Titel: Verfahren zur fabrikmäßigen Darstellung von caustischem Baryt; von Nicklès , Apotheker in Villé (Nieder-Rhein).
Fundstelle: Band 195, Jahrgang 1870, Nr. XLII., S. 143
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XLII. Verfahren zur fabrikmäßigen Darstellung von caustischem Baryt; von Nicklès , Apotheker in Villé (Nieder-Rhein). Nach dem Bulletin de la Société industrielle de Mulhouse, t. XXXIX p. 435, November 1869; aus dem polytechnischen Centralblatt, 1869 S. 1571. Mit Abbildungen auf Tab. III. Nicklès, Verf. zur Fabrication von caustischem Baryt. Der im Folgenden zu beschreibende Proceß beruht nicht auf neuen chemischen Principien; bei demselben sind aber die Schwierigkeiten, welche der fabrikmäßigen Darstellung von caustischem Baryt entgegenstehen, durch eine eigenthümliche Anwendung bekannter Thatsachen und durch Construction eines besonderen Apparates überwunden. Das zu verwendende Rohproduct ist der schwefelsaure Baryt. Der ganze Proceß zerfällt in folgende Operationen: 1) Reduction des schwefelsauren Baryts zu Schwefelbaryum, 2) Entschwefelung, 3) Entwässerung, 4) Regenerirung des die Entschwefelung bewirkenden Mittels. 1) Reduction des schwefelsauren Baryts. – Dieselbe ist höchst einfach, so lange man nur mit kleinen Mengen arbeitet, wird jedoch schwierig, sobald die Arbeit fabrikmäßig betrieben werden soll, da man dann die Oefen und Tiegel nicht erkalten lassen darf, um das Product aus denselben zu entfernen, und das gebildete Schwefelbaryum, so lange es heiß ist, der oxydirenden Wirkung der Luft entzogen werden muß. Der im Folgenden zu beschreibende Ofen gestattet einen continuirlichen Betrieb, und ermöglicht, daß das Product herausgeschafft wird, ohne der Einwirkung der Luft ausgesetzt zu werden. Fig. 9 zeigt den Ofen im Verticaldurchschnitt nach der Linie CC der Fig. 11, Fig. 10 im Verticaldurchschnitt nach der Linie DD der Fig. 12, Fig. 11 im Horizontaldurchschnitt nach der Linie AA der Fig. 9, Fig. 12 im Horizontaldurchschnitt nach der Linie BB der Fig. 10. Diese Abbildungen sind in 1/50 der natürlichen Größe ausgeführt. Fig. 13 zeigt den Beschickungskasten und die Art des Verschlusses der einzelnen Theile in 1/10 der natürlichen Größe. Der Ofen enthält eine Anzahl vertical stehender Retorten B, B, B aus Gußeisen oder feuerbeständigem Thon von kreisrundem, rechtwinkeligem oder, was besser ist, ovalem Querschnitt. Das Mauerwerk ist im Inneren aus feuerbeständigen Ziegeln hergestellt. A, A Fig. 9, 11 u. 12 sind die Roste der Feuerungen, a, a die Aschenfälle; C ist der Abzugscanal für die Verbrennungsgase, c ein Register zur Regulirung des Zuges. G ist ein Kasten, welcher mit einer durchlochten gußeisernen Platte bedeckt ist, die ihrerseits die Retorten B trägt. E ist eine andere Eisenplatte, welche im oberen Theile des Ofens die Retorten hält. F sind eiserne Kästen, welche am oberen Ende die Fortsetzung der Retorten bilden und die Beschickung der letzteren mit dem Material gestatten, ohne daß Luft eintreten kann; sie sind durch Schieber f von den Retorten abzuschließen. Q in Fig. 13 ist ein in Angeln gehender Deckel auf F: d, d sind Falze von 15 bis 20 Millimet. Breite und Tiefe, welche eine den Schluß vermittelnde Kautschukmasse aufnehmen; e ist ein um eine Achse drehbarer Schließbolzen, welcher beim Oeffnen des Kastens F niedergeschlagen wird. Der unter den Retorten B befindliche Kasten G nimmt die aus denselben austretende geglühte Masse auf. H ist ein Dechargirungs-Apparat (extracteur), welcher die Masse von G nach G' befördert; er ist, wie Fig. 10 zeigt, aus Flügeln zusammengesetzt, welche bei jeder Stellung eine Communication der Räume G und G' verhindern, und sitzt auf einer Welle o, deren eines Ende auf einem an der Kastenwand angebrachten Lager läuft, während das andere Ende die gegenüberliegende Wand des Kastens G durchsetzt und außerhalb desselben ein Zahnrad i trägt, über welches sich eine Kette ohne Ende i² schlingt. Diese Kette läuft andererseits über ein zweites Zahnrad i', welches auf einer außerhalb des Mauerwerkes befindlichen Achse k sitzt. An der Achse k ist eine Kurbel oder ein Rad J befestigt, mittelst dessen der Dechargirungs-Apparat in Bewegung gesetzt wird. Eine mit Falzen und einer elastischen Dichtung versehene Thür L schließt den Kasten G'. Denkt man sich den Apparat im Gange, also den Kasten G mit bereits geglühtem, im Erkalten begriffenem Schwefelbaryum gefüllt, und die Retorten B mit einem Gemenge von schwefelsaurem Baryt und Reductionsmittel beschickt, so ist die Reduction im unteren Theile der Retorten bereits vollendet, in den oberen Theilen dagegen noch unvollständig, während das Gemenge in dem Kasten F sich erst zu erwärmen anfängt. Dreht man nun das Rad J, so führt der Dechargirungs-Apparat H das Schwefelbaryum von G nach G', und zugleich stürzt das schon geglühte Sulfür aus dem unteren Theile der Retorten nach G, wo es bis zur nächsten Dechargirung sich abkühlt. Oeffnet man darauf die Schieber f, so fällt das in den geschlossenen Kästen F befindliche Gemenge in die zum Theil leer gewordenen Retorten. Man schließt die Schieber wieder, öffnet die Deckel Q der Kästen F, um diese auf's Neue zu beschicken, und schließt sie sofort wieder. Ist der Kasten G' mit erkaltetem Schwefelbaryum gefüllt, so entfernt man dasselbe durch Oeffnen der Thür L, was durch die Neigung der Sohle von G' erleichtert wird. Die Retorten sind an ihren unteren Enden der stärksten Gluth ausgesetzt; nach oben hin nimmt die Temperatur ab. Die in den Retorten entwickelten Gase entweichen durch die Canäle a', a' in die eisernen Kästen b, b, von wo aus sie dem Schornstein zugeführt oder auf die unten zu beschreibende Weise benutzt werden. Als Reductionsmittel verwendet der Verfasser ein Gemenge von gepulverter Holz- oder Steinkohle mit etwas Sägespänen, welche letzteren das Gemenge leichter, lockerer und poröser machen, daher das Abziehen der entweichenden Gase begünstigen, überhaupt den Gang der Operation erleichtern und eine Vermehrung der Ausbeute bewirken. Die Menge der Sägespäne kann variiren, und man kann sogar ausschließlich Sägespäne verwenden; die Menge derselben muß jedoch zur Reduction des schwefelsauren Baryts genügen, und es ist zu empfehlen, einen Ueberschuß von Kohlenstoff in Anwendung zu bringen. 2) Entschwefelung. – Das rohe Schwefelbaryum enthält etwas unzersetzten schwefelsauren Baryt und überschüssige Kohle. Zur Entfernung derselben behandelt man das Product bis zur Erschöpfung des Rückstandes mit kochendem Wasser. Die geklärte Lösung wird behufs der Entschwefelung mit einem Metalloxyd der Formel RO behandelt. Der Verfasser zieht zu diesem Zweck wegen der Leichtigkeit, mit welcher man es sich verschaffen kann, das unter dem Namen Zinkweiß im Handel befindliche Zinkoxyd vor; man kann aber auch Fabricationsabfälle, welche aus Gemengen von Zinkoxyd und fein zertheiltem metallischen Zink bestehen, verwenden, da das fein zertheilte Zink ebenfalls die Entschwefelung der alkalischen und erdalkalischen Sulfüre bewirkt. Da das Schwefelbaryum überschüssigen Schwefel enthält, so hat man auf 1 Aequivalent Sulfür etwa 1 1/2 Aequivalent Oxyd anzuwenden. Bei Einhaltung dieses Verhältnisses genügt zweistündiges Kochen zur Entschwefelung. Das Kochen hat hauptsächlich den Zweck, das Oxyd in Suspension zu erhalten; bei Anwendung eines Rührapparates braucht man daher nur so weit zu erwärmen, daß die Krystallisation verhindert wird. Das gebildete Schwefelzink wird durch Filtration von der Barytlösung getrennt und zur Wiedergewinnung des Schwefels und Zinkoxydes weiter verarbeitet. Die Barytlösung wird in einem Kessel verdampft, über welchem sich zweckmäßig ein die Verdampfung begünstigender Schornstein befindet, da der Baryt große Neigung hat, Kohlensäure zu absorbiren. Es ist vortheilhaft, die Flüssigkeit, bevor man sie zur Trockne bringt, sich klären zu lassen und von dem Bodensatz abzugießen, da die Barytlösung ein wenig Schwefelzink aufgelöst hat, welches sich bei der Concentration ausscheidet. Je nachdem man Monhydrat oder 10 Aequiv. Wasser enthaltenden krystallisirten Baryt erhalten will, treibt man die Verdampfung mehr oder minder weit. Der Baryt kann für manche Zwecke im hydratischen Zustande verwendet werden. Will man daher nur das Hydrat darstellen, so ist der Proceß beendet, und man hat nur noch die Wiedergewinnung des Zinkoxydes zu bewerkstelligen. Will man jedoch wasserfreien Baryt gewinnen, so folgt noch die Entwässerung. 3) Entwässerung. – Der Verfasser erhitzt das Hydrat in gußeisernen oder aus feuerbeständigem Thon hergestellten Cylindern, durch welche er zugleich das bei der Reduction des schwefelsauren Baryts gebildete Kohlenoxydgas leitet. Auch kann man das Hydrat, gemengt mit Kohle, Sägespänen oder einer anderen organischen Substanz, die geeignet ist, unter den obwaltenden Umständen mit den Elementen des Hydratwassers Wasserstoffgas und Kohlensäure zu bilden, in einem Reverberirofen glühen, wie Pelouze und Millon vor langer Zeit (Comptes rendus vom 13. Januar 1840) gezeigt haben. 4) Die Wiedergewinnung der zur Entschwefelung dienenden Substanz unter gleichzeitiger Nutzbarmachung des Schwefels kann auf verschiedenem Wege erreicht werden. a) Das bei der Ueberführung des Schwefelbaryums in Barythydrat gebildete Schwefelzink kann in Röstöfen, welche den zum Rösten der Kiese dienenden ähnlich sind, abgeröstet werden, wobei die sich entwickelnde schweflige Säure in Bleikammern geführt oder zur Darstellung von schwefligsauren oder unterschwefligsauren Salzen verwendet wird. Das aus Zinkoxyd bestehende Röstproduct enthält noch Spuren von schwefelsaurem Zinkoxyd, welches man durch Waschen mit Wasser entfernt. b) Das Schwefelzink kann auch einer beschränkten Röstung unterworfen werden, so daß es zum größeren Theil in schwefelsaures Zinkoxyd übergeht. In diesem Falle hat man eine weniger intensive und weniger andauernde Hitze zu geben. Der hierbei in Form von schwefliger Säure entweichende Theil des Schwefels wird in der oben angegebenen Weise verwerthet, und der aus einem Gemenge von Oxyd und Sulfat bestehende Rückstand wird zur Trennung beider mit Wasser ausgelaugt. Das ungelöst bleibende Zinkoxyd wird wieder zur Fabrication von Baryt verwendet, während der in Lösung befindliche Zinkvitriol nach dem Verfahren Keßler's (polytechn. Journal Bd. CLIII S. 157) durch Behandlung mit Kochsalz in Glaubersalz und Chlorzink übergeführt werden kann. Aus der von dem Glaubersalz getrennten Chlorzinklösung wird durch Kochen mit Kalkmilch das Zink als Oxyd niedergeschlagen, wobei man, um die Bildung von Oxychlorid zu verhüten, den Kalk genau in der erforderlichen Menge zugibt. Kostenberechnung. – 100 Theile schwefelsaurer Baryt geben in der Praxis 63,4 Th. Schwefelbaryum oder 64,2 Th. Monhydrat oder 57,4 Th. wasserfreien Baryt. Zur Darstellung von 1000 Kilogram. wasserfreiem Baryt sind daher erforderlich: 1740 Kilogr. pulverisirter schwefelsaurer Baryt, à 60 Fr. pro      1000 Kilogr 104 Fr. 40 Centim. 100 Kilogr. pulverisirte Steinkohle, à 25 Fr. pro 1000 Kilogr.     2  „  50      „ 500 Kilogr. Sägespäne, à 5 Fr. pro 1000 Kilogr.     2  „  50      „ 300 Kilogr. Steinkohle zur Heizung, à 22 Fr. pro 1000 Kilogr.     6  „  60      „ Zur Herstellung der Lösung des Schwefelbaryums sind 3 bis 4 Kubikmeter heißes Wasser erforderlich, welches man kostenfrei haben kann, wenn man das Sulfür nicht völlig abkühlen läßt oder von dem Ofen abgehende Wärme benutzt. Es mögen jedoch dafür angenommen werden: 100 Kilogr. Steinkohle     2 Fr. 20 Centim. Entschwefelung. 150 Kilogr. Steinkohle zum Kochen der Lösung des Sulfürs           mit Zinkoxyd     3 Fr.  30 Centim. Verwendung von 790 Kilogr. Zinkoxyd unter Verlust von       3 Procent oder 24 Kilogr. (à 40 Fr. pro 100 Kilogr.)     9  „    60      „ zum Verdampfen der Barytlösung 300 Kilogr. Steinkohle     6  „    60      „ Entwässern des Hydrats.    200 Kilogr. Sägespäne     1  „     –       „    250 Kilogr. Steinkohle zur Heizung     5  „    50      „ Arbeitslohn   15  „     –       „ Instandhaltung, Interessen, allgemeine Unkosten   20  „     –       „ –––––––––––––––– 179 Fr.  20 Centim. Gewinn durch nutzbar gemachten Schwefel   24  „     –       „ –––––––––––––––– 155 Fr.  20 Centim. Zu der im Vorstehenden mitgetheilten Abhandlung bemerkt Scheurer-Kestner, welcher der Industrie-Gesellschaft zu Mülhausen über dieselbe Bericht erstattet hat, daß Rosenstiehl durch Versuche zu einem in den wesentlichen Punkten mit dem Nicklès'schen Proceß übereinstimmenden Verfahren geführt worden sey. Nach Scheurer-Kestner hat Stahlschmidt (Annalen der Physik und Chemie, Bd. CXXVIII S. 467) schon angegeben, daß Zinkstaub, ein Gemenge von Zink und Zinkoxyd, ebenso wie Kupferoxyd zur Verwandlung des Schwefelbaryums in Barythydrat benutzt werden könne. Scheurer-Kestner hält es für wahrscheinlich, daß bei der Reduction des schwefelsauren Baryts durch Kohle nicht Kohlenoxyd, wie Nicklès annimmt, indem er die Benutzung dieses Gases zur Entwässerung des Baryts vorschlägt, sondern Kohlensäure entweicht, da die schwefelsauren Alkalien unter gleichen Umständen Kohlensäure liefern, und daß daher das entweichende Gas zur Entwässerung nicht brauchbar seyn dürfte. Die Wiedergewinnung des Schwefels aus dem Schwefelzink nach dem von Nicklès empfohlenen Röstverfahren hält Scheurer-Kestner für unausführbar, da nach von ihm und Rosenstiehl ausgeführten Versuchen die Röstung des gefällten Schwefelzinkes durchaus nicht in gleicher Weise verläuft, wie diejenige des natürlichen. Die beiden Genannten konnten durch Rösten in einem Etagen Ofen nur ein basisches Zinksulfat von der Formel 2 ZnO, SO³ erhalten, welches sich sehr schwer in Salzsäure löst, in Wasser aber unlöslich ist, und welches sie auf industrielle Weise nicht in Hydrat überzuführen vermochten. Will man den Schwefel des Schwefelzinkes preis geben, so kann man die Ueberführung des letzteren in Zinkoxyd auf die Weise bewirken, daß man es in einem Salzsäurestrom erhitzt und das entweichende Schwefelwasserstoffgas in Apparaten, welche den in den Gasbereitungs-Anstalten verwendeten Reinigungskästen ähnlich sind, über Kalkhydrat führt. Allenfalls kann man aus dem Kalk den Schwefel in ähnlicher Weise wie aus den Sodarückständen wieder gewinnen. Sehr allgemein empfehlen jetzt die Chemiker, wenn sie durch eine Schwefelwasserstoff-Entwickelung in Verlegenheit gesetzt werden, den Schwefelwasserstoff durch Einwirkung auf schweflige Säure unter Gewinnung des Schwefels zu zersetzen. Diese Reaction verläuft aber nach Scheurer-Kestner immer nur höchst unvollkommen und ist in industrieller Beziehung zur Zeit noch völlig unbrauchbar. Nach de Luca und Ubaldini bildet sich hierbei hauptsächlich Pentathionsäure. Im Ganzen findet Scheurer-Kestner, daß die fabrikmäßige Darstellung von caustischem Baryt durch die von Nicklès und von Rosenstiehl erzielten Resultate möglich gemacht sey; nur die von der Wiedergewinnung des Schwefels aus dem Schwefelzink abhängige ökonomische Frage schwebt noch. Die in der Nicklès'schen Kostenberechnung für nutzbar gemachten Schwefel von den Productionskosten abgezogenen 24 Fr. sind nach Scheurer-Kestner zu streichen. Außerdem findet derselbe die zur Reduction von 1740 Kilogr. schwefelsaurem Baryt erforderliche Steinkohlenmenge mit 300 Kilogr. zu gering angesetzt; nach seinen eigenen Versuchen sind dazu über 1000 Kilogr. nöthig. Hiernach würden, wenn man die übrigen von Nicklès aufgestellten Zahlen beibehält, die Productionskosten von 100 Kilogr. Baryt sich auf etwa 20 Fr. erhöhen.

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