Titel: | Rapakiwi als Schmelzmaterial für Bouteillenhütten. |
Fundstelle: | Band 195, Jahrgang 1870, Nr. LXV., S. 264 |
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LXV.
Rapakiwi als Schmelzmaterial für
Bouteillenhütten.Baltische
Wochenschrift, 1869, Nr. 48.
Rapakiwi als Schmelzmaterial für Bouteillenhütten.
Nahezu ein Jahrhundert ist bereits verflossen, seit eine französische Glashütte auf
Veranlassung Chaptal's, so viel bekannt ist, den ersten
Versuch gemacht hat, ein Silicatgestein, Lava eines erloschenen Vulcanes, die sich
in der Nähe fand, bei Herstellung ordinären Glases zu verwerthen, indem sie sie, mit
Zuschlag von Sand und Natron, auf Bouteillen verschmolz. – Der Versuch, auf
wissenschaftlich rationeller Grundlage angestellt, gab, wie unter solchen Umständen
zu erwarten, anfangs sehr befriedigende Resultate; indeß bereits nach vier Jahren
wurde diese Fabrication wieder aufgegeben, da die Hütte nicht mehr im Stande war,
mit den von Chaptal angegebenen Gemengverhältnissen
fortarbeitend, brauchbare Flaschen herzustellen. Man war auf Lava anderer Zusammensetzung
gestoßen, und die Empirie fand sich nicht im Stande, für diese die erforderlichen
Quantitäten der Zuschläge sachgemäß festzustellen.
Aehnlich mag es anderen Hütten gegangen seyn und es muß zugestanden werden, daß
Sicherheit in Beziehung auf gleichmäßigen Erfolg beim Verschmelzen zusammengesetzter
Steinarten ohne größte Aufmerksamkeit, und von Zeit zu Zeit sich wiederholende
analytische Prüfung des Rohmateriales, auch nicht wohl denkbar ist.
Solche Unsicherheit einerseits – obgleich dieselbe kaum größer als diejenige
beim Verschmelzen anderer allgemeine Anwendung findender Rohmaterialien, Asche,
Mergel etc. ist, – das Neue, Ungewohnte andererseits, müssen dann auch als
Gründe für das Nichtinaufnahmekommen der Verwendung zusammengesetzter
Silicatgesteine angesehen werden, mögen dieselben für sich allein oder unter
Beihülfe von Zuschlägen sich sonst auch noch so geeignet für die Grünglasfabrication
zeigen, während ungemengte Silicate, wie z.B. der Feldspath, selbst in der
Feinglasfabrication, wenn auch naturgemäß nur sporadisch, eine Rolle spielen.
Eine in jüngster Zeit unternommene, von vollkommen befriedigendem Erfolge gekrönte
Verschmelzung von Granit unter Zuschlag von Schwerspath
auf der Dresdener Hütte des Hrn. Fr.
Siemens, von der mich der Besitzer jüngst freundlichst in Kenntniß
setzte, gab den nächsten Anstoß dazu, einen ähnlichen Versuch aufzunehmen, genau zu
verfolgen und über das Ergebniß zu referiren.
Im Allgemeinen sind bekanntlich die Granite reich an Kieselsäure, arm dagegen an
Alkalien, und war es daher wahrscheinlich, daß ein Verschmelzen selbst der relativ
alkalischen Varietät derselben, die als „Rapa- oder Rabbakiwi“
benannt, sich in Finnland anstehend, in unseren Provinzen als erratischer Block sehr
verbreitet findet, für sich allein, kein gut schmelzbares, resistentes Glas liefern
würde. Der von Siemens, als theilweise die Alkalien
ersetzen könnend, als Zuschlag verwandte Schwerspath, war bei uns aus ökonomischen
Gründen für die Grünglasfabrication nicht benutzbar; so mußte ich darauf verzichten,
ohne Zuhülfenahme von Alkali ein brauchbares Product zu gewinnen, und mich mit
möglichst sparsamer Verwendung dieses theuersten Flußmittels begnügen.
Die Zusammensetzung zweier Proben Rapakiwi aus den Brüchen von Pyterlaks in Finnland, der Heimath der St. Petersburger Alexandersäule,
fand Struve wie folgt:
I.
II.
Kieselsäure
75,06
77,71
Titansäure
0,36
0,48
Thonerde
11,70
10,13
Eisenoxyd
1,04
1,41
Eisenoxydul
1,57
2,15
Manganoxydul
Spur
Kalk
1,01
1,13
Magnesia
0,19
0,21
Kali
6,25
4,50
Natron
2,56
1,85
Wasser
0,63
0,44
–––––––––––––––
100,37
100,00
Das von mir zu den folgenden Versuchen benutzte Gestein, ein recht bröckliches,
oberflächlich stark verwittertes Geschiebe, von circa 20
Pfd. Gewicht, wurde, leichterer Zerkleinerung wegen, erhitzt, in Wasser
abgeschreckt, getrocknet, gepulvert und das Pulver wiederholt durchgemengt. Die
chemische Untersuchung ergab nun folgende procentische Zusammensetzung:
Kieselsäure
74,24
Thonerde
12,13
Eisenoxyd
2,88
Kalk
0,90
Magnesia
0,19
Kali
6,68
Natron
2,50
Wasser
0,04
–––––––
100,00Eine Bestimmung der geringen Titansäuremenge (bei Thonerde), sowie
Trennung von Eisenoxyd und Eisenoxydul wurden, als für vorliegenden
Zweck unwesentlich, unterlassen.
Der Unterschied in der Zusammensetzung des von mir untersuchten Geschiebes und der
Struve'schen Probe I ist somit sehr gering, und auch
die Abweichung in II nicht von besonderer Bedeutung für unseren Zweck.
Sollte nun der Rapakiwi zu Bouteillenglas verschmolzen
werden, so kam es natürlich zunächst darauf an, eine der Nachahmung würdige
Zusammensetzung solchen Glases zu finden.
Die Constitution des Grünglases ist bekanntlich bei verschiedenen Proben eine sehr
wechselnde, meist aber enthält dasselbe große Quantitäten Kalk, wogegen durchgängig
der Kieselsäuregehalt dieser, durch den Thonerdereichthum schwer schmelzbaren Gläser zwischen 55
und 60 Proc. schwankend, sich 10–15 Proc. unter demjenigen guten weißen
Glases hält. So fand Maumené bei der Analyse einer
als „ausgezeichnet“ bezeichneten Champagnerflasche die
Zusammensetzung:
Kieselsäure
58,4
Thonerde
2,1
Eisenoxyd
8,9
Kalk
18,6
Kali
1,8
Natron
9,9
––––
99,7
Um mich davon zu überzeugen, wie sich in dieser Hinsicht unsere inländischen guten Hütten verhalten, und hierdurch ein annäherndes
Urtheil über die Leistungsfähigkeit ihrer Schmelzöfen für den vorliegenden Zweck zu
erlangen, analysirte ich eine Bierflasche der seit einigen Jahren durch Hrn.
M. Graubner wieder in
Betrieb gesetzten Hütte Fennern bei Pernau, deren Producte in jüngster Zeit – sowohl Tafelglas als
Medicinglas und Bouteillen – bekanntlich ein eifriges und erfolgreiches
Vorwärtsstreben documentiren. Es ergab sich die folgende Zusammensetzung:
Kieselsäure
55,37
Phosphorsäure
2,02
Thonerde
7,48
Eisenoxyd
1,70
Manganoxydul
0,65
Kalk
20,80
Magnesia
3,30
Kali mit Natron
8,68
––––––
100,00
Eine aufmerksame Besichtigung der Flasche zeigte, daß behufs ihrer Herstellung der
Ofen nicht außergewöhnlich forcirt worden, und es schien so gerathen, ungeachtet zu
erwartenden, nahezu doppelt so großen Thonerdegehaltes, für die folgenden Versuche
den Kieselsäuregehalt auf circa 60 Proc. zu
normiren.
Ein demgemäß angestellter Versuch, ein inniges Gemenge von
Nr. 1.
Rapakiwi
500
Grm.,
Kalkstein
200
Grm.
zu verschmelzen, gab, wie zu erwarten stand, einen entschieden
ungünstigen Erfolg, indem die geschmolzene Masse viel ungelösten Quarz einschloß,
der trotz zwölfstündiger Schmelzdauer nicht aufgenommen wurde.
Um diesen Quarz in Lösung (Verbindung) zu bringen, sah ich mich daher veranlaßt, einen directen
Alkalizusatz zu machen, und wurde nun das folgende Gemenge in den Schmelzofen
gebracht:
Nr. 2. Rapakiwi
500
Grm.
Kalkstein
(nach vorhergegangener
Untersuchung 55,9
Proc. CaO)
150
Grm.
Soda
(90 Proc. NaO, CO²)
75
Grm.
Bereits in 1 1/2 Stunden war die Masse in Fluß. Sie enthielt zwar noch viel ungelöste
Quarzfragmente, aber die Kanten und Oberflächen derselben zeigten sich bei schwacher
Vergrößerung (75-malig) bereits stark angegriffen und abgeschmolzen. Nach 4
1/2 Stunden waren keine ungeschmolzenen Partikel mehr vorhanden, das Glas war aber
noch knotig (nicht homogen), nach 6 Stunden war keine Ungleichmäßigkeit der Masse
mehr bemerkbar. Vollständiges Läutern wurde nicht abgewartet.
Das in dieser Weise gewonnene Glas war härter wie gewöhnliches Grünglas,
bouteillengrün, durchsichtig und von lebhaftem Glanze. Die Zusammensetzung wurde
gefunden:
berechnet
durch Analyse
Kieselsäure
59,5
59,86
Thonerde mit Eisenoxyd
12,4
12,91
Kalk
13,9
12,50
Alkalien mit Magnesia (Deficit)
14,2
14,73
––––––––––––––––––––––––
Summe
100,0
100,00
Frühere Erfahrungen bei solchen Versuchen in kleinem Maaßstabe, die ich unter
denselben Verhältnissen zu machen Gelegenheit gehabt, und denen auf sie basirte
Schmelzen im Großen folgten, lassen dieses Glas, was die Schmelzbarkeit desselben
anlangt, als mittelhart erscheinen, und glaubte ich somit Grund zu haben, einem
guten Bouteillenofen mehr zuzutrauen und mich in einem weiteren Versuche davon zu
überzeugen, ob weitere Sodaökonomie rathsam ist.
Somit wurde das folgende Gemenge angesetzt:
Nr. 3.
Rapakiwi
500
Grm.
Kalkstein
150
Grm.
Soda
50
Grm.
Die Schmelzbarkeit erschien bedeutend gesteigert, erst nach 8 Stunden erhielt ich
knotenfreie Proben, deren Ansehen von denen von Nr. 2 nicht merklich verschieden
war.
Wie bei Nr. 2 vertrug die Probe wiederholtes Anwärmen, ohne daß sich
Entglasungserscheinungen zeigten, und ließen beide Proben sich bei Heller Rothgluth
gut blasen.
Die Zusammensetzung von Nr. 3 ergab sich:
berechnet
durch Analysegefunden
Kieselsäure
61,9
59,64
Thonerde mit Eisenoxyd
12,5
14,84
Kalk
12,9
12,53
Alkalien mit Magnesia
12,7
12,99
––––––––––––––––––––––––
Summe
100,0
100,00
Der stark angegriffene Schmelztiegel wurde, nachdem der größte Theil des Glases
ausgegossen worden, mit dem Reste 4–5 Stunden bei dunkler Rothgluth erhalten.
Während an Nr. 2 hierbei keine Veränderung in der Structurlosigkeit der Masse
bemerkbar geworden, zeigte Nr. 3 sich durch und durch entglast und bildete eine
meergrüne Masse von strahlig krystallinischem Gefüge, mit Fettglanz. Nähere
Betrachtung der obigen Zusammensetzung des nachträglich unter geeigneten Umständen
krystallisirten Glases Nr. 3 ergibt, daß dasselbe als durch geringen Thon
erde- und Kalküberschuß verunreinigte Verbindung, nach
Aequivalentverhältnissen aufgefaßt, durch die Formel
R²O³, 2 SiO² + 3 (RO, 2 SiO²)
(in der R²O³ = Thonerde + Eisenoxyd, RO = Kalk,
Magnesia, Kali und Natron) Ausdruck gewinnen kann, und manchen natürlich
vorkommenden krystallinischen Mineralien aus der Classe der wasserfreien Zeolithe
nahe verwandt ist. Die obige Formel erforderte für gleiche Aequivalente Kalk und
Natron:
Kieselsäure
62,9
Thonerde
13,3
Kalk
11,3
Natron
12,5
–––––
100,0
Die Schwerschmelzbarkeit und Neigung des Schmelzproductes Nr. 3 zur Entglasung
veranlaßte mich, eine weitere Fortsetzung der Versuche, als für den vorliegenden
praktischen Zweck wenig versprechend, aufzugeben. Schon das Gemenge Nr. 3 dürfte bei
gewöhnlichen Bouteillenöfen nur mit Risico angewandt werden können, und betrachte
ich somit die Gläser Nr. 2 u. 3 als Grenzwerthe, zwischen denen sich die Hütten je
nach Umständen zu bewegen hätten. Ein irgend bedeutend größerer Alkaligehalt als in
Nr. 2 würde, selbst abgesehen von der Vertheuerung, nicht verfehlen, auf die
Resistenzfähigkeit des Glases nachtheiligen Einfluß auszuüben. Im Interesse wärmerer
Färbung des Glases wäre es vielleicht gerathen, an Stelle von Soda Glaubersalz mit
geringem Kohlenüberschuß, also etwa für 50 Theile Soda 67 bis 70 Theile Glaubersalz –
selbstverständlich calcinirtes – und 7 bis 7 1/2 Theile Holzkohle zu
verwenden, für ökonomisch wesentlich halte ich solches, nach meinen bisherigen
Erfahrungen, unter den eigenthümlichen Verhältnissen unserer Hütten, so z.B. dem
theuren Transport, nicht.
Bietet nun, wie aus dem Vorstehenden ersichtlich ist, die Verschmelzung des Rapakiwi
auf Bouteillenglas keine Schwierigkeiten, und vermag man auf diesem Wege ein gutes
Glas zu liefern, so entsteht andererseits die Frage, ob die Verwendung dieses
Gesteines vom ökonomischen Standpunkte aus gerathen ist.Höchst wahrscheinlich wird unser Granit, Gneus
etc. dieselben Dienste leisten wie der russische Rapakiwi. Die
Alkali-Ersparung auf dem angegebenen Wege ist freilich für Rußland,
wo Glaubersalz und Soda sehr hoch im Preise stehen, wichtiger als für
uns.A. d. Red.
Das Material, an und für sich billig, ja fast werthlos, bietet die Unbequemlichkeit,
zerkleinert werden zu müssen, und wenn nun solches auch leicht ausführbar, da der
Rapakiwi, wie bekannt, bröcklich und weich ist, so lehrt doch schon die bei uns, wie
auf älteren Hütten, meist übliche Verwendung gebrannten und an der Luft zerfallenen
Kalkes, an Stelle mechanisch zerkleinerten rohen Kalksteines, – welch'
letzterer durch seine Kohlensäure die Bewegung im Schmelzhafen heilsam steigert
– daß unsere Etablissements die Zerkleinerung durch Maschinen möglichst
vermeiden, vielleicht für zu kostspielig halten. Ob aber das Minimum von Alkali in
der von den Bouteillenhütten meist benutzten ausgelaugten Holzasche nicht sehr
theuer bezahlt, und dadurch das Gemenge, trotz scheinbarer Billigkeit, höher zu
stehen kommt, als die obigen aus gemahlenem oder in einem einfachen Kollerwerk
zerquetschten Rapakiwi und Kalk plus Soda, ist noch sehr
die Frage, und kann nur durch vergleichende Versuche bestimmt werden.
Hiernach darf eine andere Frage nicht außer Acht gelassen werden. Die in der
Pflanzenasche vorhandenen Phosphate können auf das Bouteillenglas, wenn sie in
dasselbe übergehen, da sie selbst in verdünnter Essigsäure löslich sind, nur
schädlich wirken. Auffallenderweise ist bisher die Phosphorsäure in solchem Glase
nie nachgewiesen worden, ist aber, wo Asche verschmolzen worden, stets vorhanden,
und es scheint mir sogar wahrscheinlich, daß die von Dumas, namentlich an Grünglas beobachtete „amorphe
Entglasung,“ die bekannte Trübung des Glases durch sie, unter
geeigneten Umständen veranlaßt, dem Phosphatgehalte des Glases zuzuschreiben
ist.
Während also ein Phosphatgehalt des Bouteillenglases aus mehrfachen Gründen möglichst zu vermeiden
ist, könnten die hier schädlichen Salze nützliche Verwendung in der Landwirthschaft
finden. Mag der Gehalt der Asche an ihnen immerhin kein auffallend großer seyn, die
von einer einzigen Hütte vergeudeten Mengen könnten manches Faß Knochenmehl
ersetzen, und würden – wenigstens meinem Dafürhalten nach – geeigneter
verwendet, wenn der Producent sie auf Feld und Wiese führte, anstatt sie für einen
Bagatellbetrag den Hütten zum Verschmelzen zu überlassen.
Mag. chem.H. E. Benrath.