Titel: | Ueber das Phenylbraun; von Dr. P. Bolley. |
Fundstelle: | Band 195, Jahrgang 1870, Nr. XLIV., S. 150 |
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XLIV.
Ueber das Phenylbraun; von Dr. P. Bolley.
Aus der schweizerischen polytechnischen Zeitschrift, 1869,
Bd. XIV S. 140.
Bolley, über das Phenylbraun.
Das Phenylbraun, Phénizienne, auch zuweilen nach dem ersten Darsteller Roth in Mülhausen (Elsaß), Rothein genannt (nicht zu verwechseln mit dem von Caro und Gries, sowie von Roberts, Dale und Comp. in Manchester in den
Handel gebrachten Braun, welches durch Einwirkung von salpetriger Säure auf
Diphenylamin erhalten werden soll), hat sich bequemen Gebrauches und großer
Variabilität schöner Nüancen wegen, die es namentlich in der Wollefärberei liefert,
einen beachtenswerthen Platz in der Gruppe der aus Theer dargestellten Farbstoffe
erworben. Es bedarf nämlich für Seide und Wolle keiner Beize, die Farben sind acht
und können zwischen Granatbraun und Rehbraun in allen Nüancen des sogenannten
Havanna abgestuft werden. In neuerer Zeit hat es in unerfreulicher Weise die Aufmerksamkeit auf sich
gezogen, weil man dasselbe, wenigstens das aus einzelnen Fabriken hervorgegangene,
als eine sehr explosive Substanz erkannte.
Für die Darstellung dieses Körpers wird nicht überall der gleiche Weg
eingeschlagen.
J. Roth
Bulletin de la Société industrielle de
Mulhouse, November 1864, S. 499; polytechn. Journal Bd. CLXXV S. 304. schreibt vor, es sollen auf 1 Gewichtstheil Phenol 10 bis 12 Gewichtstheile
sogen. Salpeterschwefelsäure, d. i. ein Gemisch aus (gewöhnlich 2 Theilen)
englischer Schwefelsäure mit (1 Theil von 1,35 spec. Gewicht) Salpetersäure, in
kleinen Portionen aufgegossen und vor jedem neuen Zusatz zugewartet werden, bis die
Reaction aufgehört hat. Es sey, wird vorgeschrieben, Erhitzung strenge zu vermeiden,
und müsse mit Zusatz des Säuregemisches aufgehört werden, sobald nicht mehr die
rothen salpetrigsauren Dämpfe sich entwickeln. Das Product dieser Reaction soll in
viel Wasser geworfen werden, wodurch ein brauner Körper niedergeschlagen wird, der
gesammelt, gewaschen und getrocknet das Phenylbraun darstellt. Das Auswaschen ist
schwierig, wenn Entfernung aller Säure erzielt werden soll, was jedoch für die
Zwecke der Färberei nicht durchaus nöthig ist. Das Phenylbraun ist in kaltem Wasser
wenig, in heißem (nach Roth) noch weniger löslich,
dagegen löslich in Aether, Alkohol, Essigsäure und noch besser in einem Gemisch von
Essigsäure und Weinsäure. Es löst sich auch leicht in Lösungen ätzender und
kohlensaurer Alkalien. Erwärmt schmilzt es zu einer schwarzen harzartigen Masse. Es
soll aus zwei färbenden Körpern bestehen, einem gelben und einem schwarzen.
Ein Präparat, das viele Aehnlichkeit mit dem auf beschriebene Weise dargestellten
Phenylbraun hat und die gleiche Verwendung findet wie dieses, ist das von Alfraise
Französisches Patent vom 8. October 1863. beschriebene. Er bereitet zuerst Sulfophenylsäure, setzt zu einer verdünnten
Lösung derselben salpetersaures Natron und dampft bis zur Extractdicke ein. Bei
100° C. bildet sich der braune Körper. Er soll sich in 10 Th. heißen Wassers
lösen, wäre demnach wohl nicht dieselbe Substanz wie das Phenylbraun.
Da über die chemische Natur des Phenylbraun durchaus nichts bekannt ist, habe ich mit
einem der Praktikanten meines Laboratoriums, Hrn. Hummel aus Clitheroe in England, eine
Untersuchung, hauptsächlich auf diese Frage gerichtet, vorgenommen, von welcher das
Folgende die Hauptresultate enthält.
Man erhält beim Zusammenbringen des Säuregemisches mit Phenol unvermeidlich zweierlei
Producte, ein festeres, zuweilen zähharzartiges, zuweilen körniges, und eine tief
rothe Flüssigkeit. Wird die letztere in eine größere Menge Wassers ausgegossen, so
scheidet sich ein braunes feinkörniges Pulver aus: dieß wäre das Phenylbraun, wie es
im Großen dargestellt wird. Sowohl das von uns dargestellte als käufliches
Phenylbraun zeigten ganz das gleiche Verhalten: daß durch Lösen in Natronlauge und
Wiederfällen mit Chlorwasserstoffsäure oder durch Lösen in Weingeist und Fällen mit
Wasser die Eigenschaften nicht wesentlich geändert werden.
Werden diese rohen Substanzen in kleineren Partien langsam, z.B. zwischen zwei
Uhrgläsern erhitzt, so zeigt sich bald ein ganz weißes
blätterig-krystallinisches Sublimat ähnlich der Benzoesäure, welches aber
durch Lichteinwirkung bald gelblich wird. Dieser Körper ist in kaltem und warmem
Wasser wenig, in heißem Alkohol ziemlich gut, in Aether leicht löslich. Die Lösungen
wie der Körper selbst färben die Haut stark gelb. Ammoniak löst ihn mit gelber
Farbe, auch Alkalien lösen ihn; er wird aber aus diesen Lösungen mit Säuren leicht
wieder gefällt. Er schmilzt bei einer Temperatur, die nicht weit über der Kochhitze
des Wassers liegt und erstarrt zwischen 108 und 109° C.
Durch verdünnte Schwefelsäure und metallisches Zink liefert er eine rosenrothe, durch
Ammoniakzusatz grün werdende Lösung. Durch Schwefelammonium wird die wässerige
Lösung roth. Mit wässeriger Lösung von Cyankalium erhält man eine blutrothe
Flüssigkeit.
Die Zusammensetzung ist gefunden:
C
39,20
39,18
–
H
2,20
2,19
–
N
–
–
15,11
Dieß führt zur empirischen Formel
C¹²H⁴H²N²O¹º =
C¹²H⁴ (NO⁴)² O², wornach sich diese
Substanz als Dinitrophenol herausstellt.
In der That, wenn diese Nitrostufe unter den gegebenen Verhältnissen sich bildet (und
daß dieß nicht unwahrscheinlich ist, läßt sich von vornherein annehmen), so ist es
auch natürlich, daß sie den braunen Körper begleitet, denn sie zeigt sich
hinsichtlich ihres Verhaltens zu Schwefelsäure und zu Wasser demselben ganz ähnlich.
Das Binitrophenol löst sich in Schwefelsäure ziemlich leicht und fällt aus dieser
Lösung durch Wasserzusatz heraus. Durch Auswaschen des braunen Niederschlages mit
kaltem Wasser wird es nicht entfernt.
Das oben bezeichnete festere, entweder zäh-harzartige oder körnige Product der
Einwirkung von Salpeterschwefelsäure auf Phenylsäure wurde mit stark verdünnter
Schwefelsäure mehrere Male ausgekocht. Beim Erkalten schieden sich spießige
Krystalle aus. Auch aus den kochenden wässerigen Extracten der festen braunen Masse
ließen sich durch Erkalten Schüppchen erhalten und endlich wurden die verdünnten
schwefelsauren Lösungen mit kohlensaurem Baryt abgestumpft, vom niedergeschlagenen
schwefelsauren Baryt abfiltrirt, die gelbe Lösung eingedampft und der Rückstand in
kochendem Alkohol aufgenommen und zum Krystallisiren gestellt. Das in spießigen
Krystallen ausgeschiedene Salz erwies sich als binitrophenolsaurer Baryt, und die
gesammelten gelblichbraunen Flocken, welche sich aus den angesäuerten oder
wässerigen kochenden Flüssigkeiten beim Erkalten ausgeschieden hatten, ergaben beim
Sublimiren ebenfalls farbloses Binitrophenol.
Da das Binitrophenol sehr starke gelb tingirende Eigenschaften hat, nimmt es ohne
Zweifel hervorragenden Antheil an dem Färbevermögen des Phenylbraun. Seine Gegenwart
in dem Phenylbraun erklärt aber namentlich die beobachteten explosiven Eigenschaften
desselben. Diese werden, wie man annehmen darf, in stärkerem Maaße da vorhanden
seyn, wo sich mehr Binitrophenol beigemischt findet und namentlich wo vielleicht ein
alkalisches Salz der Binitrophenylsäure gebildet wurde, was durch Wiederlösen in
Natronlauge und Fällen mit Säure sehr leicht geschehen könnte.
Dem braunen Körper, der neben Binitrophenol gebildet wird, ist nicht so leicht
beizukommen, d.h. seine Constitution ist schwerer ermittelbar.
Das Folgende gibt indeß auch über ihn einigen Aufschluß:
Wird Binitrophenol in englische Schwefelsäure eingetragen, so wird es in großer Menge
gelöst. Beim Erwärmen der Lösung entwickelt sich reichlich Gas und die Flüssigkeit
bräunt sich. Bisher war immer nur angegeben, es brauche zu dieser Reaction
rauchender Schwefelsäure. Weder das sich entwickelnde Gas noch die anderen Producte
dieser Einwirkung sind bisher untersucht worden.
Das entwickelte Gas besteht der Hauptsache nach aus Kohlensäure, der aber Stickstoff
beigemischt ist.
Wird die braun gewordene schwefelsaure Lösung in Wasser geschüttet, so scheidet sich
eine dunkelbraune flockige Masse aus. Diese ist in Weingeist ziemlich leicht, in
Alkalien sehr leicht löslich. Unter dem Mikroskop zeigt sich dieselbe amorph. Die
Farbe ist tiefer braun, fast schwarz, wenn die Einwirkung der heißen Schwefelsäure
länger dauerte.
Wird dieser Körper, nachdem er gut ausgewaschen worden, in Aetznatron gelöst und der
Lösung ein Ueberschuß von Alkohol zugesetzt, so fällt daraus eine braune unkrystallinische Masse
nieder, die nach dem Eindampfen einen braunen amorphen Körper darstellt, der in
Wasser löslich, in Weingeist unlöslich ist. Diese Verbindung zeigt beim Erhitzen
keine explosiven Eigenschaften; war der braune Niederschlag gut ausgewaschen worden,
so ist auch ein Gehalt an Schwefelsäure in demselben nicht nachweisbar. Mehrere auf
diese Art gewonnene Präparate wurden in wässeriger Lösung durch reines chlorsaures
Kali und Chlorwasserstoffsäure zerlegt, ohne daß Schwefelsäure gefunden wurde. Wird
diese Natronverbindung in Wasser gelöst und wenig Essigsäure zugesetzt, so färbt sie
sich ziemlich hell weingelb, und aus der Lösung wird durch verschiedene Salze, wie
Salmiaklösung, salpetersaures Natron u.s.w. das Salz wieder ausgeschieden.
Es ist, wie ich die Sache ansehe, nicht große Aussicht vorhanden, ein fest
constituirtes Product auf dem angegebenen Wege zu gewinnen. Daß der von uns
erhaltene Körper weder ein Nitroproduct, noch eine Sulfoverbindung sey, darf ich mit
Sicherheit aussprechen. Er ist ohne allen Zweifel der andere Bestandtheil, der neben
dem Binitrophenol das Phenylbraun bildet. Man ist fast, zeigte er sich nicht in
Alkohol löslich, versucht, denselben unter die humusartigen Substanzen einzureihen;
es sollen indeß über die Frage, ob man ihn von mehr charakteristischen Eigenschaften
und constanter Zusammensetzung erhalten kann, noch nähere Studien gemacht
werden.