Titel: | Ueber Bessemer-Stahl und Heaton-Stahl; von C. Schinz. |
Fundstelle: | Band 195, Jahrgang 1870, Nr. XXXIX., S. 127 |
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XXXIX.
Ueber Bessemer-Stahl und Heaton-Stahl; von C.
Schinz.
Schinz, über Bessemer- und Heaton-Stahl.
Von einem Freunde wurde mir eine Brochure zugesandt, welche bei E. Stanford in London (1869) unter dem Titel: „Heaton's
Process for the treatment of cast iron and the
manufacture of steel“ erschien, und deren Verfasser sich
nicht genannt hat.
Dieses Schriftstück enthält eine Zusammenstellung des bedeutenden Streites, welcher
über das Verfahren von Bessemer und Heaton in England entstanden ist und an dem nicht nur eine große Zahl der
dortigen technischen Journale, sondern sogar die politische Presse (wie die Times) Theil und Partei genommen haben.
Dieser Streit ist nun eigentlich ein solcher um des Kaisers Bart, da die beiden
Verfahrungsarten nicht nur verschiedener Natur sind, sondern sogar verschiedene Zwecke
verfolgen. Beide Processe kommen nur darin mit einander überein, daß sie die zur
Affinirung des Roheisens nöthigen Reagention auf eine bei weitem wirksamere Weise
mit demselben in Contact bringen, als es früher geschah.
Darin ist nun Bessemer unbestreitbar vorangegangen, und
Heaton's VerfahrenBeschrieben im polytechn. Journal, 1868, Bd. CXC S. 465. ist gewissermaßen nur eine glückliche Nachahmung desjenigen von Bessemer für ein ganz anderes Reagens. Das Reagens
Bessemer's ist
atmosphärische Luft, welche als solches in Anwendung kam, seitdem überhaupt
Schmiedeeisen dargestellt wurde. Das Reagens Heaton's ist Natronsalpeter, dessen Schwester
das salpetersaure Kali schon in den dreißiger Jahren von Dr. Engelhard als Mittel das Roheisen zu
affiniren zur Anwendung kam.
Wenn nun Bessemer behauptet, daß sein Reagens nichts koste, so ist er entweder in einem groben Irrthume
oder er will damit bloß dem Publicum Sand in die Augen streuen; denn genau
betrachtet ist eigentlich nicht der Sauerstoff der Luft das Reagens, sondern das
Eisenoxyd und Oxydul, welches auf Kosten des Roheisens gebildet wird, und da das
Verfahren Bessemer's nur auf
sehr reine und stark gekohlte Roheisensorten anwendbar ist, welche einen sehr hohen
Preis haben, und die Praxis einen Abgang von 1/4 dieses Roheisens ausweist, so
kostet dieses Reagens keineswegs nichts, sondern sogar
mehr als dafür beim gewöhnlichen Puddelverfahren in Rechnung kommt; ziehen wir
ferner in Betracht, daß das Bessemer'sche Verfahren sehr
stark gekohltes Roheisen verlangt, welches 0,25 Proc. mehr kostet als weniger
gekohltes Eisen von derselben Reinheit, so wird der Vortheil in Beziehung auf die
Kosten des Reagens gegenüber dem Natronsalpeter nur noch ein geringer seyn.
Dagegen steht das Verfahren Bessemer's gegenüber dem von Heaton
dadurch sehr bedeutend im Vortheile, daß es ein leichtflüssiges Product gibt,
welches sofort in Eingüsse gegossen werden kann, während bei Heaton's Verfahren das Product umgeschmolzen
werden muß, um es in Stahl zu verwandeln. Eine Compensation dieses Nachtheiles
findet sich dann aber darin, daß das Heaton'sche
Verfahren nicht nur weniger gekohltes Roheisen zu verwenden gestattet, sondern auch
solches das aus dem schlechtesten Eisenerz gewonnen ist und dabei im Preise viel
niedriger steht.
Ob nun aber der um die volle Hälfte niedrigere Preis des Rohmateriales welches Heaton verwenden kann, nicht etwa durch die ebenfalls
geringere Qualität des Endproductes wieder compensirt werde, ist jetzt noch nicht zu
entscheiden, da das Heaton'sche Verfahren noch nicht zu
dem Grade der Vollkommenheit gebracht ist, dessen es muthmaßlich fähig ist.
Es mag richtig seyn, was der Commissär der Vereinigten Staaten Nordamerika's für die
Welt-Ausstellung zu Paris i. J. 1862 von dem Bessemer-Stahl sagte:
„Derselbe bildet eine bemerkenswerthe Ausnahme in der Geschichte der
Erfindungen, insofern er dem Erfinder und den Consumenten Vortheil gebracht hat,
nicht aber den Fabrikanten.“
Daß Bessemer's Verfahren den
Fabrikanten keinen Vortheil gebracht hat, ist leicht dadurch zu erklären, daß
dasselbe in einem sehr unvollkommenen Zustande in die Praxis überging, ohne
vorherige genaue Feststellung der Bedingungen, welche den Erfolg sichern, ja es
scheint erst in der allerneuesten Zeit, wo das Bessemer'sche Patent bald Gemeingut werden wird, ein genaues und bestimmtes
Kriterium gefunden worden zu seyn, um den Moment zu bestimmen, wo aller Kohlenstoff
aus dem Roheisen entfernt und die augenblickliche Einstellung der
Luft-Einwirkung erforderlich ist.
Anfänglich beabsichtigte Bessemer durch die Luft den
Kohlenstoff im Roheisen nur so weit zu verbrennen, daß von demselben noch die
nöthige Quantität übrig bleibt um Stahl zu bilden.Man sehe Bessemer's
Vortrag „über die Darstellung von Eisen und Stahl,“
welcher in der Institution of Civil Engineers zu
London am 10. und 17. Mai 1859 gehalten und im polytechn. Journal Bd. CLIII S. 270 mitgetheilt
wurde.A. d. Red. In Schweden scheint dieß auch sich verwirklicht zu haben, aber bei den
besten Roheisensorten welche mit mineralischen Brennstoffen dargestellt sind, wie
sie in England, Frankreich und Belgien vorkommen, scheint dieß nicht möglich zu
seyn, und erst nachträglich wurde gefunden, daß in diesem Falle die Darstellung von
Stahl besser erreicht werde, wenn man zuerst allen Kohlenstoff entfernt und dann
denselben in Form von Spiegeleisen wieder hinzubringt.
Bei diesem Verfahren war es aber sehr schwierig, den richtigen Punkt zu treffen, um
nicht zu viel Eisen zu verbrennen, wodurch dann die größte Ungewißheit entsteht wie
viel von dem Spiegeleisen zugesetzt werden muß, um die richtige Menge von
Kohlenstoff zuzubringen, da nun ein Theil desselben zur Reduction des zu viel
verbrannten Eisens verzehrt wird. Bei dem ursprünglichen schwedischen Verfahren ist
es wohl noch schwieriger, den richtigen Punkt zu treffen. Unter solchen Umständen
konnten natürlich die Fabrikanten keine gleichförmige Production erzielen und manche
mißlungene Operation mußte den Gewinn, den die gelungenen gebracht hätten,
compensiren.
Dieses lang gesuchte Kriterium scheint nun in der Anwendung des Spectroskops gefunden
zu seyn, welches das Verschwinden des Kohlenstoffgehaltes der Masse augenblicklich
anzeigt. Dasselbe ist freilich für das schwedische Verfahren nicht anwendbar.
Heaton's Verfahren ist noch
weit entfernt, durch eine verbreitete und anhaltende Praxis geläutert und durch die
Beiträge vieler Beobachter vervollkommnet zu seyn, daher es auch ungerecht wäre,
wenn man dessen ökonomische Seite jetzt schon positiv mit dem Bessemer'schen Verfahren in Parallele ziehen wollte, um so mehr, als
dessen Zweck nicht sowohl der seyn kann, den Bessemerproceß zu ersetzen, als geringe
Roheisensorten zu einem wenn auch vielleicht geringeren, für gewisse Zwecke dennoch
brauchbaren Stahl zu verwerthen.
Als ich von dem Heaton'schen Verfahren Kenntniß bekam,
drängte sich mir vor Allem der Gedanke auf, daß dasselbe im Gegensatz zum Bessemer'schen Verfahren den Vortheil bieten müsse, die
Quantität des Reagens genau nach dem Gehalte der im Roheisen zu entfernenden Stoffe
bestimmen zu können.
Nun scheint aber noch nicht einmal der Versuch gemacht worden zu seyn, nach solcher
Berechnung zu verfahren; die veröffentlichten Versuche zeigen jedoch, daß nicht nur
die Salpetersäure oxydirend wirkt, sondern auch das Natron, welches theilweise sich
reducirt, und daß der Erfolg nicht bloß von der Oxydirung abhängt, sondern auch von
der Quantität der Base, welche die oxydirten Producte aufnehmen soll.
Die Resultate, welche Prof. Miller in London und Gruner (Inspecteur général des Mines) in Paris
(man s. dessen Etudes sur l'acier, examen du
procédé
Heaton, Paris 1869)
durch die Analyse des Roheisens und des Converter-Productes erhalten haben,
sind folgende:
Roheisen Nr. 4 von Clay Lane und Staunton,
zu gleichen Theilen, beide aus politischen Eisenerzen erblasen, nach Prof.
Miller:
Zusammensetzung desRoheisens
Zusammensetzung desConverter-Productes
C = 2,830
1,800
Si = 2,950
0,266
P = 1,455
0,298
S = 0,133
0,018
As = 0,041
0,039
Mn = 0,318
0,090
Ca
0,319
Na
0,144
Roheisen von Longwy, halbirt, nach Gruner:
Zusammensetzung desRoheisens.
Zusammensetzung desConverter-Productes
C ?
1,200
Si 1,050
0,160
P 1,650
0,640
S 0,350
0,190
Graues Roheisen von
Hayange, nach Gruner:
C ?
1,210
Si 3,024
0,530
P 1,275
0,920
S 0,090
0,010
Somit bleiben im Converter-Producte zurück:
Clay Lane und Staunton
Longwy
Hayange
Si 9
Proc.
15 Proc.
17 Proc. des ursprünglichen Gehaltes
P 20
„
39 „
72 „ „
„
S 13
„
54 „
54 „ „
„
Was namentlich in Beziehung auf P noch keineswegs
befriedigend erscheint, wenn auch durch weitere Manipulationen mit den
Converterproducten dieser Gehalt noch vermindert wird.
Betrachten wir nun die beiden letzteren Resultate der Analyse näher, so ergibt sich
unter der Annahme, daß beide Roheisensorten 3 Proc. C
enthalten und daß die Hälfte davon eliminirt werden soll, Folgendes:
Der Gehalt der vorhandenen zu eliminirenden Stoffe war im Roheisen von Longwy:
Kil. 10,80 C
welche um
CO zu bilden
Kil. 14,40 O
aufnehmen u. produciren
Kil. 25,20 CO
„ 6,48 Si
SiO³
„ 7,40
„ 13,88 SiO³
„ 10,22 P
PO⁵
„ 13,19
„ 23,41 PO⁵
„ 2,40 S
SO³
„ 3,60
„ 6,00
SO³
––––––––––
Bedarf an O = Kil.
38,59
und im Roheisen von Hayange:
Kil. 10,59 C
welche um
CO zu bilden
Kil. 14,12 O
aufnehmen u. produciren
Kil. 24,71 CO
„ 21,17 Si
SiO³
„ 24,19
„ 45,36 SiO³
„ 9,00 P
PO⁵
„ 11,61
„ 20,61 PO⁵
„ 0,71 S
SO³
„ 1,06
„ 1,77
SO³
––––––––––
Bedarf an O = Kil.
50,98
Um diese Oxydation zu bewirken, wurden dem Roheisen von Longwy Kil. 68 und dem von
Hayange Kil. 67 roher Chilisalpeter zugesetzt. Diese Quantitäten entsprechen:
61,80 NaO, NO⁵
= 22,54 NaO und 39,26 NO⁵;
und 60,89 NaO, NO⁵
= 22,22 NaO und 38,68 NO⁵.
Die Zersetzungsproducte der NO⁵ sind theils NO theils NO²;
Kil. 39,26 NO⁵
können daher liefern
Kil. 23,17 O
od. Kil. 17,54 O,
im Mittel
Kil. 20,36 O
Kil. 38,68 „
„
„ „
Kil. 22,92
„ Kil. 17,19
„
„
Kil. 20,05 „
während der Bedarf Kil. 38,59 und Kil. 50,98 O ist. Man sieht
also, daß die NO⁵ kaum die Hälfte des O geliefert hat, welche nöthig gewesen
wäre.
Die Quantitäten NaO welche für diese beiden Roheisensorten genommen wurden, waren
Kil. 28,54 und Kil. 28,22, enthaltend Kil. 5,82 und Kil. 5,73 O.
Nun hat aber Heaton den Kieselsäure-Gehalt noch
vermehrt, indem er dem Chilisalpeter Kil. 9 und Kil. 10,39 in Form von Sand
zusetzte. Diese enthalten Kil. 4,80 und Kil. 5,54 O und wir haben also
in SiO³ = 7,40 + 4,80 =
12,20 O
= 24,19 + 5,54 = 29,73 O
PO⁵ =
13,19
11,61
SO³ =
3,60
1,06
–––––––
––––––––
28,99 O
42,40 O
im NaO
5,82 O
5,73 O
woraus die Verhältnisse
1 : 5 und
1 : 7,4
Das wären so saure Silicate, daß gar nicht daran zu denken ist, daß die vorhandenen
Mengen von Base die berechneten Mengen von PO⁵ und SO³ aufnehmen
würden und es ist daher das Verfahren Heaton's, dem Salpeter Sand zuzusetzen, ein völlig
zweckwidriges.
Die Erfahrung zeigt, daß wenn die Base FeO ist, dieselbe keine PO⁵ mehr
aufnimmt, sobald die Schlacke 40 Proc. SiO³ aufgenommen hat, und dieß
entspricht dem Verhältniß 2 FeO + SiO³ = 16 O : 24 O = 1 : 1,5, während in
der Heaton'schen Operation auf 5,82 und 5,73 basischen
Sauerstoff 12,20 und 29,73 O aus SiO³ kommen, was dann die Verhältnisse
12,20/5,82 = 1 : 2,1 und 29,73/5,73 = 1 : 5,2 gibt.
In den wirklich erhaltenen Schlacken sind aber auch keineswegs die berechneten
Gehalte gefunden worden:
Longwy:
31,00 Proc. SiO³
Hayange:
54 Proc. SiO³
15,80
„ PO⁶
1,60 „ PO⁵
0,70
„ SO³
0,50 „ S
0,60
„ S
30,40 Proc. NaO
29,00 Proc. NaO
neben kleinen Mengen Cl, Ca, Fe Mn und
Va.
Diese enthalten in:
SiO³ = 16,53 O
und 28,79
PO⁵ =
8,90
0,90
SO³ =
0,42
–––––––––––––
––––––
25,85
29,69
NaO = 7,84 = 1 : 3,33 und 7,84 = 1 : 4.
Im letzten Falle ist also fast gar nichs als SiO³ in die Schlacke
übergegangen, und das NaO ist ausschließlich durch SiO³ gesättigt und kann
keine PO⁵ mehr aufnehmen. Die mehr basischen Eigenschaften des NaO gegen FeO
geben sich also dadurch kund, daß ein Gewichtstheil ersterer Base durch 4 O aus
SiO³ gesättigt wird, während 1 Gewth. basisches O aus FeO sich schon mit 1,5
Gewth. acidem O sättigt.
In der von dem Roheisen von Longwy herrührenden Schlacke sättigen die 16,53 O aus
SiO³ = 4 O aus NaO und 3,84 O aus NaO, nehmen dann 9,32 O aus PO⁵ und
SO³ auf.
Uebrigens fehlt auch dieser Schlacke eine hinreichende Menge NaO, um allen in dem
Roheisen enthaltenen P und S aufzunehmen.
Aus den verwendeten Stoffen berechnet sich das Gewicht der Schlacken, indem wir die
SiO³ als unwandelbaren Bestandtheil betrachten:
Longwy: 9 Kil. Sand plus aus
Roheisen übergegangene 6,48 – 1,04 =
5,49 Si = SiO³ 11,51 = 20,77 SiO³
Hayange: 10,39 Kil. Sand plus aus
Roheilen übergegangene 21,17 – 3,71 = 17,46 Si = SiO³ 37,41 = 47,80
SiO³, und wir haben:
Longwy
Hayange
Kil. 20,77 SiO³ = 9,69 Si
Kil. 47,80 SiO³ = 22,31 Si
10,58 PO⁵ = 4,62
P
1,41
PO⁵ 0,61 P
0,47
SO³ =
0,19 0,40
S 0,40
0,59 S
0,44 S
––––––––––
20,11 NaO
25,67 NaO.
Ferner das Gewicht der im
Converter zurückgebliebenen Stoffe:
Kil. 0,99 Si
Kil. 3,71 Si
3,95 P
6,44 P
1,17 S
0,07 S
Nun haben wir:
Longwy
in den Schlacken
Kil. 9,69 Si
4,62 P
und
0,59 S
in dem Converter-Producte
0,99
3,95
1,17
–––––
–––––––
–––––––
Kil. 10,68 Si
8,57 P
1,76 S
Sand 4,20
im Roheisen 6,48
10,68
10,22
2,40
–––––––
–––––––
Manco
1,65 P
0,64 S
Hayange
in den Schlacken
Kil. 22,31 Si
0,61 P
und
0,44 S
in dem Converter-Producte
3,71
6,44
0,07
–––––
–––––––
–––––––
Kil. 26,02 Si
7,05 P
0,51 S
Sand
4,85 im Roheisen 21,17
26,02
9,00
0,71
–––––––
–––––––
Manco
1,95 P
0,20 S
welche auf irgend eine Weise verflüchtigt werden mußten, da
sie nicht NaO genug vorfanden um sich zu binden.
Allerdings ist bei der ganz ungenügenden Schlacken-Base die Operation mit
letzterem Roheisen auch von einer viel weniger vollständigen Elimination der fremden
Stoffe begleitet gewesen, aber dennoch zeigt diese Verflüchtigung von P und S, daß
dabei die Temperatur, welche im Converter stattfindet, nicht ohne Einfluß seyn
kann.
In dieser Beziehung hat nun Heaton abermals Unrecht,
seinem Converter nur kleine Dimensionen zu geben, wodurch natürlich die Temperatur
vermindert wird.
Ist eine möglichst hohe Temperatur im Converter wünschenswerth, so folgt ferner, daß
die durchlöcherten Platten, welche den Rohsalpeter bedecken, so dünn als möglich
gemacht werden sollten.
Ebenso werden erhöhte Dosen von Salpeter nicht nur die zu eliminirenden Stoffe
vollständiger oxydiren und zu deren Aufnahme mehr NaO zuführen, sondern auch die
Temperatur im Converter erhöhen.
Wir haben gesehen, daß die zu eliminirenden Stoffe im Roheisen von Longwy Kil. 38,59
O zu ihrer vollständigen Oxydirung verlangen; um dieser Anforderung zu genügen,
müßten wir statt 68 Kil. Rohsalpeter diese Quantität auf Kil. 129 erhöhen, und für
das Roheisen von Hayange von 67 Kil. auf 170 Kil. bringen.
Im ersteren Roheisen sind mit Weglassung des zugesetzten Sandes zu binden:
Kil. 7,40 O aus SiO³, welche 7,40/4
= 1,85 basischen O erfordern,
Kil. 16,79 O aus PO⁵ und SO³, welche
16,79/1,5
= 11,19 basischen O erfordern,
––––––––
welche Quantität
von 13,04
basischem O = Kil. 150 Rohsalpeter erheischt.
In letzterem Roheisen haben wir:
Kil. 24,19 O aus SiO³, welche 24,19/4
= 6,05 basischen Sauerstoff erfordern,
Kil. 12,67 aus PO⁵ und SO³, welche
12,67/1,5
=
8,45 „ „
„
und diese Quantität = 14,50
basischer O würde Kil. 169 Rohsalpeter erheischen.
Eine solche Vermehrung des Rohsalpeters ist aus ökonomischen Rücksichten kaum
thunlich, da die jetzt angewandten Quantitäten schon in Frage stellen, ob dieses
Verfahren im Verhältnisse zu der Qualität des Productes nicht zu viel koste.
Gruner empfiehlt daher, einerseits nur den Basezusatz,
nicht die Oxydationsmittel zu vermehren, und andererseits bei Roheisen mit großem
Si-Gehalte (wie das von Hayange) durch eine vorhergehende Affinirung im
Flammofen den Si-Gehalt zu vermindern.
Was den ersteren Rath betrifft, so werden wir darüber noch Mehreres zu sagen haben;
in Beziehung auf den zweiten ist zu bemerken, daß wenn auch die
Vor-Affinirung im Flammofen nur 9 Franken per
1000 Kil. Roheisen kostet, es gewiß ökonomischer wäre, bei der Darstellung des
Roheisens dahin zu wirken, daß der Si-Gehalt weniger hoch ausfällt, weil dann
gleichzeitig auch der P- und S-Gehalt ein kleinerer würde.
Damit hängt aber noch eine andere Frage zusammen. Obgleich die oxydirenden Mittel
vorerst auf Si, dann auf P und S, und erst in letzter Instanz auf den C einwirken, so ist das doch nicht so zu verstehen, daß
z. B. zuerst alles Si
entfernt würde, ehe P, S und C in Angriff kommen, sondern letztere Stoffe werden nur
in geringerem Verhältnisse mit oxydirt, sonst würde man bei Bessemer's Proceß nicht nöthig haben,
ausschließlich stark gekohlte Roheisensorten zu verwenden. Wenn daher das Verhältniß
des vorhandenen C zum vorhandenen Si, P und S klein ist, so wird der C aufgehen, ehe
Si, P und S eliminirt sind, und das Resultat wird seyn, daß dann Fe oxydirt wird und
kein C mehr vorhanden ist, welcher dieses wieder reducirt.
Der Erfolg des Heaton'schen Verfahrens wird also um so
größer seyn, als im verwendeten Rohmaterial C und Si, P und S in einem günstigen
Verhältnisse stehen, und um so wohlfeiler als diese Stoffe in absolut geringerer
Menge vorhanden sind, woraus folgt, daß das kostbare Reagens NaO, NO⁵ am
besten gespart wird, wenn schon im Hohofen darauf hingewirkt wird, das Minimum der
schädlichen Substanzen in das Roheisen zu bringen.
Gruner meint, daß das bisherige Heaton'sche Verfahren nur dann ökonomisch ausführbar sey, wenn entweder
der Preis des Rohsalpeters weit unter den jetzigen sinkt, oder wenn es gelingt durch
andere Combinationen den Bedarf an diesem Reagens zu vermindern.
Es bleibt aber noch eine andere Frage zu erörtern übrig, nämlich die, ob die bisher
erhaltene Qualität der Endproducte genügt, um als Stahl-Eisenbahnschienen
Verwendung zu finden. Diese Frage scheint noch nicht zur Lösung gelangt zu seyn;
wenn sie aber auch zu Gunsten des jetzigen Verfahrens entschieden werden kann, so
wird dessenungeachtet die Aufgabe bleiben, das Heaton'sche Verfahren nicht nur ökonomischer zu machen, sondern dasselbe auch
so zu vervollkommnen, daß ein besseres Endproduct, d.h. eine noch weiter gehende Elimination von
Si und P ermöglicht
wird.
Die vielen von verschiedenen Personen angestellten Untersuchungen über die
physikalischen Eigenschaften von Heaton's Stahl, verglichen mit anderen Stahlarten, scheinen zu
zeigen, daß in Beziehung auf Elasticität, Dehnbarkeit und Festigkeit gegen den Zug,
der Heaton'sche Stahl geringer ist, während er an
Druckfestigkeit alle anderen übertrifft. Es ist möglich, daß diese Eigenschaft den
Heaton-Stahl für den speciellen Zweck der
Eisenbahnschienen sogar vorziehbar macht, indeß wird dieß sich doch eist durch
längere Erfahrung positiv entscheiden lassen.
In der obenerwähnten Brochüre über Heaton's Proceß ist diesem Ingenieur die Ehre zuerkannt, den
Schlußstein in das Gewölbe gesetzt zu haben, welches seine Vorgänger errichtet
hatten, und unter diesem Gewölbe ist die Theorie verstanden, nach welcher der
Stickstoff einen nothwendigen Bestandtheil vom Stahl ausmacht. Aber es ist auch
nicht einmal der Versuch gemacht worden, jene Theorie durch die Heaton'schen Producte zu bestätigen und in keiner Analyse
wurde der N-Gehalt des Heaton-Stahles gesucht und bestimmt. Dagegen ist nicht zu
verkennen, daß jener Molecularzustand, der dem Stahle eigenthümlich ist, dem Heaton'schen Producte wenigstens bis zu einem gewissen
Grade nicht abgesprochen werden kann, und daß dieß der bisherigen Annahme nicht
entspricht, wornach dieser Molecularzustand nur mit leicht reducirbaren Eisenerzen
und mit den bei niedriger Temperatur erblasenen Roheisensorten erhalten werden
kann.
Unter allen Elementen ist wohl der O das einzige, welches Si, P, S und C vom Eisen zu
trennen vermag, und unter den O-Verbindungen die Salpetersäure die einzige,
welche an Basen gebunden leicht schmelz- und zersetzbare Salze gibt, wie sie
der Converter von Heaton erfordert, um durch
Temperatur-Erhöhung die Masse flüssig zu erhalten und dadurch sowohl das
Oxydationsmittel als die zur Aufnahme der oxydirten Producte bestimmte Base mit der
zu behandelnden Masse in hinlänglichen Contact zu bringen.
Wenn aber durch größere Capacität des Converters die Wärme mehr zusammengehalten
würde, und wenn man die Basen so wählen und zusammensetzen würde, daß sie eine
möglichst leichtflüssige Schlacke bilden würden, so könnte dann unzweifelhaft der
theure Salpeter zum Theil erspart werden.
In Beziehung auf die Basen ist zu berücksichtigen, daß ihr Werth als Bindemittel für
die Oxyde und Elemente Si, P und S, wie wir schon gesehen haben, ein verschiedener
ist. FeO ist gesättigt, wenn der basische und der acide Sauerstoff im Verhältniß von 1 :
1,5 steht, während NaO das Verhältniß 1 : 4 erfordert. Welches Verhältniß zeigen nun
alle anderen Basen in dieser Beziehung? Dieß ist ein Capitel, welches in den Annalen
der Chemie eine vollständige Lücke bildet, die ausgefüllt werden sollte, um sowohl
in dieser Frage als im Eisenhüttenwesen im Allgemeinen weiter kommen zu können.
Unter den industriell anwendbaren Basen ist aber eine, welche beim Affiniren des
Roheisens, sowie bei der Bildung desselben im Hohofen eine besonders günstige Rolle
spielt und daher besonders Berücksichtigung verdient, nämlich das MnO, welches
wenigstens zu P und S in feurig flüssiger Reaction ein Affinität zu besitzen
scheint, die möglicher Weise sogar größer ist als die der Alkalien, welche sonst bei
der Analyse Anwendung finden um SO³ und PO⁵ aufzunehmen.
Auch das Bleioxyd ist nicht zu vergessen, welches Dr. Richter schon vor Jahren für den Bessemerproceß empfohlen
hat.
Man sieht also, daß zur Vervollkommnung des Heaton'schen
Verfahrens, in Hinsicht auf die Technik sowohl als auf die Oekonomie, noch eine
ganze Reihe von Combinationen offen ist, und daß es möglich ist durch Betretung
dieses Weges dem Endzwecke näher zu kommen.
Die Erfindung von Bessemer sowohl wie die von Heaton haben das Verdienst, die Einwirkung der Reagentien
durch ermöglichten innigeren Contact erhöht zu haben, wodurch bei den Operationen
Zeit erspart wird; diese Erfinder haben nach dem in England geborenen Sprichworte
„time is money“ gehandelt,
nicht minder berechtigt ist aber das Sprichwort „knowledge is power“, und wird auch nach diesem gehandelt,
so wird dann auch die Vollkommenheit gefördert, welche an das Ziel führt.
Straßburg, im December 1869.