Titel: | Ueber die Darstellung und die Eigenschaften des Chloralhydrats; von J. Personne. |
Fundstelle: | Band 195, Jahrgang 1870, Nr. XCIV., S. 350 |
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XCIV.
Ueber die Darstellung und die Eigenschaften des
Chloralhydrats; von J.
Personne.
Aus den Comptes rendus, t. LXIX p. 1363; December
1869.
Personne, über Darstellung und Eigenschaften des
Chloralhydrats.
Im November 1869 hielt ich in der Académie de
Medicine einen kurzen Vortrag über die Eigenschaften des Chloralhydrats und
über die im thierischen Organismus vor sich gehende Umwandlung dieses Körpers in
Chloroform. Ich bemerkte bei dieser Gelegenheit, daß das Chloralhydrat bei ungefähr
+ 45° C. schmilzt und bei einer 100° nahe kommenden Temperatur
destillirt.
In einer der Akademie der Wissenschaften überreichten und am 29. November in der
Akademie der Medicin vorgetragenen Mittheilung beschrieb Roussin
In diesem Bande des polytechn. Journals S.
149. die Eigenschaften eines seiner Angabe nach reinen Chloralhydrats. Das von ihm
dargestellte Präparat schmilzt erst bei + 56° C. und siedet bei 145°.
Roussin behauptet, daß er mittelst gewisser
Abänderungen des Dumas'schen Verfahrens zur Darstellung
von Chloralhydrat eine weit reichlichere Menge eines sehr reinen Productes erhalten
habe. Seiner Angabe nach verursacht die Operation, wenn dieselbe so weit getrieben
wird daß man wasserfreies Chloral erhält, einen beträchtlichen Verlust und veranlaßt
die Bildung secundärer Producte, welche sich später nur schwierig beseitigen
lassen.
Da ich das von Dumas in seinem Traité de Chimie générale
Deutsche Bearbeitung von Alex und Engelhart, Bd. V S. 579. beschriebene Verfahren genau befolgt, da mir dasselbe eine reichliche
Ausbeute gegeben hatte, und kein Grund vorliegt, die Reinheit meines Präparates zu
bezweifeln (ich hatte dasselbe durch Hydratisiren von reinem, mehrfach über
concentrirter Schwefelsäure rectificirtem und bei der constanten Temperatur von 96
bis 98° siedendem Chloral, sowie auch von solchem erhalten, welches durch
Destillation aus dem unlöslichen Chloral gewonnen war), so wurde ich durch die
Differenz unserer beiderseitigen Resultate überrascht und suchte die Ursache
derselben zu ergründen. Diese Arbeit bildet den Gegenstand der vorliegenden
Mittheilung.
Zunächst bemerke ich, daß Roussin's Operationsweise nicht
so vortheilhaft ist, als er zu glauben scheint; die nachstehenden Zahlen liefern den
Beweis dafür.
Aus 500 Grm. absolutem Alkohol erhielt er 400 Grm. seines angeblichen Chloralhydrats,
einer Ausbeute von 80 Procent entsprechend.
Ich erhielt bei Anwendung des Dumas'schen Verfahrens aus
2,7 Kilogrm. absolutem Alkohol, wie derselbe im Handel vorkommt, 5 Kilogr. reines
Chloralhydrat, also einen Ertrag von 185 Procent. Demnach erhielt ich mittelst der
Methode welche Roussin abzuändern gesucht hat, eine mehr
als zweifache Ausbeute.
Ich gehe nun auf die hauptsächlichsten Eigenschaften der erhaltenen Producte
über.
Das reine, auf trockenem Wege (durch Schmelzen) krystallisirte Chloralhydrat bildet
eine harte, nur schwierig zerreibbare Masse von krystallinischer Structur, welche
den penetranten, wenn auch sehr abgeschwächten Geruch des wasserfreien Chlorals und
einen scharfen Geschmack besitzt; dasselbe fühlt sich zwar rauh an, wenn es aber
zwischen den Fingern gerieben wird, so löst es sich in der von der Haut perspirirten
Feuchtigkeit und fühlt
sich dann wie ein flüssiges Fett an. In Wasser ist es sehr leicht löslich; es löst
sich in demselben wie Zucker, indem es Schlieren oder Streifen bildet, welche sich
nach dem Boden des Gefäßes hinabziehen; aus der Luft zieht es ziemlich stark
Feuchtigkeit an. Bei 46° C. schmilzt es und bei 96 bis 98° destillirt
es ohne Rückstand. Diese Temperatur wurde beim Destilliren von mehr als 4 Kilogr.
Substanz niemals überschritten.
Das Präparat hingegen, welches ich der Güte des Hrn. Roussin verdanke, bildet ziemlich lange und
ziemlich voluminöse durchsichtige Krystalle, welche das zuckerartige Ansehen meines
Präparates nicht besitzen. Dieser Körper läßt sich zwischen den Fingern zerreiben
wie die Krystalle von Stearinsäure oder von Cetin, fühlt sich auch ebenso fettig an,
wie diese, zerfließt aber nicht zwischen den Fingern. Sein Geruch ist schwach und
ätherartig; sein Geschmack ist anfangs süß, später etwas scharf. Aus der Luft zieht
er nicht merklich Feuchtigkeit an; in Wasser löst er sich sehr langsam; mit Wasser
erhitzt, schmilzt er zunächst und gibt eine ölige Flüssigkeit, welche dann beim
Umschütteln in Lösung geht. Nach Roussin's Angabe
schmilzt er bei 56°, nach meinen Versuchen aber genau bei 50°; sein
Siedepunkt ist nach Roussin 145°.
Diese bedeutenden Differenzen in den physikalischen Eigenschaften lassen von
vornherein vermuthen, daß sie zwei verschiedenen Körpern angehören, was auch durch
die Ergebnisse der Analysen bestätigt wird.
Das reine Chloralhydrat enthält 64,35 Procent Chlor. Das von mir nach dem Verfahren
von Dumas dargestellte Präparat gab 63,79 Proc. (0,370
Grm. angewandter Substanz gaben 0,954 Chlorsilber). Roussin's Product hingegen gab nur 54,89 und 54,86 Proc. I. Substanz0,477;erhaltenesChlorsilber1,057.II. „0,707;„„1,568. Schon diese Zahlen beweisen, daß die beiden Präparate verschieden sind und
daß der von Roussin dargestellte Körper kein
Chloralhydrat ist.
Hierdurch sah ich mich veranlaßt zu untersuchen, ob das Roussin'sche Präparat nicht Alkohol enthalte. Zu diesem Zwecke behandelte
ich eine wässerige Lösung desselben mit Aetznatron; nachdem ich dann alles gebildete
Chloroform vermittelst gelinder Wärme verflüchtigt hatte, unterwarf ich die
Flüssigkeit wiederholten Destillationen und es gelang mir bei Befolgung des
Verfahrens von Berthelot vermittelst krystallisirtem
kohlensaurem Kali aus 20 Grm. Substanz eine ziemlich beträchtliche Menge von sehr
concentrirtem Alkohol zu isoliren. Hiernach war kein Zweifel mehr möglich; der von
Roussin dargestellte Körper ist kein Chloralhydrat, sondern eine
Verbindung von wasserfreiem Chloral mit Alkohol, eine Art von Acetal.
Diese Schlußfolgerung wurde auch durch die Synthese bestätigt. Setzt man zu 50 Grm.
wasserfreiem Chloral 14,25 Grm. oder 1 Aequiv. absoluten Alkohol, so wird eine
beträchtliche Wärmemenge frei, ebenso wie beim Versetzen von wasserfreiem Chloral
mit Wasser. Beim Erkalten krystallisirt die Masse und gleicht dem von Roussin dargestellten Präparate zum Verwechseln; wird
endlich das Product stark ausgepreßt und dann destillirt, so zeigt es die
sämmtlichen oben angegebenen Eigenschaften des von Roussin erhaltenen angeblichen Chloralhydrats. Es besitzt denselben
ätherartigen Geruch und denselben Siedepunkt, verhält sich in gleicher Weise gegen
Wasser u.s.w.