Titel: | Manceaux's Mitrailleuse. – Feldle's Infanterie-Kanone. – Werthvergleichung des Kugelspritzen- (Revolverkanonen-, Mitrailleusen-) Feuers mit den Schußwirkungen der Infanterie und Artillerie. |
Fundstelle: | Band 194, Jahrgang 1869, Nr. LXXVII., S. 394 |
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LXXVII.
Manceaux's Mitrailleuse. – Feldle's Infanterie-Kanone. –
Werthvergleichung des Kugelspritzen- (Revolverkanonen-,
Mitrailleusen-) Feuers mit den Schußwirkungen der Infanterie und
Artillerie.
Mit Abbildungen auf Tab.
VIII.
Die französische Mitrailleuse und Vergleichung des
Kugelspritzen-Feuers.
Das Mechanics' Magazine vom 8. October d. J.1869 liefert die
in Fig.
15–18 reproducirten Zeichnungen der, Hrn. Francois Jules Manceaux zu Paris patentirten französischen Mitrailleuse, wovon die Fig. 15 und 18
Vertical- resp. Horizontaldurchschnitte, und die Figuren 16 und 17
Verticaldurchschnitte bei geschlossenem resp. geöffnetem Zustande dieser
Hinterladungs-Schießwaffe darstellen. Dieselbe hat hiernach drei übereinander
liegende Reihen von je sieben Röhren, denen durch Querplatten A, A (Fig. 15 und 18) eine feste Verbindung
unter sich, resp. mit zwei in die Seitenwangen-Platten eingefügten
Schildzapfen gegeben worden ist, welche letztere das Einlegen dieses Rohrsystemes in
eine gewöhnliche, mit Richtmaschine versehene Laffette ermöglichen.
Die Seitenwangen-Platten B, B (Fig. 18) nehmen in ihrem
hinteren verstärkten Theile den um die Pivots H, H auf
und nieder beweglichen Verschlußrahmen G, G auf, der in
seinem Querriegel J (Fig. 18) die Mutter zur
Verschlußstückschraube L (Fig. 15 und 18) trägt,
welche letztere mit ihrem Kopfe k in die eigentliche
Verschlußplatte o der Mitrailleuse eingelassen ist und
darin vermittelst des Festschraubens einer hinteren Platte q festgehalten wird. – Die Verschlußplatte o trägt in entsprechenden Muttergewinden 21 mit den hinteren Rohröffnungen
der Mitrailleuse correspondirende Verschluß-Schraubenbolzen, welche, in ihrer
Längenachsenrichtung durchbohrt, dort nach dieser Richtung bewegliche Stifte in sich
aufnehmen, die, aus den Schraubenbolzen hervorstehend, zur Minderung ihres
Rückstoßes beim Schusse auf Scheiben von Horn etc. stehen, und mit diesen durch
hinterliegende Schrauben in Bezug auf die Weite ihres Hervortretens aus den
Verschluß-Schraubenbolzen regulirt werden können. Fig. 15 und 18 zeigen den
Vertical- resp. Horizontaldurchschnitt der mit eingesetzten Patronen
versehenen Waffe im geschlossenen Zustande, Fig. 16 und 17 aber
Verticaldurchschnitte des hinteren Rohrbündelendes mit fest hineingeschobenem und
beziehungsweise hinter demselben niedergelassenem Verschlusse, dessen Auf-
und Niederbewegung um das Scharnier H (Fig. 18) herum nach
Lösung der Verschlußschraube L (Fig. 15 und 18) durch ein
am Verschluß und an der Laffette befestigtes Hebelgestänge U,
Q (Fig.
15) bewirkt wird.
Die successive Entzündung der einzelnen Rohr-Pulverladungen geschieht in der
Weise, daß man einem der Seitenrohre durch irgend eine Percussionszündung z (Fig. 18) Feuer giebt,
welches sich dann durch zwischen den Rohren liegende Communicationen hindurch von
einem Laufe zum anderen, beziehungsweise von Rohrlage zu Rohrlage fortzupflanzen
hat, und es stimmt sonach dieser Entzündungsmodus (welcher übrigens auch leicht zu
Feuerstockungen Veranlassung geben dürfte) nicht mit der in Bd. CLXXXVIII S. 403
dieses Journals enthaltenen Mittheilung über das französische
Infanterie-Geschütz von 25 Rohren mit Naderzündungs-Apparat und
excentrisch zu bewegender Sicherheitsscheibe überein, wobei es dahin gestellt
bleiben muß, ob diese sowie die Differenz in der Rohranzahl auf dem
Nebeneinanderbestehen zweier französischer Mitrailleuse-Modelle oder etwa dem
Hervorgehen des einen derselben aus dem anderen oder irgend sonstigen Gründen
beruht.
Ueber die aus der „Maschinenfabrik Augsburg“ hervorgegangene Feldle'sche Infanterie-Kanone, welche nach der Mittheilung in diesem Bande
(erstes Octoberheft) S. 82 des polytechn. Journals Läufe und Munition des neuen
Werdergewehres erhalten hat, findet sich in einem Aufsatze „über
Revolverkanonen“ im Archiv für die Officiere des kgl. preuß.
Artillerie- und Ingenieur-Corps Bd. LXVI (1869, Heft 1) noch eine
Notiz, wornach dieses mehrrohrige Geschütz mit vier parallel neben einander
liegenden Läufen ausgerüstet, also ein sogenanntes Orgelgeschütz, jedoch mit der
besonderen Einrichtung ist, daß jeder einzelne Lauf desselben einen eigenen
Fülltrichter besitzt, und auch für sich außer Wirksamkeit gesetzt werden kann, ohne
daß dadurch der Gang der ganzen Maschine gehemmt oder gestört wird.
Die Schlösser dieser Feldle'schen
Infanterie-Kanone, deren Constructions-Detail noch als Geheimniß
behandelt wird, sollen Aehnlichkeit mit Gewehrschlössern älterer Construction haben
und werden durch das Drehen einer Welle successive abgedrückt. Mit dem Spannen
dieser Schlösser wird jedesmal zugleich eine Vorrichtung in Thätigkeit gesetzt, welche die einzelnen
Patronen in den Lauf zu schieben hat und es kann solchergestalt das Feuern
ununterbrochen fortgesetzt werden, wobei man es ganz in der Gewalt hat, entweder
alle vier Läufe gleichzeitig oder auch nur einzelne derselben in Thätigkeit treten
zu lassen. Der zu starken Lauferhitzung wegen wird jedoch gewöhnlich mit dem
Gebrauch von je zwei Paar Läufen gewechselt und läßt sich dabei die
Schußschnelligkeit so weit steigern als es nur immer des Auswerfens der
Patronenhülsen wegen möglich ist, wobei jeder Lauf stets den Vorrath von einigen
Patronen in sich trägt, deren vordere (wie bei den Magazinsgewehren) immer durch die
nächst hintere nachgeschoben wird, was allerdings auf nicht unbedeutende
Complicationen des Mechanismus schließen lassen dürfte.
Endlich möge hier noch der übergroßen Wichtigkeit wegen, welche dem Feuer der
sogenannten Infanterie-Kanonen (Batterie-Geschütze, Mitrailleusen,
Kugelspritzen, Revolver-Kanonen etc.) theilweise im Publicum auch für
Kriegszwecke beigelegt zu werden scheint, eine Vergleichung dieser Feuerwirkungen
mit denen der Infanterie und Artillerie angestellt werden. Aus derselben dürfte sich
bald ergeben, daß, für den Feldkrieg wenigstens, die Mitrailleuse mehr der
ursprünglichen Besorgniß, mit Vorderladungsgewehren gegen gut treffendes
Schnellfeuer aus gezogenen Hinterladungsgewehren nicht ausreichen zu können (welche
an sich ganz gerechtfertigt war), als einem auch bei guter Infanterie- und
Artillerie-Bewaffnung wirklich noch vorhandenen Bedürfniß angehört; wogegen
der Festungskrieg sich das nunmehrige Vorhandenseyn solcher Waffen allerdings recht
wohl zu Nutze machen kann.
Nimmt man zu dem Ende die Feuergeschwindigkeit der Infanterie-Geschütze zu
durchschnittlich 250 Schüssen pro Minute und die des
gezogenen Infanterie-Gewehres bei gut gezieltem Feuer zu durchschnittlich 10
Schüssen pro Minute an, so bilden die mit
Infanterie-Munition ausgerüsteten Geschütze genannter Art, deren
Wirkungsweite etwa 1000 bis höchstens 1200 Schritte beträgt, gegen je ein
feststehendes schmäleres und zugleich tiefes Ziel (z.B. Colonnenmassen etc.) in
Bezug auf Feuerwirkung etwa das Aequivalent von circa
je 25 Schützenje 250 Schützen, was sich bei noch größerer Feuergeschwindigkeit der einen oder der
anderen dieser beiden Waffen nur in den Zahlen ändern dürfte; bei mehreren im
Terrain vertheilten dünnen und beweglichen Zielen (z.B. Schützenlinien etc.) werden
diese Infanteristen, wenn sie gut ausgebildet sind, aber sicher mehr Feuereffect
erzielen, und ebenso werden mit Geschossen größeren Kalibers (wie z.B. bei der Gatlingskanone von 13 bis 14 Loth Schwere) ausgerüstete
Geschütze dieser Art innerhalb obiger Zielabstandsgrenze zwar der Infanterie an Rasanz
und Percussionskraft ihrer Projectile überlegen seyn, und – wenn die
erforderliche Streuung der letzteren durch während des Schießens zu bewirkende
Seitenrichtungs-Aenderungen (wie dieß z.B. bei Gatling's Batteriegeschütz der Fall ist) mit Leichtigkeit bewirkt werden
kann, – auch einen guten Kartätschschuß abzugeben gestatten, bei dieser, wenn
auch etwas verbesserten, doch immer noch sehr einseitigen Wirkung aber den übrigen
Aufgaben der Artillerie (wohin z.B. indirecter Schuß, Niederwerfung von Mauern,
Barricaden, Wirkungsmöglichkeit über 1200 bis 1500 Schritte hinaus etc. gehören) gar
nicht gewachsen seyn.
Es ersetzen also weder die mit Infanterie-Munition ausgerüsteten
Infanterie-Kanonen das Infanterie-Feuer, noch die für größere Kaliber
bestimmten Batteriegeschütze das Artillerie-Feuer, wenn beide Waffen auf der
Höhe ihrer Zeit stehen, während andererseits diese mehrrohrigen Geschütze im
Feldkriege, wo sie zwei bis vier Pferde Bespannung und einschließlich Fahrern drei
bis vier Mann erfordern, dem feindlichen Schusse keineswegs unbedeutende Zielflächen
darbieten, was im Festungskriege bei durch das Tracé bestimmt vorgezeichneten
Ziel- und Aufstellungspunkten sich nach allen Richtungen hin allerdings als
höchst vortheilhaft für sie ändert. Diese Schätzung des taktischen Werthes der
Infanterie- und Batteriekanonen etc. führt also schließlich zu dem Resultate,
daß solche mehrrohrige Geschütze im Feldkriege (Specialfälle ausgenommen) nur ein
sehr dürftiges Surrogat für gut bewaffnete und tüchtige Infanterie, resp. Artillerie
abzugeben vermögen, im Festungskriege aber unter Umständen (z.B. in
Caponièren, Flanken, Reduits, Breschabschnitten etc.) sehr vortheilhaft zu
verwerthen sind.
Stade, im October 1869.
Darapsky.