Titel: | Ueber die Schleppschifffahrt mit versenktem Drahtseil nach dem System von Eyth und de Mesnil, und die Versuche bei Lüttich; Bericht von Wasserbau-Inspector Martens in Stuttgart. |
Fundstelle: | Band 195, Jahrgang 1870, Nr. VIII., S. 17 |
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VIII.
Ueber die Schleppschifffahrt mit versenktem
Drahtseil nach dem System von Eyth und de
Mesnil, und die Versuche bei Lüttich; Bericht von
Wasserbau-Inspector Martens in Stuttgart.Der Berichterstatter war von der königl. württembergischen Regierung zur
Theilnahme an den Lütticher Versuchen als Sachverständiger deputirt.
Aus der deutschen Bauzeitung, 1869, Nr. 42 und
44.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Martens, über die Schleppschifffahrt mit versenktem Drahtseil nach
dem System von Eyth und de Mesnil.
1. Princip der Schleppschifffahrt an der
Kette oder dem Drahtseil.
Die großen Nachtheile, welche die Canal- und Flußschifffahrt durch die in den
Eisenbahnen ihnen entstandene Concurrenz erlitten hat, waren schon früher
Veranlassung, an eine ernstliche Verbesserung derselben zu denken, wobei natürlich
in erster Linie die Anwendung der Dampfkraft stand, welche auf dem Lande so Großes
leistet.
Wenn es nun auch glückte, auf großen, tiefen Strömen eine Dampfschifffahrt durch
Remorqueure mit Vortheil einzuführen, so schlugen dagegen alle Versuche fehl, dieß
auch auf kleinen Flüssen mit stärkeren Gefällen und seichtem Bette zu thun.
Die Gründe dieser Erfolglosigkeit liegen zu nahe, um hierbei länger verweilen zu
müssen: bei der Bergfahrt findet das Schaufelrad oder die Schraube nur einen, im
entgegengesetzten Sinne der Bewegung rasch ausweichenden Körper als Stützpunkt, und
da bei seichten Flüssen diesem Uebelstande durch große Dimensionen der eintauchenden
Flächen nicht entgegengewirkt werden kann, so ist der geringe Nutzeffect der
Remorqueure auf solchen Flüssen leicht zu erklären. Es wurde deßhalb ein schon
früher bei Fähren angewendetes System, nämlich dem Schiffe durch eine versenkte
Kette einen festen Stützpunkt gegen die Strömung zu verschaffen, auch auf die Fahrt
in der Längenrichtung des Flusses angewendet und datiren die ersten Versuche bis auf
das Jahr 1822 zurück;Förster's Bauzeitung 1865, wo auch eine Abbildung
eines Schleppdampfschiffes auf der Seine gegeben ist. aber erst seit etwa 15 Jahren kann die Kettenschifffahrt, welche auf der
Seine zuerst ihre Vervollkommnung erhielt, als eine praktische Lösung der Aufgabe
betrachtet werden, die Dampfkraft der Schifffahrt auch auf kleineren Flüssen und
Canälen nutzbar zu machen.
Was bei den Eisenbahnen die Schiene, ist hier die Kette; während aber die zur
Fortbewegung nöthige Reibung bei Eisenbahnen einfach durch das Gewicht der
Locomotive erhalten wird, sind bei der Schifffahrt andere Mittel zu deren Erzeugung
nöthig, und zwar kommen hauptsächlich zweierlei Vorkehrungen in Anwendung. Bei der
einen begnügt man sich damit, die Kette 3–4mal um eine oder zwei Trommeln zu
schlingen, auf welcher sie sich abwickelt; bei der anderen erhält diese auf ihrem
Umfang Erhöhungen, welche um zwei Kettenglieder entfernt stehen, so daß jedesmal das
sich flach legende Kettenglied von denselben ergriffen wird. In diesem Fall genügt
es, wenn die Kette über den halben Umfang der Rolle läuft. Die Bewegung wird der
Trommel oder Rolle durch eine auf dem Boden des Schiffes und in dessen Mitte
befindliche Dampfmaschine ertheilt, welche je nach der Größe des Schiffes und der
angehängten Last 14–30 Pferdekräfte hat; dabei ist die Transmission stets so
angeordnet, daß der Kettentrommel nach Bedarf mindestens zweierlei Geschwindigkeit
ertheilt werden kann. Wird die Trommel nun durch die Maschine und die Transmission
in Umdrehung gesetzt, so wird bei genügender Reibung das Seil einerseits gespannt
und aufgewickelt, während es auf der entgegengesetzten Seite schlaff in das Wasser
zurückfällt. Durch dieses Aufwickeln der Kette wird aber das Schiff an derselben wie
an einem Ankertau fortbewegt, wobei der Anker durch das Gewicht der in der Flußsohle
liegenden Kette und ihre Reibung auf derselben ersetzt wird.
Die Schiffe sind von Eisen und in Gestalt von Pontons, haben also einen flachen Boden
und gleich construirten Vorder- und Hintertheil; an beiden Enden befindet
sich ein Steuerruder, so daß das Schiff nie gewendet zu werden braucht.
Die Vortheile dieses Systemes der Schleppschifffahrt sind nun folgende:
1) beinahe vollständige Ausnutzung der Betriebskraft;
2) größere Geschwindigkeit des Transportes, welche hauptsächlich durch die Vermeidung
der vielen Aufenthalte beim Pferdezug entsteht;
3) größere Ladefähigkeit der Schiffe in Folge des Wegfallens der Masten und ihrer
Takelage;
4) Entbehrlichkeit eines besonderen Leinpfades;
5) größere Leichtigkeit, den Stromstrich einzuhalten, weil der Zug in der Richtung
der Fahrt und nicht seitwärts wie beim Leinzug ausübt wird.
Von diesen Vortheilen bedarf der zuerst angeführte einer näheren Begründung.
Die Widerstände, welche das Ketten- oder Tauschleppschiff außer den überhaupt
vorhandenen zu überwinden hat, sind folgende:
1) die Reibung der Kette oder des Taues auf den Rollen;
2) die Steifigkeit derselben;
3) die Neigung des aufgehobenen Kettentheiles gegen den Wasserspiegel;
4) der von der Kette oder dem Tau auf das Schiff ausgeübte Verticaldruck.
Dazu kommt noch das in Krümmungen sich geltend machende Bestreben, das Schiff gegen
das convexe Ufer zu ziehen, wobei dasselbe in eine geneigte Lage gebracht wird. Alle
diese Widerstände sind übrigens von geringer Bedeutung und sollen beim Drahtseil
erfahrungsgemäß nicht mehr als 6–8 Proc. der auf die Welle wirkenden Kraft
betragen; bei der schwereren Kette müssen die hierdurch veranlaßten Kraftverluste
jedoch etwas größer seyn.
Dagegen entstehen beim Schiffszug mit der Leine vom Ufer aus bald mehr, bald weniger
große, immer aber nicht unbedeutende Kraftverluste durch die vom Schiffsweg stark
abweichende Richtung, in welcher der Zug ausgeübt wird und welche eine fast
unausgesetzte Handhabung des Steuers, mit welcher stets ein Verlust von Nutzeffect
verbunden ist, nochwendig macht. Zu diesem Kraftverlust kommt noch der Verlust an
Zeit, welcher durch das bei Flüssen mit vielen Krümmungen häufig erforderliche
Verlängern oder Kürzen der Zugleinen entsteht.
Diese Uebelstände treten nun bei den Ruder- und Schraubendampfbooten nicht
ein; dagegen entstehen bei diesen dadurch Kraftverluste, welche bei der Bergfahrt in
raschfließenden Gewässern bedeutend werden, daß die Schaufeln immer eine viel
größere Geschwindigkeit erhalten müssen, als die des Schiffes. Der Wirkungsgrad der
Schaufelräder ist y = (W .
v)/(P . c), wo W die Summe der Widerstände, P die ihnen entgegenwirkende Kraft, v die
Geschwindigkeit des Schiffes und c die der Schaufeln per Secunde bezeichnet. Der Wirkungsgrad wird also um so
größer, je näher das Verhältniß v/c = 1, also v = c wird.
Nun müssen aber schon im stillen Wasser die Radschaufeln wegen des Ausweichens des
Wassers eine Geschwindigkeit annehmen, welche die des Schiffes namhaft übersteigt,
und wird in Folge davon das Verhältniß der nützlichen zur verlorenen Kraft bei
kleinen Flußdampfern nur 1 : 0,68 angenommen, d.h. der Nutzeffect beträgt 1/1,68
oder etwa 60 Proc. der
Arbeit. Bei der Bergfahrt müssen aber die Schaufeln außer der erforderlichen
Geschwindigkeit für die Fortbewegung im stillen Wasser noch die des fließenden
Wassers annehmen, was ebenfalls verlorene Arbeit ist,
denn das Verhältniß v/c wird dann durch v/(c + v') ersetzt, wo v' die
Geschwindigkeit des fließenden Wassers ausdrückt, und entfernt sich somit immer mehr
von der Einheit, je größer diese ist; daher die geringe Leistungsfähigkeit der
Flußdampfer bei Bergfahrten.
Bei der Schleppschifffahrt mit versenkter Kette dagegen bleibt das Verhältniß v/c immer = 1, weil das Vorrücken des Schiffes unter
allen Umständen genau soviel beträgt, als von der Kette oder dem Drahtseil
aufgewunden wird; die nützliche Arbeit der Dampfmaschine auf dem Schleppboot bleibt
also immer dieselbe, und hierin liegt der große Vortheil, welchen die Benutzung
eines festen Stützpunktes im Flusse der Anwendung der Dampfschifffahrt auch in
kleineren Flüssen mit stärkeren Gefällen gewährt.
2. Das System der Herren Eyth und de
Mesnil.
Das neue System der Genannten unterscheidet sich im Wesentlichen von der schon seit
längerer Zeit eingeführten Schifffahrt mit versenkter Kette hauptsächlich nur darin,
daß statt der Kette ein Drahtseil in den Thalweg des Flusses gelegt und dieses durch
die sogen. Fowler'sche Klappenrolle (clip drum) aufgeholt wird.
Diese eigenthümlich construirte Rolle wurde von Fowler
zuerst bei seinen Dampfpflügen angewendet, und da sie ein wesentlicher und
charakteristischer Bestandtheil des neuen Systemes ist, wird eine nähere
Beschreibung derselben gerechtfertigt seyn.
Die beiden Ränder der 6' engl. im Durchmesser haltenden Rolle (Fig. 10 und 11) sind mit
Zähnen versehen, welche die Achsen a der beweglichen
Klappen b aufnehmen; an der einen Klappe ist ein Lappen
c angegossen, durch welchen verhindert wird daß sich
die Klappen einander mehr nähern, als zum Erfassen des Drahtseils D gerade nöthig ist. Das über den halben Umfang der
Rolle gelegte Drahtseil drückt mittelst seines Gewichtes die Klappen nieder und wird
dadurch von ihnen eingeklemmt; wird dieser Druck durch eine Belastung des Seils
vermehrt, so werden die Klappen nur um so stärker niedergedrückt und das Seil fester
gehalten. Dreht sich nun die Rolle in der Richtung des Pfeiles und ist das Seil auf
der Seite N gespannt, bricht aber nicht, wie es beim
Aufholen des Taues aus der Flußsohle der Fall ist, so schließt sich von N gegen M eine Reihe Klappen fest zu, deren
Anzahl sich nach der Größe des Zuges richtet, nie aber weiter als über den halben
Umfang der Rolle reichen kann, so daß die Klappen zunächst bei M nur noch durch das Gewicht des Seiles niedergedrückt
werden. Da letzteres bei M in verticaler Richtung wirkt,
so hört von da jeder Druck auf die Klappen auf, und das Seil verläßt die Rolle ohne
jeden mit Arbeitsverlust verbundenen Widerstand.
Die verwendeten Drahtseile sind genau so angefertigt, wie bei unterseeischen
Telegraphenleitungen, mit Ausnahme der äußeren Umhüllung und der Seele; diese
besteht bei der Schleppschifffahrt aus getheertem Hanf, welcher mit Litzen aus
Eisendraht umwunden ist. Das Drahtseil in der Maas hat bei einem Durchmesser von 25
Millim. 42 Drähte, welche 6 Litzen bilden. Das Gewicht dieses Seiles beträgt 2,25
Kilogr. und sein Preis sammt Legen 1,4 Frcs. pro
Meter.
Die Vortheile, welche dieses System gegenüber der Schifffahrt auf versenkter Kette
gewähren soll, sind folgende:
1) Billiger Preis. – Der größte Aufwand bei der
Einrichtung der Schleppschifffahrt besteht in der Anschaffung der Kette oder des
Taues; das Tau kostet aber nur 1/4 bis 1/5 soviel als die Kette.Das Gewicht der in der Seine gelegten Kette beträgt für Schleppschiffe bis zu
35 Pferdekräften 11 Kilogr. pro Meter und der
Preis 8,5 Frcs.; das Drahtseil in der Maas wird von Schiffen bis zu 20
Pferdekräften benutzt und kostet wie oben erwähnt, 14 Frcs.
2) Größere Sicherheit. – Ueberall wo große
Sicherheit verlangt wird, hat das Drahtseil die Kette verdrängt, weil schon die
Constructionsweise dem Drahtseil eine größere Sicherheit als der Kette
gewährleistet, bei welcher es genügt, daß ein Glied mangelhaft gearbeitet ist, um
das Zerreißen herbeizuführen. Ueberdieß lassen sich beim Aufwickeln der Kette Stöße
nie ganz vermeiden, während solche bei Anwendung des Seiles und der Klappenrolle gar
nicht vorkommen können.
3) Größerer Nutzeffect der Maschine. – Da das
Gewicht des Drahtseiles 4 bis 5mal geringer ist als das einer Kette, so wird auch
der Winkel, welchen der aufgehobene Theil mit dem Horizont macht, bei ersterem viel
kleiner, und die horizontale Composante, welche den Zug bewirkt, entsprechend
größer.
Das geringere Gewicht gestattet auch die Anwendung des Drahtseiles in Flußtiefen, wie
sie die Rhone und der Rhein haben, und bei welchen die Kette praktisch unmöglich
wäre.
4) Möglichkeit zwei Stränge in demselben Flusse zu legen.
– In Canälen und Flüssen mit sehr wenig Gefäll müssen die Schiffe auch bei der Thalfahrt
geschleppt werden und sind dann bei lebhaftem Verkehr zwei Stränge erforderlich.
Dieses ist nur bei Anwendung voll Drahtseilen ausführbar, weil diese über einander
weggleiten, während die Ketten sich verwickeln würden.
3. Die Versuche bei Lüttich.
Das vorbeschriebene System mit versenktem Drahtseil, von welchem eine in dem
Souterrain von Charleroi schon ausgeführte Probe gute Erfolge nachgewiesen hatte,
wurde erstmals zwischen Namur und Lüttich in größerer Ausdehnung von der dazu
concessionirten Société centrale de touage
in regelmäßigen Betrieb gesetzt. Die Schifffahrt auf der Maas war früher sehr
bedeutend, hatte aber durch die Concurrenz der Eisenbahnen (die Bahn zwischen Namur
und Lüttich zieht sich das Thal der Maas entlang) so abgenommen, daß sie als dem
Erlöschen nahe betrachtet wurde, obgleich schon frühzeitig viel zur Verbesserung des
Fahrweges geschah. Nunmehr ist die ganze Strecke der Maas zwischen Namur und Lüttich
in einer Länge von 67 Kilom. canalisirt und befinden sich auf derselben eilf
Nadelwehre, deren zwischen 3 und 8 1/3 Kilom. wechselnden Abstände so bestimmt
wurden, daß das Wasser durchaus auf einer Höhe von mindestens 1,8 bis 1,9 Meter
gehalten wird. Bei jedem Wehre befindet sich eine Schleuse von 57 Met. Länge und 9
Met. Breite. Den Winter über sind die Nadeln in der Regel ausgehoben und die Ständer
niedergelegt; der Fluß befindet sich dann in seinem ursprünglichen, nur durch einige
Correction verbesserten Zustand und die Strömung erreicht Geschwindigkeiten von 2
bis 2 1/2 Met. und selbst noch mehr. Die seither den Schleppdienst versehenden
Remorqueure stellen dann ihren Dienst ein, und auch der Leinzug mit Pferden kann nur
mühsam und mit Gefahr geschehen.
Die Breite des Flusses wechselt zwischen 100 und 140 Metern; die Wassermenge beträgt
bei Niederwasserstand ungefähr 60 Kubikmeter (2550 Kubikfuß); die Wassertiefe ist
sehr ungleich und beträgt in ihren Extremen 0,3 Met. und 15 Met. Die Curven sind
mäßig und haben keinen kleineren Halbmesser als von circa 300 Met.
Aus dieser kurzen Darstellung der hydrographischen Verhältnisse der Maas geht hervor,
daß sie bei aufgerichteten Wehren der Schifffahrt sehr günstig sind, bei
niedergelegten Wehren aber ihr wegen der mitunter starken Strömungen und geringen
Wassertiefen große Schwierigkeiten bereiten. Die bei Lüttich vorgenommenen Versuche
fanden indessen unter den günstigsten Verhältnissen statt und konnten daher nur dazu
dienen, den nach dem neuen System eingerichteten regelmäßigen Dienst vor Augen zu führen, nicht aber
auch zugleich einen sicheren Anhalt zur Beurtheilung der Frage zu geben, ob dieser
auch bei ungünstiger Beschaffenheit des Flußbettes mit gleichem Erfolg anzuwenden
sey.
Zu den Versuchen waren 4 Schleppboote bestimmt: Nr. 1 und 2 von 20 Pferdekräften aus
den Werkstätten von Fowler und Comp. in Leeds, Nr. 3, welches nicht ganz vollendet war, aus dem Cockerill'schen Etablissement in Seraing, und Nr. 4 aus
der Werkstätte von Beer in Jemeppe. In der Ausführung
weichen alle Boote von einander ab; wesentlich verschieden von den übrigen ist
jedoch nur Nr. 2 construirt, denn während bei jenen das Rollensystem seitwärts und
vertical angebracht ist, liegt es bei Nr. 2 horizontal auf der Mitte des Decks.
Die Skizze Fig.
12 zeigt die ungefähre Anwendung der ersten Construction.
Das Boot besitzt zwei Dampfmaschinen, die eine für die Treibrolle mit 20, die andere
für die Schraube mit 10 Pferdekräften. Letztere dient dazu, das Schiff auch ohne
Seil und Rolle gebrauchen zu können, namentlich auch die Thalfahrt bei
aufgerichteten Wehren ohne Benutzung des Taues zu machen. Obgleich die Schraube in
manchen Fällen gute Dienste leisten mag, ist sie doch nicht unumgänglich nothwendig
und vertheuert die Anschaffungskosten für das Boot; auch haben die viel größeren
Boote auf der Seine (circa 40 Met. lang und 7 Met.
breit) keine eigenen Bewegungsapparate. Die Schraube hat einen Durchmesser von 0,76
Met. und ist nur an einem Ende des Bootes angebracht, während im Uebrigen beide
Enden ganz gleich construirt sind. Die Dampfmaschine für den Treibapparat befindet
sich unten in der Mitte des Schiffes und setzt mittelst eines Vorgeleges die
Seilrolle in Umdrehung; durch Ausrückvorrichtung kann die Umfangsgeschwindigkeit
nach Belieben auf 2 1/2' 5 und 10 Kilometer pro Stunde
gerichtet werden; letztere Geschwindigkeit kommt nur vor, wenn das Boot allein
thalabwärts am Tau fährt; die Geschwindigkeit von 5 Kilometer ist die normale,
während die geringste von 2 1/2 Kilometer bei Ueberwindung starker Gefälle etc.
angewendet wird.
Bewegt sich das Schleppboot in der Richtung des Pfeiles in der Skizze, so läuft das
Drahtseil zuerst über die kleine Leitrolle m; diese, wie
auch m' hängen mittelst einer Flasche frei in einem
Wirbel und können daher jede beliebige Richtung annehmen, ohne daß ein Abgleiten des
Seiles eintreten kann; von hier gelangt dieses zu der großen Leitrolle n, von welcher es senkrecht zu der Klappenrolle o aufsteigt, deren halben Umfang durchläuft, von hier
über die Leitrollen n' und m' läuft und von letzterer schlaff in das Flußbett zurückfällt; sowohl die
Leitrollen
n und n', als die
Klappenrolle o haben einen Durchmesser von 1,8 Met (6
Fuß engl.). Damit das Drahtseil gleich nach Verlassen der großen Leitrolle von den
Klappen der Fowler'schen Rolle fest erfaßt werde, ist
sodann noch eine kleine Spannrolle p angebracht, welche
sich in ihrem Aufhängepunkt drehen kann und durch das Gewicht q an das Drahtseil angedrückt wird; die Spannrolle p' ist außer Wirksamkeit gesetzt, wenn das Tau dort die Rolle verläßt und
umgekehrt.
An diesem Schleppboot wurde gezeigt, wie ein Boot unter das
Tau gebracht wird.
Nachdem der Schlepper Nr. 2 das Tau abgeworfen hatte, wurde dasselbe vom Boot Nr. 4
aus mittelst eines mit 4 kurzen Armen versehenen Ankers aufgefischt und zunächst
über die vorderste kleine Leitrolle m gelegt. Um dieß
bewerkstelligen zu können, wird die Flasche, in welcher diese Rolle hängt, geöffnet.
Dieses erste Auflegen des Taues wurde durch drei kräftige Männer mit ziemlicher
Anstrengung ausgeführt; das Auflegen auf der hinteren Rolle geschah hierauf leicht,
nachdem durch einige entsprechende Bewegungen des Schiffes das vorher gespannte Tau
etwas schlaff gemacht worden war, was mit keiner Schwierigkeit verbunden ist, weil
das Tau auf der Flußsohle Spielraum hat. Die großen Leitrollen sind – wie in
der Skizze (Fig.
12) des Schiffes angedeutet ist – mit Aufzugsvorrichtung versehen,
welche in einer Schraubenspindel mit fester, drehbarer Mutter besteht, mittelst
welcher die Rollenachsen in Führungen emporgehoben werden. Diese Rollen wurden nun
in ihren höchsten Stand gebracht, wie in der Skizze punktirt angegeben ist, und dann
das Drahtseil mittelst eines über der Klappenrolle aufgehängten Flaschenzuges aus
diese gelegt. Nachdem dieses geschehen, wurden die großen Leitrollen wieder
niedergelassen, womit die etwa 1/4 Stunde dauernde Arbeit beendigt war.
Das System mit horizontalen Rollen ist, wie aus der Skizze Fig. 13 ersichtlich,
einfacher als das vorherbeschriebene, indem nicht nur eine große Leitrolle wegfällt,
sondern namentlich auch das Seil nicht so oft auf- und absteigt und dadurch
die durch dessen Steifigkeit verursachten Kraftverluste etwas geringer sind; auch
ist die Abnutzung der Seile weniger stark. In Krümmungen ist aber der Seitenzug bei
diesem System jedenfalls viel stärker als beim verticalen und wenn sich daher
ersteres auch für Canäle und sehr geregelte Flüsse empfiehlt, so wird letzteres bei
wenig corrigirten Flüssen mit Krümmungen von kleinem Radius den Vorzug verdienen.
Die Rollen sind bedeckt und hindern die Benutzung des Verdecks daher in keiner
Weise.
Schon bei den Kettenschiffen auf der Seine hat die ursprüngliche Anwendung, die Kette über die
Mitte des Schiffes laufen zu lassen, mancherlei Anstände hervorgerufen und wurden
deßhalb auch dort schon Schiffe mit dem Treibapparat auf der Seite construirt. Noch
mehr ist dieß aber bei Anwendung von Drahtseilen geboten, weil diese eine größere
Steifigkeit als Ketten besitzen und die Klappenrolle deßhalb auch einen entsprechend
größeren Durchmesser erhalten muß als die Trommel der Kette. Da aber der untere
Schiffsraum durch die Dampfmaschine und ihren Kessel in Anspruch genommen ist, muß
der Treibapparat auf dem Deck aufgestellt werden; das Drahtseil müßte also auf eine
bedeutende Höhe über die Flußsohle emporgehoben werden, wenn es noch über eine auf
dem Deck befindliche verticale Rolle weggeleitet werden wollte; auf der Seite des
Schiffes können aber die Rollen so tief angebracht werden, als es der Tiefgang des
Schiffes überhaupt zuläßt.
Um indessen trotzdem das Seil in der Mitte des Schiffes führen zu können, hat die
Gesellschaft in Lüttich für die Schelde ein Schiff construirt, bei welchem das in
der ersten Skizze dargestellte verticale Rollensystem in einem längs durch das
Schiff gehenden Canal, in der Mitte und so tief angebracht ist, daß die großen
Leitrollen, welche hier zugleich die kleinen ersetzen müssen und sich deßhalb nach
jeder Richtung drehen können, bis in das Niveau des Schiffsbodens hinabreichen. Die
Schwierigkeit dieses Systemes, welches im Uebrigen das Schiff möglichst unabhängig
von der Lage des Seiles macht, soll darin bestehen, daß dabei nur schwer rückwärts
gefahren werden kann und auch fremde Körper, welche das Seil mitunter heraufbringt
und welche bei den beiden anderen Anordnungen durch die kleinen Leitrollen zu beiden
Enden des Schiffes abgehalten werden, direct in die große Rolle geführt und zuvor
gar nicht wahrgenommen werden können. Die für den Rhein bestimmten Schiffe sind
indessen ähnlich construirt und ohne Zweifel werden die Hindernisse, welche diesem
sonst zweckmäßigsten System bis jetzt entgegenstehen, von den intelligenten
Erfindern der Tauschlepper noch überwunden werden.
Um nun noch der Versuche selbst zu erwähnen, so ist hierüber zu bemerken, daß die
erste Probefahrt von Lüttich nach Seraing mit dem Schleppboot Nr. 1 und einem Train
von 4 Booten mit circa 600 Tonnen Ladung, und die zweite
von Lüttich nach dem 19 Kilometer entfernten Wehr bei Chokier gemacht wurde. Bei
diesen Fahrten kamen die drei vollendeten Schleppboote der Reihe nach zur
Verwendung; ihre größte Leistungsfähigkeit (10 Boote mit 1500 Tonnen Ladung) konnte
indessen dabei nicht erprobt werden, weil es an der entsprechenden Anzahl beladener
Schiffe fehlte. Es wurde aber einstimmig der gleichmäßige, ruhige Gang des Zuges,
sowie die Leichtigkeit mit welcher die Steuerung des selben vor sich ging, anerkannt
und die Zweckmäßigkeit des Systemes wurde nach diesen Proben nicht mehr bezweifelt,
wie sich auch einige der hervorragendsten Theilnehmer an den Probefahrten ganz
entschieden zu dessen Gunsten aussprachen.
Namentlich gelungen war die Fahrt am zweiten Tage mit den Schleppern Nr. 2 und 4;
letzterer durchfuhr eine in ziemlich starkem Gefäll liegende Curve zwischen Seraing
und Chokier mit drei schwer beladenen Schiffen so ohne allen Anstand, daß an der
Möglichkeit, auch stärkere Curven und Gefälle zu überwinden, kein Zweifel aufkommen
konnte; denn nicht nur wurde die 5 Kilometer betragende Geschwindigkeit nicht im
Geringsten gemäßigt, sondern der Bogen von dem Schleppboot selbst (Nr. 2 mit
horizontaler Rolle) und den angehängten Schiffen so gut ausgefahren, daß dadurch ein
genügender Beweis für die vollkommene Steuerungsfähigkeit des Convois geliefert
wurde. Die einzige Maaßregel welche dabei ergriffen wurde, war die Verlängerung des
Schlepptaues des ersten der angehängten Boote; letztere hielten dann ihren Curs mehr
in der Mitte des Stromes als das Schleppboot und verhinderten dadurch ein zu starkes
Annähern desselben gegen das convexe Ufer; dabei neigte sich das Boot ziemlich stark
auf die Seite, womit aber weiter kein Nachtheil verbunden ist, als etwas
Kraftverlust. Sodann wurden noch Versuche mit schnellem Anhalten und Ausweichen
gemacht, die ebenfalls sehr befriedigend ausfielen, namentlich zeigte das letztere,
daß die übrige Schifffahrt durch die Tauschlepper nicht beeinträchtigt wird, weil
diese im Stande sind bis auf einen Abstand von etwa 20 Meter auszuweichen.
Schließlich wurde noch das Passiren einer Schleuse gezeigt, was nur der Einfachheit
der hierzu angebrachten Vorkehrung wegen Erwähnung verdient. In den hölzernen
Thorflügeln sind unten zwei kleine Ausschnitte gemacht, welche einen offenen Schlitz
bilden, wenn die Thore geschlossen sind; durch die Thore selbst wird beim Schließen
das Seil über die Anschlagschwelle hinweg gegen die Mitte gestreift und legt sich
wieder in die dazu bestimmte Oeffnung.
4. Die Bedeutung der Ketten und
Tauschleppschifffahrt für die Binnenflüsse.
Die Concurrenz der Eisenbahnen hatte unmittelbar nach deren Einführung so lähmend auf
die Schifffahrt in den kleineren Flüssen gewirkt, daß selbst die ersten gelungenen
Versuche, derselben wieder aufzuhelfen, wenig Nacheiferung fanden und es eines fast
15jährigen vollkommenen Erfolges der Kettenschifffahrt auf der Seine bedurfte, um
die allgemeine Aufmerksamkeit wieder diesem wichtigen Gliede der Verkehrswege zuzuwenden.
Obgleich Niemand mehr etwas Auffallendes darin fand, daß die Landwege mit
Eisensträngen von außerordentlicher Länge belegt werden, fand doch die Idee, auch
die Wasserstraßen mit solchen zu versehen, anfangs wenig Anklang und erregte
allerlei Bedenken. Nachdem aber zweifellose Erfolge die Richtigkeit des Principes
außer Zweifel gestellt hatten, trat – namentlich auch hervorgerufen durch die
Energie, mit welcher die HHrn. Eyth und de Mesnil ihr neues System in's Leben treten ließen
– bald ein großer Umschwung der Anschauungen ein, und mehr als die Versuche
in Lüttich, haben die dort von den verschiedensten Seiten gemachten Mittheilungen zu
dem Ergebnisse geführt, daß das Mißtrauen, mit welchem anfangs die
„Eisenbahn im Wasser“ aufgenommen wurde, gänzlich
verschwunden ist und nunmehr große Erfolge von ihr erwartet werden.
Die bei der Versammlung hin und wieder aufgetauchten Meinungsverschiedenheiten
drehten sich auch keineswegs um das Princip selbst, sondern mehr um die Frage, ob
Kette oder Tau. Beide Systeme hatten ihre Verfechter; die der Kette hoben
hauptsächlich hervor, daß diese sich nun seit einer Reihe von Jahren vollständig
erprobt habe, und wenn auch dem Drahtseil größere Billigkeit nicht bestritten wurde,
so wurde dagegen dessen Dauerhaftigkeit in Frage gestellt. Die Anhänger des
Drahtseiles beriefen sich dagegen auf die weit größere Billigkeit und Leichtigkeit
desselben, welche letztere in tiefen Flüssen sehr zu berücksichtigen sey; außerdem
habe der Tauschlepper einen ruhigen, geräuschlosen Gang, ohne alle Stöße, welcher
mit der Kette nie erreicht werden könne. Beide Systeme werden ohne Zweifel bei
allgemeinerer Anwendung noch Verbesserungen erleiden und wird die endgültige
Entscheidung der Frage, welchem von ihnen der Vorzug gebühre, oder ob nicht bei
größerer Wassertiefe das Drahtseil, in flachen Flußbetten aber die Kette
zweckmäßiger sey, von dem Erfolg der nun in großer Ausdehnung in Aussicht stehenden
praktischen Anwendung beider Systeme abhängen; denn während die für die
Donauschifffahrt von Donauwörth bis zu ihren Mündungen concessionirte Gesellschaft
die Kette anwenden will (Versuche mit dem Drahtseil nicht ausgeschlossen), soll der
Rhein mit dem Drahtseil belegt werden. Hier sollen zunächst drei Proben gemacht
werden, deren glückliches Bestehen den letzten Zweifel an der allgemeinen Anwendung
des Drahtseiles heben müßte, denn es sind für diese bestimmt:
1) eine Strecke bei Emmerich mit einer Wassertiefe bis zu 60 Fuß;
2) die Kreuzung der Traject-Anstalt bei Duisburg und
3) die Stromschnelle am Bingerloch.
Der Versuch an letzterem Orte soll noch im Laufe des Herbstes von 1869 vorgenommen
werden.
Ebenso soll die Tauschleppschifffahrt nunmehr auf der ganzen Elbe eingeführt werden,
nachdem die seitherigen Versuche zwischen Magdeburg und Buckau bei einer
Fahrwassertiefe von nur 1 1/2 Fuß ganz befriedigend ausgefallen sind, und zwar soll
sie zunächst bis Hamburg, dann aber bis an die böhmische Grenze hinauf eingeführt
werden.
Als unbestrittene Vortheile beider Systeme für den Verkehr haben sich bis jetzt
herausgestellt:
Größere Billigkeit der Fracht. – Obgleich die
Verwaltung der Eisenbahn von Lüttich nach Namur ihren Kohlentarif alsbald nach
ertheilter Concession der Tauschleppschifffahrt um 30 Proc. ermäßigte, hat sich doch
die Schifffahrt nun dieses Transportes von Neuem bemächtigt und wird ihn sich auch
erhalten, denn mit Hülfe des Taues geschieht der Transport um 1/3 billiger als mit
dem Pferdezug. Dieselbe Erfahrung wurde auch an der Seine gemacht.
Größere Geschwindigkeit des Transportes. – Wenn
auch die Geschwindigkeit des Schleppbootes (5 Fuß pro
Secunde) die der Pferde am Leinzug nicht sehr viel übertrifft, so fällt dagegen eine
Menge von Verzögerungen und Aufenthalten weg; es ist deßhalb für die Dauer einer
Reise bei Benutzung eines Schleppbootes nur die Hälfte von der mit Pferden
anzunehmen.
Größere Regelmäßigkeit des Betriebes. – Keinen
geringen Antheil an dem Herunterkommen der Flußschifffahrt hat der Umstand getragen,
daß von einer Regelmäßigkeit des Betriebes, wie ihn die Eisenbahnen bieten, keine
Rede war; es wurde deßhalb von den Industriellen oft die kostspieligere
Transportweise vorgezogen. Theils natürliche Hindernisse, theils Gleichgültigkeit
der Schiffer trugen hieran die Schuld; durch die Einführung eines geregelten, durch
tüchtige Capitäne geleiteten Dienstes wird diesem Uebelstande abgeholfen. Durch die
günstigen Berichte ihrer Ingenieure über die neu eingerichtete Schleppschifffahrt
auf der Maas wurde die belgische Regierung zu der Anordnung veranlaßt, die nur 57
Met. langen Schleusen auf 120 Met. zu verlängern, um damit das Durchschleusen eines
ganzen Convois zu ermöglichen, wie bei den Schleusen an der Seine, wodurch ein
bedeutender Gewinn an Zeit erzielt wird.