge der directen Bestimmung der Drehungsgröße und der leichten
Anfertigung guter Kreistheilungen keinerlei mehr oder minder umständliche und
schwierige Fundamental-Untersuchungen über die Richtigkeit seiner Angaben
resp. seiner Gradwerthe vorzunehmen habe, wie dieß eben bei jedem
Saccharimeter mit Quarzkeilcompensator zu geschehen hat. Da ich nun der Ansicht bin,
daß die Schwierigkeit im Gebrauch meines Instrumentes für den Techniker nicht sowohl
in der Kreistheilung an
und für sich – denn die Ablesung der Stellung eines Index zwischen Strichen
einer solchen ist doch genau gleich wie bei einer linearen Theilung, – als
vielmehr in der Ablesung des dabei eingeführten Vernier beruhe,Dieß ging übrigens auch direct aus Anfragen hervor, welche mehrere Techniker
in Bezug darauf an mich richteten. so glaubte ich, vor dem allfälligen Aufgeben der obigen Vortheile der
Kreistheilung diese versuchsweise so einrichten zu müssen, daß der Vernier
entbehrlich sey. Demzufolge wurde bei beiden Instrumenten eine feinere Kreistheilung
angebracht, welche indessen nicht mehr als 100° umfaßte, so daß dieser
gegenüber eine zweite Theilung Platz fand, welche zufolge der von mir bestimmten
Drehungsconstante des Rohrzuckers für homogenes gelbes Licht unmittelbar die in 1
Liter Lösung enthaltene Gewichtsmenge Rohrzucker nach Grammen abzulesen
gestattet.
Beim kleinen Instrumente erschien ferner die Einstellung mit der bloßen Hand zu wenig
sicher und wurde daher ähnlich wie beim größeren durch eine solche mit Zahnrad und
Getriebe ersetzt.
Endlich ließ ich auch dem Wunsche des Hrn. Landolt zufolge
die versilberten Messingröhren durch mit Messingröhren versehene dickwandige
Glasröhren ersetzen und beim größeren Instrumente für die bequemere Untersuchung der
intervertirten Zuckerlösung eine Röhre von 220 Millimeter Länge beifügen.
So entstanden die beiden neuen Instrumente, welche ich hiermit der Akademie
vorzulegen die Ehre habe. Dieselben sind von den HHrn. Mechaniker Hermann und Pfister in Bern
mit gewohnter Geschicklichkeit und Sorgfalt ausgeführt, womit denn auch zugleich
genannte Werkstätte die Anfertigung dieser Instrumente für den Handel übernommen
hat.
II. Beschreibung der
Instrumente.
§. 3. Das größere Instrument, in Fig. 10 in ungefähr 1/4
der natürlichen Größe perspectivisch dargestellt, besteht aus einer auf dem eisernen
Dreifuß E stehenden Messing-Säule F, in welcher sich eine zweite, durch die conische
Schraube I festzuklemmende Messingröhre G verschieben läßt. Diese trägt am oberen Ende den um
eine horizontale und verticale Achse mit einiger Reibung drehbaren Support H des eigentlichen Instrumentes. Am einen Ende des
letzteren ist nämlich der Halter für das Polariskop A,
am anderen derjenige für die Kreisscheibe K befestigt.
Das Polariskop besteht aus einem ungefähr 5mal vergrößernden, auf die Unendlichkeit
eingestellten Fernrohre, vor dessen Objectiv von 120 Millim. Brennweite die
Doppelplatte aus Kalkspath sich befindet, während im Brennpunkt des Objectives ein Diaphragma mit
andreaskreuzförmigem Fadenkreuz sich befindet. Die Doppelplatte wird von zwei 3
Mill. dicken, unter 45° zur optischen Achse geschnittenen und mit ihren
Hauptschnitten sich rechtwinklich kreuzenden Platten aus Kalkspath gebildet.
Zwischen dem ausziehbaren Oculare und der Ocularblende vor dem Auge ist das
analysirende Nicol'sche Prisma eingeschoben und so orientirt, daß sein Hauptschnitt
horizontal steht und mit demjenigen der Doppelplatte aus Kalkspath einen Winkel von
45° einschließt. Damit diese beiden Normalstellungen nicht gestört werden
können, ist sowohl der Ocularauszug mit einem Führungsstift versehen, als auch das
ganze Polariskop durch einen solchen Stift in der Hülse L am Support, in die es eingeschoben wird, fixirt. Eine Blendscheibe M in der Nähe des Oculars soll das Seitenlicht vom Auge
des Beobachters abhalten.
In einer am Kreise K befestigten Hülse N ist das polarisirende Nicol mit einer besonderen
Metallfassung, die sich durch 2 seitliche Schrauben fest mit jener verbinden läßt,
eingeschoben und an dieser letzteren Fassung ist dann noch die Blendröhre D mit Diaphragmen von 10 Millim. Durchmesser
angeschraubt. Die Kreisscheibe sammt Nicol läßt sich in ihrer Hülse vermittelst
eines auf ihr befestigten Zahnrades und eines in dieses eingreifenden Getriebes
drehen, welch' letzteres am einen Ende der vom Support gehaltenen Stange O sitzt und vom Beobachter vermittelst des Knopfes C bewegt wird. Der Index zur Ablesung der Stellung der
Kreisscheibe ist am Träger der letzteren nach links angebracht und besitzt einen
einfachen Strich. Zur Ablesung seiner Stellung dient das Fernrohr P links vom Polariskope, dessen Ocular B unmittelbar neben dem des letzteren liegt, und die
Beleuchtung der Theilung erfolgt durch den durchbrochenen Metallspiegel S am Objectivende dieses Ablesefernrohres. Die
Kreistheilung auf Silber geht auf der einen Seite der Scheibe von 0 bis 100°
und ist bis zu 1/5° fortgesetzt, so daß man vermittelst des Ableserohres
1/10° sicher beobachten und der geringer Uebung 1/50° leicht schätzen
kann; auf der gegenüberliegenden Hälfte der Scheibe ist eine zweite Theilung von 0
in der Mitte nach beiden Seiten bis 400 angebracht, deren einzelnen Theilen für
gelbes Licht von der Brechbarkeit der Fraunhofer'schen
Linie D im Sonnenspectrum oder für das gelbe Licht,
welches glühende Natriumdämpfe ausstrahlen, unmittelbar die durch 1 Gramm Rohrzucker
in 1 Liter Lösung bewirkte Drehung der Polarisationsebene entspricht, wenn die
angewandte Röhre eine Länge von 200 Millimet. hat. Man kann daher 1 Gramm direct
ablesen und 1/10 Gramm schätzen.
Diese Theilung wurde nach der von mir bestimmten Drehungsconstante des Rohrzuckers für gelbes Licht
in folgender Weise bestimmt. Zufolge S. 37 meiner citirten Schrift ist der
Drehungswinkel α:
α = (C . L)/A,
wo C das in 1 Liter der Lösung
enthaltene Gewicht Zucker in Grammen, L die Länge der
Röhre in Millimetern und endlich A die sogenannte
Drehungsconstante darstellt. Nun ist zufolge S. 52 meiner Schrift diese
Drehungsconstante des Rohrzuckers für gelbes Licht von der Brechbarkeit der Linie
D:
A = 1505,6
also, wenn man L = 200 et C = 400 setzt, ergibt sich für den Winkel α, um welchen eine Zuckerlösung von 400 Grammen
Zucker aus 1 Liter Lösung bei einer Röhrenlänge von 200 Millim. die
Polarisationsebene dieses gelben Lichtes dreht, der Werth:
α = 53,135°.
Es mußte also die Theilung so angefertigt werden, daß man 53,135° in 400
gleiche Theile theilte oder einen Theil derselben gleich 0,1328° machte.
Zwischen das Polariskop und die Kreisscheibe kommen auf besondere Lager, durch Federn
gehalten, die zur Aufnahme der zu untersuchenden Flüssigkeit bestimmten Röhren zu
liegen. Von diesen sind dem Instrumente 3 beigegeben, nämlich eine solche von 220
Millimeter Länge für Untersuchung der intervertirten Lösung, ferner eine von 200 und
eine dritte von 100 Millim. Länge. Die beiden letzteren sind durch Röhrenansätze
außen auf dieselbe Länge von 220 Millim. gebracht. Die Einrichtung dieser Röhren ist
im Uebrigen die gewöhnliche, indem auf die ebenabgeschliffenen Ränder der in eine
Messingröhre eingekitteten dickwandigen Glasröhre ebene Glasplatten durch
Schraubenkappen aufgedrückt werden.
§. 4. Das kleinere oder Handinstrument, in Fig. 11 ebenfalls in 1/4
der natürlichen Größe dargestellt, unterscheidet sich von dem größeren nur durch den
einfachen hölzernen Fuß in Form eines Handgriffes, durch die geringere Länge der
Röhren – die eine ist nämlich 50, die andere 25 Millim. lang – durch
die Loupe b, welche statt des Fernrohres P beim größeren Instrument zur Ablesung dient,Bei den neuesten Instrumenten dieser Art ist ebenfalls statt der Loupe ein
kleines Fernrohr angebracht. sowie endlich dadurch, daß die Kreistheilung auf der einen Seite in
1/5° bloß 50° umfaßt und die andere unmittelbar durch ihre Theile bloß
10 Gramme Zucker in 1
Liter Lösung angibt und also 1 Gramm nur schätzen läßt.
§. 5. Beiden Instrumenten wird nach Wunsch eine kleine Spirituslampe mit
Zugglas und Platindrahthalter (in Fig. 12 ebenfalls in 1/4
der natürlichen Größe dargestellt), oder eine entsprechende Gaslampe zur Erzeugung
des für die meisten Messungen nothwendigen homogenen gelben Lichtes beigegeben. Eine
in die Platindrahtöse eingeschmolzene Glaubersalzperle in den Rand der Flamme
gebracht, gewährt stundenlang eine hinlänglich helle und homogene Beleuchtung, wobei
das störende Flackern der Flamme durch das Zugglas vermieden wird.
III. Gebrauch als
Saccharimeter.
§. 6. Aufstellung und Orientirung des Apparates.
– Da Zuckerlösungen durchweg stärkere Drehungen der Polarisationsebene
bewirken, so hat man für diese Bestimmungen das homogene gelbe Licht der
beigegebenen Spiritus- oder Gaslampe zu benutzen. Zu dem Ende schmilzt man
vorher an die Platindrahtöse eine Perle von Glaubersalz an, was durch Eintauchen des
benetzten Drahtes in gepulvertes Glaubersalz und nachheriges Hereinbringen in die
Spitze der Flamme bis zum Schmelzen des Salzes erreicht wird. Alsdann befestigt man
den Draht in seinem Ständer so, daß die Perle in den unteren Theil der Flamme nahe
ihrem Rande hineinragt, worauf sofort die gelbe Färbung der Flamme erfolgt und
Stunden lang anhält. Das Instrument, sey es nun das große oder das kleine, wird
darauf gegen diese Flamme hin gerichtet und es wird zur Abhaltung fremden Lichtes
entweder hinter der Flamme und daneben ein schwarzer Schirm aufgestellt oder
geradezu der ganze Raum verdunkelt. Zugleich soll aber auch beim Hindurchsehen durch
das seitliche Fernrohr B beim großen Instrumente Fig. 10 oder
durch die Loupe b beim kleinen Fig. 11 die Theilung
deutlich erkennbar seyn. Man muß also den Apparat so anordnen, daß das Tageslicht
entweder unmittelbar auf die Theilung fällt oder beim größeren Instrument von dem
durchbrochenen Metallspiegel S am vorderen Ende des
Fernrohres von der Seite her auf die Theilung geworfen wird; im verdunkelten Zimmer
stellt man zu dem Ende seitlich eine brennende Kerze auf. Durch Drehen am Knopfe C resp. c rechter Hand
bringt man jetzt von derjenigen Theilung auf der Kreisscheibe K resp. k, welche den Nullpunkt in der Mitte
hat, beim größeren Instrument den Theilstrich 350 ober- oder unterhalb in's
Gesichtsfeld des Fernrohres B, beim kleinen Aparat den
mit 800 Gram. bezeichneten Strich vor den Index in's Gesichtsfeld der Loupe und soll
darauf beim Durchsehen durch das mittlere Beobachtungsrohr A
resp. a ein hellgelbes Gesichtsfeld erhalten, das von
horizontalen schwarzen Streifen durchzogen ist, und außerdem das andreaskreuzförmige
Fadenkreuz zeigt. Erscheint das letztere nicht ganz scharf, so zieht man das Ocular
dieses Fernrohres mehr oder weniger aus, bis dieß der Fall ist; alsdann wird man
auch die horizontalen Fransen am deutlichsten sehen. Dreht man nunmehr wieder am
Knopfe C resp. c in dem
Sinne, daß die Theilstriche gegen 0 hin in's Gesichtsfeld des Fernrohres resp. der
Loupe treten, so werden im Fernrohr A resp. a. die horizontalen Fransen nach und nach blasser werden
und endlich wird von der einen Seite ein heller Querstreif in's Gesichtsfeld
eintreten und bei fortgesetzter Drehung dasselbe durchlaufen. Man hält mit Drehen
inne, sowie die Mitte dieses hellen Querstreifens mit der Mitte des Fadenkreuzes
zusammenfällt; dieß stellt bei unserem Instrumente das Merkmal für die Einstellungen
dar, wie dieß beim Soleil'schen Saccharimeter die gleiche
Färbung der beiden Quarzhälften thut.
§. 7. Bestimmung des Gehaltes an Zucker, wenn die Lösung
außer dem Rohrzucker keine andere active Substanz einschließt. –
Nach erfolgter Orientirung legt man zuerst beim großen Instrument die mit 200
bezeichnete, d.h. 200 Millim. lange Röhre. beim kleinen die. mit 50 bezeichnete
Röhre leer auf den Apparat, wie dieß aus den Figuren ersichtlich ist, und stellt in
der erwähnten Weise auf das Verschwinden der Fransen ein und liest durch das
Fernrohr resp. die Loupe den Stand des Indexstriches an der Kreistheilung ab.Herr Dr. Scheibler hat
in den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft zu Berlin 1868 Nr. 20
(polytechn. Journal Bd. CXCI S. 282)
auf eine Fehlerquelle bei den saccharimetrischen Messungen hingewiesen,
welche darauf beruhen soll, daß die Deckgläschen bei den Röhren durch starke
Anpressung doppelbrechend werden. Ich habe bei meinem Instrumente und meinen
Röhren gefunden, daß ein ganz ungewöhnlich starkes Anziehen der
Schraubenkapseln nothwendig ist, um die Einstellung um
0,2°–0,3° zu verändern und daß eine solch' allzustarke
Pressung sich im Uebrigen sogleich durch die Unmöglichkeit bemerkbar macht,
die Interferenzfransen vollständig zum Verschwinden zu bringen. Es kann
somit diese Fehlerquelle bei unserem Instrumente leicht vermieden
werden. Ist das Instrument richtig justirt und die Einstellung gut ausgeführt, so
soll der Index genau auf den Nullpunkt der Kreistheilung weisen.Man kann dieß, wenn es nicht der Fall seyn sollte, dadurch erzielen, daß man
den Nullpunkt der Theilung genau vor den Index bringt und alsdann nach
Lösung der beiden seitlichen Klemmschrauben das polarisirende Nicol unter
Festhaltung der Kreisscheibe dreht, bis die Fransen gerade verschwinden,
worauf die Schrauben wieder angezogen werden. Angenommen, es sey dieß nicht der Fall, sondern es weise derselbe bei beiden
Instrumenten etwa auf die Mitte zwischen dem Theilstrich 4 und 5 oberhalb resp.
links vom Nullstrich, so wäre die Ablesung oder der Ausgangspunkt für die Messung
beim großen Instrument 4 1/2 = 4,5 und beim kleinen, wo jeder Theil den Werth von 10
hat, 45. (Nach einiger Uebung bringt man es leicht dahin die Zehntel eines
Scalentheiles zu schätzen). Nunmehr wird die Rohre in üblicher Weise mit der zu
untersuchenden Zuckerlösung ganz angefüllt, in den Apparat gelegt und die jetzt
wieder hervortretenden Fransen im Rohre A resp. a durch eine Drehung neuerdings zum Verschwinden
gebracht, und zwar so, daß dabei die Theilstriche der Kreistheilung im Gesichtsfeld
des Fernrohres resp. der Loupe nach oben resp. nach links wandern. Die so erfolgende
neue Einstellung auf das Verschwinden der Farbfransen gebe etwa bei der Ablesung am
Theilkreise beim großen Instrument, 177,8 beim kleineren unter Berücksichtigung des
10fachen Werthes eines Theiles: 218. Ist der Ausgangspunkt für die Messung d.h. die
Ablesung bei leerer Röhre wirklich 0, so geben diese Zahlen unmittelbar die Anzahl
Gramme Zucker, welche in 1 Liter oder 1000 Kubikcentimeter der angewandten Lösung
enthalten sind. Ist dagegen der Ausgangspunkt unserer obigen Annahme zufolge 4,5
oberhalb beim größeren resp. 45 links beim kleinen Instrument, so haben wir diese
Zahlen jeweilen von den vorstehenden abzuziehen. Die Messung am größeren Instrumente
hätte also ergeben: 177,8 weniger 4,5, gleich 173,3 Gramme Zucker in 1 Liter und
diejenige am kleinen: 218 weniger 45, gleich 173 Gramme. Wäre endlich die
anfängliche Ablesung bei leerer Röhre 4,5 resp. 45 unterhalb resp. rechts vom
Nullpunkt gewesen, so hätte man diese Zahlen zu den späteren Ablesungen
hinzuzuzählen, also in unserem Falle erhalten beim größeren Instrument: 177,8 mehr
4,5, gleich 182,3 Gram. und beim kleineren: 218 mehr 45, gleich 263 Grm. in 1 Liter
Lösung.
§. 8. Bestimmung des Zuckergehaltes, wenn die Lösung
außer Rohrzucker als active Substanz noch Invertzucker einschließt.
– Zur raschen und bequemen Ausführung dieser Bestimmung kann nur das größere
Instrument dienen.
Man füllt die mit 200 bezeichnete Röhre mit der unveränderten Lösung, die mit 220
markirte Röhre dagegen mit einer Flüssigkeit an, welche man aus der ersteren in
folgender Weise erhält. 50 Kubikcentimeter der Lösung werden in einem Kölbchen mit 5
Kubikcentimeter rauchender Salzsäure 10 Minuten lang im Wasserbade auf
65–70° Celsius erwärmt und sodann wieder auf die Temperatur der
Umgebung abgekühlt.Ein passender Apparat hiefür, bestehend aus einem Thermometer, einem
Glaskölbchen mit zwei, 50 und 55 Kubikcentimeter entsprechenden Marken am
Halse und einem dazu passenden kleinen Wasserbad zur Erwärmung über der zur
Beleuchtung dienenden Spiritus- oder Gaslampe ist ebenfalls von den
HHrn. Hermann und Pfister auf Wunsch zu beziehen. Durch dieses Verfahren wird bekanntlich der Rohrzucker in Invertzucker
übergeführt. Legt man zuerst die Röhre 200 in den Apparat ein, so wird man wieder
von 0 nach oben hin drehen müssen, um die Auslöschung der Fransen zu bewirken,
während man von 0 nach unten hin drehen muß, um nach Einlegung der Röhre 220
dasselbe zu erzielen. Angenommen, die Einstellung bei der Röhre 200 habe dasselbe
Resultat wie oben ergeben, nämlich die Ablesung 177,8 nach oben am getheilten
Kreise, dagegen hätte man für die intervertirte Flüssigkeit in der längeren Röhre
die Zahl: 47,5 nach unten gefunden, und die Temperatur der letzteren Flüssigkeit
unmittelbar nach der Messung durch Einsenken des Thermometers in dieselbe zu
16° C. bestimmt, so berechnet sich der wahre Gehalt an reinem Rohrzucker aus
diesen Daten mit Hülse der nachfolgenden TafelDiese Tafel ist nach den Bestimmungen von Clerget
über das Verhältniß der Drehungen des Rohrzuckers und Invertzuckers
berechnet. in folgender einfacher Weise:
Temperaturgrad.
Winkelsumme
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
0,719
1,438
2,157
2,876
3,595
4,314
5,033
5,752
6,471
11
0,722
1,444
2,166
2,888
3,614
4,332
5,054
5,776
6,502
12
0,725
1,449
2,175
2,898
3,624
4,350
5,073
5,796
6,522
13
0,727
1,454
2,181
2,908
3,635
4,362
5,089
5,816
6,543
14
0,730
1,460
2,190
2,920
3,650
4,380
5,110
5,840
6,570
15
0,733
1,465
2,199
2,930
3,664
4,398
5,129
5,860
6,594
16
0,735
1,470
2,205
2,940
3,675
4,410
5,145
5,880
6,615
17
0,738
1,475
2,214
2,950
3,689
4,428
5,164
5,900
6,639
18
0,740
1,480
2,220
2,960
3,700
4,440
5,180
5,920
6,660
19
0,743
1,486
2,229
2,972
3,715
4,458
5,201
5,944
6,687
20
0,746
1,492
2,238
2,984
3,730
4,476
5,222
5,968
6,714
21
0,749
1,498
2,247
2,996
3,745
4,494
5,243
5,992
6,741
22
0,752
1,504
2,256
3,008
3,760
4,512
5,264
6,016
6,768
23
0,755
1,509
2,265
3,018
3,774
4,530
5,283
6,036
6,792
24
0,757
1,514
2,271
3,028
3,785
4,542
5,299
6,056
6,813
25
0,760
1,520
2,280
3,040
3,800
4,560
5,320
6,080
6,840
Man nimmt die Summe der Ablesungen am Theilstriche bei der Röhre mit unveränderter
und bei der mit intervertirter Lösung – also in unserem Falle: 225,3 –
alsdann gibt die Tafel jeweilen für die an ihrem oberen Rande stehenden Zahlen 1 bis
9 dieser Summe, auf der,
der abgelesenen Temperatur entsprechenden Horizontalreihe die in 1 Liter der Lösung
enthaltene Gewichtsmenge Rohrzucker in Grammen. Für die Summe 225,3 und die
Temperatur 16° C. folgt also aus der Tafel:
für
200
oder
100 × 2 : 147,0
„
20
oder
10 × 2 : 14,70
„
5
3,67
„
0,3
oder
1/10 × 3 : 0,22
–––––––
165,59
also in Summa: 165,6 Gramme Zucker in 1 Liter Lösung.
IV. Gebrauch als
Diabetometer.
§. 9. Bestimmung des Gehaltes an Harnzucker von Urin,
der von allen anderen drehenden Substanzen befreit ist. – Die
Aufstellung der Instrumente ist dieselbe wie oben, nur wird jetzt die mit
fortlaufenden Zahlen von 0 bis 100 beim größeren und von 0 bis 50 beim kleineren
Instrumente versehene Kreistheilung in 1/5 Grade in das Gesichtsfeld des
Ablesefernrohres resp. der Loupe gebracht. Beim Einstellen auf das Verschwinden der
Fransen wird nunmehr beim größeren Instrument ungefähr der Theilstrich 50°,
beim kleinen 25° vor den Index zu stehen kommen. Die Ablesung des Standes
beim kleineren Instrument erfolgt durch Schätzung der Hälfte eines Kreistheiles bis
zu 1/10° und beim größeren Instrumente durch Schätzung der Zehntel eines
Theiles bis zu 1/50°, wobei man durch Multiplication mit 2 sofort die
1/5° und 1/50° in 1/10° und 1/100° verwandelt, um sie
als Decimalbruch aufschreiben zu können. Nachdem der Ausgangspunkt bestimmt worden
ist, legt man die mit dem Urin gefüllte Röhre auf den Apparat und dreht nach
wachsenden Zahlen, bis wieder das Verschwinden der Fransen erfolgt. Zieht man von
der neuen Ablesung die frühere ab, so erhält man den sogen. Drehungswinkel α, aus dem sich die Concentration C d.h. die in 1 Liter Urin enthaltene Gewichtsmenge
Harnzucker nach Grammen vermittelst der Formel:
C = 1984 α/L
berechnet,Die Drehungsconstante 1984 für Harnzucker ist meiner Schrift S. 54
entnommen. wobei L die Länge der Röhre in Millimetern
darstellt. Die nachstehende Tafel gibt die Resultate dieser Rechnung für ganze Grade
und die üblichen Röhrenlängen.
Drehungswinkel.
25 Millimet.
50 Millimet.
100 Millimet.
200 Millimet.
1°
79,36 Grm.
39,68 Grm.
19,84 Grm.
9,92 Grm.
2
158,72
79,36
39,68
19,84
3
238,08
119,04
59,52
29,76
4
317,44
158,72
79,36
39,68
5
396,80
198,40
99,20
49,60
6
476,16
238,08
119,04
59,52
7
555,52
277,76
138,88
69,44
8
634,88
317,44
158,72
79,36
9
714,24
357,12
178,56
89,28
10
793,60
396,80
198,40
99,20
§. 10. Beispiel. – Als Ausgangspunkt beim
größeren Instrument bei leerer oder weggenommener Röhre habe man gefunden:
50,62°. Nach Füllung der mit 100 bezeichneten Röhre mit dem Urin ergebe sich
im homogenen Lichte der Natriumflamme die Einstellung: 54,08°, so ist der
Drehungswinkel: 3,46°. Aus der Tafel folgt nun für L = 100 Millimeter:
als Concentration für
3° : 59,52
Grm.
als 1/10 der Concentration für
4° : 7,94
„
als
1/100 „
„ „
6° : 1,19
„
––––––––––
Summa : 68,65
Grm.
also in 1 Liter Urin ein Gewicht von 68,65 Grammen
Harnzucker.
V. Gebrauch als eigentliches
Polaristrobometer.
§. 11. Bestimmung der Drehungen beliebiger
Substanzen. – Wenn die Drehungen, welche irgend welche Flüssigkeiten
auf die Polarisationsebene des Lichtes ausüben, ermittelt werden sollen, so
geschieht die Bestimmung des Drehungswinkels vermittelst der Gradtheilung bei den
Instrumenten nach ganzen, Zehntels- und Hundertstels-Graden genau so,
wie eben für den Urin angegeben worden ist. Nur für den Fall, wo die Drehungsgröße
eine sehr geringe ist – etwa 2° nicht übersteigt – oder dann
die Flüssigkeit selbst stark gefärbt ist, ist es thunlich, statt des homogen gelben
Lichtes der Natriumflamme, das wir bisher immer vorausgesetzt haben, Weihes Licht
zur Beleuchtung zu verwenden. Man richtet zu dem Ende den Apparat entweder gegen den
wolkenfreien oder gleichmäßig überzogenen Himmel oder gegen eine gleichförmig
erleuchtete weiße Wand oder endlich gegen eine hellbrennende Lampe mit etwas breiter
Flamme. In allen diesen Fällen ist es nothwendig, beim größeren Instrumente die
demselben beigegebene Blendröhre am Ende D
Fig. 10
anzuschrauben, um das störende Seitenlicht abzuhalten.
Die fragliche Substanz ist eine rechtsdrehende, wenn man bei gefüllter Röhre die
Kreisscheibe nach wachsenden Zahlen drehen muß, um die Auslöschung der Fransen zu
bewerkstelligen, und dagegen eine linksdrehende, wenn zu dem Ende eine Drehung nach
der entgegengesetzten Seite nothwendig ist. Wenn indessen die Drehungsgrößen
bedeutender werden, so kann ohne Weiteres über den Sinn und damit auch über den
Werth derselben eine Unsicherheit entstehen. Angenommen, es sey als Ausgangspunkt
beim größeren Instrument genau 50° gefunden worden und nach Füllung der Röhre
von 200 Millim. Länge mit der zu untersuchenden Flüssigkeit habe sich die
Einstellung 92° ergeben, so würde man sehr irren können, wenn man daraus
unmittelbar die Flüssigkeit als eine rechtsdrehende mit einem Drehungsvermögen von
42° für 200 Millim. Länge erklären wollte. Man findet nämlich in diesem
Falle, daß auch bei der Einstellung auf 2° ein Auslöschen der Farbfransen
erfolgt; es könnte also unsere Flüssigkeit auch eine linksdrehende seyn, welche die
Polarisationsebene bei 200 Millim. Länge um 48° ablenkt. In solchen, übrigens
sehr seltenen Fällen hat man zur Entscheidung nur nöthig, noch eine zweite
Beobachtung mit der halb so langen Röhre zu machen. Angenommen, unsere Flüssigkeit
würde in der Röhre von 100 Millimeter Länge als neue Einstellung 26° ergeben,
so würde daraus unmittelbar folgen, daß sie in der That eine linksdrehende sey,
während sich hingegen im ersteren Falle, wenn sie wirklich eine rechtsdrehende wäre,
die Einstellung 71° bei halber Länge der Säule hätte ergeben müssen.