Titel: | Ueber Gewinnung der Fettsäuren in Verbindung mit dem Wollfett aus den Seifenwässern der Wollwäschereien. |
Fundstelle: | Band 195, Jahrgang 1870, Nr. XLVIII., S. 173 |
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XLVIII.
Ueber Gewinnung der Fettsäuren in Verbindung mit
dem Wollfett aus den Seifenwässern der Wollwäschereien.
Ueber Gewinnung der Fettsäuren in Verbindung mit dem Wollfett aus
den Seifenwässern der Wollwäschereien.
Der große Verbrauch von Seife, welcher zu einer guten Wollwäsche in Tuchfabriken,
Kammgarnspinnereien etc. behufs genügender Entschweißung der Wolle benöthigt ist, im
Zusammenhalt mit dem verhältnißmäßig hohen Fettgehalte des Wollschweißes, führte
schon vor Jahrzehnten zur Auffindung eines Verfahrens, mittelst dessen aus den
Waschwässern das Fett des in Lösung gegangenen Schweißes und die Fettsäuren der
Seife wieder gewonnen und nutzbar gemacht werden konnten. Dieses Verfahren bestand
in der Fällung der Fettbestandtheile der Seifenwaschwässer durch Kalkbrei, Trocknen
des erhaltenen Niederschlages, Suinter genannt, und
Verwendung desselben zur Darstellung von Leuchtgas.
Diese Suinterfabrication, so einfach sie in ihren Manipulationen erscheint, erfordert
indessen große Räumlichkeiten der Anlage. Das Trocknen der Kalkfettmasse kann nur in
dünnen Lagen geschehen, erfolgt bei feuchter Witterung nur langsam und ist zur
Winterszeit nur in künstlich erwärmten und ventilirten Localitäten ausführbar. Dazu
kommt das langsame Absetzen der mit Kalk nur locker verbundenen Fettmasse und die
Schwierigkeit, bei dem stets variirenden Fettgehalte der Seifenwässer das richtige
Verhältniß des Fällungsmittels zu treffen; man wird immer zu viel oder zu wenig Kalk
anwenden, im ersteren Falle Nachtheile bei der Leuchtgasbereitung, im letzteren
erheblichen Verlust an Fettsubstanz durch unvollständige Fällung erleiden.
Bei den großen Fortschritten der Chemie auf allen Gebieten der Technik, welche zu
derselben in Beziehung stehen, konnte es nicht fehlen, daß man ein rationelleres
Verfahren zur Wiedergewinnung der Fette zu ermitteln suchte, und fand dasselbe in
directer Zersetzung der fetthaltigen Waschwässer durch Schwefelsäure. Hierbei
scheiden sich nicht nur die Fettsäuren der Seifenlösung, sondern auch das von
letzterer aufgenommene Wollfett, der sogenannte Wollschweiß und sonstige Wollabgänge
vollständig in compacter rahmähnlicher Masse ab, allerdings begleitet von erdigen
und sandigen Beimengungen, wie solche jeder Wollgattung anhaften.
Diese Scheidemasse nun, deren Zusammensetzung, wie sich aus oben Gesagtem ergibt,
sehr variabler Natur seyn muß, zumal was den Gehalt an
„Schweiß“ betrifft, welcher in den verschiedenen Wollsorten
je nach Alter, Abstammung und Ernährung des Thieres großen Schwankungen unterliegt, wird kurzweg Wollfett genannt, und bildet in gereinigtem Zustande im
Fettwaarengeschäfte einen gesuchten Artikel, daher eine nähere Beschreibung des in
mehreren französischen und deutschen Etablissements im großen Betriebe ausgeführten
Fabricationsverfahrens, zumal dasselbe auch nützliche Anwendung auf Wiedergewinnung der Fetttheile verbrauchter Seifenbäder
überhaupt, welche zur Zeit in den meisten der betreffenden Gewerbe den Abwässern
zugeführt werden, gestattet, in diesem Journal eine Stelle finden dürfte.
Die Herstellung des Wollfettes vollzieht sich in vier
Operationen:
1) Scheidung der Fettsubstanzen aus den Seifenwässern mittelst
Schwefelsäure;
2) Filtriren des erhaltenen Scheideschlammes;
3) Auspressen desselben;
4) Raffiniren – Läutern, Entsäuern und Bleichen –
des gewonnenen Fettes.
Aus den Waschmaschinen werden die Seifenwässer in aus Tannenholz gefertigte Bassins
gehoben, in welchen sie mit einen Temperatur von 30 bis 35° R. anlangen. Ein
solches Bassin von 2,70 Meter Länge, 1,73 Met. Breite und 1,57 Met. Tiefe faßt bis
zum Füllungsniveau 7000 Liter. Zur Beschleunigung der Scheidung läßt man nach
Zumischung der Säure anderthalb Stunden Dampf einströmen, nach welcher Zeit das
Thermometer 50 bis 55° R. zeigt; es findet somit eine Wärmezunahme von
20° statt.
Der Verbrauch an Schwefelsäure richtet sich selbstverständlich nach dem Alkaligehalt
der Seifenlösung; man gibt indessen stets einen geringen Ueberschuß, da man damit
eine raschere und vollständigere Trennung bewirkt, in Folge dessen eine compactere
Scheidemasse resultirt. Im Durchschnitt des Fabrikbetriebes sind 50 Pfd.
Schwefelsäure von 66° Baumé zur vollständigen Zersetzung von 7000
Liter Seifenwasser ausreichend, und ergeben 390 bis 410 Pfd., im Mittel also 400
Pfd. Fettschlamm (Preßteig), je nachdem man diesem Zeit läßt in den Filtrirtrögen
– mit grobem Hanftuch gefütterten Körben – abzutropfen.
Wenn nun die käsig-teigige Masse, durch Filtration hinreichend entwässert, die
zum Formen in Preßkuchen erforderliche plastische Consistenz erreicht hat, wird sie
in Hanftücher eingeschlagen, in bekannter Weise zwischen Platten in die Presse
gelegt und erst kalt, später unter Zuleitung von Dampf bis zum vollständigen
Erschöpfen des flüssigen Inhaltes ausgepreßt. In den Preßtüchern verbleiben hierbei
als fester Rückstand ungefähr 50 Procent des in Arbeit genommenen Preßteiges,
während eine gleiche
Menge wässerigen Fettes in das Reservoir abläuft; letzteres Quantum reducirt sich
ebenfalls durch die verschiedenen Operationen des Raffinirprocesses auf beiläufig
die Hälfte seines Gewichtes, wornach ein Ausbringen von 25 Procent verkäuflichen
Wollfettes aus 100 Pfd. Preßteig als durchschnittliche Norm des Fabrikbetriebes
angenommen werden kann. Auf Seifenwasser bezogen würde man hiernach aus obigen 7000
Liter in runder Zahl 100 Pfd. gereinigtes Wollfett erhalten, demnach pro Liter 7,10 Gramme.
Das rohe wässerige Fett bedarf nun vorerst einer Läuterung und darauffolgender
Entsäuerung, ferner muß dasselbe entwässert werden. Durch Bleichen ertheilt man ihm
schließlich das für eine Handelswaare beliebte äußere Ansehen.
Behufs des Läuterns gibt man das aus dem Preß-Reservoir abgeschöpfte Fett in
kupferne Behälter, welche 3 1/2 Fuß Durchmesser und 5 Fuß Höhe haben, und in eiserne
Gehäuse eingelassen sind. Je nach der größeren oder geringeren Reinheit des Fettes
setzt man den vierten oder fünften Theil seines Volums Wasser und 2 bis 3 Procent
seines Gewichtes Schwefelsäure von 66° B. zu und erhitzt nun durch Zuleitung
direct einströmenden Dampfes zu mäßigem Kochen, welches man eine Stunde andauern
läßt. Hierauf sperrt man den Dampf ab, läßt einige Stunden absetzen und zieht die
untenstehende trübe und schleimige Schicht ab. Die abgelaufene Flüssigkeit wird
durch eine gleiche Menge reinen Wassers ersetzt und damit das Fett zum Zwecke der
Entsäuerung bis zu gelindem Aufkochen, welches man einige Zeit andauern läßt,
erwärmt. Man läßt hernach zwölf Stunden lang absetzen, und zieht nach Ablassen der
wässerigen Schicht die klare Fettmasse ab.
Das Bleichen, welches dem Wollfett die beliebte gelbliche Farbe und einen gewissen
Glanz ertheilt, nimmt man in Bottichen vor, die im Inneren mit Blei ausgekleidet und
mit Rührapparat und Wärmschlange versehen sind. Die Bleichflüssigkeit besteht aus
einer mit Schwefelsäure angesäuerten Lösung von chlorsaurem Kali – 3 Theile
Schwefelsäure von 66° N. auf 1 Theil Kalisalz –, wovon in den meisten
Fällen schon eine geringe Quantität für den gewünschten Erfolg ausreicht. Man gibt
zuerst das wie oben angegeben entsäuerte Fett, während es noch warm ist, in den
Bottich, erwärmt gelinde, und setzt dann unter stetem Umrühren die mit ihrem
vierfachen Gewichte Wasser verdünnte Säure zu, und hierauf portionenweise, wegen des
dabei stattfindenden Aufschäumens, das in seinem dreifachen Gewichte heißen Wassers
gelöste chlorsaure Kali. Die Temperatur darf während der ganzen, eine halbe Stunde
währenden Operation 45° R. nicht überschreiten. Nach mehrstündiger Ruhe setzt
sich die gebleichte
Fettmasse vollständig ab; man entfernt die wässerige kalisalzhaltige Flüssigkeit,
wascht mit reinem Wasser nach und zieht nach Entfernung des Waschwassers die
Fettschicht ab. Diese enthält immer noch Antheile von Wasser, daher eine
Entwässerung nothwendig wird, welche man durch Erwärmen vermittelst gespannter
Dämpfe, welche in Spiralröhren am Boden des Kessels circuliren, bewirkt.
In ähnlicher Weise und wohl auch ökonomischer, dagegen mit geringerer Energie der
Wirkung verwendet man zum Wollfettbleichen mit Schwefelsäure angesäuerte chromsaure
Kalilösung.
Das gebleichte Wollfett wird hauptsächlich in der Seifenfabrication, gemischt mit
Cocosnußöl oder Palmöl verwendet; ungebleichtes dient zu den wohlfeileren
Seifensorten.
Erhitzt man Wollfett und läßt es in starkwandigen bedeckten Gefäßen sehr langsam
erkalten, so findet eine Trennung desselben in feste und flüssige Masse statt,
welcher Vorgang eine pecuniär sehr lohnende Ausscheidung des festen Fettkörpers
ermöglicht. Zu dem Ende wird das Fett auf 60° R. erwärmt, in Holzbottiche von
3 Fuß Durchmesser und 6 Fuß Höhe gegeben, und bis auf eine Temperatur von + 8 bis
10° R. in Kellerräumen allmählich abgekühlt. Um die Trennung möglichst
vollständig zu erzielen, ist es nothwendig, daß eine sehr langsame Abkühlung
stattfindet, weil sonst die feste Fettmasse keine dichte, an den Wandungen und auf
dem Boden des Bottiches sich ablagernde Schicht von cohärentem Gefüge bildet, und
nur als ein Gerinnsel in der flüssigen Masse suspendirt erhalten wird, welches von
dem flüssigen Theil nur schwer zu trennen ist. Ein solcher Trennungsproceß dauert in
der warmen Jahreszeit, wenn man keinen guten Keller zur Verfügung hat, 3–4
Wochen; bei niederer Lufttemperatur dagegen umhüllt man tue Bottiche mit Strohmatten
oder wollenen Decken, um eine zu rasche Erkaltung zu verhüten.
Nach Entfernung des flüssigen Theiles durch den am Boden des Bottiches befindlichen
Abflußhahn, wird die feste Fettmasse sofort dem kalten Auspressen unterzogen; sie
findet ihre Verwendung hauptsächlich zu Maschinenschmiere als Ersatz des Talges. Um
derselben zu diesem Zwecke noch größere Consistenz zu verleihen, digerirt man sie
längere Zeit bei gelinder Kochhitze mit 3 Procent Bleiglätte, in derselben Weise wie
man bei der Bereitung von Leinölfirniß verfährt, läßt das so gehärtete Wollfett
einige Tage stehen und gießt es vom gebildeten Sedimente ab.
Das flüssige aus den Bottichen abgelassene, sowie das beim Kaltpressen verbleibende
Oel gibt mit Zumischung von Petroleum sehr gutes Maschinenschmieröl, findet aber
auch für sich unter dem Namen „Wollfett-Thran“ in
Oelfabriken guten Absatz.
Es erübrigt nun noch, nach Abschluß vorstehender Beschreibung des
Fettgewinnungs-Verfahrens, den Werth der Preßrückstände, welche wie oben
erwähnt die ansehnliche Menge von 50 Procent vom Gewichte des Preßteiges ausmachen,
zu ermitteln.
Zu diesem Zwecke wurden, um dem Durchschnittsgehalte möglichst nahe zu kommen, Proben
dieser Rückstände aus verschiedenen Posten des Fabrikbetriebes entnommen, diese
sorgfältig zusammengemischt und der Analyse unterworfen, welche folgende
Zusammensetzung ergab.
100 Theile der Preßrückstände enthalten:
Wasser
10,66
Fettsubstanzen
34,74
sonstige organische
Stoffe
22,37
feinen thonigen Sand
30,32
lösliche Kieselerde
0,08
Schwefelsäure
0,28
Phosphorsäure
0,09
Eisenoxyd und Thonerde
0,99
Kalk
0,25
Magnesia
0,10
Alkalien
0,12
––––––
100,00
Nach diesen Daten eignet sich dieses Material sehr vortheilhaft zur Darstellung von
Leuchtgas durch seinen erheblichen Gehalt an
Fettsubstanzen und organischen Stoffen, von denen erstere per Pfd. neun, letztere sieben Kubikfuß Leuchtgas ergeben. 100 Pfd.
Preßrückstände liefern demnach 469,25 Kubikfuß Gas. Da nun 100 Pfd. Steinkohle
durchschnittlich 500 Kubikfuß Leuchtgas erzeugen, 8 Kubikfuß Wollfettgas dagegen an
Lichtstärke mindestens 10 Kubikfuß Kohlengas entsprechen, so wird man keinen Fehler
begehen, wenn man alle Nebenumstände der Gasfabrication in Betracht gezogen die
Preßrückstände als gleichwerthig mit guter Gaskohle bezeichnet.
Erwägt man nun, daß in den Preßrückständen welche 50 Procent des zum Ausgangspunkt
des Calcüls genommenen Preßteiges repräsentiren, nach obiger Analyse 34,74 Proc.
Fettsubstanzen enthalten sind, somit 17,37 Proc. des Gesammtfettgehaltes des
Fabricationsmateriales nur zu secundärer Verwerthung gelangen, so ist allerdings das
hier geschilderte Productionsverfahren als ein mangelhaftes, somit erheblicher
Verbesserung fähiges zu bezeichnen.
Es wäre daher im Interesse des hier behandelten Gegenstandes sehr erwünscht, zu erfahren ob nach
der von Dr. Vohl
vorgeschlagenen neueren, weitaus rationeller erscheinenden Methode,Polytechn. Journal, 1867, Bd. CLXXXV S. 465. nach welcher die Seifenwässer durch Chlorcalciumlösung zersetzt und aus der
so gebildeten Kalkseife durch Salzsäure die Fettsäuren abgeschieden werden, günstige
Resultate in der Praxis eines großen Betriebes, wo es sich um rasche Verarbeitung
bedeutender Massen durch nicht immer intelligente Arbeitskräfte handelt, erzielt
wurden.
In Betreff des procentischen Ausbringens und der Gestehungskosten überhaupt können zu
Gunsten des einen oder anderen Verfahrens selbstverständlich nur mit großen
Arbeitsposten abgeführte, vergleichende Betriebs-Ergebnisse entscheiden.
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