Titel: | Ueber die Möglichkeit eines Gas-Hohofens; von Fritz Lürmann, Ingenieur zu Georgs-Marienhütte bei Osnabrück. |
Autor: | Fritz Lürmann |
Fundstelle: | Band 195, Jahrgang 1870, Nr. LXIII., S. 255 |
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LXIII.
Ueber die Möglichkeit eines Gas-Hohofens;
von Fritz Lürmann,
Ingenieur zu Georgs-Marienhütte bei Osnabrück.
Lürmann, über die Möglichkeit eines
Gas-Hohofens.
Die in vieler Beziehung wünschenswerthe Vergasung der Brennmaterialien dürfte erst
dann allgemeinere Anwendung als bisher finden, wenn jedes Brennmaterial, auch das
aschenreichste und deßhalb billigste, benutzt werden kann, und wenn beliebig große
Quantitäten Gas von gleicher Qualität in einem Apparat billig producirt werden
können.
Man würde dann zu allen industriellen und Haushalts-Zwecken ebenso wohl
billige Gase zum Heizen, wie bisher zum Leuchten liefern können.
Um dieses Ziel zu erreichen, müßte das Brennmaterial, nicht backende Stein-, Braunkohle,
Anthracit, Torf, Holz oder Kohksabfälle, in Schachtöfen von bedeutenden Dimensionen, also großer Productionsfähigkeit, in der
Construction ähnlich den größten Eisenhohöfen, vergast werden. Zur Bildung einer
flüssigen, von selbst abfließenden Schlacke mühte das Brennmaterial mit einer, der
chemischen Zusammensetzung der Asche entsprechenden Menge gebranntem Kalk aufgegeben
werden.
Bei den jetzt gebräuchlichen Generatoren, mit und ohne Rost, brennen die
halbgeschmolzenen Aschenbestandtheile (Schlacken) in den unteren Theilen des
Generators an, und verursachen Verstopfungen, wenn sie nicht mit großem Aufwand von
Zeit und Arbeit entfernt werden, wobei eine Störung des geregelten Betriebes nicht
zu vermeiden ist.
In einem Gas-Hohofen würde der Wind mit gewisser Pressung und in
entsprechender Höhe über der Sohle, durch verschiedene, im Umkreis des Gestelles
gleichmäßig vertheilte Formen eingeblasen. Durch Verbrennung des Kohlenstoffes zu
Kohlensäure, welche aufsteigend zu Kohlenoxyd reducirt wird, entsteht eine
bedeutende Wärmemenge, von welcher ein Theil zum Schmelzen der Schlacken benutzt
wird. Die Güte der Gase, resp. der Gehalt derselben an Kohlenoxyd, hängt dabei nicht
von dem Schürer ab, vielmehr wird bei der vorhandenen großen Schicht glühender Kohle
alle Kohlensäure rasch und vollständig in Kohlenoxyd übergeführt werden.
Ein Eisen-Hohofen ist ein Gas-Generator, in welchem die durch
Verbrennung des Kohlenstoffes producirte Wärme zum Schmelzen des Roheisens und der
Schlacken verwandt wird; ein Theil der Gase dient zur Reduction der Erze, der andere
Theil entweicht aus der Gicht, und wird zum Heizen von Apparaten und Dampfkesseln
verbraucht.
Ein Eisen-Hohofen unterscheidet sich also von einem gewöhnlichen
Gas-Generator nur dadurch, daß die hauptsächlichste Verwendung der
producirten Wärme und Gase in dem Generator selbst
stattfindet.
Man stelle sich als Extrem einen Eisen-Hohofen ohne
Beschickung von Erzen und Kalk, also einen großen
Gebläse-Gas-Generator, einen Gas-Hohofen mit
Schlacken-Abfluß vor, aus welchem alle producirten Gase behufs der Ausnutzung
nach einer entfernteren Stelle abgeführt werden.
Eine Abkühlung durch Reduction und Schmelzung der Beschickung ist nicht
vorhanden.
Die durch Verbrennung des Kohlenstoffes zu Kohlensäure producirte Wärme kann nur zur
Reduction der Kohlensäure, und ein geringer Theil zum Schmelzen der Aschenschlacken
absorbirt werden. Die Ausstrahlung der Ofenwände wird dieselbe seyn, ob in dem Hohofen
Beschickung aufgegeben wird oder nicht.
Die zum Vorwärmen der Materialien nöthige Wärme wird in dem Gas-Hohofen eine
geringere seyn.
Aus allem dem folgt, daß in einem Eisen-Hohofen ohne Erz- und
Kalkbeschickung (dem Gas-Hohofen) eine bedeutende Ueberproduction an Wärme
stattfinden wird.
Dieselbe entspricht derjenigen Menge Wärme, welche im Eisen-Hohofen zum
Vorwärmen der Beschickung, zum Brennen des Kalkes, zur Reduction der Erze und zum
Schmelzen der großen Menge Schlacken und Roheisen consumirt wird.
Die Ueberproduction von Wärme im Gas-Hohofen würde natürlich von der Qualität
der Brennmaterialien und deren Aschengehalt abhängen; obgleich viele für
Eisen-Hohöfen verwandte Kohks 12–15 Proc. Asche enthalten, wird diese
Wärmemenge immer noch sehr beträchtlich seyn; dieselbe würde von den producirten
Gasen aufgenommen werden und zur Benutzung kommen können, wenn die
Gas-Verbrauchsstelle in unmittelbarer Nähe läge. Ist dieß nicht der Fall, wie
wir annehmen müssen, sollen also die Gase nach sehr entfernten Verbrauchsstellen
geleitet werden, so ist die Möglichkeit des Betriebes eines in größten Dimensionen
construirten Gas-Hohofens in Frage zu stellen, weil derselbe, sowie die
langen Ableitungen, vollständig glühend werden würde.
Bei den bisherigen Generatoren mit und ohne Gebläse kommt nur eine geringe
Ueberproduction von Wärme zum Vorschein, weil die Apparate in einer Zeiteinheit
wenig Gas produciren und viel Wärme durch Ausstrahlung verlieren.
Um nun die bedeutende Ueberproduction von Wärme in einem großen Gas-Hohofen
nicht allein unschädlich, sondern auch an der Gas-Verbrauchsstelle
vollständig nutzbar zu machen, könnte man in diesen Gas-Hohofen, in
entsprechender Höhe über der Sohle, so viel Wasserdampf einblasen als durch die
überschüssige Wärme in Wasserstoff und Kohlenoxyd zersetzt werden kann.
Nach angestellter Berechnung würde auf 1 Theil Kohlenstoff etwa 1 Theil Wasser
zersetzt werden können.
Dieselbe Wärme, welche der Wasserdampf bei seiner Zersetzung bedarf, geben dessen
Producte bei der Verbrennung wieder ab; dieselben dienen also als bequeme Träger der
sonst sehr unangenehm werdenden überflüssigen Wärme. Mit anderen Worten: die
Qualität der Gase würde durch den Wasserstoff- und größeren
Kohlenoxyd-, also geringeren Stickstoff-Gehalt, bedeutend verbessert
werden.
Durch Anwendung von erwärmtem Wind und überhitztem Wasserdampf wird man den Effect
noch erhöhen.
Mit der Quantität des eingeblasenen Wasserdampfes ließe sich die Temperatur und der
Gang beim Gas-Hohofen mindestens ebenso genau regeln als beim
Eisen-Hohofen durch die Schwere der Erz- und Kalk-Gichten.
Die Schlacke würde am Boden des Generators durch eine Schlackenform von Zeit zu Zeit
oder continuirlich abgelassen werden.
Die Gase würden mit geringer Temperatur und unter Pressung austreten, könnten also
sehr weit geleitet werden; auch könnte durch in die Leitung eingeschaltete Gasometer
eine beliebig weite Fortleitung stattfinden.
Wenn diese Idee ausführbar ist, so fragt es sich, ob man den Wasserdampf, welcher im
bestimmten Verhältniß zu dem eingeblasenen Wind stehen müßte,
1) mit dem Wind zusammen, oder
2) in einer gewissen Höhe über den Windformen, oder
3) Wind und Dampf intermittirend einbläst.
Der Zweck dieser Zeilen ist, Gas-Fachleute zur Kritik dieser Idee zu
veranlassen, um dann, wenn die Ansichten derselben dafür sind, einen Praktischen
Versuch machen zu können, wozu sich in diesem Falle wohl Gelegenheit finden
dürfte.